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2.

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Kumaragupta hörte, wie der Hund knurrte und dann ein heiseres Bellen ausstieß. Er zuckte zusammen und fluchte, dann dämmerte ihm eine schreckliche Ahnung. Entweder schlichen Mörder oder Diebe ums Haus – oder es war dieser Bringer des Unglücks, der von Kali dreimal verfluchte Bahadur Charan, der nicht eine lausige Rupie im Gürtel hatte und es wagte, seine lüsternen Augen auf Sayida zu richten.

Kumaragupta sprang auf. Der Hocker fiel klappernd um, die Münzen, die Waage und die Kästchen, mit kostbarer Einlegearbeit verziert, klirrten und kippten auf die Tischplatte.

„Dieser Höllenhund!“ keuchte der dicke Kaufmann und sprang zum Fenster. Er starrte wütend hinunter in den Innenhof, der von drei blakenden Öllämpchen schwach beleuchtet war. In der Mitte des kleinen Vierecks stand der Hund, zerrte an der Kette und knurrte in die Richtung des Durchganges zur Straße.

„Wer ist da?“ schrie Kumaragupta. Seine Stimme überschlug sich. Er glaubte, leichte Schritte zu hören. Das konnte nur Sayida sein.

„Keiner gehorcht mir“, keuchte Kumaragupta, riß an seinem Turban und schrie dann: „Thapa! Wo bist du? Einbrecher treiben sich herum. Uday! Komm her!“

Tauben gurrten erschreckt, der Hund fing zu kläffen an, irgendwo kicherte jemand, aber die Diener rannten nicht herbei. Der Wachhund hörte nicht auf zu knurren und zu bellen.

Auch die Nachbarn rührten sich nicht. Wahrscheinlich schliefen sie alle. Oder sie wollten sich nicht darum kümmern, ob er beraubt oder grausam ermordet wurde. Der Kaufmann dachte an sein Geld, an die Ehre seiner Familie und die Unschuld seiner Tochter. Wo war ihre Mutter, bei der blutigen Kali?

Er drehte sich um, seine Augen huschten durch das Zimmer. Er sah nichts, das er als Waffe gebrauchen konnte, um den Eindringling zu vertreiben. Wenn es Charan war, dann genügte … Er bückte sich, zerrte unter der Liegestatt eine flache Kiste hervor und wühlte darin.

Er fand einen langen, rostigen Säbel und die Peitsche, die er einmal auf der Karawanenstraße gebraucht hatte. Seine Aufregung war größer als die Angst, und aus dem Inneren des Hauses glaubte er gefährliche Geräusche zu hören.

„Wo ist diese schamlose, ungehorsame Tochter?“ zischte Kumaragupta und riß den Säbel an sich. Er rannte im Zimmer hin und her, halb kopflos, klappte die Geldtruhe zu und lief dann mit klappernden Pantoffeln die Lehmziegeltreppe hinunter.

Wo steckten die dreimal von Shiva gestraften Diener? Niemand ließ sich hören, keiner war zu sehen. Nur die flackernden Flammen der Lämpchen brachten zusammen mit den zitternden Schatten Bewegung in die Stille um Mitternacht. Der Hund knurrte noch immer.

Kumaragupta stieß die knarrende Tür auf und war mit fünf Schritten bei seinem Kettenhund. Er hob den Säbel und blickte sich wild um. Der gemauerte Eingang mit dem verzierten Rundbogen lag im tiefen Schatten.

Zögernd richtete er seine Schritte darauf und rief: „Zeig dich, du Feigling!“

Nichts geschah. Wieder wagte der Kaufmann ein paar Schritte. Jetzt spürte er wieder seine fünfzig Jahre und das Fett seines Körpers. Kurzatmig ging er bis zum Türbogen und hielt mit zitternden Fingern den Säbel mit der ausgestreckten Hand vor sich hin. Die Spitze beschrieb in der Dunkelheit kleine Kreise. Hinter ihm, vor den Fenstern, klapperten Läden.

Ein harter Schlag traf die Waffe und prellte sie ihm aus den Fingern. Klirrend fiel sie auf den festgestampften Lehm. Dann packte eine Hand das Hemd des Kaufmanns, drehte es zusammen und schob den Mann rückwärts zurück in den Hof.

Als Kumaragupta erkannte, wer ihn bedrohte, keuchte er ein paarmal und fauchte: „Kein Einbrecher also! Natürlich Bahadur Charan, der Soldat der Stadtwache.“

„Ja. Ich will mit deiner Tochter sprechen.“

Bahadur ist so jung und schlank, schwarzhaarig und gutgläubig, wie ich vor dreißig Jahren, dachte der Hausherr verzweifelt. Aber seine einzige heiratsfähige Tochter sollte einen reichen Mann haben. Er wußte längst, wer es sein würde.

Er zerrte an dem kräftigen Handgelenk, und Bahadur lockerte seinen Griff. Der Kaufmann stolperte rückwärts und trat den Hund. Das Tier jaulte auf und schnappte nach seiner Wade.

„Du wirst mit niemandem sprechen. Auch nicht mit mir!“ fuhr der Kaufmann den anderen an. „Sieh zu, daß du verschwindest.“

Der Schmerz in der Wade ließ den weißhaarigen Inder wütend werden. Jetzt gelang es ihm, die Hand wegzureißen. Wie zwei Kobras, die ihre Köpfe hoch aufgereckt haben, standen sie sich gegenüber und starrten sich haßerfüllt an.

„Ich sage dir, du sollst verschwinden!“ rief der Kaufmann und stieß den aufgeregten Soldaten gegen die Schulter.

„Warum? Ich will nicht mit dir reden, alter Kaufmann“, sagte Bahadur und drehte die Enden seines schwarzen Schnurrbartes nach oben.

„Auch mit meiner Tochter sprichst du kein Wort!“ schrie der Kaufmann zurück. „Sie ist so gut wie verheiratet. Aber nicht mit dir, du Habenichts.“

Ununterbrochen knurrte der Hund und zerrte an der klirrenden Kette.

„Und wenn du vor Wut umfällst, bei allen Göttern, deine Tochter Sayida und ich, wir lieben uns. Seit fünf Jahren. Du weißt es, deine arme Frau weiß es, die halbe Stadt weiß es. Sie wird den anderen nicht lieben und er sie auch nicht, ihr reichen Geldsäcke.“

Sie schwitzten in der Hitze der Nacht. Die Luft war unbeweglich und voller Staub. Im Haus rührte sich nichts. Wahrscheinlich wartete jeder darauf, daß der Kaufmann den Soldaten der Stadtwache hinauswerfen würde. Zum letzten Mal. Nur Sayida war anderer Meinung. Sie klammerte sich an die Sprossen des Fensters und lauschte jedem Wort.

„Wen du liebst, ist mir so gleichgültig wie das Wetter von morgen“, keifte der Kaufmann.

„Ich hole sie mir, und wir fliehen irgendwohin“, sagte der Soldat. Er beherrschte sich noch immer und schrie nicht, wie es der Kaufmann tat. Unversöhnlich standen sie sich gegenüber.

„Eher bringe ich meine eigene Tochter um“, sagte Kumaragupta. Seine Stimme war schrill, aber schwach.

„Vorher laufe ich mit ihr weg. Ich liebe sie. Ich werde ihr ein guter Mann sein.“

Der Kaufmann rammte dem Soldaten den Griff der Peitsche gegen die Schulter.

„Morgen werde ich sie verheiraten. Dann kannst du um andere Häuser schleichen.“

„Dann hole ich sie mir im Morgengrauen“, sagte Bahadur. „Sie wird mich heiraten und sonst niemanden.“

Er stieß den Kaufmann zurück, drehte sich um und eilte auf die Straße hinaus. Der Hund hörte zu knurren auf, und Kumaragupta ließ die Arme sinken. Der hartnäckige Liebhaber war verschwunden, wenigstens für den Augenblick. Als der Kaufmann zur Treppe zurückging, packte ihn eine plötzliche Schwäche. Er setzte sich auf die zweite Stufe und wischte den Schweiß aus dem Gesicht.

„Was soll ich nur tun?“ jammerte er im Selbstgespräch. Der Hund, die Schatten, die Körbe und Kisten im Hof drehten sich vor seinen Augen. Er wußte, daß sich Sayida und Bahadur seit ihren Kindertagen kannten. Aber er wußte auch, daß ihm der reiche und mächtige Karawanenbesitzer Grama Jahangir eine riesige Mitgift zahlen würde, denn seine Tochter war eine junge Frau von ausgesuchter Schönheit. Und der Zusammenschluß der beiden Familien würde beide, Händler und Karawanenbesitzer, noch reicher werden lassen.

Kumaragupta glaubte nicht, daß der Soldat aufgeben würde.

„Und niemand hilft mir“, stöhnte er.

Die heiße Nacht lagerte wie ein nasses Leichentuch über Tiruvanaantapuram. Die Leute schnappten alle über, und wenn wieder der Regen über die Stadt rauschte, dann verkrochen sie sich in ihre wirren Träume und benahmen sich wie eine Horde verrückter Affen.

Und der Verrückteste von allen war und blieb der junge Soldat. Wenn er tatsächlich die Braut eines anderen raubte, würde ihn die Blutrache treffen und, wenn er nicht spurlos verschwand, durch das ganze Land verfolgen.

Und wo trieben sich Thapa und Uday herum? Der Kaufmann stemmte sich stöhnend in die Höhe und stapfte schweratmend die Treppenstufen hinauf, bis er vor seinem Tisch seufzend auf den gepolsterten Hocker fiel.

In den Zimmern der Frauen war es ruhig geworden. Der Kaufmann griff nach einem Krug, schenkte sich einen silbernen Becher voll Reiswein und trank ihn in drei Schlucken leer.

Bahadur Charan würde zurückkehren. Vielleicht sogar mit ein paar seiner bewaffneten Genossen, die ihm halfen, die Braut zu stehlen.

Grama Jahangir, der zukünftige Bräutigam, bald sein Schwiegersohn, würde helfen müssen.

Nachdem der Kaufmann ein dutzendmal nach seinen Dienern gerufen und sich in immer größere Wut hineingesteigert hatte, verließ er sein Zimmer, riß eine Fackel aus dem Ständer, zündete sie an der Öllampe im Hof an und ging, so schnell er konnte, fluchend durch die Gassen der Stadt. Grama würde ihn auslachen. Sein Haß auf Bahadur wuchs mit jedem Schritt.

Die Stadt zog sich vom Meer entlang einiger Straßen zweitausend Sehritte weit ins Land hinein. Dreihundert Häuser, Lagerhallen und Tempel, Paläste und die Wohnhäuser der fremden Händler und Kapitäne, meist hinter hohen weißen Lehmmauern, standen abseits der Straßen oder zwischen Nebengassen und schmiegten sich dem Verlauf der niedrigen Hügel an.

Die Küste sprang annähernd dreieckig zurück, und an einigen Stellen hatten die Fremden dicke Baumstämme ins Meer versenkt und dahinter Steine und Erdreich aufschütten lassen. Dort standen auch die Ladebäume mit ihren Blöcken und den vielen Tauwerkrollen.

Einige strohbedeckte, langgezogene Schuppen versteckten sich hinter den Palisaden. Die größten und saftigsten Bäume gab es in den Gärten der weißhäutigen Fremden, und auch ihre Schiffe waren größer als jede Dhau, die hier anlegte.

Reisende Händler hatten die Nachrichten vom schwarzen Tod gebracht, der an anderen Ufern die Bewohner ganzer Siedlungen dahingerafft hatte.

Bisher war die Stadt von dieser Seuche verschont geblieben. Jeder fürchtete sie, und die Stadtwachen kontrollierten die Bauern aus der Umgebung, die ihre Waren zu den Märkten brachten. In diesen letzten Tagen und Nächten geisterten Gerüchte durch die Stadt. Überall versammelten sich Gruppen, die miteinander flüsterten und sich ängstlich duckten, wenn Soldaten vorbeigingen.

Rechter Hand, vom Hafenplatz unter den gewaltigen Bäumen aus gesehen, wo die Bucht begann, ließen die fremden Händler einen mächtigen Turm bauen. Er war erst zu einem Drittel fertig. Viele Steinquader bildeten das Fundament, das tief im Lehm und auf gewachsenem Fels stand. Darüber zogen sich dicke Mauern aus gebrannten Ziegeln hin.

Eine breite Straße, auf der sich während der Bauzeit viele Menschen und Gespanne hin und her schleppten, verlief entlang des Wassers, nur von einer Mauer mit kantigen Aussparungen vom Wasser getrennt. Wenn die Sturmwellen hoch gingen, spritzte das Wasser auf die gepflasterten Plattformen dahinter.

Mehr als dreihundert Familien mit ihren Dienern hatte man vor kurzer Zeit gezählt. Die Stadtältesten und der Stadthalter der Mogulherrscher hatten ihre Häuser auf der Kuppe des Hügels und an dessen Hängen, so daß sie aus den Fenstern jedes Schiff sehen konnten, das sich von See her näherte.

Die Stadt war nicht reich und nicht arm, eine Siedlung, die durch den Handel – alle Arten von Handel – in ein paar Jahren reich sein würde – wenn nicht der Schwarze Tod eingeschleppt wurde.

Die Gerüchte sagten, daß es nur die Schiffe der Fremden wären, auf denen die Pestkranken segelten. Sie brachten das Unheil. So war es immer gewesen, seit man zurückdenken konnte.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 680

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