Читать книгу Verborgenes Familiengeheimnis - Sebastian Görlitzer - Страница 4
Kapitel 1
ОглавлениеDer Sportunterricht in der neunten Klasse war in vollem Gange. Das Volleyballspiel wurde vorbereitet, zwei Teams gebildet und wieder einmal war es Mark, der in keine der beiden Mannschaften gewählt wurde. Enttäuscht ließ er sich auf die Bank nieder, bereit das Spiel vom Rand aus zu verfolgen. Oft glaubte er anders als die Jungen, die er kannte, zu sein. Irgendwie schien er mit dem Fach Sport auf Kriegsfuß zu sein. Abgesehen vom Sportunterricht, war er ein begabter Schüler. Immer bemüht, in der Schule gute Noten zu schreiben und mit seinen Mitschülern mithalten zu können. Laut seiner Lehrer war er im praktischen Bereich ungeschickt, dafür aber in den theoretischen Fächern wie Mathe umso schlauer und könnte, wenn er nicht gerade der Außenseiter der gesamten Klasse wäre, manch einem seiner Mitschüler bereitwillig Nachhilfeunterricht geben. Stattdessen bekam er zu spüren, dass er in der Klasse nicht willkommen war und niemals dazu gehören würde, egal welche Mutprobe er bestehen würde.
Mark war bei seiner Tante aufgewachsen und von ihr bekam er Moral und Anstand beigebracht, genauso die Dinge die das Leben prägen und die wichtig für den Umgang miteinander sind. Sie konnte ihm zwar die Eltern nicht ersetzen, die doch so wichtig waren, dennoch durfte er von ihr in vollem Maße Geborgenheit und Liebe erfahren. Sie kochte ihm sein Lieblingsessen, gab ihm die Gute Nacht Küsse, die er von seinen Eltern abends nicht bekam. Er kannte sie nicht einmal. Seine wichtigste Bezugsperson war seine Tante. Weder wusste er Aufenthaltsort oder ob seine Eltern noch lebten. Damals war er noch zu klein. Was damals passiert war, wusste nur seine Tante. Die sprach aber nicht darüber und schwieg.
Der Sportlehrer gab mit seiner Trillerpfeife den Beginn des Spiels bekannt. Marks Blicke schweiften durch den riesigen Raum und fixierten Jennifer, kurz Jenny genannt.
Sie war sein heimlicher Schulschwarm. Wie er sie unbewusst viel zu lange in ihrer Bewegung beobachtete, fiel ihm auf, wie toll sie in ihrem sportlichen Outfit aussah.
Ihre langen blonden Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammen gebunden, bekleidet mit einem roten Top und einer kurzen rosa Hose, stand sie auf dem Spielfeld. Sie war sportlich, flink und hatte ein Geschick im Spiel jederzeit spontan zu reagieren. Das ganze Gegenteil von Mark, der immer noch in Gedanken versunken war. Sonst hätte er den Ball, der plötzlich in seine Richtung flog, rechtzeitig bemerkt und wäre rechtzeitig ausgewichen. Es war zu spät. Der Ball eilte auf ihn zu und ließ seinen Kopf mit einem harten Schlag gegen die Wand knallen, an der er sich gerade noch mit dem Rücken angelehnt hatte.
Mark hielt einen Moment inne, ihm wurde schwarz vor Augen und anschließend überkam ihm die Bewusstlosigkeit. John, der den Ball, wie sich herausstellte, bewusst in Marks Richtung spielte, setzte eine Unschuldsmiene auf. Der Typ war sozusagen das Alpha Tier der gesamten Klasse und unter seiner Diktatur gehorchten ihm die Mitschüler. Alle bis auf Mark. Denn der hatte seinen eigenen Kopf. Er dachte nicht daran, sich einem einzigen Mitschüler zu unterwerfen, möge es auch bedeuten, dass er der Außenseiter blieb.
Jenny und gleichzeitig auch der Lehrer eilten zu Mark, um zu sehen wie es ihm ging. Regungslos lag er auf dem Boden. Nachdem er mit dem Kopf gegen die Wand schlug, rutschte er bewusstlos von der Bank und blieb liegen.
Er realisierte nicht mehr, was um ihn herum geschah. Manche Mitschüler grölten vor purer Schadenfreude. Andere standen wortlos und entsetzt auf dem Spielfeld. Der Lehrer hatte Mühe die aufgebrachten Schüler zu beruhigen und für Ruhe zu sorgen. Als das Pfeifen und Brüllen endlich verstummte, rief er mithilfe seines Handys den Notarzt. Jenny hockte die ganze Zeit neben Mark und schaute abwechselnd zu ihm und zu John. Sie wusste, wie eifersüchtig ihr Freund sein konnte und ahnte schnell, dass der Ball von ihm angespielt wurde. Der stand mit einem abwechselnden Mienenspiel, wie Jenny zu ihm sah, gespielt unschuldig und wenn sie wegschaute, mit einem siegessicheren Lächeln auf seinem Platz.
Und doch war er, wie Jenny sich um Mark kümmerte, geradezu eifersüchtig. Sie war verwirrt. Würde John wirklich aus Eifersucht so weit gehen? Egal ob er oder die anderen Mitschüler Mark akzeptierten oder nicht und egal was das für ein Gefecht zwischen ihnen war, aber das ging eindeutig zu weit. Sie beschloss nach dem Unterricht mit ihm zu reden.
Im Moment war es wichtiger, dass Mark ärztliche Hilfe bekam. Herr Stern, der Sportlehrer, brachte gerade einen kalten, feuchten Lappen, den er Mark auf die Stirn legte und ein Handtuch, das er ihm unter den Kopf schob. Jenny wechselte regelmäßig das feuchte Tuch und ließ ihn dabei nicht aus den Augen. Es dauerte eine halbe Stunde bis der Krankenwagen eintraf.
Zwei Sanitäter in Begleitung des Notarztes, welcher eine schwarze Arzttasche mit sich schleppte, eilten gerade in die Turnhalle. Nach kurzer Erklärung was passiert war, untersuchte der Notarzt den Verletzten, der noch immer regungslos auf dem Boden lag. In ruhigem Ton meinte der Arzt anschließend:
„Er muss ins Krankenhaus, um dort weiterbehandelt zu werden..“
Sofort holten die Sanitäter eine Trage für den Transport des Patienten, welcher in diesem Moment wieder zu sich kam. Er versuchte sich aufrecht hinzusetzen und als er halb benommen Jenny vor sich erkannte, war ihm seine Situation sofort unangenehm. Das durfte nicht wahr sein. Sie, in die er heimlich verliebt war, saß vor ihm und er fühlte sich schwach und matt. In welchen schlechten Film ist er da nur geraten, dachte er. Er war bemüht die Kraft in seinen Beinen zu spüren und als er endlich stand, versuchte er vorsichtig ein paar Schritte zu gehen. Doch er torkelte nur unvorsichtig herum.
„Es geht schon, mir ist nur etwas schwindlig.“, entschuldigte er sich. Aber als er merkte, wie ihm die Beine nachgaben, bat ihn Jenny, sich doch wieder hinzusetzen. Also gab er auf und setzte sich, wie ein braver Junge wieder hin. Auf direktem Weg wurde Mark ins nahe gelegene Krankenhaus gebracht, wo sich die Ärzte weiter um ihn kümmerten. Aufgrund einer leichten Gehirnerschütterung, so die Diagnose der Ärzte, musste er ein paar Tage im Krankenhaus bleiben.