Читать книгу Silverstorys - Bedtimestorys - Sebastian Schocke - Страница 3

Turm der Liebenden

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Es gab da dieses Mädchen, Lucy. Sie lebte in einem kleinen Dorf. Eine kleinere beschaulichere Gemeinde. Es waren zwar genug Einwohner, dass nicht unbedingt jeder jeden kannte, doch zu wenige um mit den anderen Städten in der Ferne mithalten zu können. Das brauchte auch niemand. Es war eine eher friedvolle Zeit. Jeder ging so seinen Tätigkeiten nach und war mit dem zufrieden, was er oder sie hatte. Nur ab und wann zog es einen Anwohner mal in die Ferne, denn wer Hektik, Stress oder die bloße Aufregung einer Großstadt suchte, war dort am völlig falschen Ort. Nichts in der Richtung würde man dort finden, es sei denn man verursachte so etwas selbst. Allerdings war das nicht sonderlich empfehlenswert. Denn damit würde man bei den meisten einfach nur unangenehm auffallen.

Womit wir wieder bei diesem kleinen Mädchen sind, Lucy. Sie hatte etwas an sich, dass Sie zu etwas Besonderem machte. Natürlich ist jeder Mensch auf die eigene Art und Weise etwas Besonderes, doch das war in diesem Fall nicht gemeint. Nein, Sie war nicht nur besonders auf ihrer Art. Sie trug ein Mahl. Es befand sich seit ihrer Geburt auf ihren linken Unterarm. Dieses Mahl, zeichnete Sie. Es war keine Narbe, auch wenn manche dies gerne behaupteten. Auch tat es ihr nicht weh, wenn Sie die Stelle berührte oder etwas dagegen stieß. Zumindest nicht mehr als an jeder anderen Stelle. Für Sie war es eine einfache Verfärbung, nichts weiter.

Diese Einstellung war jedoch nicht wirklich verbreitet. Es war für viele eher ein Grund, Sie zu meiden. Manche Eltern hatten Angst, es sei ein Leiden, dass sich kein Arzt erklären könne und es wäre dann auch möglich, dass die eigenen Kinder angesteckt werden würden. Auch wenn das natürlich völlig an den Haaren herbeigezogen war. Andere mieden einfach nur, dass, was anders war, hatten vielleicht kein großartiges Problem damit, mussten aber nichts riskieren und schalteten deshalb auf Ignoranz. Das machte die Lage für Lucy natürlich teilweise etwas schwierig, denn wie Kinder ebenso sind, ließen viele sich von dem Verhalten anstecken und machten es ihren Eltern nach.

Jetzt könnte man natürlich glauben, dass Lucy damit ein Problem hatte und tief unglücklich in diesem kleinen Dorf lebte. Aber nein, dem war nicht so. Sie unterschied sich auch in vielen anderen Punkten von den anderen Kindern, nicht nur in ihrem liebenswerten Charakter, nein, sie hatte noch viel mehr an sich. So nutzte Sie diese Situation um ihren eigenen Weg und ihre eigene kleine Welt zu entdecken. Sie hatte nämlich etwas Wunderbares, dass bei ihr stärker ausgeprägt war, als bei allen anderen, etwas dass jeder Mensch haben kann, es mit dem alter jedoch immer mehr verloren geht. Fantasie.

So spielte sie verträumt ihre eigenen Spiele, was allerdings seltener vorkam, denn viel lieber als sinnlos durch die Gegend zu laufen, schwebte sie in Gedanken davon. Wenn sie die Wolken sah, dachte Sie nicht daran, dass es vielleicht irgendwann einmal regnen könnte oder wie groß oder klein diese waren. Sie wollte eher wissen, woher kamen sie, an welchem Ort entstanden sie. Wenn der Wind dabei noch zusätzlich mitspielte und sie gespannt den Formen beim Wandeln zusehen konnte, war es endgültig um sie geschehen und sie versank komplett in Gedanken.

Es gab in dem Dorf außerdem jemanden, der sie mehr verstand, als alle anderen. Ihre Mutter, sie war gleichermaßen die beste Freundin von Lucy. Mit ihr zusammen lebte sie in dem kleinen Dorf, schon seit ihrer Geburt. Daher machte es auch keinen Sinn ihr Mahl zu verstecken, es wusste doch eh jeder Bescheid. Außerdem mochte Lucy das nicht, denn sie fand es war ein Zeichen, ein Symbol dafür, dass sie einzigartig war. Ihre Mutter verstand das. Sie und Lucy waren mehr als nur ein eingespieltes Team.

Das hatte natürlich Vor-und Nachteile. So war es z.B. nur sehr schwer, etwas, dass eine der Beiden belastete, vor der anderen geheim zu halten. Lucy wusste daher auch, dass Ihre Mutter sich manchmal darüber sorgte, dass Sie so alleine herumlief, auch wenn es ihr wirklich nichts ausmachte. Doch das Band der Beiden war ihr so wichtig, dass Sie daher manchmal bei Versuchen mitspielte, was Gruppentätigkeiten anging. Wie erfolgreich das war, wussten beide aber meist vorab.

Wenige der Erwachsenen oder Eltern, die ebenfalls überhaupt kein Problem damit hatte, was die Kleine auf dem Arm hatte und was nicht, wollten bloßen Gerüchten eh nicht glauben. Doch auch die hatten es nicht sonderlich einfach. Oft war der Einfluss der Menge einfach deutlich größer und die wenigen hatten Angst, sie oder die Kinder könnten ebenfalls dort mit reingezogen werden. Da diese sich nicht so deutlich Unterschieden wie Lucy, war die Angst, die konnten es nicht verkraften, zu groß.

Doch wie schon erwähnt. Es war nun nicht so sonderlich stark, dass man Lucy erniedrigte oder schlimmeres. Sie war ja keine Ausgestoßene. Doch was sie nun war oder nicht war, Lucy interessierte es nicht. Sie ging weiter ihren Weg.

Wäre sie nicht öfter alleine unterwegs, hätte sie zum Beispiel ihren Lieblingsort nie gefunden. Gut, eigentlich wäre es vielleicht so oder so passiert. Immerhin war der Ort nicht so unauffällig, wie man zuerst vermuten könnte. Also wohl nur eine Frage der Zeit. Das war es aber auch wirklich, denn sie musste schließlich auch alt genug werden um den Platz aufsuchen zu dürfen.

Einen schönen Frühlingsmorgen, saß Sie am Fuße des alten Turmes, der außerhalb des Dorfes auf einem kleinen Hügel stand. Er war von ihrem Haus aus in der Ferne zu sehen und weckte ihre Neugierde schon ziemlich früh. Sie konnte es kaum erwarten irgendwann einmal dieses Gemäuer von näherem zu begutachten. Ihr Lieblingsplatz? Nein, das war er nicht. Wobei das nicht ganz stimmt. Bis zu diesem Zeitpunkt war er es noch. Doch danach war der Turm nur noch auf Platz Zwei.

Der Turm hatte für Sie etwas Unerklärliches, ja etwas Mysteriöses. Den genauen Zweck wusste Sie gar nicht. Ob er früher als Aussichtsturm benutzt wurde oder ob man dort wache schob um vor eventuellen Feinden zu warnen. Sie konnte nur vermuten. Aber genau das mochte sie ja. Sie liebte es, sich Geschichten aus zu denken. Das dort oben vielleicht ein geheimer Raum war, mit unerklärlichem. Womöglich mit einem Ausblick, der unvergleichbar war. Herausfinden, würde sie es wohl nie.

Der Turm war schon immer verschlossen gewesen. Zumindest seitdem sie dorthin gehen durfte. Er war sogar nicht nur geschlossen, sondern regelrecht verriegelt und verrammelt. Auch die Fenster, die noch in erreichbarer Höhe lagen, waren mit Brettern dicht zu genagelt. Diese Maßnahmen hatten natürlich ihren Grund. Früher sollen die Türen wohl nur normal zu geschlossen gewesen sein. Doch im Laufe der Zeit, wurde das ausgenutzt. Verschiedene Gruppen von Kindern unterschiedlichen Alters, meist jüngere, hatten es sich als Mutprobe gesetzt nachts dort ein zu brechen und den Turm hinauf zu steigen. Das war natürlich äußerst gefährlich. Deshalb beschlossen die Bewohner des Dorfes, eine entsprechende Gegenmaßnahme zu ergreifen. Sie machten alle Wege komplett dicht, so fest, dass man selbst mit roher Gewalt nicht sonderlich weit kam. Einen Besitzer gab es ja schon länger nicht mehr und daher brauchte auch niemand dort hinein.

Wie gerne würde Lucy dort einen Blick hineinwerfen, hatte aber auch Angst es würde sie enttäuschen. Daher blieb sie einfach bei ihrer Fantasie und es musste zunächst reichen im Schatten zu sitzen und einfach anwesend zu sein.

Lucy genoss die Wärme der Sonne. Zwar war es noch recht früh, doch die Kraft und Energie war bereits deutlich zu fühlen. Sie hatte ihre Mappe dabei, wie in den meisten Fällen. Zusätzlich ausgerüstet mit einem kleinen Bleistift, war sie jederzeit bereit ein wenig zu Zeichnen. Manchmal einfache Bilder von ihrer Umgebung. Andere Male skizzierte sie das was ihr im Kopf herum spuckte. Je nach dem wie ihre Stimmung gerade war.

An diesem Frühlingsmorgen allerdings, konnte sie keine richtige Inspiration finden. Auch der wandernde Schatten des Turmes, den Sie ab und an beobachtete, half nicht. Sie war nicht so richtig in Form. Als eine leichte Brise aufkam und durch ihre schulterlanges Haar wehte, schloss sie kurz die Augen. Der Wind umspielte sie und warf ihr Strähnen ins Gesicht. Sie liebte das Vogelgezwitscher. Doch das war nicht das Einzige was sie hörte. Konnte das etwa? Hörte sie das sonst auch? Warum war Sie nie auf die Idee gekommen? Sie wusste das es nicht weit weg war. Sie war wohl auch schon da gewesen, doch immer in Begleitung ihrer Mutter. Inzwischen war sie doch sicher alt genug. Sie durfte sich ja auch etwas entfernen, nicht allzu weit und sollte darauf achten rechtzeitig vor der Dunkelheit zurück zu sein, doch das sollte doch im Rahmen sein oder?

Langsam stand sie auf und blickte zum Horizont in die Richtung der wärmenden Sonne. Ihre Mappe und ihren Bleistift ließ sie in ihre kleine Tasche gleiten und machte sich auf. Immer der Nase nach, die Richtung musste Stimmen. Immerhin konnte sie es ja auch hören, mehr und weniger.

Es war doch ein größeres Stückchen Weg den sie zurücklegen musste. Das hatte sie so nicht mehr im Kopf. Es war aber auch schon eine gefühlte Ewigkeit her, dass sie dort war, wenn sie denn überhaupt richtig ging. Selbst wenn nicht, wäre es ja auch nicht schlimm, dachte sie sich, dann wäre es einfach ein schöner entspannender Spaziergang gewesen. Doch das lockende Geräusch wurde immer lauter und kaum war sie dem trockenen und erdigen Weg über einen kleinen Hügel gefolgt, sollte dort auch die Bestätigung warten. Vor ihr erstreckte sich eine Bucht, in der Form eines „U“. Sie konnte von der leicht erhöhten Lage weit hinausschauen. Hinaus aufs Meer. Das Dorf lag in ziemlicher Küstennähe.

Lucy war mit ihrer Mutter zwar schon dort gewesen, doch das war ewig her. Warum sie so nicht auf den Gedanken kam, alleine hier mal hin zu gehen, konnte sie sich auch nicht erklären. Ihr Mund war leicht geöffnet und auch wenn sie noch schwache Bilder im Kopf hatte, war der Ausblick doch immer wieder aufs Neue erstaunlich und faszinierend, sodass sie wie versteinert dastand. Ihre Zunge wurde vom leichten Wind, der salzigen Luft ausgetrocknet. Ehe sie den Mund wieder schloss.

Sie brauchte einige Minuten, ehe sie sich wieder einfing. Kurz schüttelte Sie sich. Sie musste Lächeln. Es war ein selten schöner Ort. Auch wenn es kein traumhafter Sandstrand war, sondern mit Felsen übersät , war es für sie nahezu perfekt.

Sie folgte dem erdigen Weg, da dieser den teils steilen Abhang in geschlängelter Form hinunterführte. Sie ging langsam und entspannt die gesamte Bucht entlang. Zwar nah am Wasser, jedoch mit passendem Abstand, denn sie wusste wie stark Wellen sein konnten. Das konnte man schnell unterschätzen und sie war nicht unbedingt scharf darauf von der Kraft des Wassers ins Stolpern zu geraten oder sogar bei den vielen Felsen hin zu fallen und sich damit zu verletzen. Außerdem könnte das bedeuten, dass ihre Mutter dann verbieten würde, dass sie alleine wieder hierherkam. Auch wenn Lucy mittlerweile alt genug war, respektierte sie jedes Wort und würde es nicht wagen, ihr zu wieder sprechen, da sie dann ein zu großes schlechtes Gewissen haben würde.

Ohne Risiko ein zu gehen spazierte sie schließlich am Meer entlang. Es lud gerade dazu ein, ihren Gedanken freien Lauf zu lassen. Es bot noch mehr Möglichkeiten, als der Turm. Geschichten, geheimnisvoll und mysteriös, eine nach der anderen. Was ist dort am Horizont? Was liegt dahinter? Welche Inseln oder Länder? Können jederzeit Schiffe von fremden Orten auftauchen? So viele Fragen.

Sie beobachtete die schreienden Möwen und schritt bis zum anderen Ende der Bucht. Von dort führte eine schmale Landzunge ein Stück raus. Wie ein Stab aus Sand und Gestein, der sich ins Meer bohrte. Am Fuß der Landzungen blieb sie allerdings stehen. Der Wind wurde stärker, doch das machte ihr nichts. Im Gegenteil. Die Luft fühlte sich so klar und rein an, wie kaum eine andere. Auch wenn das natürlich nur etwas Einbildung war, denn das Dorf, lag ja nicht so weit weg und die angenehme Seeluft, war natürlich auch dort vertreten. Stand sie allerdings mitten in der Bucht und spürte das Gefühl nahezu am ganzen Körper.

Ihr neuer Lieblingsort stand nun fest. Lucy wechselte die Orte. Mal war sie am Turm, mal am Meer. Eh nach dem wie ihre Stimmung gerade war, was das Wetter machte und welche Inspiration sie gerade brauchte. Beide Orte hatte sie sich so gut es ging eingerichtet.

Auch am Meer hatte sie so ihre Stelle, an die sie sich mit Vorliebe setzte. Sie war sogar so begeistert, von diesem Ort, das dort ihre besten Ideen entstanden. Auch ihre Mutter konnte die wesentlich stärkere Euphorie heraushören und fertigte ihr sogar eine besondere Decke an, die sie ihr zusätzlich zum Geburtstag schenkte. Diese war ziemlich groß, dünn und doch gemütlich. So wurde diese Gefaltet in einer Tasche, zum stetigen Begleiter, wenn sich Lucy auf den Weg zum Strand machte.

So wuchs die kleine Lucy auf. Übernahm die Wohnung über der ihrer Mutter in einem kleinen Haus. In diesem kleinen Dorf. Das Mädchen, dass etwas anders war. Natürlich waren diese einsamen Ausflüge und die Zeichnungen, die sie dabei anfertigte nicht unbedingt für ihren Status fördernd. Ihr war es zwar ziemlich egal, was die anderen Leute dachten und sie arrangierte sich damit, doch mit dem wachsenden Alter, konnte sie immer deutlicher erkennen, wie viele Probleme so manche Leute mit dem hatten, was nicht so ganz „normal“ war. Was auch immer als „normal“ bezeichnet wurde. Sie fand es schlimm etwas derart zu kategorisieren. Gerade die Dinge, die außergewöhnlich waren, waren doch erst richtig interessant.

Bei all dem fiel ihr auch deutlich auf, dass es oft die Einflüsse von gewissen Personen sind, die das Dorf kontrollierten. Es waren nur wenige. Um genauer zu sein, waren es die, die grob gesagt das sagen über die Gemeinde hatten. Die Anwohner nannten diese kleine Gruppe „den Rat“. Er war so was wie die offizielle Instanz. Wenn es darum ging besondere Entscheidungen, Urteile oder ähnliches zu treffen, suchte man diese auf.

Diese Menschen waren nicht unbedingt „Spießer“. Das Wort war vielleicht etwas hart gewählt. Jeder Mensch hat so seine Meinung. Allerdings war das in dem Dorf relativ schwierig. Gerüchte entstehen überall auf der Welt und jeder kann sie in die Welt setzen. Wenn dies jedoch einer oder sogar mehrere des Rates taten, wurde dies gleich als ungeschriebenes Gesetz festgelegt und für bare Münze genommen.

Lucy interessierte das nicht. Das war ihr alles zu Politisch. Wie schon erwähnt sie war anders. Sie mochte es nicht kontrolliert zu werden oder nach dem Durchschnitt zu leben. Was hatte das für einen Sinn? Ging dabei doch etwas Entscheidendes verloren. Die Fantasie. Zu viele Regeln und vor allem das Richten nach anderen war pures Gift dafür, zumindest empfand Lucy das so. Auch wenn Sie damit etwas anders war.

Doch eines Tages, sollte sich doch noch etwas mehr verändern, als es manchen Leuten in dem kleinen Dorf lieb war. Wie es beinahe anders nicht sein konnte, war diese Nacht sehr stürmisch. Der Wind peitschte mit einer enormen Geschwindigkeit gegen die Wände. In der Kombination mit dem Regen, war es ein Wetter, bei dem man nur sehr ungern draußen unterwegs war. Der so schon dunkle Nachthimmel wurde durch die wild durcheinander wirbelnden Wolken nahezu schwarz.

Lucy bekam bei so einem Wetter oft eine Gänsehaut und ein Gefühl der Geborgenheit. Natürlich nur, wenn sie selbst nicht getroffen wurde. Es war schwer zu erklären, aber sie mochte diese Geräusche. Der Regen wie er draußen plätscherte. Das Wasser, wie es das Dach hinunterfloss. Ebenso den Wind, wenn er sich zwischenzeitig pfeifend meldete. Hörte sie diese Soundkulisse und hatte es selber warm und gemütlich, am besten vor einem kleinen Kaminfeuer oder mit einer kuscheligen Decke, war das für sie enorm entspannend.

Auch in dieser einen Nacht hatte sie sich eingekuschelt. Auch wenn es schon ziemlich spät war, war sie nicht so richtig müde. Sie saß im Sessel, die Füße dicht an sich herangezogen, so dass sie geradeso in die Sitzfläche passte und las ein Buch. Neben ihr stand eine dampfende Tasse Tee. Es war schon der zweite, auch wenn er normalerweise müde machte, half er in diesem Fall nicht besonders. Auch das Buch war gerade so spannend, dass sie es nicht schaffte einfach auf zu stehen und sich ins Bett zu legen. Außerdem war Wochenende. Da durfte man auch mal etwas länger wach bleiben, auch wenn sie am nächsten Tag dann meist etwas weniger zu gebrauchen war.

Ein Geräusch sollte Sie aus der Konzentration bringen. Es war sogar erschreckend, dass Lucy sogar zusammenzuckte. Ein dumpfer Knall war zu hören. Es schien als sei etwas irgendwo gegen geprallt. Lucy senkte das Buch vor ihrem Gesicht und runzelte die Stirn. Sie konnte dieses Geräusch sofort zuordnen, zumindest war sie sich ziemlich sicher, dass es die Haustür war. Verwundert blickte Sie zum Fenster. Es war nahezu schwarz. Nichts war draußen zu erkennen, Außer das Wasser, das gegen die Scheibe geschleudert wurde und entfernt ein paar dunkle Umrisse, die Bäume, wie sie dem Wind ausgesetzt, wild hin und her gedrückt wurden. "War Mutter so spät noch unterwegs gewesen?" Fragte sich Lucy und stand auf. Das war nun doch spannender als das Buch.

Barfuß tapste sie in den Flur und öffnete vorsichtig die Tür zur Treppe. Es knarrte zum Glück nur ganz leise. Vorsichtig schlich sie ein Stück in den kalten Flur. Griff sich dabei direkt unbewusst an die Oberarme und rieb diese leicht. Sie bildete sich ein, dann nicht so schnell zu frieren. Doch dann hatte sie auch dafür keinen Gedanken mehr übrig, denn sie wurde durch Stimmen abgelenkt. Sie gab sich mühe etwas zu verstehen...

"... und ich wollte nicht unhöflich sein." Diese Stimme, Sie war Lucy völlig fremd. Hatte ihre Mutter so spät noch Besuch? Das ist sehr ungewöhnlich. Normalerweise war schon längst Schlafenszeit. "Ach, das ist doch Unfug. Da können sie doch nichts für, dass unser Dorf so penibel ist und zusätzliche Sicherheit ansetzt. Kommen sie erst einmal rein und wärmen sie sich auf." Das war ihre Mutter, da hatte Lucy keinen Zweifel, auch wenn die Stimmen recht dumpf klangen. "Das ist zu freundlich. Ich hatte schon darüber nachgedacht jemanden zu fragen, doch es ist schon eine sehr späte Stunde und da wollte man gewiss auch niemanden stören. Ich wurde auf meinem Weg etwas aufgehalten, das hatte meinen Plan durcheinandergebracht. so spät wollte ich eigentlich nicht hier sein. Vor allem habe ich nicht mit dem Schloss gerechnet, geschweige denn mit solch einer Art Riegel. Ist das wirklich so?" Die Stimmen wurden immer leiser. Es schienen nur zwei Personen zu sein, der Fremde und ihre Mutter. Beide sind wohl in die Wohnung gegangen.

Auch wenn Lucys Neugierde nun völlig geweckt wurde und sie nur zu gern nach unten gehen würde um zu erfahren wer da so spät noch zu Besuch war, rührte sie sich nicht. Sie war da schon etwas schüchtern, außerdem fand sie, dass es komisch wirkte so spät nachts noch nach unten zu gehen. Vor allem musste sie sich erst umziehen, da Sie im Pyjama gewiss niemanden gegenüberstehen wollte, den sie nicht kannte. Nicht zuletzt wollte sie ja nicht so neugierig wirken, was der Fall gewesen wäre.

Sie grübelte noch in paar Minuten, dabei bemerkte sie schließlich, wie kalt es im Flur wirklich war und eilte daher leicht hüpfend zurück in ihre kleine Wohnung. Sie bekam richtige Gänsehaut, als sich die Wärme wieder um sie herumwickelte und sich auf ihre Haut legte. Unbewusst und um sich am besten auf zu wärmen legte Sie sich in ihr Bett, den Tee und das Buch hatte Sie völlig vergessen. In ihren Gedanken stellte Sie sich diverse Fragen. Sagte sich aber auch immer wieder, dass Sie das im Prinzip nichts anging und das Sie nicht so neugierig sein sollte, auch wenn das nur bedingt half. Mit geschlossenen Augen kreisten viele Möglichkeiten um sie herum, bis sie schließlich aus Müdigkeit einschlief.

Am nächsten Morgen war Lucy bereits früh munter. Die Sonne stach mit ihren Strahlen durch die Vorhänge vor den Fenstern und erhellte den Raum. Sie reckte und streckte sich. Dann gähnte sie schließlich noch einmal und stand auf und stellte sich vor das Fenster neben ihrem Bett. Die Sonne schien ihr auf die Haut und ins Gesicht. Es kribbelte etwas. Sie konnte die Energie regelrecht spüren. Der Anblick war ein ganz anderer als noch am Abend zuvor. Der Himmel war klar und blau. Die Bäume standen ruhig und kaum etwas bewegte sich. Der Wind ruhte sich aus. Das Dorf, vor ihrem Fenster, wirkte noch etwas leblos. Es war Wochenende und noch reichlich früh. Es musste wohl erst nach dem Sturm aufwachen.

Lucy machte sich für den Tag fertig. Nachdem Sie sich im Badezimmer frisch gemacht hatte und sich für den Tag angezogen hatte, ging sie nach unten und klopfte an der Tür ihrer Mutter. Natürlich hatte sie die nächtlichen Ereignisse noch nicht wirklich vergessen und war nach wie vor etwas neugierig, aber sie wollte auch so mal wieder zusammen Frühstücken, wie die beiden es gerne am Wochen den taten.

Am frisch gedeckten Tisch, beim Schmieren der Brote und dem trinken des Kaffees, schnitt Lucy das Thema schließlich an. "Wer ist gestern Abend eigentlich noch gekommen?" Ihre Mutter schaute verwundert über den Rand der Tasse hinweg. Die Augenbrauen gingen ein deutliches Stück nach oben. "Oh, dass hast du doch noch mitbekommen? Ich dachte du hast bereits geschlafen." Lucy schüttelte den Kopf. "Nein, ich konnte nicht schlafen und habe deshalb noch etwas gelesen. Dann habe ich nur das Knallen gehört." Ihre Mutter stellte die Tasse wieder ab. "Ja das war meine Schuld. Ich hatte gehofft, dass dich das nicht weckt. Ich habe die Stärke des Windes unterschätzt und da ist mir die Tür aus den Händen geglitten und flog zu." Lucy nickte. sie schmierte sich gerade etwas Leberwurst auf ein dunkel gebackenes Brot, hielt aber stetig Augenkontakt zu ihrer Mutter um deutlich zu machen, dass sie nach wie vor gerne wüsste wer so spät noch einen Grund für einen Besuch hatte.

"Ich habe gestern zufällig gesehen, dass ein Mann ziemliche Probleme mit ein paar Taschen hatte die er trug. Das bei dem Wetter und mitten in der Nacht. Ein ziemlich schlechter Zeitpunkt zu verreisen oder das Dorf zu besuchen. Da wollte ich wissen wer es ist und ob er Hilfe braucht." Sie nahm einen Bissen von ihrem Wurstbrot. Lucy, die etwas ungeduldig war, stocherte weiter: "Und? Wer war es?" Ihre Mutter hob kurz eine Hand und summte. Dann fuhr sie fort: "Moment, ich war noch am kauen. Also, nein es war keiner der hier lebt. Noch nicht zumindest. Es ist ein neuer Bewohner. Er ist der neue Besitzer des Turmes. Zumindest hat er das gesagt. Daraufhin habe ich ihn gefragt ob er denn den Schlüssel für die Verriegelung hat und auch weiß, dass der Eingang stark verriegelt ist. Da er den Schlüssel nicht hatte, nichts davon wusste und ich davon ausgegangen bin das er so ohne weiteres nicht in den Turm kommt, habe ich ihm Angeboten bei dem Wetter erst einmal rein zu kommen und sich etwas zu erholen."

Lucy, die inzwischen ihr Brot fertig bestrichen hatte, war wie eingefroren. Die Scheibe Brot, die Sie gerade zum Mund geführt hatte, um einen Bissen zu nehmen, blieb kurz davorstehen, als Sie das Wort "Turm" hörte. "Im ernst? ein neuer? Wie heißt er? Wo kommt er her?" Ihre Mutter wich etwas zurück, mit so vielen Fragen und vor allem so schnell, wie aus der Pistole geschossen, hatte sie nicht direkt gerechnet. Daher musste sie sich kurz einen Moment sortieren. "Ähm, ja... Also er hat sich als Herr Ellswood vorgestellt. Er hat den Turm wohl übernommen und kommt von weiter Weg. Er ist auf der Suche nach einem schönen und ruhigen Ausgangsort. Zumindest hat er das gesagt." Lucy senkte die Brotscheibe wieder, wobei sie allerdings aufgehalten wurde. Ihre Mutter griff an ihre Hand und sagte: "Vergiss das Essen nicht, Lucy." Dabei musste Sie schon etwas lachen.

Lucy hob die Scheibe wieder an, nahm einen Bissen und häckselte diesen geradezu in Sekundenschnelle um möglichst schnell den Mund wieder frei zu haben. "Was meint er mit Ausgangsort? Was macht er denn so?" So richtig konnte Sie ihre Neugierde auch nicht erklären. Es hatte wohl mit dem Turm zu tun. Immerhin verbrachte sie dort gerne Zeit, früher mehr als später, aber für sie hatte er etwas mystisch Mysteriöses. Wohl schon als sie kleiner war, malte sie sich die wildeste Geschichte aus. Wer den Turm wofür genutzt haben mochte und welche Geheimnisse er noch versteckt hielt.

Nun wo Lucy hörte, dass jemand diesen Turm nun bewohnen sollte, weckte das etwas in ihr. Was es genau war, konnte sie sich nicht erklären. Ob es die Angst war, dass damit der Turm auch nur ein normales Gebäude wurde. Dass damit alle Erinnerungen über Bord geworfen wurden oder ob es die schlichte Neugierde war, wer dazu kam, sich in einen Turm nieder zu lassen.

"Ich weiß nicht. Ich hatte ihn auch gefragt, was er so macht. Er meinte, dass er einfach ein ruhigeres Plätzchen suchte, wo er sich einfach entspannen und eigenen Hobbys nachgehen konnte. Dabei glaube ich zwar nicht, dass er alles verraten hatte, denn ich hatte so das Gefühl, dass das nur so ein ablenkender Satz war. Allerdings fand ich es unhöflich danach zu haken. Immerhin kennt man sich ja nicht und einen Fremden aus zu fragen, gehört sich einfach nicht. Vielleicht verheimlichte er ja nichts und es wirkte nur so oder es war privater, da wollte ich nicht riskieren ihm zu nahe zu treten." Lucy konnte das natürlich verstehen und schwieg nickend einen kurzen Moment. „Was ist dann passiert? Wo ist er jetzt?“ Ihre Mutter nahm einen weiteren Schluck Kaffee, bei dem sie sich beinahe verschluckte und kurz husten musste, bevor sie mit rauer Stimme antwortete: „Er ist nur ein Weilchen geblieben. Nachdem der Sturm etwas nachgelassen hatte und der Regen aufhörte, ist er wieder aufgebrochen. Ich habe zwar gefragt, ob er sich da sicher ist, da es ja mitten in der Nacht war und ich gerne helfen würde. Ich hätte ihn ja wenigstens den Weg zu einem Ratsmitglied zeigen können, doch das hat er mehrfach dankend abgelehnt, bis er schließlich aufgebrochen ist.“ Lucy verdaute die ganzen Informationen nur sehr langsam. Sie wurde aber von Minute zu Minute immer neugieriger. Sie brauchte auch nicht unbedingt viel Geduld. Denn es sollte schon an diesem Tag etwas passieren, dass alles ein wenig veränderte.

Lucy war im Dorf unterwegs. Sie spazierte mit einem Korb in Richtung des Marktes. Sie wollte ein paar Kleinigkeiten besorgen. Dinge die sie brauchte, wobei das natürlich nur ein Vorwand war und eigentlich eine ziemlich simple Ausrede. Es war etwas anderes, das Sie natürlich in das Dorf lockte.

Sie kam kaum auf dem kleinen gepflasterten Hof an, da konnte sie unmittelbar vor dem runden weißen Springbrunnen schon etwas erkennen, das förmlich nach ihr schrie. Ein paar Leute standen ebenfalls Neugierig davor.

Lucy stellte sich etwas hinter die anderen Leute und drehte ihren Kopf so, dass Sie einen guten Blick auf das erhaschen konnte, was unmittelbar vor dem Brunnen stand. Es war ein hölzernes Schild, mit dunkler Maserung. Die Ecken waren mit leicht geringeltem Metall versehen. In der oberen linken Ecke waren drei Zahnräder aufgemalt, mit groben sich überschneidenden Linien. In der gegenüberliegenden Ecke befand sich ein Pfeil, der geschwungen unter das Schild zeigte. Am interessantesten war jedoch das, was in sauberer Handschrift mittig auf dem Schild stand.

Sei gegrüßt, wer sich dort vor mir befindet,

ich hoffe es ist gut wie ihr empfindet.

Aldon Ellswood, so nennt man mich,

gibt es ein Problem so melde dich.

Maschinen Handwerk und dergleichen,

ein Brief und das Gerät reichen.

Ich komme jeden zweiten Tage zur Abendstund,

suche das Problem und gebe es dir Kund.

Vorab den Preis mit allem nenne ich dir,

ich hoffe zum Handel und Vertrauen kommen wir.

Lucy war ebenso erstaunt wie die anderen. Das war also die Berufung des neuen Bewohners. Zu gerne würde Sie die Holzkiste unter dem Schild einmal öffnen um nach zu sehen, ob dort schon jemand etwas hineingelegt hatte. Die Gemeinschaft vertraute sich zwar, doch blind einem fremden etwas in eine Kiste zu legen? Andererseits warum nicht, dachte sich Lucy. Es war ja ein öffentlicher Marktplatz und bei einem Diebstahl würde sich das schnell herumsprechen, dann hätte der Fremde wohl kein angenehmes Leben mehr. Vor allem wer würde auch kaputte Gegenstände stehlen?

Während die anderen teilweise von dem Schild verschwanden und auch immer wieder welche dazu kamen, hielt Lucy noch einen Moment inne. Leider hatte sie selber so nichts, was sie in die Kiste legen konnte. Wobei, selbst wenn sie etwas gehabt hätte, war sie sich nicht einmal sicher, ob sie sich getraut hätte. Irgendwie war sie dann doch etwas schüchtern. Vor allem wusste sie ja nicht wie teuer es werden würde. Zwar könnte sie dann ja ablehnen, doch sie wollte auch nicht unhöflich sein.

Während die Tage ins Land zogen, war Lucy sehr aufmerksam. Jedes Mal, wenn sie auch nur über die Straße ging, schweifte ihr Blick in die Ferne. Sie wollte es wohl nicht zugeben, doch sie war auf den Fremden sehr neugierig. Sie wollte ihn einfach einmal sehen. Warum wusste sie auch nicht so genau. Doch irgendwie kam er ihr nie unter die Augen. Was es noch spannender machte, selbst wenn es nur ein Zufall war. Manchmal dachte sie ihn zu sehen. Da sie ja nicht wusste wie er aussah, konnte er ihr ja sogar schon über den Weg gelaufen sein. Das jedoch stritt ihr inneres Gefühl vehement ab. Sie malte ihn sich mysteriös und geheimnisvoll aus. Keiner der ihr etwas Fremd war, erfüllte diese Erwartungen. Darum sagte sie sich, dass Sie ihn noch nicht gesehen hatte. Natürlich wuchs damit auch ein wenig Angst in ihr. Sie wollte nicht enttäuscht werden. Wenn sie daran dachte, musste sie schon etwas Lächeln. Was sie sich nur für einen Kopf darüber machte. Unverständlich. Es musste einfach an dem Turm liegen. Warum musste er gerade dort einziehen ?

Abends, morgens und zwischendurch warf Lucy immer mal einen Blick zu dem Turm. Es brannte oft das Licht. Es glimmte leicht in der Ferne und erhellte die dunkle Kontur des Turmes etwas. Sie war schon länger nicht mehr dort gewesen. Sogar nicht einmal in der Richtung. Seit der Fremde ins Dorf gezogen war.

An manchen Abenden dachte Lucy darüber nach, am folgenden Tag einfach mal hin zu gehen. Doch dann kamen die Zweifel wieder und wurden stärker und stärker, bis diese gewannen. Was sollte sie auch da? Sich wie früher in den Schatten zu setzen, das würde Sie sich niemals trauen. Vor allem empfand sie das nun als unhöflich. Vorher war der Turm einfach da, ein Ort, ein einfaches Gebäude. Nun, wo der Fremde dort wohnte, hätte sie das Gefühl in seinem Garten zu sitzen. Nein, das konnte sie nicht.

Über die Tage, die schon zu Wochen wurden, behielt sie die Kiste im Auge. Es war merkwürdig. Immer häufiger konnte Lucy fremde Gesichter beobachten, die zu dem kleinen Stand gingen und Dinge abgaben. Der Fremde musste also schon einen Namen haben. Es wirkte so, als sei er mit dem was er tat ziemlich erfolgreich. Zumindest reichte es bestimmt locker zum Leben.

Das war auch nicht das einzige was sich geändert hatte. Des Öfteren waren schwere Wagen, gezogen von Pferden, zu beobachten. Ihr Ziel war immer der Turm. Zunächst konnte man davon ausgehen, dass es Händler waren, doch das wurde schnell ausgeschlossen, da keiner auch nur in die Nähe des Marktplatzes kam und die Uhrzeit zu der sie immer unterwegs waren, sehr spät war. Außerdem kamen die Wagen immer nahezu leer vom Turm wieder. Lucy wusste zwar nicht ob es den anderen auffiel, doch mit ihrer Mutter sprach Sie darüber. Sie fragte sich einfach, was der Fremde mit so viel Kram machte und vor allem wo er alles ließ, den so groß wirkte der Turm gar nicht.

Lucy merkte, wie dieses Thema sie einfach nicht in Ruhe ließ. Sie musste es schaffen den Kopf wieder klar zu bekommen. Doch das war leichter gesagt als getan. Entweder musste sie sich selber mit dem Thema konfrontieren und einfach an die Tür des Turmes klopfen oder versuchen alles zu vergessen. Ihr war letzteres lieber. Sie war einfach zu schüchtern und zu höflich.

„Was habe ich nur früher gemacht, um mich ab zu lenken?“ Diese Frage, die sich Lucy im Wohnzimmer stellte, wurde schnell beantwortet. Sie hatte gezeichnet und ihrer Fantasie freien Lauf gelassen. Wobei sie nach wie vor gerne zeichnete und ihre Fantasie hatte sie auch nicht aufgegeben, dass merkte sie immer, wenn sie mal ein wenig Zeit für sich hatte, warten musste oder ähnliches.

Der als Vorratskammer umfunktionierte alte Schrank, wurde knarrend geöffnet. Lucy war nämlich bereits eine Idee gekommen. Vor allem fiel ihr ein Ort ein, der bei diesem herrlichen Wetter, an einem frühen Morgen, geradezu dazu einlud, dass sie dort vorbeischaute. Sie griff also nach ihrer alten Decke. Kaum hatten ihre Finger den weichen Stoff berührt, kamen die ersten nostalgischen Gedanken. Diese wurden noch verstärkt, als ihr etwas anderes, etwas kleineres in die Augen fiel. Eine Alte dunkle Mappe lag in dem Regal über der Decke. Lucy musste sofort grinsen. „Gut, mein Plan steht fest.“ Sie erwischte sich dabei, wie sie dies laut zu sich selbst sagte.

Mit einer Tasche ausgerüstet brach Lucy unter herrlichem Sonnenschein auf. Gerüstet mit ein paar Kleinigkeiten zu Essen und zu trinken, zwei Decken und der Mappe, so wie früher, spazierte sie die Wege entlang. Auch wenn sie die Richtung des Turmes anpeilte, war dieser nicht ihr Ziel. Allerdings grübelte sie schon etwas, als der Umriss des Gemäuers näherkam. Sollte sie vielleicht trotzdem einfach einmal dort vorbeischauen? Einfach einen kurzen Smalltalk halten und nett sein? Unbewusst steuerte sie immer mehr auf den Turm zu.

Schließlich war sie im Schatten des großen Gebäudes angekommen. Die dunkle hölzerne Tür befand sich nur wenige Meter vor ihren Füßen. Lucy ballte ihre rechte Hand, bereit zum Klopfen, auch wenn ein eiserner Ring, der dafür vorgesehen war, an der Tür befestigt war. Ihr Herz raste, auch wenn sie sich nicht erklären konnte wieso. Jeder Versuch sich selber zu beruhigen, half nicht. Sie konnte es einfach nicht. Also schloss sie die Augen und schritt an dem Turm vorbei.

Wie gerne war Lucy an diesem Ort. Es war Still und doch gab es Geräusche. Schwer zu erklären. Die Atmosphäre war einfach perfekt. Sie hatte sich, schon als sie jünger war, einen bestimmten Platz zurechtgemacht. Ein paar glatte Steine so positioniert, dass sie eine ideale Sitzbank ergaben. Von einem Ort aus, an dem sie ihrer Meinung nach, einen super Ausblick hatte. Sie konnte den felsigen Strand entlang schauen, beinahe mittig. Sie hatte auf beiden Seiten ungefähr gleich viel von der Bucht im Blick. Ausgestattet mit den zwei Decken, konnte die Nostalgie beginnen. Wie oft hatte sie hier im Sommer und bei guten Wetter, schon ein Nickerchen gemacht, sich gesonnt oder auch nur entspannt.

Lucy breitete die erste Decke aus und setzte sich an einen Stein angelernt hin. Die andere Decke legte Sie erst mal beiseite. Ihre Mappe hielt sie fest umklammert und genoss, wie jedes Mal aufs Neue, zunächst die Aussicht. Es war zwar noch recht früh, doch es versprach ein guter Tag zu werden. Der Wolkenlose Himmel, in hellem Blau, sowie die angenehme Temperatur, unterstrichen diesen Verdacht. Ein paar Möwen kreisten rufend über das Wasser, zusammen mit dem rauschen der Brandung, wirkte es beruhigend.

Lucy startete ihren Blick zu ihrer Linken Seite, wo eine alte kleine Hütte auf einer schmalen Landzunge stand. Zum Leben bot das morsche Ding kaum Platz. Es hatte ja auch nur zwei kleine Räume und wurde früher von ein paar Leuten im Dorf benutzt um Ausrüstung für das Fischen unter zu bringen. Nachdem aber die meisten ihr Hobby aufgegeben hatten, die Fassade der alten Hütte nicht mehr gepflegt und damit der rauen Seeluft ausgesetzt wurde.Die zwei Fischerboote, die in der Gegend aktiv waren starteten nun von einem anderen Ort weiter der Küste entlang. Die Hütte war verlassen und verkommen.

Der Blick flog weiter die Küste entlang, weit und breit war nichts zu sehen, außer ein paar Möwen. Diese einsame Ruhe, ließ Lucy noch etwas auf sich wirken und schloss die Augen, nur für einen Moment. Sie könnte so wie sie dasaß, direkt einschlafen, doch das wollte sie nicht, zumindest zu dem Zeitpunkt nicht.

Auf der alten Decke sitzend, widmete Lucy sich nun der Mappe. Sie musste bereits vor dem Öffnen des dunkelgrauen Deckblattes grinsen. Die nostalgischen Gedanken kreisten nur so in ihr. Von Blatt zu Blatt und von Skizze zu Skizze. Manches war beinahe Müll und nur ein Haufen gekrakel. Bei anderem, konnte sie gar nicht glauben, dass sie so etwas gezeichnet haben sollte. Es war teilweise so detailliert und fein gezeichnet, das es unmöglich ihren teils tollpatschigen Händen hätte entspringen können. Ein "Oh man" folgte dem nächsten "Oh weia" oder "Ach ja". Sie dachte sich das meist auch nicht und erwischte sich selbst, wie sie es laut aussprach und manchmal sogar die Hand vor den Mund warf.

Teilweise kam Lucy beim Betrachten neue Ideen. Alte wurden mitunter auch wieder geweckt. Bei manchem wusste sie genau, was zu dem Zeitpunkt des Zeichnens in ihrem Kopf vorging. Immer stärker wuchs der Wille, sich direkt den Stift zu schnappen und wieder etwas zu zeichnen. Doch zunächst wollte Sie die Mappe in Ruhe zu Ende durchblättern. Was nicht immer ganz einfach war. Denn es war bei weitem nicht alles abgeheftet. Manches war zu groß oder zu klein. Wurde gefaltet oder in einem extra Umschlag gepackt.

Während des Stöberns durch die alten Zeichnungen, passierte dann schließlich etwas. Etwas lenkte Lucy ab. Sie bekam das Gefühl beobachtet zu werden. Zumindest fühlte es sich ähnlich an. Etwas in ihr drängte dazu, dass Sie sich umsehen sollte. Sie hob den Kopf und schaute von links nach rechts. Immer hin und her, doch nichts. Gar nichts. Die Umgebung war unverändert. Zumindest sah es auf den ersten Blick so aus. Schließlich drehte Sie ihren Kopf etwas nach links. Sie konnte schwören ein Blitzen gesehen zu haben. Dann fiel ihr etwas ins Auge. Ein Punkt am Horizont. Ein Schiff? "Wahrscheinlich eines der Fischerboote", dachte sich Lucy und versuchte etwas mehr zu erkennen. Doch auch wenn der Punkt schon etwas näher war, wohl schon ein Weilchen im Sichtbereich war, war es noch zu weit entfernt, um genaueres zu erkennen.

Dieses Ereignis lenkte Lucy allerdings so sehr ab, dass sie alles andere vergaß. So kam es schließlich auch, dass der plötzlich einsetzende stärkere Wind, zu einem Problem wurde. Ein paar der Zettel aus der Mappe, die sie nicht mehr so fest umklammerte, machten sich selbstständig. Den größten Teil konnte sie zwar mit einer blitzschnellen Handbewegung festhalten, doch einige schafften es davon zu gleiten. Blitzschnell musste Lucy nun reagieren. Mit einem Satz sprang sie auf. Die Mappe klappte sie zu und schob diese, vom Wind geschützt unter die Decke neben ihr. Danach rannte sie los um die anderen Blätter wieder ein zu sammeln. Das war nicht ganz so einfach. Denn die einzeln richtig starken Böen machten es zu einer Herausforderung. Abgesehen davon, hatte sie mit einem solch abrupt auftretenden ´Wind nicht gerechnet.

Mit starken Einsatz von Sprüngen und kurzen Sprints, schaffte sie es die Zettel ein zu holen. Sie sammelte alle so gut es ging ein. Zumindest glaubte sie alle erwischt zu haben. Denn es war schwierig zu sehen, denn wie es nicht anders sein konnte, hatten sich alles Zettel grob verteilt und sind unterschiedlich weit geflogen. Da Lucy vorher nicht mitbekommen hatte wie viele davongeflogen waren, konnte sie das nicht kontrollieren. Doch bei ihrem mehrmaligem rundum Blick, fielen keine weiteren Zettel mehr auf. Weiße Blätter würden ihr ins Augen springen und der Wind, der nach wie vor nicht nachließ, würde diese ja auch ständig in Bewegung halten.

Sie packte die Zettel wieder in die Mappe und schob diese zurück unter die Decke. Danach atmete sie tief durch. Zum einen, um sich von der kurzen sportlichen Leistung zu erholen und zum anderen, weil sie froh war, die Zettel noch gerettet zu haben. Doch das Wetter schien etwas ungemütlicher zu werden. Nun, wo der kurze Schock vorüber war und sie nur noch dastand, merkte sie erst jetzt wie frisch die Brise wirklich war, die so plötzlich eingesetzt hatte. Auch der Himmel zog sich etwas zu, mit Wolken, die sie gar nicht kommen gesehen hatte. Innerlich ärgerte sie sich darüber stark, denn das Wetter versprach ja so gut zu werden. Sie grübelte noch einen kurzen Moment, dann griff sie schließlich nach der Mappe und der Decke, denn ihr war das Wetter nicht so ganz geheuer, wenn es so schnell umspringen konnte, gab es auch ein erhöhtes Risiko auf Regen und von dem wollte Sie nicht unbedingt überrascht werden. Erst recht nicht, weil sie keinerlei Schutz dafür mit hatte und es dann ein deutlich zu langer Weg nach Hause durch das kühle Nass wäre. Orte zum Unterstellen lagen dabei auch nicht auf dem Weg.

Während des Weges nach Hause tobte es immer noch ein wenig in ihr. Gut es war nicht das erste Mal, dass sie so einen Tag abbrechen musste und damit musste man immer rechnen, doch ärgerlich war es schon für den kurzen Augenblick den ganzen Weg hin und zurück zu wandern. Kurz dachte sie auch daran, dass Sie sich damals, als sie jünger war einen Unterschlupf gebaut hatte, für genau solche Fälle. Er war zwar nur provisorisch gewesen, doch nass wurde sie darunter nicht. Was genau damit passiert war, daran konnte Lucy sich allerdings nicht erinnern. Kaputtgegangen oder auseinander genommen um das Holz anderweitig zu verwenden, irgendwie so etwas muss es gewesen sein, dachte sie sich. so oder so, hatte sie keine Lust bei einem Unwetter draußen zu sein, daher hielt sie die Richtung bei und ging nach Hause.

Lucy war schon etwas entgangen. Wie konnte es auch anders sein. Einer der Zettel, die davon geweht waren, blieb zwischen zwei Steinen hängen. Er löste sich erst, als swie schon ein ganzes Stück entfernt war und es nicht mehr mitbekommen konnte. Er flog noch ein ganzes Stück weiter, bis zu der schmalen Landzunge. Ab und zu blieb er wieder an einem Stein hängen, konnte sich aber beim nächsten stärkeren Wind wieder lösen, bis er sich schließlich endgültig festgesetzt hatte. Beim nächsten Regen oder sogar Sturm, wäre der Zettel endgültig verloren. Doch dazu würde es nicht kommen. Einige Minuten vergingen, dann tauchten neben dem Zettel ein paar Füße auf. Sie blieben direkt danebenstehen. Eine Hand mit einem dunkelbraunen Handschuh umhüllt griff nach dem Zettel und hob ihn auf. Alles was man hörte, war der Wind, die Brandung, die Möwen sowie ein leises "mmh"...

Lucy kam zum Glück noch trocken zuhause an. Den Turm konnte sie ohne weitere Probleme hinter sich lassen, denn sie hatte ja eine prima Ausrede. Immerhin würde es dann bestimmt schnell anfangen zu regnen. Womit Sie auch recht hatte. Sie war kaum in ihrer Wohnung, da fing es abrupt an zu schütten. Es braute sich richtig was zusammen. Ein regelrechtes Unwetter fegte über das Dorf hinweg. Sie konnte beim Blick aus dem Fenster kaum ein paar Meter weit gucken. „Das perfekte Tee und Buch Wetter“, dachte sich Lucy und folgte diesem Gedanken auch.

Der Nächste Morgen brach an. Die Luft, so klar wie selten. Lucy öffnete nach dem Aufstehen das Schlafzimmerfenster und atmete tief ein. Sie konnte die Reinheit der Luft regelrecht fühlen. Der Sturm der letzten Nacht schien alles gewaschen zu haben. Die Temperatur war richtig angenehm und sie könnte Stunden damit zubringen an dem Fenster zu stehen, dass aufgehen der Sonne zu beobachten, den Vögeln beim Singen zu zuhören und die Atmosphäre auf sich wirken zu lassen.

In diesem herrlichen Moment der Ruhe geschah aber etwas, das sie aus den Gedanken riss. Zuerst hatte es Lucy nicht wirklich verstanden. Ein Vogel saß neben ihrem Fenster auf einem Ast. Doch als ihr Kopf ihr unterbewusst mitteilte, sieh noch mal hin, zuckte Sie etwas zurück. Der Vogel war nicht echt. Lucy traute ihren Augen nicht. Wie erstarrt blieb Sie stehen und schaute in die kleinen dunklen Augen. Der kleine dunkelgraue Vogel trug keinerlei Federn. Sein Körper war dünn und schien komplett aus einem metallähnlichem Werkstoff zu sein. Sein Kopf war länglich und schmal. Er bewegte sich etwas ruckartig hin und her. Doch diese merkwürdige Situation war nicht alles. Es gab da noch ein weiteres Detail, das ihr den Atem raubte.

Lucy wollte gerade wieder einen Schritt auf das Fenster zu machen, da flog Sie etwas zusammen. Der Vogel machte einen Satz und flog in einem Baum etwas weiter entfernt. Daraufhin dachte sie nicht weiter nach und handelte blitzschnell. Sie drehte sich um und schnappte sich die erstbeste Kleidung, die ihr in die Finger kam, zog sich an, griff nach ihrem Schlüssel und verließ die Wohnung. Dabei hoffte Sie natürlich, dass der Vogel nicht inzwischen davongeflogen war und sie ihn wiederfinden würde.

Lucy umrundete das Haus und suchte leicht verzweifelt, aber mit voller Aufregung nach dem metallenen Vogel. Allerdings schien er nicht auffindbar. Zweifel über ihren Verstand waren die Folge. Hatte sie sich das ganze doch nur eingebildet? Immerhin war sie gerade erst aufgestanden und in der letzten Zeit eh etwas neben der Spur. Zwar gab sie so schnell nicht auf, doch die Zeit schien gegen sie zu laufen. Wild drehte sie sich immer wieder um ihre eigene Achse. Den Blick stetig nach oben gerichtet. Dann, die Erleichterung. Es war keine Einbildung, er saß plötzlich auf einen Ast direkt vor ihr, etwas über ihrem Kopf. Kaum hatten beide miteinander Augenkontakt aufgenommen, flog er wieder davon. Lucy rannte ihm hinterher.

Während des Laufens machte sie sich ein paar Gedanken. Hatte sie sich so verguckt? Es war doch unmöglich, dass es ein echter Vogel war. Immerhin ein Gegenstand, der dem Original so verblüffend ähnelt und auch noch die Funktionen imitieren konnte? Nein, das musste einfach nur Einbildung sein, etwas anderes konnte einfach nicht möglich sein. Zudem wusste sie nichts so richtig mit der Situation an zu fangen. Sollte sie den Vogel fangen oder was hatte sie denn nun genau vor? Keine Frage konnte sie sich beantworten. Keine, außer die Eine. Wo der Vogel hinflog. Natürlich hatte sie es sich gedacht, doch sie wollte es nicht so richtig akzeptieren, bis sie schließlich erneut im Schatten stand.

Der Vogel war in einem der Turmfenster etwas weiter oben verschwunden. Lucy musste schlucken. Es drängte sie nun mehr denn je, dort einmal hinein zu gehen. Die Zweifel, die waren das Problem. Kaum hatte sie sich nämlich erneut vor der Tür positioniert und sogar nach dem schweren Metallring gegriffen, brachte sie es nicht über sich wirklich zu klopfen. Vor Ärger biss sie sich schließlich auf die Unterlippe und lies den Ring wieder los. Doch dann erschrak sie.

„Es ist ein wunderschöner Morgen für einen Spaziergang oder? Zumindest wünsche ich ihnen einen herrlichen Tag.“ Diese Charmante Stimme kam der zusammengezuckten Lucy bekannt vor. Sie drehte sich um und vor ihr stand eine ihr unbekannte Person. Ein Mann, in etwa ihrem Alter, stand vor ihr und zückte kurz den Zylinder. Sie konnte nur etwas vor sich hin stammeln. Sie war etwas aus der Reihe geworfen worden. „Falls sie vor hatten zu klopfen, muss ich ihnen sagen es ist niemand zuhause. Ich bin gerade erst wiedergekommen. Aber, Moment, wo sind nur meine Manieren? Wir wurden uns noch nicht bekannt gemacht, bei einer solch reizenden jungen Dame wüsste ich das. Mein Name ist Aldon, Aldon Ellswood und ihr seid Lucy, nicht wahr?“ Er zog einen seiner Handschuhe aus und reichte ihr die Hand. Lucy stammelte immer noch etwas, holte dann aber tief Luft und sammelte sich kurz. „Ja, die bin ich. Ihr kennt mich?“ Kurz dachte Lucy darüber nach, was er von ihr gehört haben konnte. Zu ihrem Schrecken fiel ihr nur eines ein. Sie griff nach ihrem linken Unterarm und spürte, dass er Nackt und ersichtlich war. Daraufhin versuchte sie diesen langsam und so unauffällig wie es nur ging hinter ihren Rücken zu schieben. Sie wollte ihm nicht negativ auffallen oder erschrecken, warum wusste sie auch nicht so richtig. „Das braucht ihr nicht. Verzeiht, dass ich es forsch anspreche. Aber den Arm braucht ihr nicht zu verbergen. Nur wegen eines Mahles. Ich finde es nicht tragisch, im Gegenteil, es macht euch zu etwas Besonderem.“ Lucy war etwas verwundert, er schien mehr zu wissen, als sie dachte. Sie lockerte den Arm wieder. „Ihr scheint mich zu kennen.“ Der Mann zog nun auch den anderen Handschuh aus, steckte beide in eine Tasche und rieb sich die Hände. „Ja allerdings. Ich habe von euch gehört und euch auch ein zwei Mal gesehen, doch die Ehre euch kennen zu lernen hatte ich nie.“ Er atmete tief ein und schien sichtlich nervös. Lucy wollte gerade Luft holen, da unterbrach die beiden etwas. Der Vogel, den sie verfolgt hatte, flog zu ihnen hinunter und landete auf einer Fensterbank, direkt neben den beiden. Sie konnte sich kaum entscheiden wo sie hinschauen sollte. „Ah, ich sehe, er hat sein Ziel gefunden. Ich muss zugeben, normalerweise mache ich so etwas nicht und es hat mich auch Stunden an Arbeit gekostet aber ich finde es gelungen.“ Lucy runzelte etwas verwirrt die Stirn? „Das ist also euer Werk? Welches Ziel? Was meint ihr?“ Der Fremde ging etwas näher an den Vogel heran. „Nein, das stimmt nicht ganz. Eigentlich ist es ja dein Werk, Lucy. Ich habe die Zeichnung nur gelesen und umgesetzt. Wofür ich mich natürlich entschuldige, dass ich es einfach so getan habe aber ich finde du hast da ein wahnsinniges Talent. Ach und das Ziel. Naja der kleine Racker hier hatte das Ziel, die Schöpferin zu finden.“ Lucy musste etwas lächeln, als der kleine Vogel versuchte in den Finger von Aldon zu picken. Ihr wurde es ein wenig klar, auch wenn sie sich manches schon denken konnte. Er musste also eine Skizze von ihr gefunden haben.

Sie wusste zwar nicht genau warum, doch sie fühlte sich in seiner Gegenwart so merkwürdig vertraut. Langsam ging sie auf den Vogel zu und tat es ihm gleich und streckte vorsichtig die Hand danach aus. Der Vogel legte den Kopf in ihre Finger. Es war ein merkwürdiges Gefühl und sie musste stärker Lächeln, ebenso wie Aldon, zu dem sie rüber sah und die Blicke sich trafen. „Darf ich die Dame vielleicht auf einen Tee einladen?“ Was konnte Lucy da schon anderes sagen, als „Ja, gerne.“ Aldon öffnete die knarrende Tür vom Turm und beide verschwanden darin.

So kam es, dass Lucy und Aldon sich trafen und kennen gelernt haben. Zwei Menschen, die auf ihre Weise besonders sind. In einem Dorf, in dem zunächst nichts Außergewöhnliches passierte. Man erzählt sich viele Geschichte darüber, was danach passierte. Fakt war allerdings, dass diese beiden, so oft sie zusammen waren, immer mehr ein Ziel des Rates wurden. Für den war es etwas zu viel „Ungewöhnlicheß“. Zwar störte es die beiden nicht, doch die gewisse Spannung war zu vernehmen. Aldon erweiterte seinen Zweig ein wenig und tat sich mit Lucy zusammen, was das optimieren und fertigen von Gegenständen an ging. Doch was dieser manche Nacht tat, wenn er des abends alleine zum Meer ging, konnte niemand herausfinden. Angeblich wusste es Lucy selbst nicht und wartete dann selbst auf die Rückkehr. Manche sagen, die Geschichte endet damit, dass er eines morgens nie mehr zurückkehrte, andere sagen die beiden wurden aus dem Dorf verbannt und wieder andere sagen sie seien durch eines ihrer Experimente umgekommen.

Es gab allerdings auch etwas, dass jeder sagen konnte. Wie gut die beidenverstanden. Wie Sie zueinander passten, obgleich mit guten oder schlechten Absichten für manchen. Außerdem waren sich alle darüber einig, dass die Geschichte der beiden damit endete, dass ein grelles violettes Licht vom Turm ausging. Seit dem Ereignis, soll sie niemand mehr gesehen haben und ihre Geschichte sollte damit Enden. Oder doch erst beginnen???

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