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Kapitel Zwei

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Angebratenes Rindfleisch roch anders, wenn besagtes Tier noch am Leben war und nicht in kleine Stücke zerhackt in der Pfanne brutzelte. Brenda Vance trat ein paar Schritte zurück. Sie vermied die Hinterläufe des Bullen, war aber nicht schnell genug, um dem berstenden Holz auszuweichen. Die Planke des Zauns zersplitterte. Bruchstücke erwischten sie seitlich an der Stirn. Blut mischte sich mit Schweiß und lief ihr ins Auge. Ihr gemurmelter Fluch ließ die drei Rancharbeiter zusammenzucken. Es sollten allerdings alle vier zusammenzucken. Es war deren Schuld, dass das Tier nicht richtig gesichert gewesen war.

»Alles okay, Missy?«, ertönte die kiesige, vom Tabakkonsum verätzte Stimme des vierten und ältesten Rancharbeiters. Manuel Bautista war etwa zu der Zeit auf die Ranch gekommen, als Brenda ihre ersten Schritte gemacht hatte, noch bevor sie ein Jahr alt gewesen war. Genauso wie sie, kannte Manuel Bautista diesen Ort in- und auswendig. Doch im Gegensatz zu ihr hatte er hier nicht das Sagen.

Brenda biss sich auf die Zunge, bevor ihr ein weiterer Fluch entwischte. Ihr Bruder war Pastor, gab ihr aber deswegen keinen Freifahrtschein fürs nächste Leben.

»Nenn’ mich nicht Missy«, fuhr sie ihn an und wischte sich das Blut und den Schweiß mit dem Ärmel des abgetragenen Flanellhemdes ab. Eine nicht sonderlich dezente Duftwolke wehte ihr unangenehm entgegen und zeugte von der harten körperlichen Arbeit des heutigen Tages. Sie blickte auf. Die Hände von Zweien ihrer Rancharbeiter glänzten nicht einmal in der heißen Nachmittagssonne. Ihre brandneuen Cowboyhüte waren perfekt gestärkt. Und ihre Hemden zeigten keinen Tropfen Schweiß unter den Armen.

»Es heißt Miss Vance.« Sie starrte auf das Blut auf ihrem Hemd. »Oder Boss.«

Als der ältere Rancharbeiter sich wegdrehte, um den Bullen zu beruhigen, hörte Brenda etwas, das nach einem spanischen Fluch klang. Zwei der anderen Männer kicherten. Dem dünnen Blonden in den engen Jeans – mit Sicherheit von Old Navy oder Urban Outfitters – hatte Brenda den Spitznamen Yankee verpasst. Der zweite Kichernde – Brenda nannte ihn Frat Boy – trug ein T-Shirt mit griechischen Buchstaben, das sich über seine braunen Bizepse spannte. Frat Boy behauptete, sein Urgroßvater wäre einer der berühmten Buffalo Soldiers gewesen, Mitglied einer Einheit, die die Unionsarmee der Nordstaaten zum Ende des Sezessionskrieges aufgestellt hatte. Doch Brenda bezweifelte, dass der Junge einen so guten Stammbaum besaß. Sobald ihm ein Insekt auch nur zu nahe kam, schlug er wie wild danach und kreischte. Das Gleiche geschah, wenn er einen Fleck auf seiner Kleidung bemerkte.

Der Dritte im Bunde lachte nicht. Er gab vor, woanders hinzuschauen, und versuchte krampfhaft, keine Partei zu ergreifen. Seinen Namen kannte sie. Angel Bautista war der Neffe ihres älteren, störrischen Rancharbeiters.

Angel war jung, frisch von der High-School. Geboren in einer Zeit, in der Mädchen gesagt worden war, dass sie alles tun und werden konnten sowie allen Vorbildern und Berufswegen folgen konnten. Angels Onkel stammte jedoch aus einer Ära, in der der Platz einer Frau hinter dem Herd gewesen war. Und wenn sie mal nach draußen gewollt hatte, hatte das nur geheißen, in den Garten.

Yankee und Frat Boy waren Außenseiter. Für sie war die Arbeit auf der Ranch lediglich ein Studienpraktikum. Sie würden in ein paar Wochen an ihr College in der Stadt zurückkehren. Angel hingegen lebte hier. Er würde einen Job auf einer Ranch finden und halten müssen. Er steckte zwischen den Welten der beiden Älteren fest. Brenda würde allerdings nicht lange darauf warten herauszufinden, wem der Junge letztendlich folgen würde.

Für Brenda war die Ranch ihr Leben, ihr Einkommen, und sie brauchte gute Arbeiter, um sie weiter bewirtschaften zu können. Sie trieb Rinderherden, seit sie reiten konnte. Sie hatte sich blaue Flecken beim Viehfüttern eingefangen, sich den Zeh beim Wechseln von Hufeisen gebrochen und das Handgelenk bei einem Viehtrieb, den sie selbst angeführt hatte. Egal welches Körperteil, sie verstauchte, zerrte und brach es im Laufe ihres Lebens als Boss dieser Ranch. Und in der ganzen Zeit hatte sie keinen Arbeitstag freigenommen.

Seit Brendas Eltern sich vor drei Jahren in den Ruhestand zurückgezogen hatten, bewältigte sie alles allein. Die Ranch hatte sie in dieser Zeit so profitabel gemacht, dass sie die Herde hatte vergrößern können, was den Arbeitsaufwand in die Höhe getrieben und ihr die Notwendigkeit beschert hatte, Arbeiter einzustellen.

Mit diesen Witzfiguren konnte sie die Arbeit allerdings auch gleich ganz allein machen. Manuel weigerte sich, die zugewiesenen Aufgaben auf Brendas Weise zu erledigen, sondern bestand auf althergebrachten Methoden. Und die anderen Männer hörten auf ihn, auch wenn sie diejenige war, die deren Gehaltsschecks ausstellte.

»Du solltest lieber zurück ins Haus gehen«, sagte Manuel. »Um deine Verletzung zu behandeln. Hier draußen ist eine gefährliche Welt.«

Den Rest des Satzes verkniff er sich. ›Für eine Frau‹, hatte er sagen wollen. Offenbar hatte er heute wenigstens eine Lektion gelernt.

Die ganze Misere heute hatte mit ihrem Vorschlag begonnen, den neu gekauften Bullen mit Zucker und Getreide zu locken, um ihn mit ihrem Brandzeichen zu versehen. Für Manuel war das neumodischer Firlefanz, und er war davor zurückgeschreckt. Dann hatte der Bulle ausgetreten.

Brenda war zu müde für einen Streit. Blut lief ihr in die Augen und machte es zu schwer, ihre Leute zu beaufsichtigen. Aber der Bulle hatte sein Brandzeichen, was Brenda nun als Eigentümerin auswies. Das war der wichtigste Punkt auf der heutigen To-do-Liste gewesen. Also konnte sie Schluss machen.

Sie rauschte lärmend durch die Hintertür des Haupthauses, direkt in die Küche. Abendessen brutzelte in der Pfanne. Ein perfekt gebratenes Steak. Mit geröstetem Kartoffelbrei frisch aus dem Ofen. Und dazu gebutterte grüne Bohnen.

Der Kühlschrank stand offen. Ein Körper bückte sich hinein. Die Tür wurde geschlossen und ein Mann mit Schürze richtete sich auf.

»Du bist ein wahres Gottesgeschenk«, entfuhr es Brenda.

»Und du blutest am Kopf. Aber ich sehe keine Dornen.«

Brenda berührte ihre Stirn mit der Hand. Warmes Blut färbte ihre Fingerspitzen rot. Glücklicherweise spürte sie keinen Schmerz.

»Wenn ich jetzt rausgehe, stolpere ich dann über einen toten Rancharbeiter, Bren?«

Seufzend machte sie ihrer Enttäuschung Luft. »Nein, Walter. Du musst heute keine letzte Ölung spenden.«

Ihr Bruder, Pastor Walter Vance, schnappte sich ein paar Papiertücher und drückte sie gegen die Wunde an Brendas Stirn.

»Autsch!«

Walter ignorierte sie. Das war nicht das erste Mal, dass er eine ihrer Verletzungen behandelte. Ein regelmäßiges Vorkommnis im Vance-Haushalt, seit sie Kinder gewesen waren. Dies mochte einer der Gründe gewesen sein, warum er zur Kirche gegangen war. »Erzähl. Was ist passiert?«

»Inkompetenz. Chauvinismus. Faulheit. Sonst nichts.«

»Ich dachte, Bautista wäre einer der Besten?«

»Vielleicht mal vor zwanzig Jahren. Die Zeiten haben sich geändert.«

»Gott sei Dank haben sie das. Durch die Maschinen, die du auf die Ranch gebracht hast, braucht es hier wesentlich weniger Arbeiter als in unserer Kindheit.«

Ihr Vater hatte ihnen beiden die Ranch zu gleichen Teilen vermacht. Doch Walter hatte seinen Anteil an Brenda abgegeben und war der Kirche beigetreten. Sie war ihm dafür dankbar. Insbesondere weil er kein Partner geblieben war. So musste sie ihm nicht sagen, wie teuer die neuen Gerätschaften und der neue Bulle gewesen waren. Sie hatte alles finanziert, und die erste Rate war bald fällig. Jetzt hatte sie nicht mehr genug Bares, um Rechnungen zu begleichen und die laufenden Kosten zu bezahlen.

»Bren, wenn etwas nicht stimmen würde, würdest du mir das sagen, oder?«

Nein, würde sie nicht. »Aber natürlich würde ich das.«

Brenda hatte früh gelernt, dass eine Lüge gegenüber einem Pastor nicht sofort einen Blitz vom Himmel fahren ließ. »Solange du zu mir rüberkommst und für mich kochst, ist alles gut.«

»Vielleicht solltest du heiraten.«

Brendas Besteck fiel klappernd auf den Teller. Das war das einzige Thema, bei dem ihr Bruder sich noch nicht weiterentwickelt hatte. Brenda hatte keinerlei Wunsch, zu heiraten. Männer bremsten sie nur aus. Bestes Beispiel: ihre Rancharbeiter.

»Du hast eine Ranch voller Soldaten als Nachbarn«, sagte Walter. »Ein paar davon sind auf der Suche und würden gerne in den nächsten neunzig Tagen heiraten. So wie es die Vorschrift dort verlangt.«

Genau deswegen blieb Brenda ihren Nachbarn auf der Purple Heart Ranch auch fern. Sie war sicher, dass diese merkwürdige Vorschrift illegal war. Doch bisher hatte sich niemand offiziell beschwert.

»Ist nicht einer der Soldaten mit deiner Verlobten durchgebrannt?«, fragte sie.

Beth Cartwright, eine Pastorentochter, war für kurze Zeit mit Walter verlobt gewesen. Doch dann war der Schwarm aus ihrer Kindheit, der im Dienst verschollen gewesen war, plötzlich zurückgekehrt, hatte sie im Sturm erobert und mit einem Heiratsantrag samt Verlobungsring überrascht.

»Reese ist ein guter Mann.« Trotz der bitteren Trennung schwang Ehrlichkeit in Walters Stimme. »Alle diese Soldaten sind gute Kerle.«

Walter war viel zu gutmütig und vergab schnell. Das gehörte wohl zu seiner Jobbeschreibung. Sie war Rancherin. Sie hatte keine Zeit dafür, für jemanden die Ehefrau zu spielen. Sie war viel zu beschäftigt mit ihren Rindern, mit mehr Reparaturarbeiten, als auf ein DIN-A4-Blatt passten – wohlgemerkt, mit einzeiligem Abstand – und mit nichtsnutzigen Rancharbeitern, die Brenda gerade zu ihren Trucks schlendern sah, obwohl die Sonne nicht einmal untergegangen war und noch bevor sie ihre Aufgaben erledigt hatten.

Nein. Sie war allein viel besser dran. Sie bezweifelte, dass sie jemals einem Mann erlauben würde, ihre Hand zu nehmen.

Der Rancher Und Die Zweckdienliche Braut

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