Читать книгу LustFolter - Teil 3 | Roman - Sharon York - Страница 3
ОглавлениеKapitel 4 - Feels like home von Sharon York
Die Sonne war weit gewandert, als Laura sich entschloss, wieder das Gebäude zu betreten. Ein paar Mal war sie das Dach sogar abgegangen, hatte aber nichts entdeckt, das ihr zur Flucht hätte verhelfen können. Selbst wenn der Ford erreichbar gewesen wäre und sie mit ihm durch den Zaun hätte brechen können, was wartete da draußen auf sie? Ein Verlobter, der nicht treu war, ein falsches Märchen von einem Vorstadtleben und das Wissen, dass nichts mehr so war, wie vorher.
Aus Küche und Operationsbasis drangen Stimmen an ihre Ohren. Charly lachte, Mike stimmte mit ein und Laura meinte, selbst das tiefe Grölen von Pavel zu vernehmen. Niemand, der sie bewachte oder gar in Ketten legte. Aus reinem Interesse sah sie sich ein wenig im Gebäude um. Als sie an der Haupttür angekommen war, stockte sie in der Bewegung. Die wenigen Schritte vollführte sie wie in Trance, dann drückte sie die Klinke runter. Natürlich war sie verschlossen. Das war aber auch die einzige Gemeinsamkeit mit einer wirklichen Entführung. Ansonsten kam ihr das Ganze eher wie ein erholsamer Urlaub vor. Urlaubs-Flirt und Getränke inklusive.
Was bezweckte dieser Mann, dass er beinahe alle Vorsichtsmaßnahmen in den Wind schlug und trotzdem eine professionelle Überwachungs- und Kidnappingaktion durchführte? Laura seufzte. Er hatte von einem Schließfach gesprochen, obwohl er wusste, dass es unmöglich war, dieses ohne rohe Gewalt zu öffnen.
Als wäre sie in einem Labyrinth aus Fragen und hinter jeder Ecke warteten noch mehr Ungereimtheiten, anstatt Antworten.
Sie entschloss sich, wieder in ihr Zimmer zu gehen und genoss erst einmal eine ausgiebige Dusche. Es tat gut, das kühle Nass auf ihrer Haut zu spüren und sie verdrängte den Gedanken, dass ihr Verlobter vielleicht gerade Trost bei seiner Geliebten suchte. Gut, dass ihre Eltern diese Farce nicht mehr erleben mussten. Sie waren früh gestorben und wünschten sich immer eine heile, kleine Welt für ihre Prinzessin. Dass schlussendlich genau diese Vorstellung ein Albtraum für sie werden würde, war die Ironie des Schicksals.
Für das Abendessen wählte Laura schlichte Unterwäsche, eine Jeans und eine weiße Bluse. Sie wollte sich in ihren Klamotten wohlfühlen.
»Als Adam mich entführte, habe ich ihm fast den Bauch aufgeschlitzt.«
Erschrocken drehte sich Laura um. Sie hatte nicht gehört, wie Charly die Tür geöffnet und sich mit verschränkten Armen an den Rahmen gelehnt hatte.
»Wie bitte?«, fragte Laura.
»Bei unserer ersten Begegnung«, ergänzte Charly und trat ein. »Damals, in Las Vegas.« Ihre hochhackigen Stiefel warfen den Schall ihrer Schritte weit voraus, dazu spannte der enge, knielange Rock bei jeder Bewegung. Tief in ihren Überlegungen versunken, stellte sie sich neben Laura. »Erst wollte ich nicht glauben, was er mir sagte. Doch nach einiger Zeit sah ich klarer.«
»Was soll das bedeuten?«
Charly stellte sich hinter Laura, strich über ihre Schulter und entfernte mit einer geschickten Handbewegung den kleinen Zettel von ihrer Bluse. »Es ist schwer zu glauben, dass wir in dieser wundervollen Realität leben, ohne uns Sorgen machen zu müssen, was morgen passiert, oder?«
Laura hatte nicht die geringste Ahnung, worauf die junge Frau hinauswollte. Ihre Fingerspitzen jedoch, die spielerisch ihren Nacken streichelten, zauberten ihr einen Schauer über den Rücken. »Manchmal ist es besser, in einer annehmbaren Fiktion zu leben, als der Wirklichkeit ins Auge zu schauen.«
Charly drückte sich von hinten an Laura. »Da hast du recht. Manchmal ist es das.« Ein kurzer Kuss auf Lauras Wange beendete die trüben Gedanken. »Kommst du mit zum Abendessen? Es ist gleich fertig.«
Noch einmal strich sich Laura über die Jeans. Seit heute Morgen hatte sie nichts mehr gegessen. Es würde ihr guttun, wenn sie etwas im Magen hatte. »Ja, ich bin fertig.«
Als die Frauen auf den Flur traten, spürte sie Charlys Hand, die zart ihre Schulter berührte. »Und übrigens, ich habe wegen dir eine Wette verloren.«
»Was denn für eine Wette?«
»Pavel meinte, dass du das Messer auf jeden Fall einsetzen würdest, ich glaubte nicht daran.«
Unglaublich, jeder hier schien zu wissen, dass sie am gestrigen Abend das Steakmesser eingesteckt hatte. Entweder waren die Menschen hier völlig verrückt oder sich ihrer Sache äußerst sicher. »Ich hoffe, du hast nicht zu viel Geld verloren.«
Ein kurzes Augenzwinkern ließ Laura aufhorchen. »Kein Geld, aber sagen wir einmal so, mein Freund darf sich in den nächsten Nächten ein wenig ausleben.« Charly kam so nahe, dass sich ihre Wangen berührten. »Aber keine Angst, ich steh auf so etwas.«
Während ein helles Lachen durch den Flur hallte, blieb Laura verwirrt zurück. Vielleicht hatten diese Menschen gar nicht den Verstand verloren, es war auch durchaus möglich, dass sie einen Autounfall erlitten hatte und nun im Koma einen grotesken Traum erlebte. So musste sich Alice im Wunderland gefühlt haben, als sie in den Kaninchenbau stürzte und von einem weißen Kaninchen zum Tee eingeladen wurde.
Ihr Gang war unsicher, als sie die Operationszentrale betrat. Pavel stand am Herd und trug dabei eine seltsam anmutende Kochschürze. Als Charly ihm auf den Po schlug, drehte er sich kurz um, gab ihr einen Kuss und nickte Laura zu. Adam saß am Kopfende des Tisches und unterhielt sich angeregt mit Mike. Als sie Laura erblickten, standen sie beide auf. Mike gab ihr freundlich die Hand. Daraufhin erntete er einen bösen Blick von Adam.
»Du kannst dich da hinsetzen«, knurrte der Anführer und deutete ihr einen Platz auf der Couch etwas abseits an, wo er sie im Auge hatte. Ganz klar, eine Bestrafung für den Schnitt. Seine Hand war in dicke Bandagen gehüllt, doch aus seinen Augen sprachen weder Rachegelüste noch Zorn. Eigentlich wirkte er sogar um einiges gelöster – vielleicht, weil er ihr die Akte gezeigt hatte?
»Ich hoffe, du konntest deine Gedanken ein wenig ordnen«, sagte Adam, als Pavel ihr eine Vorsuppe auf den Teller stellte.
»Nicht wirklich«, gab Laura zu. Der Duft von frischen Tomaten und Basilikum drang ihr in die Nase. »Das duftet köstlich.« Eigentlich wollte sie diese Überlegung für sich behalten, doch ihr Magen rebellierte nun so stark, dass sie am liebsten den ganzen Topf für sich gehabt hätte.
»Rezept von Mutter«, stellte Pavel kurz klar. »Ist erster Gang von drei.«
»Ja, das kann er wie kein anderer«, warf Charly ein und streichelte ihrem Freund über das Bein, als der grimmige Mann sich an den Tisch setzte. Anschließend biss Charly von einem Stück Brot ab und beugte sich zu Laura. »Lohnt es sich, die Messer zu zählen, oder hast du deine Taktik geändert?«
Sogar Laura musste nach diesem Spruch ein wenig lächeln und stimmte in die allgemeine Heiterkeit der Runde mit ein. Zumindest so lange, bis Adam halbherzig die verbundene Hand erhob. »Hey, ihr kennt doch alle die Regeln. Kein Business am Tisch. Es könnte noch jemand verletzt werden.«
Wieder Gelächter. Laura fiel es immer schwerer, ein Lachen zu unterdrücken.
Diesmal war es Mike, der Adam konterte. »Ja, da hast du recht, Boss. Entschuldige, dass wir nicht so messerscharf kombiniert haben.«
Adam nippte am Wein, lehnte sich nach vorn und klopfte Mike aus Spaß auf den Rücken. »Kein Problem, aber vorsichtig, sonst könnte ich Rot sehen.«
Gott, es war so albern, so ausgelassen und wundervoll kindisch, wie sie es selten erlebt hatte. Und die ganze Gruppe machte mit. Sie wollte nicht lachen. Um alles in der Welt, sie wollte nicht lachen! Doch dieser Mann war so herrlich selbstironisch, dass es nur schwer war, die Mundwinkel nicht nach oben zu ziehen. Die Folge war ein unterdrücktes Schlucken, das in ein Würgen überging und die Blicke aller auf sich zog.
»Alles okay, Laura?«, wollte Adam wissen.
»Natürlich. Entschuldigung«, hauchte sie und betupfte sich mit der Serviette die Mundwinkel. »Die letzten Tage scheinen nur ein paar tiefe Schnitte hinterlassen zu haben.«
Jetzt prustete sogar Pavel los und schlug laut lachend auf den Tisch. Mike wischte sich eine Träne aus dem Gesicht und Charly musste fast die Tomatensuppe ausspucken, was erneut für Gekicher sorgte.
Zumindest so lange, bis Adam auf den Tisch schlug und Stille herrschte. Sein finsterer Blick fiel auf Laura.
Sie senkte den Kopf und löffelte schnell ihre Suppe. Egal, was hier gerade passierte, der Kaninchenbau, in den sie gefallen war, schien aufregender und gefährlicher zu sein, als ihr ganzes bisheriges Leben.
***
»Bringt unseren Gast wieder in sein Zimmer.« Mit diesen Worten hatte Adam das Essen beendet. Laura hatte sogar angeboten, mit abzuspülen, nachdem sie nach fast drei Stunden das Essen beendet hatten. Doch die vier hatten es dankend abgelehnt und darauf hingewiesen, dass ihr Gast entsprechend umsorgt wurde.
Gast ... dieses Wort klang lange nach, als Laura sich in ihr Bett hatte fallen lassen und im Kopf das Abendessen noch einmal Revue passieren ließ. Sie musste Charly zustimmen – ihr Freund Pavel konnte kochen, wie kein zweiter. Dazu floss der Wein in Strömen und auch die Gespräche waren so herzlich und ehrlich, dass sie die meiste Zeit vergessen hatte, dass dies keine alten Schulfreunde vom College, sondern ihre Entführer waren. Es behagte ihr nicht, als sie zugeben musste, dass sie sich zu gern mit an den Tisch gesetzt hätte. Der kleine Schwips, den sie sich antrank, tat sein Übriges. Diese Leute wussten zu leben und obwohl kein Wort über ihre Ziele fiel, fühlte sie sich einfach nur wohl.