Читать книгу LustFolter | Erotischer Roman - Sharon York - Страница 4
ОглавлениеKapitel 1 - Realität und Fiktion
Langsam quälte sich der Wagen durch den Abendverkehr der Orlandoer Highways. Noch immer brannte die Sonne auf der Karosserie ihres Fords. Die glühende Hitze wollte in den letzten Tagen selbst in der Nacht nicht an Intensität verlieren. Natürlich war am ganzen Wochenende keine Zeit für Zärtlichkeit geblieben. Rick hatte die Situation mit seinen Eltern gerettet, indem er die ganze Familie zum Essen eingeladen hatte. Das Kartenspiel mit den Hansons war zwar durchaus amüsant gewesen, verlief jedoch immer nach demselben Muster. Am gestrigen Sonntag waren sie früh zu Bett gegangen, damit sie heute fit für die Arbeit waren. Nachdem Laura noch etwas länger in der Bank geblieben war, sah sie nun mit leerem Blick auf den sich langsam auflösenden Stau vor ihr. Wie fremdgesteuert drehte sie ihre Hand mit dem Verlobungsring vor ihren Augen. Ein schönes Stück, ohne Frage. In dieser Sekunde fiel ihr ein, dass sie das Hochzeitsdatum immer noch nicht terminiert hatten. Vielleicht im nächsten Frühling, wenn ...
»Fährst du auch mal, Blondie?«, hörte sie jemanden rufen.
Durch das Hupen der Autos hinter ihr, wurde sie aus ihren Gedanken gerissen. Sie war kurz versucht, dem Typen im SUV ein paar obszöne Worte oder zumindest eine Geste entgegenzuwerfen, entschied sich aber dagegen. Ihre schlechte Laune musste sie nicht auch noch an Unbeteiligten auslassen.
Auf ihrer Straße in Westchapel bog sie diesmal vorsichtig ab, damit ihr Nacken nicht schon wieder in Mitleidenschaft gezogen wurde. Erneut musste sie abbremsen. Das konnte es doch nicht geben!
Derselbe Lieferwagen blockierte erneut die Straße. Diesmal stand er sogar fast quer, sodass es kein Durchkommen gab. Das hatte ihr jetzt noch gefehlt. Laura schäumte vor Wut, als sie aus dem Wagen stieg. Noch bevor sie etwas sagen konnte, donnerte ihre Faust schon gegen die abgedunkelte Fensterscheibe.
»Ist das Ihr ernst? Dahinten gibt es Dutzende Parkplätze und Sie ...«
Weiter kam sie nicht. Noch bevor sie verstand, was gerade passierte, öffnete sich die Schiebetür. Ihre Gelenke wurden von vier behandschuhten Händen erfasst, die sie mit einer Urgewalt, der sie sich nicht erwehren konnte, in den Wagen zerrten. Ein heller Schrei entfuhr ihr, der sofort erstickt wurde, als sich eine Hand über ihren Mund schob. Die Männer trugen Masken und sagten kein Wort. Sie waren eine gut geölte Maschine, die nur darauf aus war, sie in diesen Wagen zu zerren. Laura benötigte Bruchteile einer Sekunde, um die Situation zu begreifen. Das hier war kein Versehen und auch kein Krimi, den sie sich im Fernsehen ansah – hier konnte sie nicht einfach umschalten und den Abend mit ein wenig Wein und einem Bad ausklingen lassen. Es war die Realität.
Innerhalb von wenigen Lidschlägen hatte sie das Gefühl, als würde ihr Atem aussetzen. Mit voller Wucht riss sie ihr Knie nach oben und traf einen der Männer genau dorthin, wo es richtig wehtat.
Ächzend sackte der Mann auf die Ladefläche.
Vielleicht hatte sie doch noch eine Chance ...
Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Wenn sie doch nur schreien könnte. Ihr Mund öffnete sich wie von selbst, als sie versuchte, in die Hand zu beißen, die jeden ihrer Laute erstickte. Doch als sie ein metallisches Klicken nahe an ihrem Ohr vernahm, erstarben ihre Bemühungen. Ein Schauer durchfuhr ihren Körper, als sie in den Lauf einer silbernen Pistole blickte.
»Miss White, ich würde Sie bitten, jetzt ganz still zu sein. Ansonsten wird dieser kleine Ausflug ein sehr abruptes Ende für Sie nehmen.«
Diese Stimme ... sie klang so ruhig und fest, als ob dieser Unbekannte keinen Zweifel daran lassen wollte, dass er die Situation unter Kontrolle hatte. Erst jetzt bemerkte sie den Duft von Lederhandschuhen und eine Träne, die sich aus ihren Augen gelöst hatte. Sie zählte drei Männer und noch eine Kleinigkeit ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren: Die Entführer hatten sie mit ihrem Namen angesprochen.
Schnell stieg einer der Männer, dem sie das Knie in den Unterleib gerammt hatte, aus und drückte seinen Rücken durch. Sie hörte noch ein paar gepresst dahin gestammelte Schimpfwörter, dann schloss er die Tür von außen. Während hunderte Gedanken gleichzeitig durch ihren Kopf rasten, hörte sie, wie ihr eigener Ford gestartet wurde und davonfuhr.
»Ich werde jetzt meine Hand von ihren Lippen nehmen«, flüsterte der Mann und presste sich noch etwas enger an ihren Körper, als wollte er seinen Worten Nachdruck verleihen. »Wenn Sie schreien, werde ich den Abzug drücken, was unweigerlich zu ihrem Tod führen wird. Haben Sie das verstanden?«
Das konnte nicht sein! Gleich würde sie aufwachen, sich die Augen reiben und Rick wachrütteln. Gemeinsam würden sie in die Küche gehen und während sie von diesem fiesen Albtraum erzählte, würde sie einen Tee trinken und sich von Rick massieren lassen. Laura atmete heftig in das Leder des Handschuhs. So musste es sein, nur noch ein paar Sekunden, dann war dieses Martyrium vorbei. Doch anstatt aufzuwachen, kam der Fremde mit seinen Lippen noch ein Stückchen näher an ihr Ohr.
»Ich stelle diese Frage nur noch ein Mal: Haben Sie verstanden, Miss White?«
Laura kniff die Augen zusammen. Sie würde nicht aufwachen. Ihre letzten Zweifel wurden beseitigt, als sie den Kopf leicht zur Seite drehte. Die silberne Pistole war zwar nicht direkt auf sie gerichtet, jedoch reichte der Glanz im schimmernden Licht aus, um die Autorität im Wagen klar zu ordnen. Schließlich nickte sie zaghaft.
»Gut, sehr gut«, lobte der Fremde. Augenblicklich lösten sich die steinharten Griffe der Männer und der Druck auf ihren Handgelenken ließ nach. Als er die Finger von ihrem Mund nahm, sog sie hastig Luft in ihre Lungen. Der zweite Mann ging sofort nach vorn, startete den Wagen und zog den Sichtschutz zur Fahrerkabine zu. Übrig blieben sie und der Entführer mit der Waffe.
Für einen kurzen Moment ging sie ihre Optionen durch. Noch waren sie in Westchapel. Sollte sie versuchen, aus dem Wagen zu springen? An die Tür klopfen? Um Hilfe rufen?
»Lassen Sie bitte diese Gedankenspiele«, sagte der Mann und setzte sich auf die gegenüberliegende Bank. Dabei drang ihr ein herbes Parfüm in die Nase. »Jeder Versuch zu fliehen, würde Ihre Chancen zu überleben auf ein absolutes Minimum reduzieren.«
Hatte er erkannt, wie sie auf die Schiebetür starrte? Einladend deutete er auf den Sitz vor sich. »Nehmen Sie doch Platz, Miss White. Die Fahrt dürfte etwas länger dauern.«
»Wir haben nicht viel Geld«, schoss es aus Laura mit zittriger Stimme hervor. »Wir haben eine Hypothek bei der Bank, fast all unsere Ersparnisse sind in das Haus gesteckt. Wenn Sie das wollen, dann ...«
Entrüstet hob der Mann eine Hand. »Verzeihen Sie, Miss White, aber ich kann Ihnen versichern, dass es uns nicht um Ihr Erspartes geht. Das ist selbstverständlich Ihr Geld und ich würde niemals wagen, es anzufassen.«
Er war Brite. Zumindest ließen sein Akzent und die Art, wie er sprach, darauf schließen. Sein Ausdruck war makellos, er zog Worte, die er betonen wollte, in die Länge und ließ sich trotzdem Zeit zum Nachdenken. Sie fasste einen Entschluss – so gut es ging wollte sie sich jedes Detail merken. Sollte sie hier lebendig herauskommen, würde sie alles dafür tun, dass diese drei Typen den Rest ihres Lebens im Gefängnis verbrachten.
»Was wollen Sie dann?«
»Alles zu seiner Zeit.« Die tiefe, melodische Stimme des Mannes übertönte mühelos die Fahrgeräusche. »Sollen wir es uns etwas bequem machen?«
Der Unbekannte steckte den Lauf der Waffe in den Gürtel seiner dunklen Uniform. Sie hatte keine Ahnung, von was er da sprach, doch als er seine Finger an der schwarzen Maske hatte, wusste sie, was nun folgte.
»Nein, bitte«, schrie sie so laut, dass der Mann innehielt. Ihr Blick ging zu Boden. »Das ist wirklich nicht nötig. Ich muss Ihre Gesichter nicht sehen.«
Sie hatte genug Thriller und Dokumentationen gesehen, die im Spätprogramm über die Mattscheibe flimmerten. Immer, wenn die Masken fielen, war das Schicksal des Opfers besiegelt.
»Dazu wird es nicht kommen«, antwortete der Mann. »Machen Sie sich keine Illusionen. Bei unserem speziellen Vorhaben, werden wir sicherlich nicht in ein Land reisen, dass an das Ihrige ausliefert.«
Lauras Blick war immer noch zu Boden gerichtet, als die Maske fiel. Sie wollte sich zwingen, nicht hinzusehen, minutenlang starrte sie ungerührt auf den Boden des Lieferwagens. Der Mann ließ ihr Zeit, bis Lauras Interesse obsiegte. Sie blickte in funkelnd grüne Augen, ein mildes Lächeln umspielte seine Lippen.
Als der Entführer erkannte, dass sie ihn ansah, beugte er sich nach vorn und Laura zuckte zusammen. Zu ihrer Überraschung reichte er ihr die Hand.
»Adam«, sagte er einsilbig, aber freundlich, ja beinahe surreal höflich.
Das hier konnte unmöglich real sein, versuchte sich Laura einzureden. Mehr aus Überforderung, als aus Höflichkeit, schüttelte sie seine Hand. »Laura«, kam es leise über ihre Lippen.
Als der Mann erneut gegenüber Platz nahm, musterte sie ihn genauer. Die dunkelblonden Haare fügten sich hervorragend an das schmale Gesicht des Mannes. Seine braungebrannte Haut verriet, dass er entweder vor kurzem eine lange Reise unternommen hatte, oder dass er viel draußen war. Er war älter als sie, vielleicht sieben oder acht Jahre. Entführer stellte sie sich anders vor. Sie konnte keinen verschlagenen Blick oder psychopathische Züge ausmachen. Dieser Mann saß einfach nur da, die Beine übereinandergeschlagen und sah nach vorn. Er hätte auch Versicherungsvertreter oder Sportagent sein können.
»Es dauert nicht mehr lange«, sagte der Mann schließlich und ließ ein Lächeln aufblitzen. »Dann können wir endlich aus diesem Lieferwagen raus und uns in aller Ruhe unterhalten.«
In ihren Gedanken malte sich Laura aus, was er damit meinte. »Und was passiert danach? Werden Sie mich ...«
Adam hob die Hände. »Natürlich nicht. Das ist nicht der Plan.«Seine Stimme klang ehrlich.
Aber was sollte man schon auf das Wort eines Entführers geben. »Und was ist der Plan?«
Erneut lächelte der Mann und begutachtete seine Fingernägel. »Das, meine Liebe, werden Sie noch früh genug erfahren. Versuchen Sie, sich einfach zu entspannen, wir haben bald unser Ziel erreicht.«
Innerlich kochte Laura. Nach und nach gewann Zorn die Oberhand über ihren Gemütszustand.
»Natürlich«, flüsterte sie gedankenverloren zu sich selbst.
***
Es dämmerte bereits, als sie ihr Ziel erreichten.
»Bitte ziehen Sie das hier an.« In Adams Hand konnte Laura eine schwarze, samtene Augenbinde erkennen. »Nur zur Sicherheit.«
Sie brauchte nur einige Herzschläge, um ihre Optionen durchzugehen. Sie war allein gegen drei Männer und hatte nicht die geringste Intention diese zu verärgern.
Adam bot ihr an zu helfen. Trotzig sah sie noch einmal in seine grünen Augen, dann band sie sich den Sichtschutz allein um das Gesicht. Wenigstens diesen kleinen Sieg wollte sie ihm nicht gönnen. Die Tür wurde aufgerissen und frische, klare Abendluft drang in Lauras Nase. Sie hatte sich geschworen, jedes Detail der Entführer in ihre Erinnerung einzubrennen, so blieb ihr auch der blumige Lavendelduft nicht verborgen.
Kurz zuckte sie zusammen, als Adam ihre Hand nahm. »Lassen Sie sich helfen, Laura. Ich möchte nicht, dass Sie stürzen.«
Wie fürsorglich, du Idiot, schoss es ihr durch den Kopf, als sie die weichen Hände des Mannes berührte. Ihre Schuhe erreichten knirschenden Boden. Kies, wie Laura vermutete. Mit leichter Dominanz wurde sie geführt, erreichte schließlich festeren Boden, bis sie in einem Gebäude zu sein schien. Der leichte Windhauch war verschwunden und auch der Lavendelduft wich einer herberen Note. An den Schritten konnte sie erkennen, dass lediglich Adam sie führte, die anderen beiden waren nicht auszumachen.
»Sie können die Augenbinde nun abnehmen«, sagte Adam ruhig.
Laura brauchte nicht lange, um sich an die Lichtverhältnisse zu gewöhnen. Noch bevor sie sich umdrehen konnte, fiel eine Stahltür hinter ihr ins Schloss. Sie musste in einem Fabrikgebäude sein, das sorgsam restauriert worden war. In ihrer Panik hatte sie sich ein dunkles Verlies vorgestellt, mit Ketten und Peitschen. Dieser Raum glich jedoch eher einem Hotelzimmer. Das Bemerkenswerteste in dieser Umgebung war eine junge Frau, die im schwarzen Blazer am Tisch lehnte und sie interessiert musterte.
»Willkommen!«, sagte sie.
Hatte Laura sich da gerade verhört? Ohne es wirklich zu wollen, rutschte ihr ein unsicheres »Dankeschön« über die Lippen.
Die junge Frau kam auf sie zu und schüttelte ihre Hand wie bei einem Vorstellungsgespräch. »Laura, richtig? Ich muss zugeben, dass ich schon so viel von dir gehört habe. Ich war ganz gespannt, dich kennenzulernen.«
Erst wusste sie nicht, was sie darauf antworten sollte. Die Frau hatte dunkle Haare und trug einen modischen Kurzhaarschnitt. Ein Tattoo ragte an der rechten Seite ihrer Bluse an ihrem Hals hervor und wirkte neben dem Business-Outfit seltsam fehl am Platz. Das Zungenpiercing tat sein Übriges. Als würde man einen Punk in einen Anzug quetschen.
»Was wollen Sie von mir?«, fragte Laura diesmal mit festerer Stimme, als noch vor einigen Stunden bei Adam. Vielleicht war es die Anwesenheit einer Frau, die sie den Mut wiederfinden ließ.
Sie wiegte ihren Kopf nach allen Seiten und legte die Hände ineinander. »Adam besteht darauf, dass ich dir nichts sage. Er möchte dich gleich persönlich informieren.«
Die Frau redete ein wenig zu schnell, sie sprach mit dem gesamten Körper und schien generell sehr aufgedreht zu sein. Laura überlegte, ob sie die attraktive junge Dame einfach niederschlagen und einen Fluchtversuch starten sollte. Dann wurde ihr schmerzlich bewusst, dass die letzte Prügelei, in die sie verwickelt gewesen war, in der ersten Klasse der High-School mit irgendeiner Cheerleader-Tussi gewesen war. Und die hatte sie auch noch verloren. Sie verfluchte sich dafür, dass sie den Selbstverteidigungskurs immer auf die lange Bank geschoben hatte. Hier war nun Diplomatie gefragt.
»Und wenn Sie sagen, dass er mich informieren will, dann meinen Sie – foltern?«
Riesengroße, dunkle Augen starrten Laura an. »Oh Gott, nein«, schoss es aus der Frau hervor. »Nun ja, zumindest nicht so, wie du denkst. Adam ist mehr der Denker, musst du wissen. Ich bin übrigens seine rechte Hand, Charly.«
»Die Kurzform für Charlotte, nehme ich an?«
»Ja, aber so nennt mich keiner mehr. Also keine Angst, er will dich nur zum Abendessen einladen.«
Wie alt war dieses Mädchen? Vierundzwanzig oder noch jünger? Langsam brachen bei Laura alle Emotionen durch ... und sie machte etwas sehr Unkluges: »Bin ich hier in einem verdammten Irrenhaus gelandet? Sagen Sie einfach, wie viel Geld Sie wollen. Die Polizei sucht nach mir und wenn sie mich findet, dann können Sie den Rest ihres Lebens im Knast verbringen.« Laura ging einen Schritt auf die junge Frau zu. »Seien Sie nicht dumm. Ich merke doch, dass diese Typen Sie irgendwie unter Kontrolle haben.« Laura tat noch einen Schritt, dann legte sie ihre Hand auf Charlys Schulter. Lauras Stimme überschlug sich beinahe: »Helfen Sie mir hier raus und wir gehen gemeinsam zur Polizei. Wir können es beenden!«
Laura sah, wie die junge Frau nachdachte. Sekunden später hatte sie das Gefühl, als würde Charly ihren Vorschlag wirklich abwägen, doch sie schmiegte sich lediglich an sie. Selbst durch den Blazer konnte Laura ihren erhitzten Körper spüren. Charly hob die Hand, ihre Fingernägel strichen mit der Außenseite zärtlich über Lauras Wangen. Mit der anderen streichelte sie vorsichtig über ihre Seite. Das Bein berührte wie zufällig das von Laura, während sie ihr ein umwerfendes Lächeln schenkte. Laura konnte ein süßliches Parfüm ausmachen. Obwohl sie es nicht wollte, bemerkte sie, wie ihr Herz schneller zu pochen begann. Charlys Finger strichen langsam über ihren Hals, fanden sich in Lauras Dekolleté wieder. Ihr Blick war unschuldig, als sie mit einem Knopf an Lauras Bluse spielte. Zwischen all der Angst und der Wut entwickelte sich etwas, dass Laura nicht für möglich hielt. Es war ein Hauch von Erregung, der sich ausbreitete.
Sie hatte im College ein wenig mit anderen Mädchen Spaß gehabt und ja, es hatte ihr auch gefallen ...
Wenige Zentimeter vor ihren Lippen stoppte Charly, drehte sich zur Seite und berührte mit ihrer Wange Lauras Ohr. Ihre Stimme war ein Band aus Leidenschaft und so weich gesprochen, dass Laura ein Schauer über den Rücken lief.
»Die Wahrheit ist, ich liebe es, hier zu sein. Vielleicht wirst du auch irgendwann so empfinden.«
Mit einem Augenzwinkern drehte sie sich um und ging zur Tür. Sie klopfte zwei Mal, sofort wurde die Stahltür aufgezogen. Noch im Türrahmen wandte sie sich an Laura: »Schau dich um, im Kleiderschrank habe ich ein paar Klamotten für dich hinterlegt. Ich hoffe, dass ich deinen Geschmack getroffen habe. Ansonsten ruh dich aus, ich werde dich in einer Stunde abholen.«
Kurz konnte sie die Silhouette eines Mannes ausmachen und erneut fielen ihr die Tattoos des Hünen auf. Plötzlich erinnerte sie sich! Sie hatte sie gestern gesehen, als sich der Fahrer des Lieferwagens halbherzig entschuldigte. Laura war sich sicher, die Entführer mussten sie beobachtet haben und irgendetwas sagte ihr, dass das schon länger so ging ...
Schließlich wurde die Tür zugezogen und sie war allein. Eigentlich hatte sie gedacht, dass sie in der ersten einsamen Minute zu weinen beginnen würde. Doch sie atmete tief durch, ermahnte sich zur Ruhe und begutachtete ihr Verlies, das so gar nicht wie eins aussehen wollte.
Als erstes inspizierte sie den Kleiderschrank. Tatsächlich hingen auf den Kleiderbügeln tolle Outfits. Einige klassisch, ein paar Sommerkleider, fast alle ihr Geschmack. Etwas weiter oben konnte sie einfache Jeans und Tops ausmachen, dazu Unterwäsche in allen Variationen und Formen. In den Schubladen unten standen Sportschuhe und stilvolle Pumps. Jegliche Kleidung war neu, wie zum Beweis hatte Charly die Preisschilder an den Klamotten gelassen. Als sie den Wert überschlug, kam sie auf fast 3000 Dollar. Nicht schlecht, für eine kriminelle Organisation. Gleichzeitig hieß das, dass Charly in vielen verschiedenen Läden gewesen sein musste, um diesen Kleiderschrank zu füllen. Videokameras und Aufzeichnungen würden ihr Übriges tun, um sie zu überführen. Der Gedanke schenkte Laura neue Hoffnung.
Als nächstes nahm sie sich das angrenzende Badezimmer vor. Es war zwar klein, aber sehr sauber. Als hätte man es allein für diesen Anlass einbauen lassen. Bei den Hygieneartikeln wurde sie stutzig. Lauras Blick fing sich auf einer schmalen Anrichte. Die Kosmetik kam ihr bekannt vor, sehr bekannt sogar. Es war dieselbe Seife, die sie bevorzugte, dasselbe Deodorant, sogar ihre zwei Lieblingsparfüms standen frisch verpackt vor ihr. Dieser Adam hatte sie ausspionieren lassen, minutiös ihr Leben verfolgt. Nur so war zu erklären, warum vom Ladyshaver bis zur Duschlotion eine exakte Kopie ihres Badezimmers vor ihr lag. Natürlich alles neu und originalverpackt. Die einzige Ausnahme bildete ein rotes Parfüm in der Mitte.
»Passion«, las sie laut vor und fuhr mit den Fingern über den Zerstäuber. An einer blauen Stoffschleife hing ein kleiner Zettel. »Sorry. Adam.«
Laura schüttelte ihren Kopf. Sie unterdrückte den Impuls, die Parfümflasche an die Wand zu werfen, obwohl ihre Hände vor Wut zu zittern begannen. Natürlich, sie war erschöpft, sah ein wenig mitgenommen aus und auch ihr frischer Teint war verblasst. Trotzdem erkannte sie in ihren Augen ein Feuer, das immer intensiver zu brennen schien. Egal, was diese Leute mit ihr vorhatten, ein Opfer würde sie nie sein.
Behutsam öffnete sie den Verschluss des Parfüms. Es roch mild, nicht zu aufdringlich, mit einer Spur von Jasmin. Obwohl sie sich fest vorgenommen hatte, dieses Duftwasser abscheulich zu finden, musste sie zugeben, dass es ihr mehr als zusagte. Leider.
Nachdem sie jede Ecke des Raums durchsucht hatte, legte sich Laura in das frischbezogene Bett. Sogar eine bequeme Hose und ein Top lagen als Schlafoutfit für sie bereit. Laura rieb sich über die Schläfen und versuchte, ihre Gedanken zu sortieren. Ohne Frage, hier waren Profis am Werk. Sie hatten sie beobachtet, ihre Gewohnheiten untersucht und waren bestimmt nicht scharf auf die mickrige Summe, welche nach dem Hauskauf noch auf Ricks und ihrem Konto zu finden war. Sie wollten etwas anders. Doch was?