Читать книгу Vatermissbrauch - Shey Koon - Страница 3

Jagdsaison

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Ich raste mit meinem goldenen Bentley Mulsanne auf der Bundesstraße 232 entlang, das Jagdfieber trieb mich zu meiner Beute. Freie Sicht, kein Auto weit und breit, der Landstrich war ausgestorben, ein verheißender Vorbote, dass sich zwischen meinem Auftrag und dem Jenseits nichts mehr stellen würde. Mein sechster Sinn schlug aus. Sky befand sich in greifbarer Nähe. Dieses Mal sollte mir dieser miese Abschaum nicht entkommen. Diese Mal nicht. Meine Ladys spürten den teuflischen Hasardeur im Osten Spaniens auf, am Rande der Desierto de Calanda, ein spärlich besiedeltes Trockengebiet.

„Ich werde dich killen, du verfickter Hurensohn. Ja, wie einen räudigen Bastard werde ich dich abknallen.“, schwor ich in den höllischen Morgen.

Ich verließ die Bundesstraße, bog ein, in ein dünn bewaldetes Gebiet, die weibliche Stimme des Navigationssystems führte mich zielsicher aufs Spielfeld. Bereits aus einiger Entfernung erspähte ich die Holzhütte, bremste runter, suchte mit

aufmerksa­men Blick die karge Gegend ab, alles blieb ruhig. Mein Wagen rollte nahe an die Hütte ran, ich stieg aus, die Hitze knallte mir zur Begrüßung hart ins Gesicht. Jetzt nur keinen Fehler begehen. Ich schluckte die Anspannung hinunter, löste meine trockene Zunge vom Gaumen, schritt schnurstracks auf die baufällige Behausung zu und sprang in einem Satz die drei holzigen Stufen hoch. Da stand er, verlottert, in herunter­ge­kommener Kleidung, wortlos, blickte noch nicht einmal zu mir auf. Mir stockte von dem scheußlichen Gestank der Atem. Ein verschlissenes Bett, zwei Stühle und eine rostige Petroleumlampe waren neben dem Stapel prall gefüllter Jutesäcke das einzige Mobiliar, das den Raum füllte. Ich setzte mich auf einen der knarzenden Stühle, starrte ihn an. Plötzlich drehte Sky seinen hageren Kopf zu mir rüber, schnalzte verächtlich mit der Zunge, musterte mich abfällig von oben bis unten und grinste mich mit seinen fauligen Zahnlücken provozierend an.

„Sie wollen nicht, dass du es weißt!“, räusperte Sky mit seiner rauchigen Stimme.

„Vielmehr wollen sie, dass niemand es weiß. Verstehst du? Dass du mich gefunden hast, wird daran nichts ändern.“

Er griff sich eine handvoll übelriechender Kräuter aus dem Jutesack, drückte seine vernarbte Nase gegen die krüppelige Faust und sog den miefigen Gestank ein.

„Shey, du verfügst nicht über genügend Scharfsinn.“

Er trat gegen die Jutesäcke und eine grüngraue Staubwolke füllte den Raum.

„Niemand hat die Macht das zu verhindern. You will see. Go home boy. Glaube mir. Verkriech dich in dein Diamantennest und fick deine beiden Luxus-Schlampen.“

Sky öffnete seine Faust und zerkleinerte mit der anderen Hand das faulige Grünzeug.

„Das grausige Welttheater, betrachte es mit Schampus im Glas und einen Spliff zwischen deinen Zähnen. Das ist mein Rat an dich. Etwas Anderes wird aus dieser tragischen Welt niemals erschaffen werden. Das Böse liegt nun mal in ihrer Natur.“

Sky röchelte den mehligen Staub aus seiner Lunge. „Der Horror ist ein umtriebiger Nachbar.“ Hämisch lachend erhob er den Finger. „Ständig bereit und wach.“

Nachdem die Blätter und Stängel die richtige Größe hatten, stopfte Sky sich das Kraut in den Mund und kaute genussvoll darauf rum. Der Gestank knebelte meine Kehle, mir drehte sich der Magen um. Ich kämpfte gegen die aufsteigende Übelkeit an, wollte keine Schwäche zeigen, doch ich hielt es nicht mehr aus. Mein Körper schnellte reflexartig hoch, der klapprige Holzstuhl fiel um, ich stolperte luftanhaltend aus der Hütte, raus in die von der Sonne verbrannte Ödnis. Ich würgte, kotzte mir die Seele aus dem Leib, während mir die Hitze den Verstand raubte. Das Rascheln der verdorrten Grashalme dröhnte in meinen Ohren, hitzig blies der Wind die Sandkörner vor sich her, zog mir seine verdreckte Botschaft über den Leib. Um mich herum erstreckte sich das trostlose Land, in dem sich einzig die Leichengeilen Aasgeier wohlfühlten. Die Gluthitze sengte mir die Feuchtigkeit restlos aus meiner Haut, drückte wie ein dumpfer Hammerschlag gegen die Stirn, mergelte mein Gehirn aus. Ich konnte unmöglich einen klaren Gedanken fassen, und sank benommen in die Knie. Das widerliche Kraut tat seine Wirkung an mir.

Sky hüpfte überdreht aus der klapprigen Hütte und summte wie ein Irrer. Er war nur noch mit einer leuchtend roten Unterhose bekleidet, seine Haut war durch den Verzehr des Krautes gelb gefärbt, und obwohl er dürr wie ein Magermodel war, blieben seine zwei Meter Körpergröße beeindruckend. Ich musterte ihn argwöhnisch aus meinem Augenwinkel. Ansonsten war aus ihm eine lächerliche Figur geworden. Noch vor einem Jahr war er ein mordgieriger Satan gewesen, der seinesgleichen suchte, vor dem die gesamte Welt erzitterte. Und nun das. Jetzt brauchte sich kein Wehrloser mehr vor seinen Abscheulichkeiten fürchten, selbst ein Kleinkind würde ihn am Boden kugelnd auslachen. Der grausame Menschenschlächter, der sich wollüstig am Opferblut ergötzte war zur verwirrten Witzfigur verkommen. Sein Zenit war abgelaufen.

„Shey, niemals, niemals, niemals. Shey, niemals, niemals, niemals. Entschuldige vielmals, vielmals, vielmals. Entschuldige vielmals, vielmals, vielmals.“, rappte Sky in monotonen Wiederholungen, tanzte ausgelassen, stampfte gegen den trockenen Boden und wirbelte dabei den heißen Staub auf.

Ungläubig starrte ich Sky an. Seine strohblonden Haare wippten mit seinem schwefelgelben Körper im Gleichtakt, seine stahlblauen Augen quollen hervor, wodurch sein zerfurchtes Gesicht noch grotesker erschien. So verging Minute um Minute, und der Feuerplanet verfolgte als brodelnder Zuschauer das heillose Spektakel.

„Pphhhüüüüütt!“ Jäh zerriss mein schrilles Pfeifen die absurde Szenerie, Sky hielt inne, warf einen verkniffenen Blick über seine knochige Schulter, stach mir damit direkt in die Augen. Ich pfiff abermals durchdringend, bestimmt und kurz.

„Genug jetzt!“, schrie ich ihn an. „Knie dich hin und verneige dich! Sofort! Melde dich ab von dieser Erde, über die du dein Höllenfeuer entzündet hast. Hier ist kein Platz mehr für dich. Fahr endlich in die gottlose Unterwelt.“ Er befolgte sklaventreu meinen Befehl. „Sky, eine Frage habe ich an dich. Wie konntest du diese Grausamkeiten gewissenlos an deinen Schwestern und Brüdern verüben? Das will mir nicht in den Kopf.“

Er grinste teuflisch. „Es war so einfach. Sie hatten es mir überaus leichtgemacht, kaum Gegenwehr, fügsame Geschöpfe, leichtgläubige Opfer, von Gottes Gnaden erschaffen. Wirklich mühelos war es. Soweit meine Augen reichten, eine Welt voller Lämmer und Schäfchen.“

Er zog ein breites Lächeln auf, blähte seine knochige Brust auf und furzte theatralisch.

„Und ich! Ein Wolf, ein Adler, ein Killerhai, griff dankbar zu, weil ich der Stärkere war. Das war alles.“

Sein Geständnis brachte meinen Zorn zum Explodieren.

„Schweig!“, befahl ich ihm rüde.

Eisige Stille legte sich über seine Lippen, die Ernsthaftigkeit meißelte sein hageres Gesicht. Sein Atem beruhigte sich und sein Schweiß verdampfte in der glühenden Bruthitze. Jedes Wort war nun zu viel, ich war bereit für meinen finalen Move.

Ich zog meine 35er Glock, zählte in Gedanken die halbe Millionen Euro, die ich für diesen Auftrag bekam und verabschiedete mich innerlich von ihm. Sorgfältig klopfte ich mir den staubigen Dreck von meinen Meisterschusterschuhen, näherte mich ihm Schritt um Schritt, presste den Waffenlauf gegen seine Schädeldecke und drückte eiskalt ab. Ein dumpfer Knall durchdrang das Flüstern des Windes. Sky sackte leblos nach vorne. Sein toter Körper schlug auf den sandigen Boden, der gierig wie ein durstiger Vampir den eisenhaltigen roten Saft aufsaugte.

„Es ist geschafft. Sky, merke dir eines, ich bin Profistatus. Mein Plan, mein Plan, mein Plan, ist ein Mastermindplan. Glaubt nicht, dass ihr dem gewachsen seid.“

Ich konnte nicht an mir halten und verhöhnte ihn. Eine schlechte Angewohnheit von mir, doch er lag schließlich vor mir und nicht andersherum. Plötzlich verschwand die Helligkeit. Dunkle Wolken zogen ein düsteres Zwielicht mit sich, keine schwarze Nacht, eher ein gräuliches Halbdunkel braute sich über mir zusammen, obwohl die Sonne noch immer am Himmelsfirmament erstrahlte. Ich ließ mich von dieser gruseligen Naturerscheinung nicht abschrecken, begab mich zu meinem Bentley, öffnete den Kofferraum und schnappte mir zwei volle Benzinkanister, die ich zur Hütte schleppte.

„Einer für die Hütte, Sky, einer für dich. Du gottverdammter Bastard, bloß Asche und Rauch wird von dir übrigbleiben.“, prophezeite ich der Leiche, während ich in den Himmel blickte und die kreisenden Aasgeier betrachtete.

Mit zugehaltener Nase stürmte ich in das verpestete Gehäuse, schüttete hastig den Sprit über den Boden, den spärlichen Holzmöbeln und den mannshohen Stapel Jutesäcke. Ich knallte den leeren Kanister auf den Boden, griff mir sein Hemd und rannte ins Freie. Ich knäulte den Stoff zusammen, zündete ihn an und warf den brennenden Ball ins Haus. Die Hütte stand sofort lichterloh in Flammen. Genau der richtige Background-Sound für den Wahnsinn, denn ich angezettelt hatte. Wie ich das Knistern und Knacken des trockenen Holzes vermisst hatte. Alleine die Vorstellung, dass Skys Ableben an diesem Tag nicht die Ausnahme war, versüßte mir meine Strapazen.

„Ich habe es getan. Ich, ich, ich.“, brüllte ich den gierigen Greifvögeln entgegen.

Aufgeputscht rannte ich mit dem zweiten Kanister zum niederliegenden Sky, stupste ihn mehrmals mit meinem Fuß. Er war tot. Ich drehte ihn um, wunderte mich, dass der Schuss kaum Spuren in seinem Gesicht hinterlassen hatte. Das Projektil war durch seinen Gaumen ausgetreten, hatte ihm die Vorderzähne zerschlagen, die blutunterlaufenen Augen waren bereits von seiner bösartigen Seele getrennt.

„Dein Vater zeugte eine Ausgeburt der Hölle. Deine Mutter gebärde ein Monster. Niemand wird um dich trauern. Das verspreche ich dir.“

Ich tränkte Sky mit Benzin und zündete ihn an. Zwei schwarze Rauchsäulen knisterten empor, zeigten wie zwei freche Stinkefinger gegen die Anthraziten Wolken. Ich fuhr meinem Wagen ein paar Meter zurück, in sicherer Entfernung betrachtete ich siegestrunken die züngelnden Flammen, wartete, bis sie nur noch verkohlte Überreste auf dem kargen Boden hinterließen. Lässig kramte ich mir eine Kokarette aus der Tasche, rauchte sie seelenruhig. Allmählich blühte das hellblaue Himmelsdach auf, das Dämmerlicht verschwand. Laut lachend schnippte ich meine Finger, bestaunte glücklich jeden einzelnen meiner acht mondänen Diamantblingringe.

„Mmmmh, die schrecklichen Auswirkungen des Krauts, seine Sinne waren im Nebel verloren. Dass er überhaupt noch stehen konnte war ein Wunder.“, grübelte ich.

Nachdem alles verbrannt war, suchte ich den Boden gründlich nach dem Projektil und der Hülse ab, fand sie und wickelte sie in ein samtenes Tuch. Ich rieb mir die Hände, verließ als Triumphator das verbrannte Schlachtfeld. Nun gut, ob ich Informationen von meinen Zielpersonen bekam oder nicht, letztendlich hatte ich gewonnen. Nur der Tod konnte mich aufhalten. Das war die Regel dieses Spiels. Meines Spiels.

Bereits am gleichen Abend saß ich zur nächtlichen Stunde im Kristallsalon. Ich nahm einen Schluck Koon-O, ein Longdrink, den ich zusammen mit Horst entwickelt hatte. Williams Chase Gin übergossen mit gekühltem Clos d‚Ambonnay Champagner, und nach Wahl für schwere Tage, die ich selten hatte, verfeinert mit einem Schuss feinstem Kirschlikör. Horst, mein Hairstylist war der Inbegriff eines gutaussehenden Don Juans und sowohl in seinem Handwerk ein Spezialist, als auch im Kreieren von trinkbaren Leckereien. Und ich hatte ein Faible für Spezialisten. Ich erwartete von mir schließlich nicht weniger.

„Weißt du, meine Lebensmaxime ist dem japanische Wort » Kaizen « unterstellt. Das ist die einzig wahre evolutionäre Erkenntnis der mystischen Meister. Diese Tugend umschreibt die edelste aller menschlichen Fähigkeiten. Aus den vorangegangen Erfahrungen lernen, besser und besser werden und sich selbst zur höchsten Blüte entfalten.“

Horst blickte mich kurz an, schmunzelte, nickte knapp und konzentrierte sich auf seinen Haarschnitt, wie wenn es um sein Leben ging.

„Horst, du bist genial, aber leider genauso wortkarg wie ein Wüstenbrand.“

Ich lächelte angeregt, bestaunte sein Werk im Spiegel, sah meinen Fame, bewunderte mich, trank meinen Koon-O leer und folgte ihm zur Kasse. Ich bezahlte ihn fürstlich. Horst bevorzugte die Währung, die er in die Hand nehmen konnte. Ich führte aus Gewohnheit zwei fresche Bündel geballte Lebenslust bei mir. Davon bekam Horst jedes Mal feuchte Augen.

„Horst, weißt du eigentlich, dass die Frisöre und die Barmänner genau die beiden Berufsgruppen sind, die unglaublich oft in Filmen verwendet werden?“

Horst legte zufrieden die Scheine in die Kasse.

„Außer von Soldaten, Terroristen und Bombenlegern natürlich. Bis in einer Woche. Der nächste Kunde wartet bereits.“, erwiderte er schlagfertig und verabschiedete mich.

Angeheitert düste ich mit meinem Zweitwagen, einen Lamborghini Murciélago Purple nach Königstein zur Villa Rothschild Kempinski. Mein beständiges Domizil in Deutschland. Ich öffnete die Türe, auf dem Queensize-Bett räkelten sich bereits Eve und Melanie. Meine Ladys vergnügten sich stöhnend miteinander. Ich betrat die Suite, zwinkerte ihnen zu, schritt auf sie zu und küsste beide leidenschaftlich

„Ladys, ich habe euch vermisst, ja, wahnsinnig vermisst. Gleich bin ich bei euch.“

Ich rührte mir ein Glas Champagner mit Molly an, legte meine Glamourringe ab und verschwand unter die Dusche, bevor ich in das lustvolle Liebesspiel eintauchte. Aufgefrischt küsste ich Eve, liebkoste ihre Brüste, streichelte Melanie an ihrer heißen Pussy. Wir liebten uns hemmungslos bis zum Sonnenaufgang auf einer halben Millionen Euro. Unser Sold. Der Mond ging am Horizont unter, lächelte meinem Treiben zu, bejubelte mich.

„Ich liebe euch beide wahnsinnig. Ihr seid göttlich. Eure Muschis sind göttlich.“

Ich lag erschöpft neben Melanie, Eve schmunzelte mich mit ihren geweiteten Pupillen an, fingerte Melanie zärtlich und warf mir einen Kussmund zu.

„Shey, wir haben so viel Geld, sind unglaublich reich. Warum stoppst du den Wahnsinn nicht?“, fragte sie mich mit ihrem russischen Akzent.

Ich griff an meine Brust, drückte zu, wie wenn ich mir mein Herz raus pressen wollte, verdrehte spielerisch meine Augen.

„Ach Eve, wenn ich nur könnte. Ich bin nicht mehr der, der ich einmal war. Unmöglich umzukehren. Ich folge meiner Bestimmung.“, antwortete ich ehrlich.

Ich wandte mich Melanie zu, die lustvoll aufstöhnte, streichelte ihr langes rotes Haar, schnupperte den Duft ihrer Haut, küsste ihre Schläfe, ihre Wange, stupste sie mit meiner Nase.

„Eines Tages wird dein Glück dich verlassen und du wirst sterben. Dann wirst du nicht mehr heimkommen und auf uns aufpassen, dich um uns kümmern, uns lieben. Sind wir dir denn nicht genug? Brauchst du dieses Spiel unbedingt?“

Melanie stöhnte heftiger und ich streichelte ihr die Brüste, küsste sie voller Leidenschaft und sie kam hemmungslos. Ihr Körper zitterte, sie atmete stoßweise.

„Ich habe dieses Spiel erfunden. Hast du das schon vergessen? Eve, ich kann nicht einfach aussteigen. Wir befinden uns erst an den Ausläufern des Berges, den wir erstürmen wollen.“ Ich zeigte mit meinem Finger nach oben. „Da oben ist der Gipfel, soweit will ich hinaus. Und die Lösung des Rätsels, die ist noch so weit entfernt.“

Ich goss meinen Ladys mit Molly versetzten Champagner nach und verschwand ins Badezimmer. Mein reifes Spiegelbild entblößte mich, zeigte mir die Anstrengungen und Freuden, die ich in den letzten 48 Stunden erlebt hatte. Ich begutachtete mein vierzigjähriges Gesicht, wuschelte durch mein graumeliertes Haar.

„Vielleicht sollte Horst sie färben.“, überlegte ich, wusch mich gründlich, benötigte dringend Schlaf, jedoch der Tag war erst am Anbeginn.

Der Geruch von gebratenen Eiern mit Speck lockte mich hervor. Ich zog mir legere Kleidung über. Meine Wahl fiel auf Phillip Plein, fiel auf helle Töne, denn diese ließen mich auf wundersamer Weise frischer, ja direkt jugendlicher erscheinen.

„Shey, Eve sagt die Wahrheit. Was treibt dich überhaupt dazu? Du hast doch uns zwei. Was brauchst du sonst noch?“, fragte Melanie mit ihrem französischen Akzent.

Eine Wahnsinnsfrau, meine Wahnsinnsfrau, ich hätte die Welt zu einem Herz geformt, wenn sie es verlangt hätte. Ich grinste, neigte meinen Kopf leicht zur Seite, schwieg.

„Willst du noch eine Geliebte? Sollen wir eine dritte Frau zu uns nehmen. Shey, sag es. Und du bekommst sie.“, schwor Melanie kess, hob ihre drei Finger in die Höhe.

„Warte! Frag mich doch zuerst, bevor du ihm das versprichst. Ich will mitentscheiden. Außerdem bin ich mir gar nicht sicher, dass ich Shey mit einer dritten Frau teilen will.“, warf Eve angestachelt ein.

Ihre Eifersucht sprühte aus ihrem bildhübschen Gesicht. Selbst in solchen riskanten Momenten sah sie wunderschön aus.

„Ja, Shey, sag schon, willst du eine dritte Frau?“, bohrte Eve nach und gleichzeitig töteten mich ihre grünen Augen.

Sie sah bezaubernd aus, wie ein Engel, der direkt aus dem ewigen Paradies zu mir geflogen kam. Ihre lockige, blonde Mähne umrahmte ihr abwartendes Gesicht. Wenn ich jetzt etwas Falsches gesagt hätte, hätte sie mich auf der Stelle erwürgt. Melanie griente frech und war nicht minder neugierig. Ich blickte ihnen abwechselnd in die Augen, stellte mich mutig ihrer Falle, zwinkerte dreist, goss ihnen Champagner nach.

„Ihr Zwei. Ich fürchte mich vor euch, wenn ihr wie die wildgewordenen Furien über mich herfallt.“

Ich verstand mit meinen beiden unberechenbaren Frauen umzugehen, erahnte den unvorhersehbaren Moment, genoss es direkt. Ich hatte die leere Champagnerflasche noch in der Hand, sprang unerwartet auf, schleuderte die Flasche ansatzlos gegen den Boden, tausende Splitter flogen umher, ich schnaubte wild wie ein wütender Stier. „Kommt mir nicht so. Sagt doch, dass ihr noch eine weitere Gespielin wollt. Es langt euch wohl nicht. Ich Narr dachte tatsächlich, wir drei sind glücklich. Jetzt kommt ihr mir mit so einem Unsinn.“

Ich ging stampfend auf und ab. Eve und Melanie saßen da, ihre Münder weit aufgerissen, sie waren sprachlos. Mit dieser Wendung hatten sie nicht gerechnet. Doch ich setzte noch eines drauf. Ich griff nach der wertvollen Porzellanfigur aus dem späten neunzehnten Jahrhundert, die den Tisch zierte, und warf sie gegen die Wand. Die scharfen Trümmer sausten durch den Raum.

„Ich fass es nicht. Wir drei und sonst niemand! Wenn ihr eine dritte Frau anschleppt, bin ich weg. Dann seht ihr von mir nur noch eine Staubwolke. Das könnt ihr mir aber glauben.“

Ich schnappte mir das bereitstehende Päckchen, verließ mit knallenden Türen die Suite, und eilte zum Aufzug. Jetzt aber schnell weg. Ich konnte mir das Lachen kaum verkneifen. Wahrscheinlich saßen sie jetzt überglücklich und zufrieden auf der Couch und öffneten sich eine weitere Flasche Schampus, gaben eine Portion Molly dazu und liebten sich triumphierend.

Ich war auf dem Weg zu Djan, meinem Auftraggeber, ein egozentrischer Multimilliardär, der das Abenteuer liebte, aber andere benötigte, diese gefährliche Lebensweise auszuleben. Ich war einer dieser Anderen.

Das geschmiedete Tor zu seinem Anwesen öffnete sich automatisch und ich fuhr in den gepflegten grünen Park ein. Ein Pfau stolzierte neben den Kiesweg, als ob er mich begrüßen wollte. Ich winkte ihm zu, fuhr gelassen den geschwungenen Weg entlang, bis zu den marmornen Stufen, die hoch zu einem mit Stein eingerahmten See führten. Ich stieg aus, folgte den Stufen nach oben, und ließ meinen Blick über das grünlich schimmernde Wasser schweifen. Zwischen den Seerosen schwammen leuchtend bunte Kois, die den unermesslichen Reichtum meines Auftraggebers offen zur Schau stellten. Djan war ein Mann, der vielen Leidenschaften nachging, ohne jemals den Preis zu scheuen, die sie von ihm abverlangten. Ein Ruderboot mit zwei schwarz gekleideten Männern glitt auf mich zu. Sie waren das perfekte Abziehbild der ganz in schwarz gekleideten Unbekannten in den Agentenfilmen. Keiner kannte sie, aber sie waren bereit, jederzeit für ihren Boss zu sterben.

Sie luden mich mit einer Handgeste ein, in das Boot zu steigen. Ich nahm meinen Platz zwischen ihnen ein, und während der eine Ausschau hielt, ruderte sein Partner durch das wellende Wasser. Nach drei Minuten erspähte ich eine weiße Villa, die in dem weiten Wasserbecken errichtet worden war. Mein dicklicher Auftraggeber kniete am Rand des marmornen Stegs, hielt seine linke Hand ins Wasser, die Brille saß

locker auf seiner Nase und er starrte bewegungslos ins Nass, lauerte wie ein Jäger, wartete ab. Plötzlich schnappte Djan zu, schnappte sich einen Koi, hielt einen Asagi in seinen Händen. Ich selbst war von dieser blauen Koikarpfen Varietät überaus begeistert. Sobald ich sie zu Gesicht bekam, seufzte ich auf, wünschte mir nichts sehnlicher als einen festen Wohnsitz mein Eigen zu nennen und sie in meinem Pool schwimmen zu sehen. Bisher machte es jedoch keinen Sinn, denn die meiste Zeit war ich mit meinen beiden Ladys auf dem Erdball unterwegs, wir verweilten dort, wo unsere Aufträge uns gerade hinführten. Trotz seines Leibesumfangs erhob sich Djan behänd und warf ihn mir zu.

„Fang! Unser Abendessen. Strotzt vor Lebendigkeit. Lecker Sushi.“

Ich drehte mich geistesanwesend weg, ließ den zappelnden Fisch an mir vorbeifliegen, wollte mir die Klamotte nicht mit dem Fischgeruch versauen. Als der Fisch aufs Wasser planschte, zuckte ich, Unschuld vortäuschend, mit meinen Schultern. Er kratzte sich an seiner kugeligen Glatze, richtete sich seinen beigen Anzug zurecht und streckte sich.

„Na, dann gibt es eben Kobe Filet Mignon.“

Djan schüttelte mir kraftvoll die Hand, lachte schmutzig, wie Kobolde es in Zeichentrickserien nur konnten, zog mich zu sich heran und umarmte mich.

„Du hast Sky erwischt, ja?“, fragte Djan flüsternd nach, schlug mir dabei mit seiner nassen Hand freundschaftlich auf den Rücken.

„Ja, sicher. Es ist getan.“, bestätigte ich im gleichen Flüsterton, nickte knapp und Djan bat mich ins Haus. Der Fischgeruch wehte mir um die Nase.

Ich war jedes Mal auf das Neue überrascht, wenn ich von Djan eingeladen wurde. Sein Interieur bezeugte seinen exquisiten Geschmack für auserlesenes Design. Dunkle schwere Holzmöbel im Kolonialstil und dunkles Leder für die Überzüge staffierten die mit ausladenden Palmen gesäumten Räumen, dazwischen präsentierten sich die geflügelten Kunstwerke, die gekonnt in Szene gesetzt waren. Djan sammelte leidenschaftlich Engelsstatuen, ganz gleich ob sie aus feinem Marmor geschlagen, mit Glas veredelt oder aus wertvollen Metallen gegossen waren. Er ersteigerte seine Kostbarkeiten weltweit auf den exklusiven Auktionen, testete tagelang die Plätze in seinem Anwesen aus, bis er den geeigneten Standplatz für seine auserlesenen Raritäten lokalisiert hatte. Mitunter waren es fünf oder sechs Statuen gleichzeitig, die seine Bediensteten von einem Ort zu einer anderen Stelle rückten, solange bis er mit dem Gesamteindruck zufrieden war. Dann bestaunte er wochenlang seine wertvollen Errungenschaften.

Nachdem er mir seinen neuesten Engel, der gänzlich aus einem Kristall geformt war, vorgeführt hatte, setzten wir uns an die Tafel, tranken Zitronenwasser, spülten den Gaumen mit klarem Wasser nach, tupften uns den Mund. Vier fleißige Bedienstete tischten uns das Edelste aller Fleischgerichte auf, füllten unsere Gläser mit Château Cheval Blanc, reichten rote Weintrauben dazu, servierten Pistazieneis auf Silberplatten. Das Festmahl der Götter war angerichtet. Ich speiste ausgiebig, schlürfte schamlos am edlen Wein, vernaschte die hellgrüne Eisspezialität, plauderte mit Djan über dies und über das. Dieses Ritual pflegten wir nach jedem gelungenen Auftrag. Nachdem wir kugelrund auf den Stühlen fläzten, bat mich Djan, ihm zu folgen.

Er führte mich die langen Korridore entlang, in denen ich mich alleine verloren hätte. Die Villa war wie ein Labyrinth mit unzähligen Räumen konstruiert. Oberirdisch wie unterirdisch. Wir nahmen den Aufzug, fuhren zehn Stockwerke in die Tiefe. Er gestaltete für jeden meiner Zielpersonen eigens einen Raum, einem Miniaturmuseum gleich, sammelte die Lebensgeschichten der Vernichteten wie Trophäen. Wir schritten Raum um Raum an den gläsernen Wänden vorbei, die den Blick direkt auf die erworbenen Trophäen lenkten. Jede Perle war ein Unikat und wies bestimmte Besonderheiten auf. Eingravierte Motivbilder waren genauso begehrt, wie die unterschiedlichen Farbtöne, die von gelb über das weißliche Perlmutt bis hin zum satten Schwarz reichten. Die Größen schwankten von einer kleinen Perle bis hin zu Murmelgrößen. Manche Perlen fluoreszierten, in andere wiederrum waren Edelsteine eingearbeitet.

„Wie viele Räume sind es aktuell in deiner Sammlung?“, fragte ich neugierig nach.

Mit stolzem Gesicht und geschwollener Brust atmete Djan ein.

„143 Räume. Du weißt, dass ich eine handvoll an Jägern einsetze. Dennoch bin ich noch nicht an der Spitze. Saraxus, der Honduraner, führt die Weltrangliste an. Obwohl ich doch einige spektakuläre Trophäen mein Eigen nennen darf.“

Ich lächelte ihn herausfordernd an, dachte an meine mehrere hunderte Millionen, die ich bisher allein durch ihn verdient hatte.

„Du bist auch nicht mein einziger Auftraggeber. Vielleicht liegt es daran.“, lachte ich ihn an.

„Shey, hast du die Trophäe dabei? Ich habe den geeigneten Platz dafür. Komm mit, ich zeige in dir.“

Djan betrat einen schwach ausgeleuchteten Raum, ich hinterher. Es gab gerade genug Licht um die Bilder, Fotos und Habseligkeiten auszuleuchten, die wohl einst im Besitz von Sky waren. Djan war über die Gejagten bestens informiert. Ich überreichte ihm das Tuch, in dem das totbringende Projektil und die Hülse eingewickelt waren. „Das war das letzte, was Sky in dieser Welt erleben durfte. Direkt durch seinen Schädel. Das Ungeheuer wird niemanden mehr Leid zufügen können.“

Djan legte sie achtlos beiseite.

„Shey, wo ist die Trophäe?“, hackte er ungeduldig nach.

Feierlich überreichte ich ihm das Päckchen mit der schwarzen Perle. Ungestüm riss er es auf, nahm das Schmuckstück aufgeregt zwischen seine Finger, bewunderte die glänzende Perle, drehte sie in allen Richtungen, bestaunte die drei filigrane Blumen, die eingraviert worden waren und nur durch das Dämmerlicht hervorleuchteten. Er legte das Kleinod sanft auf ein samtenes cremefarbenes Kissen. Sein Staunen kannte keine Grenze. Er erhob seinen dicken Kopf, deutete direkt auf ein Plakat, das eine Gruppe junger indischer Männer zeigte, die ängstlich am Boden kauerten.

„Sky trieb ein blutiges Geschäft mit dem Menschenhandel. Er operierte mit seinen grausamen Söldnern weltweit.“, klärte mich Djan todernst auf.

Natürlich kannte ich die Geschichte dieses Mannes, schließlich hatte ich ihn ausführlich studiert, bevor ich ihn zur Strecke gebracht hatte.

„Seine menschliche Beute, vorwiegend aus den Drittweltländern, behandelte er wie Vieh. Kräftige und gesunde Männer brachten ihm als Arbeitssklaven einen besonders hohen Preis ein, wusstest du das? Die unantastbare Würde des Menschen, tja, war ihm keinen Pfifferling wert. Was auf alles in der Welt bringt so ein Scheusal hervor.“, fuhr er belehrend fort. „Tagelang quälten und vergewaltigten er und seine Männer junge Mädchen auf brutalste Weise, bevor er sie geschändet und willenlos an die asiatischen Bordelle verkaufte.“

Djan spuckte auf ein Foto, zerriss das Gesicht von Sky in tausend Papierfetzen. Ich wusste, dass das Monster selbst vor dem Geschäft der Ausschlachtung nicht zurückschreckte. Wer den eingeforderten Preis bezahlte, konnte ein Herz erwerben oder Leber, Nieren, Augen, kein Wunsch blieb aus. Sky belieferte den roten Markt. Wer für seine perversen Spiele Gladiatoren benötigte, bekam welche, wer das Essen von Menschfleisch bevorzugte, bekam welche, wer einen blutigen roten Raum betrieb, bekam welche. Menschen waren so leicht zu fangen, seine Beute brauchte oftmals nur ein hoffnungsvolles Versprechen, um mit ihm zu gehen. Ich begutachtete die Gesichter der jungen Männer. Sie waren starr und leblos, sie hatten sich wehrlos ihrem grausamen Schicksal ergeben.

„Die Schafe folgten ihm, ihrem Schlächter.“, flüsterte ich ihm wissenden Ton. Djan stupste mich an, winkte mich hinter sich her. forderte mich auf ihm zu folgen.

„Shey, ich habe dieses Mal eine außergewöhnliche Zielperson für dich. Du wirst mich dafür lieben, dass ich ihn, oder vielmehr sie, einzig und allein für dich aufbewahrt habe. Eine wirklich seltene Gelegenheit.“

Meine Neugierde war aus ihrem Schlaf gerissen, meine Hände schwitzen vor Aufregung, der Herzschlag zeichnete sich unter meinem Hemd ab. Ich ließ es mir nicht anmerken. Ich war Profi 24/7. Trotzdem betete ich innerlich, er sollte sich beeilen. Djan öffnete eine weitere Türe, doch es blieb dunkel. Er zwinkerte mir zu, ahnte, dass ich vor Neugier zerplatzte. Djan gab mir ein Handzeichen, dass mich zum Stehen bleiben aufforderte. Er verschwand hinter der Türe, kam nach wenigen Sekunden mit einem silbernen Briefumschlag hervor und überreichte ihn mir.

„Dein Auftrag. 13 Millionen Euro ist mir diese Perle wert. Beschaff sie mir! Streng dich an, das wird kein leichtes Spiel. Es ist die einzig goldene Perle, die es geben wird. Die muss ich unbedingt haben.“, betonte Djan nachdrücklich.

„Versuchst du mich gerade zu motivieren?“, neckte ich ihn.

Tatsächlich törnte es mich an. Dieser Auftrag war anders als alle andere, schoss es mir instinktiv durch meinen Geist. Ich hatte Mühe ruhig durchzuatmen, verabschiedete mich sogleich, ließ mich von den beiden unbekannten Filmspionen zu meinem Lamborghini rudern, und brauste los. Ich hinterließ eine staubige Wolke, winkte dem stolzen Pfau zum Abschied, hielt den Umschlag fest umschlossen.

Eve und Melanie schliefen engumschlungen, ich bewegte mich auf Fußspitzen über dem Parkettboden der Suite, sah, dass der Spiegel angerichtet war, schnupfte White Crystal und begab mich in mein Bekleidungszimmer. Ich beschloss den Brief erst zu öffnen, sobald ich ausgeschlafen war. Natürlich drängte mich die Neugierde, doch in erster Linie war ich ein Koryphäe meines Handwerks und es war nicht der richtige Zeitpunkt. Also verstaute ich meinen Auftrag in einer Schuhschachtel, zog mir Laufkleidung über und begab mich nach unten. Um warm zu werden lief ich mit langsamen Schritten los, lauschte der beruhigenden Stille des grünen Parks. Ich atmete tief durch, erhöhte mein Tempo, wurde schneller und schneller, das Blut pochte durch meine Adern. Mein Geist war frei.

Doch dann, plötzlich und unvermutet blitze eine Vision vor mir auf. Ich blieb stehen. Ich roch ihr Parfüm, sah ihre brünetten Haare, sie weinte. Sie saß auf dem Boden gekauert und schluchzte mit einem Foto in ihrer Hand. Lange war es her, sehr lange. Die Vergangenheit rührte sich in mir. So schnell wie die Einbildung in meinem Kopf aufflackerte, so schnell verschwand sie auch wieder. Ich war eindeutig zu lange wach und halluzinierte. Ich drehte um, eilte zurück in die Suite, duschte, rauchte auf der Terrasse einen Spliff und legte mich entspannt zu meinen beiden Ladys. Sie schlangen ihre Arme um meine Brust, kuschelten ihre warmen Körper an mich. Ja, das waren meine Feelings, mein Lifestyle. Vorzeitig im Paradies angekommen. Nach dreizehn Stunden ausgiebigen Schlafens weckte mich Eve.

„Los, aufstehen. Lass uns shoppen gehen.“

Sie rüttelte an mir, gab erst nach, als ich aufrecht auf dem Bett saß. Melanie brachte mir einen kühlen Energiedrink. Beide saßen sie vor mir, blickten mich erwartungsvoll mit ihren lebendigen Augen an und warteten ab.

„Ladys, zuerst das Training, dann können wir in die Stadt.“ Die exklusive Goethestraße in der Frankfurter Innenstadt lag von Königstein nur 20 Autominuten entfernt, also kein Grund zur Eile.

„Das Trainingsprogramm haben wir längst absolviert, während der Herr munter geschlafen hat.“ Eve und Melanie drehten ihre Köpfe, zeigten mir ihre kunstvoll gerichteten Hochsteckfrisuren, reckten ihre manikürten Finger in die Höhe und lächelten amüsiert. „Unser Spa-Vormittag ist erfüllt. Wir können also auf der Stelle aufbrechen.“, forderte mich Eve auf. Melanie grinste unverschämt hinterher.

In unserem Trio hielt eindeutig Eve das Zepter in der Hand. Was blieb mir anderes übrig. Ich stand auf, verzichtete auf die sonstigen Aufputschmittel und zog mir sommerliche Kleidung über. Melanie spielte mit ihrer schwarz umrahmten Brille, fragte höflich beim Concierge an, ob wir eine Limousine mit Fahrer buchen könnten, gab die Liste der Luxusboutiquen durch, denen wir einen Besuch abstatten wollten und bedankte sich herzlich für den außergewöhnlichen Service.

„Melanie, warum fragst du so überaus freundlich? Deine persönlichen Wünsche zu erfüllen, das ist die Aufgabe des Concierge. Dafür wird er schließlich bezahlt.“ Eve schüttelte verständnislos ihren Kopf. Ich konnte nicht an mich halten.

„Weißt du, die Kunst des Concierge besteht darin, dass er seine Stellung nicht nur als eine notwendige Pflichtaufgabe behandelt, nur um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, sondern als sein leidenschaftliches Engagement dem Gast des Hauses gegenüber. Er ist der Meister, der dir wie Aladin in der Wunderlampe deinen persönlichen Wunschtraum zur Erfüllung bringt. Dieser fantastische Realitätsdesigner erschafft uns unser luxuriöses Panorama des Lebens, solange wir in der Villa Rothschild Kempinski zu Besuch sind.“, klärte ich Eve auf. „Genau genommen ist er der Schöpfer unserer Erlebniswelt. Nicht nur das. Er sieht alles, er hört alles, jedoch er schweigt und macht einfach. Diese Qualität ist nur wenigen Menschen zu Eigen. Er hat unseren ehrlichen Respekt verdient, da stimme ich Melanie bedingungslos zu.“

„Poch, poch, poch.“ Es klopfte an der Türe, Melanie öffnete, ich beobachtete Eve, stellte erstaunt fest, dass sie mit dem korrekt gekleideten Concierge Augenkontakt herstellte. Argwöhnisch musterte ich die beiden, doch es entzündete sich kein Feuer des Flirts, nein, in ihren Augen spiegelte sich die Hochachtung wieder, die dem begabten Magier gebührte. Er begleitete uns zum hauseigenen Limousinen-Shuttle, der Chauffeur öffnete galant die Türe des Jaguars und fuhr uns schweigend nach Frankfurt.

Kaum in der Stadt angekommen, verabschiedete ich ihn und begleitete meine Ladys in die Luxusboutiquen, ließ mir eifrig von dem köstlichen Launengold einschenken, bestaunte die Wandlungskraft ihrer Schönheit, unterstützte die Wahl der Beraterin

oder lobte die Wahl von Eve und Melanie. Die Stunden flossen dahin, der Sekt perlte, die edlen Pakete stapelten sich bis unter die Decke, warteten darauf, mit dem Service in unser Domizil gebracht zu werden. Ich war bereit meinen zwei Schönheiten die gesamte Welt zu Füßen zu legen. Unerwartet verspürte ich das Bedürfnis, eine ordinäre Zigarette zu rauchen. Das Verlangen erlebte ich nur, wenn ich ausgiebig Sekt trank, anscheinend gab es da einen Zusammenhang.

Ich ging aus der Türe, schnorrte bei einem vorbeilaufenden Passanten, der mir sympathisch erschien, steckte mir die Zigarette an und rauchte. Ich freute mich des Tages und blies den Rauch aus. Erst unmerklich, ich schnupperte, der schleierhafte Duft des Parfüms lag in der Luft, das wohlbekannte Aroma nahm den Raum um mich ein. War es abermals nur eine Einbildung? Ich blickte mich nervös nach allen Seiten um, suchte, meine Augen wanderten hektisch über die Gesichter der spazierenden Leute. Befand sie sich unter ihnen? Angespannt rauchte ich weiter. Nichts passierte. Ich ging zurück in die Luxusboutique, verdrückte mich auf die Toilette, wusch mir meine Hände, erfrischt mein Gesicht. Ich hatte eindeutig zu viel Launengold auf nüchternen Magen getrunken. Mit schwammigen Knien betrat ich den Verkaufsraum.

„Shey, du siehst bleich aus. Ist alles gut bei dir?“, fragte Melanie besorgt nach. Meine Hotties ließen alles stehen und liegen, eilten sofort zu mir. Melanie nahm mein Gesicht zwischen ihre Hände, blickte mir tief in die Augen, küsste meine Lippen. Eve umarmte mich.

„Es ist alles in Ordnung. Ich habe nur einen unglaublichen Hunger.“, antwortete ich bübisch.

Melanie bat die Beraterin, sich um die Vielzahl der Pakete zu kümmern, bedankte sich freundlich, während Eve mich resolut an die Hand nahm und nach außen an die frische Luft zog.

„Shey, du achtest überhaupt nicht auf dich. Das kann so nicht weitergehen.“, schimpfte sie mich.

„Ich brauche nur eine kräftige Mahlzeit, dann bin ich schnell auf dem Damm. Lasst uns amerikanisch essen! Lecker Sparerips, Bacon und Potatos.“

Melanie eilte herbei. „Das, mein Liebster, kannst du ganz schnell wieder vergessen. Was du brauchst, ist eine gesunde Gemüsesuppe. Die bringt dich zu Kräften. Ganz in der Nähe gibt es doch dieses vegane Restaurant. Dort gehen wir jetzt hin. Melanie küsste mich abermals. „Und heute wird kein Alkohol mehr getrunken. Hast du mich verstanden? Ist nur zu deinem Besten.“

Melanie besaß eindeutig mütterliche Ambitionen. Aber es war sinnlos zu widersprechen. Sie hatte Eve ganz klar auf ihrer Seite. Zwei gegen einen. Also fügte ich mich kampflos und wir spazierten zu dem heilsversprechenden Restaurant. Ich wusste eh, wenn ich den aufgezwungenen Ratschlag befolgte, hätte ich meine zwei Gesundheitshüterinnen bis zum späten Abend soweit um den Finger gewickelt, dass ich wenigstens den ein oder anderen Spliff zwischen meinen Lippen halten durfte.

Nach einem Vevay Teller und einem Chia-Kokos-Pudding mit Obst, trank ich noch reichlich Supergreen-Smoothies. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen, denn ich blickte nach dem grünen Mahl in zwei rundum zufriedene Gesichter.

„Was würde ich nur ohne meine Engel machen. Ich danke Gott jeden Tag, dass es euch gibt.“

In bestimmten Fällen war es unnötig mich gegen diese geballte Frauenpower aufzulehnen. Ich war der Klügere und beugte mich vor der weiblichen Gewalt. Nach einem ausgedehnten Spaziergang mit anschließender Fütterung der Enten kümmerte sich Melanie um den Shuttle-Service. Es dauerte keine fünfzehn Minuten und wir saßen im Jaguar, der uns in die Villa Rothschild Kempinski zurückfuhr. Ich schnappte mir den silbernen Umschlag, bewegte mich möglichst selbstverständlich zu meiner verzierten Holzbox, holte mir einen gerollten Spliff hervor und zündete ihn an.

„Geh auf den Balkon, wenn du rauchst! Hier innen wird nicht geraucht.“, ermahnte mich Eve und blickte mich dabei bissig an.

Ich genoss genüsslich meinen Spliff, zu meinem Bedauern alleine. Meine Ladys huschten ins Badezimmer. High öffnete ich den Umschlag, las nun endlich meinen neuen Auftrag.

Shan Zeibo. Ich blickte auf das Foto. Eine attraktive Asiatin guckte mir entgegen. „Goldene Perle, wie Doppeldeutig.“, flüsterte ich vor mich hin. Das war also meine zugeteilte Zielperson. Mein Blick verweilte auf dem Bild. „Du bist meinem Auftraggeber eine stattliche Summe wert.“, klärte ich sie auf.

Ich besaß die Angewohnheit, frühzeitig mit meinen Zielpersonen zu reden, ganz so, als ob sie anwesend wären. Aus der Erfahrung der Jahre konnte ich sagen, dass es mir half, mich in meine Jagdbeute einzufühlen. Sie war erst 26 Jahre alt und wurde bereits als eine der gefährlichsten Personen auf dem Planeten eingestuft. Shan Zeibo betrieb einen Handel mit Versuchskontingenten der besonderen Art. Ihr Fachgebiet galt den menschenverachtenden geheimen Abschlüssen, die die Staaten hinter dem Vorhang der Macht anboten. Angesehene Wissenschaftler, Industrien oder Militärs orderten auf dem Weltmarkt Gebiete, die die korrupten Staatschefs mitsamt ihren Bewohnern an den Höchstbietenden verpachteten. Die freigegebenen Areale durften dann für Versuchszwecke jeglicher Art genutzt werden. Die Tötungsrate des Lebens konnte bis zu einhundert Prozent betragen, solange gewährleistet wurde, dass die Versuche die festgelegten Grenzen nicht überschritten und das Territorium nach der vertraglich vereinbarten Versuchslaufzeit wiederaufbereitet wurde. Shan Zeibo jettete durch die Welt, verhandelte mit käuflichen Staatschefs, Königen, Diktatoren und Milizen, ließ keine Gelegenheit ungenutzt, bevölkerte Gebiete in ihr schreckliches Portfolio unterzubringen, um sie zu Unsummen auf dem braunen Markt zu versteigern. Die Nachfrage war außerordentlich. Neuartige Viren, bedrohliche Insektenepidemien und andere biologischen Waffen warteten auf ihre Testreihen. Die nukleare wie auch die chemische Industrie zahlten utopische Summen für diese Kontingente. Shan Zeibo war die abscheuliche Herrin über die Verseuchung und der Auslöschung ganzer Landstriche. Das Top der Angebote war es eine Insel zu pachten, was selbst für manchen renommierten Wissenschaftler unerschwinglich blieb, das konnten sich nur die Industrie oder das Militär für ihre abartigen Versuche leisten. Die Gewährleistung lag klar auf der Hand. Das Meerwasser diente als natürliche Schutzschranke, erhöhte somit die Chance, dass die Auswirkungen des Versuchs innerhalb des abgesteckten Gebietes blieben. Das erhöhte die Nachfrage beispielslos. Dafür gab es den heißbegehrten „All Pay“ Status.

„Dich interessiert nicht das Cash. Nein Shan Zeibo, dich erregt die Macht, die du in deinen Händen trägst. Es ist deine verdammte Lustbefriedigung. Tatsächlich, du bist die goldene Perle wert. Wenn nicht du, wer dann? Und ich werde sie für Djan ergattern.“, versprach ich mir selbst.

Eve kam nackt aus dem Bad, wuschelte sich ihre blonde Mähne, tapste zu mir, blickte mir ungezähmt in die Augen. „Warst du eifersüchtig?“, fragte sie provokant.

„Ich? Nein, sollte ich?“, erwiderte ich in Gedanken versunken. Sie entriss mir den Brief, schmiegte ihren erregten Körper an mich, küsste mich leidenschaftlich.

„Dann habe ich mich wohl getäuscht. Aber toll sieht er aus, der Concierge. Stattlich und gut gekleidet. Du hattest recht, ein wahrer Experte seiner Zunft.“

Ich klapste ihr auf dem Po und biss ihr ins Ohr, presste sie ganz fest an mich, zeigte ihr, dass sie mein war. Einzig und allein mein. Eve riss mir gierig die Kleidung vom Leib, setzte sich auf mich und wir liebten uns animalisch, sie ritt meinen harten Zauberstab, stöhnte heftig in mein Ohr, ich kam in ihren Schoß. Verschwitzt suchte ich das Badezimmer auf, stieg zu meiner Melanie in die Wanne. Sie wusch mir liebevoll den zerkratzten Rücken, liebkoste meinen zerbissenen Hals, streichelte mir durch mein zerzaustes Haar und setze sich engumschlungen auf meinen angeschwollenen Schwanz. Melanie liebte mich mit zärtlichen, sanften Bewegungen. Ich hielt sie in meinen Armen, roch an ihrer erregten Haut und flüsterte in ihr Ohr.

„Melanie, ohne dich will ich nicht mehr leben. Bleib für immer bei mir.“

Sie streichelt mir über mein Haar und küsste unentwegt mein Gesicht. „Für immer.“, versprach sie mir. Wir saßen zu dritt auf dem Balkon und rauchten reichlich Weed. Ich holte uns Champagner, überprüfte die Engelsgesichter, ob es Einwände gab und schenkte uns die Gläser voll.

„Eve, hast du die Listen der Zielpersonen an alle Auftraggeber verschickt?“

„Ja. Genau in der Reihenfolge wie das Computerprogramm die neue Liste ausgewählt hatte. Warum fragst du? Ich habe keinen Auftraggeber ausgelassen.“

„Seltsam. Nur Djan ist an der goldenen Perle interessiert. Oder habt ihr ein zweites Angebot vorliegen? Eigentlich hätte ich erwartet, dass sich die Auftraggeber mit ihren Preisen überbieten.“

Eve leckte sich über ihre Lippen. „Ach, die goldene Perle!“

Ich wartete. Da stimmte etwas nicht, das roch ich aus einer Meile Entfernung. Mein Instinkt täuschte mich nie.

„Ja, weißt du.“, zögerte Eve. Sie druckste herum.

„Was Eve dir sagen will, ist folgendes. All die anderen Auftraggeber hatten sich zusammengeschlossen und mich gebeten eine goldene Perle anfertigen zu lassen, damit sie Djan eine Freude machen konnten.“, warf Melanie ein.

Ich wartete noch immer. Das war nur ein Teil der Wahrheit, dass spürte ich intuitiv. Ich blickte ihnen wissend ins Gesicht.

„Ja, die Wahrheit ist die.“, fuhr Eve fort. „Die Auftraggeber wissen, dass Djan verwegen genug ist sich mit dem Staatsfreund Nummer 1 anzulegen. Oder vielmehr, der Staatsfreundin Nummer 1. Shan Zeibo ist die verbotene Schlüsselfigur unter den Geheimdiensten. Sie wird wie ein diabolischer Schatz behütet. Sie zur Strecke zu bringen, bedeutet in den Olymp aufzusteigen, die Königsklasse der Jagd sozusagen, aber auch gleichzeitig in den Schlund der Hölle zu blicken.“

Melanie nippte an ihrem Glas. „Sie haben Befürchtungen und trauen es nur Djan zu. Deswegen ihre außergewöhnliche Bitte, es ihm mit einer goldenen Perle zu versüßen. Er hätte damit unumstößlich den ersten Platz in der Rangliste erreicht, noch vor

Saraxus dem Honduraner, ganz gleich wie viele Perlen er aktuell in seinem Besitz hätte. Das ist doch Djans sehnlichster Wunsch.“

Ich nickte. „Ja, er würde damit in die Geschichte eingehen. Tja, wer dem Teufel die Hand gibt, sollte auch mit ihm tanzen!“, lachte ich meinen beiden Ladys spitzbübisch ins Gesicht. „Ihr habt doch keine Angst, oder? Schließlich ist endlich der Zeitpunkt vor der Türe, dass wir uns vom abscheulichsten Ungeziefer auf unserem wunderschönen Planeten entledigen könnten. Was wären wir für lausige Kammerjäger, wenn wir jetzt vor einer asiatischen Monsterwanze zurückschrecken würden?“ Abermals grinste ich übermütig.

„Gut, dann sollten wir uns Morgen an die Arbeit machen.“, forderte Eve mich auf.

Ich fuhr ziemlich früh in die Stadt, während meine beiden Ladys sich um die Beschaffung von Informationen über unsere Zielperson kümmerten. Sie hatten im Laufe der Jahre ein weltweites Informationssystem erschaffen und leisteten die beschwerliche Vorarbeit unserer Aufträge. Während dieser Phase verdrückte ich mich so oft es nur ging, denn sie waren hochkonzentriert am Werk und launisch wie zwei glutspeiende Vulkane. Diesen Feuerregen wollte ich nicht über mich brechen lassen.

Ich flanierte auf der Bergerstraße, die Frankfurter Fußgängerzone mit dem französischen Flair, beschloss mich an den Tisch eines der Straßencafés zu setzten und gemütlich einen Latte Macchiato zu trinken. Ich bestellte bei der höflichen Bedienung, holte den Briefumschlag hervor, und studierte wiederholt die Zielperson. Abermals umwehte mich der vertraute Duft des Parfüms. Ich rümpfte argwöhnisch meine Nase, erhob meinen Kopf und da stand sie, direkt vor mir. Leibhaftig. Ich erschrak fürchterlich.

„Sandra, was machst du hier? Wie hast du mich gefunden?“, purzelte es aus mir heraus. Doch so überrascht wie ich zuerst war, die einstmals vergrabene Wut brodelte blitzartig aus mir hervor. „Was willst du Miststück?“, pflaumte ich sie barsch an.

Sandra blickte mich mit ihren großen braunen Augen an, schwieg und Tränen liefen ihr über die eingefallenen Wangen. So hatte ich sie das allererste Mal kennengelernt. Bitterlich heulend und wunderschön. Ihre tollen Augen waren für das Weinen nicht gemacht. Damals wollte ich sie trösten, hatte es auch getan. Das war mein Fehler. Sie strahlte sexistische Erotik aus, ihre Wirkung auf mich kam dem Verderben gleich. Sie besaß den Fluch des Unheils, sobald sie in meiner Nähe war. Angeekelt musterte ich sie von oben bis unten, während sie trauernd vor mir auf dem Stuhl saß, gänzlich eingefallen.

„Was soll das? Du weißt, dass ich auf deine Schauspielerei nicht mehr hereinfalle. Ich kenne dein eiskaltes verlogenes Herz nur zu gut. Geh!“

Doch sie blieb sitzen, vergrub ihre Hände im Schoß, blickte verschämt auf den Boden und schluchzte still. Ich wartete den Kaffee erst gar nicht ab, legte einen Schein auf den Tisch, stand auf und eilte wortlos davon. Sandra steckte sich den Schein ein, folgte mir.

„Shey, bitte warte!“, flehte sie mich an. „Gib mir nur eine Minute deiner Zeit. Mehr will ich überhaupt nicht von dir.“ Ich hatte wirklich keine Lust auf einen theatralischen Aufstand inmitten der Berger Straße, ich wollte das dumme Weib nur noch loswerden. „Eine Minute und dann verschwinde aus meinem Leben. Ohne Umschweife, du weißt, dass ich nur ein einziges Gefühl für dich übrighabe. Und das ist der abgrundtiefe Hass. In meinem Leben wird es nur eine Party geben, bei der ich ausgelassen feiern werde. Das ist die Party, die ich zur Freude deines Todes geben werde. Jetzt sprich!“

Ich setzte mich nochmals hin, die Bedienung servierte den Kaffee, fragte höflich, was sie Sandra bringen könnte. Doch ich schickte sie hinfort. Sandra kramte mit zitternden Händen ein Foto aus ihrer Tasche und legte es mir vor. Ich nahm das Foto, sah einen Jungen von vierzehn Jahren mit blondem lockigem Haar. Ich betrachtete den Jüngling, mir quollen Tränen hervor, die ich sofort unterdrückte. Er sah unglücklich aus.

„Dein Sohn. Shey, das ist dein Sohn. Falls du ihn nicht schon vergessen hast.“, heulte Sandra, und deutete mit ihrem Finger auf das Bild.

Ich riss mich zusammen und schob ihr das Bild rüber. „Nimm es, ich will es nicht.“ Ich forderte sie schroff auf, sofort zu gehen.

Sandra erhob sich wortlos, ließ das Bild liegen. „Shey, Ben ist dein Sohn.“ Sie setzte einen Schritt nach vorne. „Er wird sterben. Verstehst du? Ben wird sterben.“, schluchzte sie und trottete mit hängenden Schultern davon. Nur der Duft ihres Parfüms blieb bedrohlich in der Luft hängen.

Verwirrung durchströmte meinen Geist, ich bewegte meine Hand langsam den Tisch entlang und griff mir das Foto. Ben war ein gutaussehender Junge, das hatte er eindeutig von mir. Er war mir wie aus dem Gesicht geschnitten. Nur der Glanz seiner Augen schien erloschen. Wahrscheinlich lag es an der schlechten Aufnahme des Bildes. Ich steckte das Foto ein, trank zügig meinen Latte Macciato und besuchte die Zeil, Frankfurts stark besuchte Einkaufszeile. Sie bot mir die dringend benötigte Ablenkung. Ich beobachtete die Vielfalt der Menschen, lauschte dem Geigenspieler, verdammte den niedergedrückten Moment. Erst als ich bei meinen beiden Geliebten war, konnte ich mich fassen, den miesen Gedanken verdrängen, der mich unvorbereitet ereilt hatte.

„Shey, Shan Zeibo ist eine umtriebige Kakerlake. Sie ist überall und nirgendwo. Ich kann dir versprechen, sie aufzuspüren wird wohl das schwierigste Unterfangen in dem gesamten Auftrag. Kein Licht lockt sie hervor, sie lebt als Schatten in der schwarzen Unterwelt. Abgesehen davon, dass sie Tausendschaften von Geheimdienstleuten als ihre Schutzentourage beschäftigt, ist sie noch dadurch außergewöhnlich, dass sie grenzenlos über unseren Planeten jetten kann. Die Tore der Welt werden ihr bedingungslos aufgerissen, kein Zoll und kein Gesetz hält sie auf. Informationen über sie einzuholen ist ein gefährliches Unterfangen, denn niemand ist vor ihr sicher. Die Angst, die sie verbreitet, ist unermesslich.“, berichtete Melanie kühl und sachlich, während Eve die Bildschirme im Auge behielt.

Ich zuckte mit den Schultern, rollte mir einen Spliff und verzog mich auf die Terrasse. Gedankenversunken saß ich da. Melanie folgte mir, nahm mir den Spliff aus dem Mund, zog daran, küsste mich und steckte in mir wieder zwischen den Lippen.

„Ist was?“, fragte sie mich verunsichert.

Ich zog sie zu mir auf den Schoß. „Alles gut.“, beschwichtigte ich sie. „Ist nur wegen dem Auftrag. Ich bin gespannt ob wir diesen speziellen Fall lösen können.“

Melanie stupste mir in die Seite. „So kenne ich dich überhaupt nicht. Das ist doch nicht dein Ernst. Du bekommst doch immer alles hin.“, lachte sie mich an. „Denk dran, wir sind zu dritt, darauf kannst du dich verlassen. Wer ist schon Shan Zeibo.“ Melanie stand auf und ließ mich alleine.

Ich griff in die Seitentasche meines Jacketts, nahm das Foto von Ben in die Hand, bewunderte meinen tollen Jungen. Vierzehn Jahre, welch ein wunderbares Alter. Mir schwirrten in dem Alter nur Flausen durch den Kopf. Was kostete die Welt, war mein Credo. Ich lächelte, dachte an unsere gemeinsamen Anfangsjahre zurück und zerriss das Bild. Ich hielt es für besser manche Geister schlafen zu lassen. Ich hatte mich um einen Auftrag zu kümmern und war mit meinen beiden Ladys mehr wie ausgelastet. Ich drückte meinen Spliff aus, begab mich zurück zu meinen beiden Engeln, öffnete meine Arme und grinste.

„Shan Zeibo, ein hübsches Fräulein. Sie ist also die dritte Frau, die ihr sehnlichst für mich gesucht hattet, oder?“

Augenblicklich visierten mich vier mordlustige Augen an, zeitgleich schnellten Eve und Melanie hoch und stürmten auf mich zu. Ich wich ihnen geschmeidig aus, rannte türmend um den Tisch herum. Sie versuchten mich einzukreisen, doch ich war schneller. Ich schwang mich gekonnt über das Sofa, sie hetzten wie mordgierige Hexen hinter mir her. Vereint versuchten sie mich zu ergreifen, wir lachten, ich war wendig wie ein schwarzer Panther, wenn da nicht dieser verflixte Teppich gewesen wäre, über den ich tollpatschig stolperte. Ich flog der Länge nach hin. Sie schmissen sich mit voller Wucht auf mich, boxten mich, zogen mir gnadenlos an den Haaren und bissen mich. Ich hielt mir schützend meine Arme vors Gesicht und es dauerte bis sie sich ausgiebig an mir abreagiert hatten. Sie richteten mich übel zu. Erst als ich ihnen versprach, dass ich auf der Stelle einen Juwelier bestellen würde, ließen sie von mir ab. Ich bereitete zum Zeichen des Friedens den kolumbianischen Spiegel vor, ließ meinen Ladys galant den Vortritt und organisierte den Termin mit dem Schmuckhändler.

Während der Concierge mit dem Juwelier meine Ladys beriet, begab ich mich an die hoteleigene Bar des Tizian´s und bestellte mir einen Matcha-Tee. Ich war nicht in der Stimmung, mir einen neuen Blingring auszuwählen. Erst als der Concierge mich bat, die Freude meiner Ladys zu teilen, begab ich mich zurück auf die Suite. Sie huschten sofort herbei, kokettierten mit ihren neuerworbenen Kostbarkeiten, flippten aus.

„Guck mal einer an. Der Wahnsinn. Was für ein Schmuckstück.“ Ich hielt Eves pompöse Kette in meinen Händen. „Wundervoll. Ist das ein Smaragd?“, fragte ich erstaunt nach. Ein so klares Grün hatte ich selten gesehen. Obwohl ich selbst sieben edle Smaragde in meiner Edelsteinsammlung hortete. Ich zwinkerte ihr zu. „Nur deine Augen leuchten noch grüner.“

Eve küsste mich, fraß mich auf. „Fantastisch. Solange du glücklich bist, bin ich es auch.“, flüsterte ich ihr ins Ohr, blinzelte zur Melanie.

Sie strahlte, was sag ich, überstrahlte ein glänzendschönes Armband mit roten Rubinen, zwei Ohrringe mit roten Diamanten schmückten ihre Ohren und ein mit Alexandrite bestücktes Fußkettchen zierte ihren schlanken Fuß, dafür besaß sie, seit ich sie kannte, ein Faible.

„Ich konnte mich nicht zurückhalten. Ich liebe sie eben alle.“, verkündete meine zarte Melanie.

„Meine Engel, wir brauchen viel mehr Augen, die euch bestaunen und vor allem mich beneiden.“ Klatschend küsste ich meine Ladys, setzte noch einmal den Spiegel an, bereitete uns die betörende Auffrischung vor.

Frisch gepudert besuchten wir den Ivory Club. Der Hotspot der Stadt erinnerte mich, wann immer ich dort auftauchte, sofort an Djans Palast, saßen wir doch inmitten eines auserlesenen Designs, mit einem freien Blick zum wohltemperierten gläsernen Raum, der eine gut sortierte Auswahl von edlen Weintropfen aus aller Welt darbot. Die beeindruckende Innengestaltung, mit dem dunklen warmen Edelholz, den weiß gedeckten Tischen, und den prachtvollen Accessoires spiegelte den Stil der kolonialen Epoche des alten Englands wider. Wir speisten ein pikantes Tandoori Chicken, tranken auserlesenen Whiskey dazu und schwatzten unbekümmert durch die Nacht, genossen die Blicke, die meine Luxus-Ladys auf uns zogen. Hätte Dali die Zeit nicht restlos dahin schmelzen lassen können, die Uhr salvadorianisch verbannen können.

Doch dann, die Tür flog auf, Schüsse pfiffen durch den Raum, Gäste duckten sich kreischend vor den Kugeln, geistesgegenwärtig zog ich meine 35er Glock, meine Ladys ihre Ladycolts, aber bevor wir losstürmten, waren die Angreifer bereits verschwunden.

„Bestimmt einer der städtischen Gangs!“, beschwichtigte ich Eve und Melanie. „Lasst uns die Kurve kratzen! Oder hat jemand von euch Laune für eine Befragung über. Ich habe jedenfalls keinen Bock auf das Gespräch mit der Polizei.“

Fluchtartig verließen wir den überfallenen Club, unser Chauffeur fuhr sekundenschnell vor und kutschierte uns zurück zur Villa, während wir erhitzt über den Überfall debattierten.

„Eines Tages kümmern wir uns auch um diese scheußliche Plage.“, schwor ich mir. „Da jetzt wohl niemand von uns schlafen kann, lasst uns nach Shan Zeibo Ausschau halten. Wir werden sie finden. Da bin ich mir ganz sicher. Ich werde mir nur für sie eine ganz besondere Waffe schmieden lassen, mit allen Raffinessen, die der Markt zu bieten hat.“ Ich klatschte vor Freude in die Hände, während mich zwei Ellenbogen in die Seiten stupsten. „Ist ja schon gut!“, beschwichtigte ich die Situation.

Im Domizil angekommen, streifte ich mir meine Laufsachen über und ließ die beiden mit den unzähligen Bildschirmen und Laptops alleine zurück. Ich atmete tief durch, rannte mir den Stress aus dem Leib. Offene Schießereien waren in Frankfurt keine Seltenheit, verfeindete Gangs kämpften um die Vorherrschaft im Rotlichtmilieu, lauerten sich gegenseitig auf und schossen gnadenlos aufeinander. Wir hatten an diesem Abend Glück. Verdammtes Glück. Sie nahmen keine Rücksicht auf Verluste, schonten selbst die unschuldigen Bürger nicht. Sie waren kaltblütig und krank.

„Nieder mit dem Pack! Die Verbrecher sollten ausgerottet werden.“, brüllte ich lauthals.

Vatermissbrauch

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