Читать книгу Das Geschlechtsleben der Hysterischen - eine medizinische, soziologische und forensische Studie - Siegfried Placzek - Страница 7
Einleitung Einleitung
ОглавлениеSo sehr auch die Forschung seit alters her sich müht, die rätselvolle Sphinx, Hysterie genannt, zu erkennen, so mühselig scharfsinnige klinische Beobachtung und theoretische Deutungskunst die phantastischen Erscheinungsformen der Hysterie aufzuhellen streben, die Hysterie bleibt die rätselvolle Sphinx. Wer sie aus dem wechselvollen Alltagsdasein in ihren proteusartigen Wandlungsmöglichkeiten kennt, wer die voluminösen Monographien der Hysterie mit ihrem Massenmaterial an literarischem und Erfahrungsrüstzeug durchstudiert, findet letzten Endes das Schlussstück ungeklärt, die Schlussfrage offen: » Wie setzt sich eine Vorstellung, eine Willensregung, ein Gefühl in körperliche Erscheinungen der absonderlichen hysterischen Form um?«
Rätselvoll wie ehedem der Mechanismus dieser Umformung! Rätselvoll auch heute noch, selbst wenn man die Freudsche Lehre mit ihrem Kern wertvoller Bereicherung unseres Wissens vom Unbewussten zu Hilfe nimmt! Ganz besonders erstaunlich ist aber die deutlich klaffende Lücke unseres Wissens, dass wir von dem Geschlechtsleben der an Hysterie Leidenden so gut wie gar nichts wissen und auch aus der überreich quellenden Hysterie-Literatur darüber fast nichts erfahren. Diese schweigt sich darüber fast ganz aus. Verschuldet es die althergebrachte Scheu vor der Beschäftigung mit sexuellen Dingen oder die Nichtachtung ihrer Bedeutung für das Gesamtempfinden des Menschen? Tatsache ist jedenfalls, dass die literarischen Mitteilungen nur spärlich sind, keineswegs ihrer Bedeutung entsprechen. Und doch ist das Geschlechtsleben der Hysterischen von ungeheurer Tragweite, bedeutungsschwer für den Träger des Leidens selbst und die Gestaltung seines Lebensschicksals, bedeutungsschwer aber auch für andere Menschen, mit denen das Leben die hysterische Persönlichkeit verkettet. Unsagbares Leid, Vernichtung Einzelner und ganzer Familienexistenzen kann die hysterische Geschlechtseigenart zuwege bringen, weil sie zu wenig gekannt ist, zu spät erkannt wird, in ihren Abirrungen kaum oder zu spät verstanden wird und bei forensischer Bewertung die sonderbarsten richterlichen Beurteilungen erfährt.