Читать книгу Amors Haltestellen - Liebe - Sieglinde Breitschwerdt - Страница 3
Ich schenk’ dir meinen Mann
Оглавление„Hallo, Schatz“, säuselte Steffens Stimme auf dem Anrufbeantworter, „es wird später! Also, warte nicht auf mich!“ Dem folgte noch ein Schmatzen, das wohl ein Küsschen andeuten sollte.
Enttäuscht drückte Anke die Taste und spulte das Band zurück. Seit Wochen hatte sie sich auf den gemeinsamen Abend gefreut. Nachdenklich ließ sie sich auf der Couch nieder. Ihr Blick wanderte zu dem festlich gedeckten Tisch mit edlem Porzellan und den funkelnden Gläsern. Abrupt stand sie auf und wollte den Tisch abräumen.
Auf einmal wurde sie wütend und am liebsten hätte sie mit dem Fuß aufgestampft. Nein, schoss es ihr durch den Kopf. Soll er ruhig sehen, welche Mühe ich mir seinetwegen gemacht habe!
Das Telefon schrillte und unterbrach ihre rebellischen Gedanken.
„Was machst du heute Abend?“, erkundigte sich Mira am anderen Ende.
„Nichts!“
„Großartig! Ich lade dich ins Kino ein!“
Anke freute sich auf den Abend, denn sie kannte Mira seit ihrer Schulzeit. Zusammen hatten sie die Designerfachschule besucht und waren nach wie vor die besten Freundinnen. Mit Mira konnte man Pferde stehlen und über alles reden.
In allerbester Stimmung verließen die Freundinnen das Kino.
„Was machen wir mit dem angebrochenen Abend?“ Schelmisch drohte Mira mit dem Zeigefinger.
„Keine Ausrede! Deine Kinder sind aus dem Haus und dein Supermann schuftet für euren Wohlstand!“
Anke lächelte und hakte sich bei ihrer Freundin ein und sagte: „Ich hätte Lust auf ein Glas Wein bei Alberto!“
„Ich bin dabei“, schmunzelte Mira. „Dürfen es auch zwei sein?“
Die Luft war lau und klar. Millionenfach funkelten die Sterne am nachtschwarzen Himmel. Die halbe Stadt schien auf den Beinen zu sein, um diesen wunder-schönen Abend in der Fußgängerzone zu genießen. Albertos Restaurant war rappelvoll.
Anke und Mira standen im Lokal und hielten Ausschau nach zwei freien Plätzen.
Plötzlich schob Lena ihre Hand unter Ankes Arm. „Bleib ganz ruhig“, raunte sie ihr zu. „Lass dir bloß nichts anmerken!“
Anke folgte ihrem Blick und ihr Lächeln gefror zu Eis.
Ihr Herz setzte ein paar Schläge aus.
Ein paar Tische weiter saß ihr Mann mit einer sehr attraktiven, jungen Frau. Verliebt hielt er deren Hand und küsste ihre Fingerspitzen.
„Donnerwetter“, entfuhr es Mira. „Der balzt ja wie ein ganzer Vogelschwarm!“
Besorgt sah sie ihre Freundin an, aus deren Gesicht jede Farbe gewichen war. Kurz entschlossen nahm sie Ankes Hand und führte sie aus dem Lokal.
Schweigend fuhren sie durch die von Sternen beschienene Nacht. Wie ein Häufchen Elend hockte Anke auf dem Beifahrersitz und weinte leise vor sich hin.
„Es tut mir so Leid“, murmelte Mira mitfühlend und reichte ihr das nächste Tempotaschentuch.
„Dieser Schuft“, schniefte Anke und erzählte mit tränenerstickter Stimme von Steffens Anruf.
„Ob er mich verlässt?“, schloss sie ihren Bericht. Energisch schüttelte Mira den Kopf und murmelte: „Das wäre ja noch schöner! Sorry, Anke, aber dein Mann ist ein Arschloch in der Midlifekrise!“
Verständnislos sah Anke ihre Freundin an.
„Wenn du jetzt die betrogene Ehefrau heraushängst, dann treibst du ihn direkt in die Arme von Corinna Held!“, zischte Mira.
„Du kennst diese Frau?“
Ihre Freundin nickte grimmig, sie schwieg einen Moment und berichtete: „Sie wohnt einen Stock unter mir. Corinna ist die Tochter von Erwin Held.“
„Die Tochter von dem Held? Die Parfümerie-Kette?“
Wieder nickte Mira.
„Mit vielen, vielen Schaufenstern, die ich dekorieren darf!“
Dann lächelte sie ihrer Freundin aufmunternd zu und bemerkte beiläufig: „Zuerst stellen wir deine Unabhängigkeit wieder her. Ich brauche dringend eine Mitarbeiterin! Du hast den Job!“
„Aber...“, kam es kleinlaut vom Beifahrersitz.
Mit einer ungeduldigen Handbewegung wischte Mira ihre Bedenken zur Seite.
„Kein Widerrede! Du bist finanziell von Steffen abhängig, richtig?“
„Richtig!“, seufzte Anke.
„Das werden wir ab sofort ändern! Weißt du noch, dass wir uns selbständig machen wollten, doch stattdessen...“
„...zog ich zwei Kinder groß, nahm Rücksicht auf Steffens Karriere und...“
„... und jetzt hat er dich ausgetauscht!“, ergänzte Mira mitleidlos ihren Satz. Sie wandte sich Anke zu, die allmählich ihre Fassung wieder gewonnen hatte.
„Bestimmt wird alles wieder gut!“, versuchte sie ihre Freundin zu trösten. „Auf alle Fälle darfst du dir nichts anmerken lassen. Wenn es gar nicht mehr geht, kannst du bei mir unterkommen! Meine Wohnung ist groß genug!“
Anke schnäuzte sich geräuschvoll, zerknüllte das Taschentuch und warf es aus dem Fenster.
„Das waren die letzten Tränen, die ich wegen Steffen vergossen habe! Ab jetzt muss er selber springen, wenn er mit dem Finger schnippt!“
Mira lachte hell auf.
„Braves Mädchen. So gefällst du mir schon viel besser! Mann, der wird sich noch umgucken!“
Ankes Job bei Lena erforderte ihren ganzen Einsatz. Sie besuchte Kunden, kaufte Material ein, feilschte mit Lieferanten, entwarf Dekorationen und nahm Kalkulationen vor. Abends war sie meist so ausgepowert, dass sie im Haushalt nur noch das Allernötigste schaffte.
Ich muss mal gründlich sauber machen, schwor sie sich und dachte mit Grauen an den überfüllten Bügelkorb, der sie schon seit Wochen vorwurfsvoll anstarrte. Ihren Mann sah sie nur noch selten und vermutete, dass er sich nach wie vor mit Corinna traf. Manchmal ging es weit über ihre Kräfte, die Unwissende zu spielen, dennoch glaubte sie fest an ihre Ehe.
Als Anke nach einem stressigen Tag nach Hause kam, stolzierte Steffen aus dem Badezimmer. Er musterte sie vorwurfsvoll und rubbelte mit dem Handtuch seine Haare trocken.
„Der graue Anzug ist noch in der Reinigung! Und ich hab' kein sauberes Hemd mehr!“
Mit diesen Worten ließ er sie stehen und ging ins Schlafzimmer.
Wütend trabte Anke hinter ihm her und fauchte: „Hast du vergessen, dass ich jetzt auch arbeite?!“
„Sag bloß?“, höhnte er und stieg in seine Jeans.
„Aber wenn du bis in die Puppen unterwegs bist und...“
„Das ist was anderes!“, unterbrach er sie schroff. „Ich verdiene für uns das Geld!“
„Ich auch!“, konterte sie.
Steffen fegte mit einer unwilligen Handbewegung ihren Einwand weg und deutete mit dem Zeigefinger auf sie. „Und du kümmerst dich um den täglichen Pipifax!“
Sie wurde immer wütender.
„Warum bügelst du dann deine Hemden nicht selbst, wenn alles nur Pipifax ist? Eine Waschmaschine in Gang zu setzen würdest sogar du schaffen!“
Er schwieg, ging zum Schrank und schob mit einem Ruck die Tür zur Seite. Stirnrunzelnd riss er einen Pullover aus dem Schrank, drei andere segelten auf den Boden. Lässig kickte er sie zur Seite.
Anke spürte wie eine unbändige Wut in ihr hoch kroch.
„Ich hab' die Schnauze voll von deinem Machogehabe“, schrie sie mit überschnappender Stimme.
Er stemmte die Arme in die Hüften und grinste breit. „Himmel noch mal, bloß weil ich ein frisches Hemd...“
„Lass doch deine verdammten Hemden von ihr bügeln!“, schmetterte sie ihm entgegen.
Sekundenlang kreuzten sich ihre Blicke wie Kampfhähne. Wortlos drehte er sich um und verließ Türen schlagend das Haus. Wenig später hörte sie ihn wegfahren.
„Dieser Mistkerl“, keifte Anke vor sich hin und warf achtlos Kleidungsstücke in zwei Koffer.
„Hat eine andere! Ha! Aber ich soll seinen Dreck wegputzen, seine Hemden bügeln und was weiß ich noch alles! Nee, nee meine Junge, da haste dich aber geschnitten. Deine Anke springt nicht mehr, wenn du mit dem Finger schnipst! Deine Anke springt nur noch für sich selbst!“
Eine Stunde später fuhr Anke zur ihrer Freundin. Beladen wie ein Packesel, stand sie an der Eingangstür des riesigen Apartmenthauses. Das Namensschild 'Held', befand sich direkt unter dem Miras.
Ein grimmiges Lächeln umspielte ihren Mund, als sie sich an das Gespräch mit ihrer Freundin erinnerte. Impulsiv fuhr sie rasch wieder nach Hause, stopfte Steffens Hemden und Hosen achtlos in einen riesigen blauen Plastiksack. Listig lächelte sie vor sich hin und stopfte noch ein Dutzend schmutziger Socken und verschwitzter Unterhosen dazu. Nun ging es ihr deutlich besser. Anke packte alles in den Kofferraum und fuhr los.
Kurze Zeit später stand sie wieder vor dem Apartmenthaus. Entschlossen drückte sie auf beide Klingelknöpfe. Sekunden später summte der Türöffner.
Nur nicht nervös werden, sprach sie sich Mut zu, als sie vor der fremden Wohnung stand. Bevor sie noch einmal klingeln konnte, öffnete sich die Tür einen Spaltbreit.
„Sie wünschen?“
Corinna Held, eingehüllt in ein atemberaubendes Negligé stand vor ihr. Sie musterte Anke von oben bis unten, die neben einem riesigen blauen Sack stand.
„Ich bin Steffens Frau!“, kam sie gleich auf den Punkt, zog aus der Manteltasche den Hausschlüssel und drückte ihn der verdutzten Corinna in die Hand.
„Ich weiß, dass Sie mit meinem Mann ein Verhältnis haben!“
„Wie bitte?“
Mit Genugtuung bemerkte Anke das ängstliche Flackern in den Augen der jungen Frau und säuselte: „Sie können Steffen haben, geschenkt sozusagen. Die restlichen Umstände klären unsere Anwälte!“
Sie ließ die fassungslose Corinna einfach stehen, und bemerkte im Weggehen: „Übrigens, Steffen trinkt seinen Kaffee schwarz und er braucht jeden Tag ein frisches Hemd und eine einwandfrei gebügelte Hose!“
Anke schubste den blauen Sack vor Corinnas Füße.
„Ich hab’ ihnen schon mal das Nötigste mitgebracht, damit Sie sich gleich an die Arbeit machen können. Ansonsten steht der Wäschekorb im Wirtschaftsraum und das Dampfbügeleisen gleich daneben! Eine Bügel- oder Putzfrau haben wir leider nicht!“
„Ja... ja sind Sie denn völlig verrückt?“, schnaufte Corinna Held.
„Nö! Bin ich nicht!“, schnitt ihr Anke das Wort ab. „Denn wie heißt ein altes Sprichwort: Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul!“
Sie lächelte hinterhältig und genoss sichtlich Corinna Helds Fassungslosigkeit.
„Ach ja“, setzte Anke noch eins drauf, „stellen Sie Steffen bloß keine Fragen, wenn er schlechte Laune hat! Vor allen Dingen wünscht er morgens keine Ansprache!“
Ungläubig starrte Mira Anke an.
„Du warst tatsächlich bei Corinna?“
Anke nickte.
„Du hast ihr Steffen geschenkt? So richtig mit Geschenkpapier und Schleifchen...?“
„Samt Hausschlüssel, einem riesigen Sack mit Bügelwäsche und seinen dreckigen Unterhosen und einigen brühwarmen Tipps. Was wäre ich seinerzeit froh gewesen, wenn mir meine Schwiegermutter ein paar Ratschläge gegeben hätte!“
Die Freundinnen sahen sich an und brachen in schallendes Gelächter aus.
„Das muss gefeiert werden!“
Mira sprang auf und holte eine Flasche Sekt aus dem Kühlschrank.
Was feiern wir denn?, durchfuhr es Anke, dass meine Ehe zu Ende ist? Sie prostete ihrer Freundin zu und lächelte tapfer.
Wenn Anke abends im Bett lag, kam die Sehnsucht nach ihrem Mann, den sie nach wie vor über alles liebte. Sie scheute sich, zum Anwalt zu gehen, um die Scheidung einzureichen, und er? Seit ihrer Trennung hatte sie ihn nicht gesehen, auch nichts mehr von ihm gehört. Bald waren es siebenundzwanzig Jahre, dass sie zusammen waren.
Anke dachte an ihre Kinder. Regelmäßig rief sie bei ihnen an, hatte aber bisher mit keinem Wort erwähnt, dass sie ausgezogen war.
Wie würden sie reagieren? Wussten sie es vielleicht schon.
Oder hatte es Steffen ihnen schon erzählt?
Erleichtert schloss Anke ihren Schreibtisch ab. Feierabend! Um ein bisschen abzuschalten, schlenderte sie durch die Fußgängerzone. Nach wie vor wohnte sie bei Mira, mit der sie eine fröhliche Wohngemeinschaft bildete.
Auf einmal wurde sie angerempelt. Ein 'So-passen-Sie-doch-auf' lag ihr schon auf der Zunge. Doch sie blickte in ein überaus vertrautes Gesicht. Vor ihr stand Steffen, der sich offensichtlich freute, sie zu sehen.
„Anke! Das ist eine Überraschung! Wollen wir einen Cappuccino trinken?“
Nein, wollte sie sagen.
„Ja, gerne!“, hauchte sie.
Schweigend saßen sie sich gegenüber. Über den Rand der Kaffeetassen musterten sie sich abschätzend.
Anke kam Steffen so verändert vor, so selbstsicher und gewandt. Er musste zugeben, dass sie ihm so viel besser gefiel als früher.
Nach kurzer Zeit war das Eis gebrochen. Sie frischten Erinnerungen auf und plauderten angeregt.
Mein Gott, durchfuhr es Anke, ich liebe ihn ja immer noch.
„Wie wär's mit einem Gläschen Sekt?“, schlug Steffen vor. „Schließlich haben wir uns heute vor siebenundzwanzig Jahren kennen gelernt!“
„Das... das weißt du noch?“, staunte sie.
Er griff nach ihrer Hand.
„Anke, du fehlst mir!“, murmelte er und wand sich wie ein Aal.
„Ich... ich habe einen großen Fehler gemacht! Einfach Mist gebaut!“
„Du hast mich betrogen!“, stellte Anke richtig und ihr Herz fing an zu klopfen.
„Ich brauche dich“, stieß er heiser hervor. „Erst als du nicht mehr da warst...“
„Ich gehe nicht mehr an den Herd zurück!“, unterbrach sie ihn mit fester Stimme. „Ich habe keine Lust mehr, nach deiner Pfeife zu tanzen, nur weil du viel Geld verdienst!“
Entschlossen reckte sie das Kinn in die Höhe und sprach weiter: „Die Arbeit mit Mira macht mir Spaß, fordert mich und ich bin unabhängig! Ich habe mich auch sehr verändert!“
„Ich auch!“
Anke lachte hell auf.
„Doch!“, behauptete er und stimmte in ihr Lachen ein. „Ich bin ein guter Hausmann geworden!“
Spöttisch mustere Anke ihren Mann. Steffen knöpfte sein Jackett auf, deutete stolz auf sein Hemd.
„Selbst gebügelt!“
Anke war nun wirklich buff.
Zärtlich legte Steffen die Hand unter ihr Kinn.
„Ich liebe dich! Du bist die Frau, mit der ich alt werden möchte! Ich wollte immer nur dich! Ich weiß heute nicht mehr, wie es soweit kommen konnte, dass ich mich plötzlich für eine andere interessierte.“
Sie war überwältigt.
„Gib mir noch eine Chance“, bat er leise und sah sie zärtlich an. „Ich werde dir helfen und dich unterstützen, wo immer ich kann! Komm zurück, Anke! Bitte!“
„Ich brauche Zeit“, murmelte sie. „In mir ist so viel kaputtgegangen!“
Betreten nickte er und streichelte über ihre Hand: „Aber ich bekomme noch eine Chance?“
Sie gab keine Antwort, doch das Leuchten in ihren Augen sprach Bände.