Читать книгу Blutiger Hauch - Sieglinde Breitschwerdt - Страница 3

Blacksoul @ night.net

Оглавление

Sophie lauschte in die Dunkelheit. Die regelmäßigen Atemzüge Ronalds verrieten, dass ihr Mann neben ihr tief und fest schlief.

Vorsichtig kroch sie aus dem Bett und schlich ins Badezimmer. Mit sicherem Griff zog sie hinter dem Wäschekorb schwarze Dessous hervor und schlüpfte hinein.

Sie wagte nicht, das Licht anzuknipsen. Das brauchte sie auch nicht. Jeder Handgriff saß.

Ihr Herz klopfte, als sie zum Schluss das Negligé überwarf und einen Hauch Magic Noir auf ihre Handpulse tupfte.

In atemloser Spannung setzte sie sich an den PC. Ihre Finger zuckten eilig über das Keyboard. Sirrend fuhr der Webbrowser hoch. Sie konnte es kaum erwarten, den Chat-Room zu betreten. Ob er auch da war? Sophie lächelte in sich hinein. Er war da! Das wusste sie, das spürte sie und schob den Mauszeiger in das Fenster.

In diesem Moment betrat Blacksoul den Chatroom.

Ungeduldig klickte sie ihn an. Es dauerte keine Sekunde, da flackerte der Bildschirm pechschwarz auf.

Mittendrin erschien eine blutrote Schrift.

In Schwarz siehst du zauberhaft aus!“

Sophie schmunzelte. Es war nicht verwunderlich, dass Blacksoul wusste, dass sie spitzenreiche Kostbarkeiten trug. Er selbst suchte sie aus, ließ sie in der kleinen Boutique für sie hinterlegen, die sie jeden Freitagnachmittag abholte.

„Danke“,

tippte sie ein.

Du bist das gierigste Geschöpf, das ich kenne“,

schimmerten die blutroten Buchstaben über den schwarzen Bildschirm,

„… und ich bin so geil auf dich!

Gierig! Gierig auf dein unstillbares Verlangen.

Gierig auf deinen Hass!“

In Sophie kroch zitternde Kälte hoch, die sie teils

verängstigte, teils erregte.

„Hass? ...“

Bevor sie den Satz zu Ende getippt hatte, schimmerte

die Antwort auf dem Monitor.

Ja Hass! Hass ist das stärkste,

das verschwenderischste Gefühl der

menschlichen Erregung!

Visualisierter Hass tötet! –

Sofort, brutal und absolut gnadenlos!“

Ernüchterung griff nach ihr.

Der heutige Chat schien sich in eine andere Richtung zu entwickeln als in den Freitagnächten davor. Noch nie hatte sie eine solche Erregung verspürt, noch nie so offen ihre geheimsten sexuellen Fantasien geäußert. In der Anonymität mit diesem geheimnisvollen Unbekannten ließ sie sich fallen, öffnete die Türen ihres Geistes, durchwanderte mit ihm das Labyrinth ihres Unterbewusstseins bis in den letzten Winkel ihrer Seele.

„Da irrst du dich gewaltig“,

tippte sie ein,

„denn sonst wäre...“

... dein Alter schon lange tot!“,

glänzten die Worte auf dem Monitor, fingen an zu flirren und fielen in dicken Tropfen herunter... wie Blut. Sie erschrak und feiner Schweiß strömte aus ihren Poren, legte sich wie ein kalter und schmieriger Film auf ihren Körper. Ein unsichtbares Tau schlang sich um ihren Hals und schnürte, zerrte – sekundenlang.

Sie glaubte zu ersticken.

Erinnerungen fielen durcheinander, verbanden sich zu einer riesigen Burg, die hoch oben auf einer schwarzen Klippe stand – einsam, drohend und anklagend. Dahinter vernahm sie krächzende, feine Stimmen. Sie wurden lauter – winselten, buhten und verhöhnten sie.

Gesichter tauchten auf – lustige, traurige und fratzenhaft verzerrte.

Ein fein geschnittener Mund nahm Konturen an.

Das Gesicht ihres Vaters erschien. Er lächelte zärtlich, so zärtlich und überaus gütig. Wie eben er nur lächeln konnte.

Majas blasses, verängstigtes Antlitz schwebte durch ihre Gedanken. Ihr Vater erschien.

Er hob Maja hoch, trug sie ins Schlafzimmer.

Jeden Abend kümmerte er sich um ihre kleine Schwester – kleidete sie aus und badete sie.

Und dann veränderte sich Papis Antlitz, wenn er sich über Maja beugte. Das lächelnde, so gütige Gesicht mutierte zu einer gierigen Fratze.

„Maja, mein Engelchen, gib Papi ein Küsschen!“, gierte er mit feuchten Lippen.

Sophie erschauerte.

Der alte, längst verdrängte Ekel stieg so machtvoll in ihr hoch, dass sie meinte daran zu ersticken. Wenn sie nur daran dachte, wie er mit der Zunge Majas kleinen Kindermund abschleckte und dann noch einmal überprüfte, ob sie auch überall gewaschen und sauber war, stieg Brechreiz in ihr hoch.

Maja! Vergeblich hatte sie versucht, vor Papis Liebe zu flüchten. Ihre Chancen waren gleich Null.

Und sie – Sophie - wusste nicht, wie sie ihr helfen konnte.

Maja half sich selbst und befreite sich von Papis Liebe.

An ihrem 16. Geburtstag fand man sie mit aufgeschnittenen Pulsadern in der Badewanne. Und der liebe, ach so gütige Papi hatte sich tagelang eingeschlossen. Ja, er hatte gelitten - unsagbar gelitten. Er verstand die Welt nicht mehr, dass sein Engelchen tot war.

In Sophie kroch der Hass hoch, fing an zu brodeln und zu kochen und sprudelte wie glühende Lava durch ihren ganzen Körper.

Hass ist ein sehr intensives Gefühl, nicht wahr?“,

schimmerten die Buchstaben über den Monitor, zerrieselten wieder und tropften wie Blut in die Schwärze.

„Ja“,

tippte sie ein.

Leidenschaft ist nur der Zuckerguss der Torte,

doch darunter lauert das Schwarze, das Böse –

unendlich stark und bittersüß wie Schokolade.“

„Ja“,

tippte sie ein.

Ihre Fingerspitzen fühlten sich vor Kälte ganz taub an.

Töte ihn“,

schrieb Blacksoul zurück.

Töte ihn mit der geballten Macht deiner Gedanken!

Töte ihn mit deinem Hass! Langsam, grausam!

Lass ihn leiden! Dann bist du ihn los! Für immer!“

Ihre Augen brannten, Tränen zwängten sich zwischen ihre Wimpern. Abscheu, Wut und abgrundtiefer Hass kroch unter ihrer Haut. Die feinen Härchen auf ihren Unterarmen stellten sich zitternd auf.

Jetzt hast du die Gelegenheit“,

stand da.

Töte die Erinnerung – und ihn! Für immer!“

Eine nie gekannte Erregung ergriff von ihr Besitz.

Ihre Finger huschten über das Keyboard. Sie fühlte sich als Mörder, der auf eine Chance lauerte und erfand im makabren Gedankenspiel das väterliche Todesurteil.

„Ich locke meine Eltern in ihre Jagdhütte.

Ich bitte meinen Vater um einen Cognac.

Meine Mutter fessele ich auf einen Stuhl,

kneble sie und fixiere ihre Augenlider

mit Klebeband. Und dann ist er dran!“

Wie?“

„Ich schlage ihn nieder, hänge ihn an den Füßen auf und häute ihn ab. Natürlich bei lebendigem Leibe.

Die Hunnen machten das mit ihren Feinden.

Attila trug Handschuhe aus Menschenhaut.

Ja, das wäre geil. Handschuhe aus Papis Haut.

Dieses Schwein! Dieses abartige Schwein!

Er missbrauchte Maja! Er hat sie in den Tod getrieben.

Meine Mutter muss bei der Häutung zusehen.

Diese dämliche Kuh war dem perversen,

alten Bock völlig hörig. Sie hat ihn gedeckt!

Seine abartige Geilheit war nur Liebe,

schließlich hat er Maja nur angefasst,

geküsst und nicht gepoppt!“

Was fühlst du jetzt?“

„Wut! Abscheu! Ekel!

O ja, so einen Tod wünsche ich diesem alten Mistkerl!

Ich häute ihn ganz langsam. Stückchen für Stückchen!

Ich höre zwischenzeitlich auf – bis er sich wieder etwas erholt hat! Dann fange ich wieder an!“

Sophie stierte auf den Monitor und schluckte, als sie ihre eigenen Worte las.

Hatte wirklich sie das geschrieben?! Sie wünschte ihrem Vater einen schrecklichen und grausamen Tod – dabei verspürte sie eine Erregung, die etwas

Orgiastisches hatte.

Streichle dich!“,

riet ihr Blacksoul.

Stell dir vor, dass du mich jetzt nimmst:

hart, brutal, grausam und gnadenlos! Leb dich aus!“

Ein feines Kribbeln zuckte in ihrer Vagina, erregt stöhnte sie leicht auf.

Willst du mich häuten?“,

schimmerte es auf dem Monitor.

Sophie schluckte.

Nein, warnte ihre innere Stimme, doch der Hass, der Wunsch nach Rache war stärker, fegte das warnende Nein wie ein lästiges Staubkorn weg.

„Ja!“

Erzähl mir, wie du das machst!“

Die blutrote Frage auf dem Monitor zerrieselte und tropfte wie Blut in die Schwärze.

Im Laufe der nächsten Woche stand Sophie völlig neben sich, sie konnte den Freitag kaum erwarten.

Als dieser heiß ersehnte Tag endlich kam, fuhr sie schon frühmorgens in die Stadt, besuchte die kleine Boutique und nahm mit klopfendem Herzen ein dekorativ verschnürtes Päckchen entgegen.

Lächelnd fischte sie einen winzigen, hauchzarten Slip heraus, daneben lagen zierliche, fleischfarbene Handschuhe. Als sie sie überstreifte, fühlten sie sich an wie ihre eigene Haut.

Blacksoul. Ihr Chat-Partner liebte die Details.

Er erinnerte sie an diese überwältigende Nacht, an ihren makaberen Chat-Sex, die nie zuvor erlebte

Sexualität, die Ambivalenz der Gefühle – Erregung und Ekel zugleich.

Errötend nahm sie Blacksouls Präsent und verließ eiligst den Laden.

Noch mindestens elf Stunden musste sie ausharren, bevor sie ihn wieder im Chat-Room traf.

Sie war süchtig nach Blacksoul, der alle Phantasien aus ihr herauslockte, ihr immer öfter den ultimativen Kick versetzte.

Wie in Trance ging sie durch ihr Haus. Tief in Gedanken versunken, verrichtete sie die tägliche Hausarbeit. Ihr ganzes Sein war nur von einem Gedanken beherrscht: Blacksoul.

Quietschende Autoreifen, das Spitzen kleiner Kieselsteine auf Blech, Türen schlagen und nachbarliches Hundegebell rissen sie aus ihren Tagträumen.

Sophie eilte ans Küchenfenster und linste neugierig

durch die Gardine. Mehrere Polizeiautos standen auf der Einfahrt, Männer kamen auf ihr Haus zu. Sie zählte fünf, davon zwei in Uniform.

In diesem Moment klingelte es an der Tür.

Was war los? War Ronald etwas passiert? Ein Unfall?

Nervös öffnete sie und stand einem kleinen untersetzten Mann gegenüber. Sie schätzte ihn auf Mitte bis Ende vierzig. Wache, lebhafte blaue Augen musterten sie von oben bis unten. Er lächelte verlegen und hielt ihr seine Dienstmarke hin.

„Ich bin Hauptkommissar Lundt! Sind Sie Frau Sophie Merk?“

Sie nickte, ihr Blick huschte unstet hin und her.

Die Männer lächelten freundlich, doch jeder vermied es, sie anzusehen.

Sie fühlte instinktiv, dass etwas geschehen war.

Aufgeregt leckte sie sich über ihre Lippen, räusperte sich und fragte mit brüchiger Stimme:

„Was... was ist passiert? Hatte Ronald... äh mein Mann... einen... einen Unfall?“

Hauptkommissar Lundt schüttelte den Kopf, er wich ihrem Blick aus und sah auf seine staubigen Schuhspitzen.

„Frau Merk, Sie... Sie müssen jetzt sehr stark sein!“, murmelte er. „Ihre Eltern sind einem Verbrechen zum Opfer gefallen! Ein Spaziergänger, der sich verirrte und nach dem Weg fragen wollte, hat sie zufällig entdeckt!“

Entgeistert starrte Sophie den Hauptkommissar an.

„Er... ermordet? Aber wie?... Was ist denn passiert?“, stammelte sie und spürte, wie sich das kalte Grauen in ihr ausbreitete.

„Das Monster hat Ihren Vater bei lebendigem Leibe gehäutet. Ihre Mutter hat er an den Stuhl gefesselt, ihr die Lider hoch geklebt. Sie musste zusehen. Das... das hat sie nicht überlebt! ... Herzversagen!“

Sophie taumelte.

Stimmen rauschten in ihren Ohren, die sie verhöhnten, auslachten und beschimpften.

Fratzen umkreisten sie.

Dunkle Gestalten mit blutverschmierten Händen kamen drohend auf sie zu.

„Frau Merk! Ist Ihnen nicht gut?“, vernahm sie wie durch Watte die Stimme des Hauptkommissars. Schwarzer Nebel kroch sanft und zärtlich auf sie zu, hüllte sie ein und erlöste sie... doch nur für kurze Zeit...

Blutiger Hauch

Подняться наверх