Читать книгу Gekaufte Liebe - Silke May - Страница 3
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ОглавлениеBetty stand immer noch vor dem Spiegel und zupfte an ihrem Kleid herum. Von draußen ertönte eine Autohupe. Sie wusste sofort, dass es ihre Freundin Gabi war, die sie zu einer Party abholte.
Schnell schlüpfte sie in ihre Ballerinas und strich sich nochmals kurz mit den Fingern durch ihr schulterlanges glattes Haar. Sie warf noch schnell einen prüfenden Blick in den Spiegel im Garderobenschrank, bevor sie ihre Wohnung verließ.
Ihre Freundin stand mit ihrem Auto auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Musternd sah sie Betty an, als sich diese auf den Beifahrersitz setzte. »Musste es ausgerechnet das graue Kleid mit den Spitzen am Kragen sein?«, begrüßte sie ihre Freundin. »Wieso? Das passt mir doch und ich bin darin nicht wie in einem Panzer eingeengt. Außerdem weiß ich nicht was du hast, es macht mich schlank und es gefällt mir. Bevor du an meiner Kleidung herummeckerst, sag mir lieber, wer alles zur Party kommt.« Gabi schmunzelte vor sich hin, während sie den Wagen langsam in Bewegung setzte, beantwortete sie Bettys Frage. »Soviel ich weiß, haben alle von unserer Schulklasse zugesagt und sie bringen auch ihre Partner mit.« »Wenn alle zugesagt haben, dann ist meine Busenfreundin Biggi dieses arrogante Frauenzimmer womöglich auch anwesend?«
»Bestimmt … damit musst du rechnen.« Betty klappte die Sonnenblende herunter und sah sich im Spiegel an. Sie zupfte ein wenig an ihren braunen Haaren und zog mit dem Zeigefinger ihre Augenbrauen in Form. »Das sind dann über den Daumen gepeilt fast vierzig Personen, wenn sie alle ihre bessere Hälfte mitbringen. Ich wusste nicht, dass Rosa so eine große Wohnung hat.«
»Rosa und Heinz ihr zukünftiger Ehemann haben doch direkt am See ein Haus gemietet«, antwortete Gabi. Betty musterte unterdessen ihre Freundin von der Seite. Gabi würde heute bestimmt wieder alle männlichen Blicke auf sich ziehen. Das lachsfarbene Kleid passte fantastisch zu ihrer sonnengebräunten Haut und den schwarzen kurzen Haaren. Während sie ihre Freundin so ansah, wusste sie, dass sie neben Gabis Aussehen verblasste. Betty war von fester Statur, eher sogar dicklich und blass aber sie hatte schönes langes braunes Haar, das ihr schwer über die Schultern fiel. Gabi hingegen war ein richtiges Glückskind, sie war gertenschlank, sah toll aus, und hatte auch noch einen sehr gut aussehenden Ehemann. Ihr Mann Klaus war Pilot bei einer großen Fluggesellschaft und sehr viel unterwegs. Betty war darüber froh, deshalb konnte ihre Freundin sehr viel Zeit mit ihr verbringen. Die wenigen Wochen, in denen Klaus daheim war, verbrachte Gabi allerdings nur noch mit ihrem Mann. Diese Zeit nutzte Betty dann immer, um genau das zu tun, was sie öfters gerne tun würde … nämlich faulenzen und ein Buch lesen.
Gabi lenkte ihr Auto durch das Dorf und direkt in die Straße zum See. Dort bog sie bereits nach wenigen Metern nach links ein und fuhr durch ein großes offenstehendes Tor. Sie fuhren einen schmalen sandigen Weg entlang, der bis vor die große Villa führte. Dort parkten bereits mehrere Autos.
»Na, unseren Schulkameradinnen scheint es gut zu gehen, wenn ich mir hier diese Luxusschlitten so ansehe«, stellte Betty leicht spöttisch fest. »Wenn du nicht so geizig wärst, dann könntest du dir auch ein hübsches Auto leisten, aber du fährst ja lieber mit der U-Bahn.«
»Klar, warum soll ich hohe Unterhaltskosten für ein Auto bezahlen, wenn ich nirgends hinfahre. Außerdem hast Du ja ein Auto und das reicht mir.«
»Genau das ist es, du verlässt dich auf mich. Irgendwann werde ich aber ein Baby haben und dann musst du mit der S-Bahn zum See fahren … wenn du baden willst.«
»Ja, ja, ja … aber noch ist es nicht soweit, wenn es überhaupt soweit kommt.« Gabi räusperte sich und grinste Betty an.
»Damit wirst du aber bald rechnen müssen, denn in diesem Urlaub auf den Malediven ist es soweit, da werden wir unseren ersten Versuch starten.« Betty lachte laut auf. »Vorher musst du Klaus aber noch davon überzeugen, denn ich hatte nicht den Eindruck, dass er auf Babys abfährt.«
»Lass das nur meine Sorge sein, schau du lieber erst einmal, dass du einen Typ findest, schließlich bist du auch nicht mehr die Jüngste.«
Betty schnaubte vor Empörung.
»He spinnst du? Schließlich bin ich gerade einmal dreißig Jahre und damit im besten Alter einer Frau.«
»Okay … davon musst du aber auch erst einmal die Männerwelt überzeugen.«
Betty schlug mit der flachen Hand auf Gabis Schenkel. »Autsch geht‘s noch?« Jetzt mussten beide Frauen über sich selbst lachen, während Gabi ihr Auto neben einer großen dunkelblauen Limousine parkte. Sie stiegen aus und gingen über den sandigen Platz auf das Gebäude zu. Aus den offen stehenden Fenstern und der geöffneten Eingangstür drang laute Musik ins Freie. Beide Frauen stiegen die zwei Stufen bis zum Eingang hoch und betraten einen langen Korridor mit einem weißen Marmorboden. »Nobel geht die Welt zugrunde«, stellte Betty fest und pfiff durch die Zähne. »Stimmt«, gab Gabi fast ehrfurchtsvoll von sich. »Herzlich willkommen!«, wurden sie laut von ihrer Klassenkameradin empfangen. Mit ausgestreckten Händen ging Rosa auf Betty und Gabi zu. Freundlich lächelnd sah sie beide Frauen an. »Schön, dass ihr beide gekommen seid. Wir haben uns ja schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen.« Betty und Gabi musterten Rosa und bedankten sich für die Einladung. Ihre Gastgeberin trug ein langes violettes Kleid und ihr schwarzes Haar, war kunstvoll hochgesteckt. »Ihr beide habt euch so gut wie nicht verändert. Immer noch so hübsch wie damals, im Gymnasium«, sagte sie und zwinkerte ihnen zu. »Dieses Kompliment können wir an dich zurückgeben. Nur ein bisschen an Volumen hast du zugelegt«, gab Betty grinsend von sich, auf Rosas Schwangerschaft anspielend. »Tja, das stimmt – im siebten Monat«, dabei strich sie liebevoll mit der Hand über die Rundung ihres Bauches.«
Rosa stellte sich zwischen ihre Kameradinnen und hakte sich bei beiden ein. »Kommt lasst uns hineingehen. Ihr werdet staunen, wer alles da ist. Leider musste ich Carla auch einladen, es ließ sich nicht vermeiden«, sagte sie an Betty gewandt. Betty winkte ab.
»Ach weißt du … das macht mir überhaupt nichts aus, da steh ich drüber. Außerdem ist es ja schon solang her«.
»Es ist schade Gabi, dass dein Mann nicht dabei ist.« Gabi zuckte kurz mit der Schulter.
»Tja … er schwebt im Moment noch mit seiner Maschine über Amerika und kommt erst übermorgen zurück.« Während sie den Weg durch das riesengroße Wohnzimmer zum Garten ansteuerten, streiften Bettys Augen durch den Raum. Dieses Zimmer war mindestens allein so groß wie Bettys gesamte Wohnung. Betty fand es für diese Größe allerdings etwas zu leer. Weiße Wände und im vorderen Teil beim Eingang stand ein großer länglicher Esstisch, um den zehn Stühle standen. Die zweite Hälfte des Zimmers wurde mit einem durchschaubaren Bücherregal bis zur Mitte abgetrennt. Dahinter befanden sich ein weißes Ledersofa mit zwei großen Ledersesseln sowie ein ovaler Glastisch. Das gesamte Mobiliar ließ keinen Zweifel offen, dass es sich hier um teure Möbel handelte.
»Sag mal lohnt sich der große Esstisch überhaupt, mit zehn Stühlen?«, fragte sie. »Natürlich, wir haben des Öfteren viele Gäste, allein die Familie von Klaus zählt schon stolze sieben Personen. Betty, wie ich dich einschätze, bist du immer noch Solo stimmt‘s?«
»Da muss ich dich leider enttäuschen, mein Schatz ist heute nur verhindert.« Gabi sah ihre Freundin überrascht an. »Toll, dann kann ich davon ausgehen, dass eure Männer in zwei Wochen bei meiner Hochzeit dabei sind. Wozu ich euch heute schon herzlich einlade.« Diese Einladung schlug bei Betty wie eine Bombe ein. Sie war sich in diesem Moment im Klaren, dass sie sich mit ihrer hastigen Aussage in Schwierigkeiten gebracht hatte. »Deine Busenfreundin Carla ist übrigens schon zum dritten Mal geschieden.«
»Das wundert mich nicht, denn lang hält es bei der sicher keiner aus«, stellte Betty bissig fest. Rosa und Gabi schmunzelten ob Bettys Aussage. »Ach ja … da ist noch jemand gekommen. Es ist …, ach was, lasst euch einfach überraschen«, sagte sie mehr an Betty gewandt.
Sie betraten die Terrasse, auf der schmale hohe Stehtische standen. Ein großes Buffet war auf einem langen Tisch aufgebaut und viele Korbsessel standen in Gruppen verteilt auf dem Rasen. Unterhalb der leicht erhöhten Terrasse waren Holzplatten als Tanzfläche ausgelegt. Die Terrasse war umrandet mit bunten Lampions. Auf dem Rasen verteilt steckten mehrere Fackeln, die bei Dunkelheit sicher ein romantisches Licht von sich gaben. Die Gäste waren überall in kleineren Gruppen verteilt. Grelles Lachen erweckte Bettys Aufmerksamkeit. »Das kann nur Carla sein«, stellte sie in einer abwertenden Tonlage fest. »Das stimmt«, bestätigte Rosa.
»Wer ist der große Typ neben ihr, gehört der zu ihr?«, fragte Betty. Rosa verneinte kopfschüttelnd.
»Nicht direkt. Lass dich überraschen.« Während sie die Terrasse überquerten, wurden sie von einzelnen Gästen mit einem freundlichen „Hallo“ begrüßt. Sie stiegen die Stufen zum Rasen hinab und steuerten direkt auf die Gruppe mit ihrer sogenannten Busenfreundin zu. »Schaut wen ich euch mitgebracht habe«, sagte sie wenige Schritte vor der kleinen Gruppe. Carla unterbrach ihren Redeschwall und sah zu den Ankommenden.
»Hallo …, wen sehe ich denn da?« Ihr erster Blick galt Betty, die sie auch gleich ausgiebig musterte. Langsam drehte sich der dunkelhaarige Mann herum und sah Betty direkt in die Augen. Betty durchfuhr es wie ein Blitz. Ein unkontrollierbares Kribbeln zog durch ihren ganzen Körper. Vor ihr stand Daniel ihre erste große Liebe. »Hallo Betty …, schön dich zu sehen«, gab er lässig mit seiner markanten dunklen Stimme von sich und streckte ihr die Hand entgegen. Er lächelte sie charmant an. Genau dieses Lächeln liebte sie so sehr an ihm. »Erspare dir deinen Charm, Betty ist schon vergeben«, sagte Rosa laut. Betty wäre am liebsten im Boden versunken und ärgerte sich über ihre eigene Dummheit ob der Lüge.
»Schade aber schön für sie«, gab Daniel von sich und musterte sie ausgiebig. Betty fühlte sich in diesem Moment sehr unwohl. Hätte sie doch lieber etwas Unbequemeres aber dafür Schöneres anziehen sollen? Dieser Gedanke ärgerte sie. »Dich sieht man ja überhaupt nicht mehr? Wo treibst du dich denn immer so herum?«, unterbrach Carla. »Ich bin immer sehr beschäftigt«, schwindelte Betty. »Siehst du Daniel, wie ich schon vermutet hatte, Betty hat keine Zeit für dich«, bestätigte Carla und lenkte Daniel sofort in ein anderes Gespräch. Betty wurde es zu viel, sie zog Gabi mit sich an die Bar. »Jetzt brauch ich erst einmal etwas zu trinken«. Der junge Mann an der Bar reichte Betty auf ihren Wunsch hin, ein Glas mit Whisky. »Ist das nicht für den Anfang zu hart?«, stellte Gabi fest. Betty schüttelte den Kopf. »Das kann nicht hart genug sein. Diese blöde Ziege von Carla angelt sich ausgerechnet Daniel. Am liebsten würde ich heimfahren«. Gabi sah ihre Freundin von der Seite an. »Sag bloß, dass du immer noch auf ihn stehst?« »So kann man das nicht sagen. Sagen wir einfach, dass er mir nicht gleichgültig ist«. »Kannst du mir erklären, was deine Aussage über deinen Freund zu bedeuten hat? Warum schwindelst du?«
»Schau dich doch um – ist hier jemand ohne Partner erschienen?«
»Außer uns beiden – nein. Woher nimmst du jetzt einen Mann? Vergiss nicht, in zwei Wochen ist die Hochzeit«.
»Ich brauche keinen Mann. Ich komme nicht«! Gabi schüttelte energisch den Kopf. »Oh nein, das wirst du schön bleiben lassen. Du wirst anwesend sein, dafür werde ich schon sorgen. Du hast dir diese Suppe eingebrockt, jetzt löffelst du sie auch aus und ich bin gespannt, welche Ausrede du dir einfallen lässt. Jetzt möchte ich aber den Abend genießen«.
Kaum hatte Gabi den Satz zu Ende gesprochen, steuerte schon ein Mann auf sie zu und bat sie um einen Tanz. Während Gabi tanzte, trank Betty ihren zweiten Whisky und schaute sich die Gäste an. Auf der Tanzfläche schmiegten sich Paare aneinander und tanzten im Rhythmus der Melodien. Ihr Blick endete immer wieder bei Daniel, der sich anscheinend mit Carla gut amüsierte.
Beim Einsetzen der Dunkelheit wurden die Fackeln entzündet. Der ganze Garten erstrahlte in einem romantischen Flair. Leise Musik vermischte sich mit den Gesängen der Frösche am Schilfufer. Betty fand es unheimlich romantisch und wurde leicht melancholisch. Gabi tanzte die ganze Zeit schon mit dem gleichen jungen Mann, der sie von der Bar weggeholt hatte. Betty schenkte sich ein Glas Mineralwasser ein und setzte sich auf die Steinbrüstung der Veranda. Sie sah über den Garten hinaus zum See. Der Mond spiegelte sich im Wasser. Kleine Wellen glitzerten, als würden sie unzählige Sternchen ans Ufer befördern. »So allein? Hat dich Gabi in Stich gelassen?« Daniels dunkle Stimme holte sie aus ihren Gedanken. »Gabi tanzt und mir macht es nichts aus, allein zu sein. Ich genieße diese herrliche Aussicht«.
»Stimmt … die Aussicht, ist wunderschön. Gehen wir ein bisschen zum See vor?« Betty wusste, dass es keine gute Idee war.
»Ich habe keine Lust«, sagte sie und trank ihr Glas in einem Zug leer. Daniel nahm ihr Glas.
»Ich hol uns etwas Gutes zu trinken«. Betty sah ihm nach, während er zur Bar ging und dort eine Flasche öffnete. Sie spürte wieder ein leichtes Kribbeln bei seinem Anblick. Daniel sah noch toller aus, als in jungen Jahren. Er war fantastisch und unheimlich sexy. Im selben Moment ärgerte sie sich wieder über das Erfinden eines Freundes.
-Wie konntest du nur so doof sein und einen Partner erfinden. Nicht nur, dass du Daniel damit eine Chance nimmst, dich zu erobern, sondern woher willst du denn so schnell einen Mann nehmen?-
Während Betty mit ihren Gedanken beschäftigt war, näherte sich Daniel. Daniel hielt ihr ein Glas entgegen. »Prost Betty, auf unser Wiedersehen«. Sie prosteten sich zu und Betty spürte, wie ihr der Champagner kribbelnd die Kehle hinunter lief. »Erzähl von dir, wie geht es dir und was machst du so? Was macht dein Freund und wie lang bist du schon mit ihm zusammen?« Betty wollte um jeden Preis verhindern, dass sie sich noch mehr Lügen einfallen lassen musste.
»Ach mein Leben ist nicht so aufregend. Erzähl doch du zuerst von dir. Was machst du und wo wohnst du«? »Okay … also ich bin Rechtsanwalt und arbeite derzeit noch in einer großen Rechtsanwaltkanzlei in New York«.
»Wieso noch?«
»Ich gehe wieder zurück nach München. Ich habe mir hier eine nette Wohnung gekauft, die aber noch nicht bezugsfertig ist. Die Möbel werden erst noch geliefert. Ich hoffe aber, dass ich bis in zwei Wochen einziehen kann.« »Wo wohnst du bis dahin?«
»In New York. Morgen Nachmittag geht mein Flieger«. Betty sah ihn überrascht an. »Bist du bei der Hochzeit nicht dabei?« Daniel schüttelte den Kopf. »Das geht sich wahrscheinlich nicht aus, schließlich bin ich noch bis zum Monatsende in der Kanzlei beschäftigt. Ich habe mir nur eine Woche Urlaub genommen wegen der Möbel und dieser Party«.
Betty war enttäuscht und zugleich erleichtert. Jetzt brauchte sie wenigstens Daniel nicht mit einem Mann konfrontieren.
»Da wird Carla aber froh sein, wenn du wieder hier bist«. Daniel schaute sie fragend an. »Wieso Carla«?
»Nun ja, es ist doch schöner, wenn der Partner nicht so weit weg ist«. Daniel lachte laut.
»Um Himmelswillen, du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich mit Carla zusammen bin? Nein bestimmt nicht. Ich bin Solo. Sie wäre die Letzte, die für mich infrage käme, da müsste ich schon einen Notstand haben. Bis jetzt hatte ich keine Zeit für eine Partnerschaft. Jetzt mach ich mich erst einmal selbstständig und dann habe ich mehr Zeit für mein Privatleben«.
Betty sah in diesem Augenblick für sich eine Chance, mit Daniel zusammenzukommen. Sie wusste aber ebenso, dass sich diese Gelegenheit mit ihrem erfundenen Freund erschwert hatte. Natürlich könnte sie mit ihrem erfundenen Freund das Verhältnis beenden. Aber falls sie mit Daniel wirklich zusammenkommen sollte, wie sollte sie ihm erklären, dass sie noch Jungfrau war? Betty seufzte leise, aber nicht leise genug, dass sie Daniel nicht gehört hätte.
»Was ist mit dir?«
»Ach …, mir ist nur warm«, schwindelte sie. Daniel legte seinen Arm um ihre Taille und zog sie mit sich zum Wasser. »Komm lass uns mit den Füßen hineinsteigen, das erfrischt und kühlt«. Seine Nähe wurde für Betty fast unerträglich, sie hätte ihn am liebsten umarmt und geküsst.
»Ist dein Freund für dich der Mann deines Lebens?«
Mit dieser Frage, brachte Daniel sie leicht in Verlegenheit, sollte sie weiter schwindeln und die bereits verfahrene Situation noch weiter verschlimmern oder versuchen, sich langsam herauszuwinden.
»Wer hat schon den Mann fürs Leben?« »Betty …!«
Betty war froh, als sie Gabis Stimme hörte. »Betty, hier bist du …? Komm lass uns heimfahren, es ist schon nach Mitternacht und ich werde langsam müde«.
Betty schlüpfte schnell in ihre Schuhe, die sie abgestreift hatte, und befreite sich aus Daniels Arm.
»Also, dann servus«, verabschiedete sie sich eilig. Daniel hielt ihre Hand fest umklammert. »Sehen wir uns wieder«? »Ja, auf der Hochzeit.«
»Ich fürchte nicht, denn ich komme höchstwahrscheinlich erst eine Woche später wieder heim«, erklärte Daniel enttäuscht.
»Ach ja … stimmt …, das sagtest du ja bereits. Schade, es wird aber sicher irgendwann eine Möglichkeit geben oder wir laufen uns zufällig über den Weg«.
Daniel zuckte mit der Schulter, dann griff er in die Hosentasche und zog seine Geldbörse heraus. Er entnahm eine Visitenkarte und reichte sie ihr. »Ruf mich doch mal an, ich würde mich freuen«.
»Okay mach ich«, gab Betty von sich und steckte das Kärtchen in ihre Handtasche. Daniel zog sie an sich und gab ihr ein Küsschen auf die Wange. »Servus, auf ein baldiges Wiedersehen«. Betty durchlief ein angenehmer Schauer, als seine Lippen ihre Wange berührten.
»Tschau, bis bald«, gab sie leise von sich. Während sie bereits auf ihre Gastgeberin zusteuerten, um sich von ihr zu verabschieden. Gabi setzte ihre Freundin vor dessen Hauseingang ab und Betty fuhr mit dem Fahrstuhl zu ihrer Wohnung hoch. Sie entledigte sich ihrer Kleider und schlüpfte in ihren weichen Pyjama. Sie holte ein Glas Mineralwasser aus der Küche und setzte sich in den Fernsehsessel, sie ließ in Gedanken den Abend nochmals vorüberziehen.
Am nächsten Morgen wälzte sich Betty mühevoll aus dem Bett. Sie setzte sich auf den Bettrand und versuchte, ohne sich zum Boden zu bücken, in die Hausschuhe zu schlüpfen.
»Meine Güte, das letzte Getränk scheint zu viel gewesen zu sein. Ah …, wie mir der Schädel brummt«, stöhnte sie. Schleppend ging sie in die Küche und holte sich ein Glas Orangensaft, dass sie mit einem Schluck austrank, während sie aus dem Fenster sah. Ein Blick auf die Küchenuhr sagte ihr, dass es bereits auf elf Uhr zuging. Wie von einer Tarantel gestochen fuhr sie zusammen, sie erinnerte sich, dass sie mit Gabi zum Mittagessen verabredet war. Im Laufschritt ging sie ins Badezimmer, um zu duschen. Sie schlüpfte schnell in ihren dunkelblauen Hosenanzug, den sie immer anzog, wenn sie in Eile war, und zog darunter ein weißes T-Shirt an. Mit der Bürste fuhr sie sich kurz durch ihr braunes Schulterlanges, glattes Haar und tuschte sich die Wimpern. Für ein ausführliches Make-up reichte die Zeit nicht mehr, sie würde sowieso schon zu spät kommen. Sie hatte Glück, dass Gabi sich ein Restaurant in ihrer Nähe ausgesucht hatte, das sie bereits in wenigen Minuten zu Fuß erreichen würde. Eilig verließ sie ihre Wohnung und hetzte die Treppen hinunter, sie verließ im Laufschritt das Haus. Sie hatte sich dennoch verspätete, als sie endlich die Tür zum Lokal öffnete. Ein verführerischer Essensgeruch strömte ihr entgegen, als sie den Gasthof betrat. Betty erblickte ihre Freundin sofort, die an einem Tisch am Fenster saß. Der Ausdruck ihres Gesichtes spiegelte bereits den Vorwurf, den Betty sich gleich über sich ergehen lassen musste. »Sorry …, ich hab verschlafen«, gab Betty von sich.
»Das wundert mich nicht, nachdem was du gestern alles in dich hineingeschüttet hast. Es wundert mich überhaupt, dass Du gekommen bist.« Betty blickte auf den Tisch, der für drei Personen gedeckt und ein Glas Bier bis zur Hälfte getrunken stand.
»Wem gehört dieses angetrunkene Bierglas?« Gabi schmunzelte.
»Jetzt setz dich erst einmal hin«, dabei deutete sie auf den Stuhl neben dem Bierglas. Betty setzte sich und sah Gabi fragend an. »Und … wem? Jetzt sag schon.«
»Es gehört Daniel, er ist gerade zur Toilette gegangen.«
»Wem …?«, gab sie wie vom Donner gerührt von sich. Betty dachte sofort daran, dass sie nicht geschminkt war. Ihr Hosenanzug auch nicht direkt das schönste Kleidungsstück aus ihrem Kleiderschrank war. Leichte Panik stand ihr im Gesicht geschrieben, so als würde sie jeden Moment aufspringen und weglaufen wollen. »Du hast schon richtig gehört … Daniel ist da.« »Wieso? Warum hast du mir nichts gesagt? Woher weiß er überhaupt? Schau doch mal, wie ich aussehe, damit habe ich nicht gerechnet!«, sprudelte es aus ihr heraus. »Ich muss noch einmal …« Betty unterbrach ihren Redeschwall. »Jetzt hab dich nicht so. Außerdem, hättest du nicht dein Handy ausgeschaltet, dann wüsstest du bereits Bescheid.« Betty wollte noch etwas sagen aber Gabi ließ sie nicht zu Wort kommen.
»Außerdem ist es schon zu spät … er kommt gerade.«
Betty durchfuhr es wie ein Blitz, als sie seine Schritte näher kommen hörte. »Hallo Betty! Na … ausgeschlafen?« Daniel reichte ihr die Hand und lächelte sie an, während er sich neben sie setzte. Betty versank in seinen dunklen Augen und wunderte sich über sein erstaunt frisches Aussehen nach dieser langen Nacht. »Hallo … Daniel«, mehr fiel ihr im Moment nicht ein. Gabi spürte die Unsicherheit ihrer Freundin und unterbrach die momentane Stille. »Gut, dann können wir unser Essen bestellen. Ich werde den Rehbraten mit Spätzle und Preiselbeeren essen. Du musst wissen, dieses Lokal ist spezialisiert auf Wild«, sagte sie an Daniel gewandt. »Wenn das so ist, dann nehme ich das Gleiche«, sagte Daniel. Betty schloss sich mit der Wahl des Essens an und vermied es dabei, Daniel direkt anzusehen. Betty war es peinlich, dass Daniel sie ungeschminkt sah. Sie überlegte bei der Getränkeauswahl ziemlich lange. »Falls du vom gestrigen Abend leicht geschädigt sein solltest, dann würde ich dir ein Weißbier empfehlen, mir hat es früher immer geholfen«, sagte Daniel zu ihr. »Kriegt man da keinen Aufgewärmten?«, fragte Betty. »Wenn’s bei einem Glas bleibt … nicht«, antwortete er ihr und stupste sie sanft mit dem Ellbogen an. Betty bestellte sich ein Weißbier, so wie es Daniel ihr empfohlen hatte.
Das Essen schmeckte vorzüglich und das Weißbier half wunderbar gegen den Durst, den der gestrige Abend ausgelöst hatte. Betty und Daniel unterhielten sich prächtig, beide hatten viel zu erzählen. Plötzlich starrte Daniel auf seine Uhr. »Ach du liebe Zeit, ich muss gehen, sonst fliegt mein Flieger ohne mich. Meine Güte … ich hab auch noch kein Taxi bestellt, hoffentlich kommt es gleich«, sagte er und holte sein Handy aus der Hosentasche. »Lass es …, ich fahre dich zum Flughafen«, sagte Gabi. »Okay, ich zahle und wir treffen uns bei mir daheim?«, sagte Betty zu ihrer Freundin.
»Super«, bestätigte Gabi. Daniel legte einhundert Euro auf den Tisch. »Ich lade euch beide ein. Ist das ausreichend … Betty?«
»Natürlich, da bekommst du sogar noch etwas zurück.«
Daniel nickte und bückte sich zu ihr herab und gab ihr einen Wangenkuss. »Tschau, Betty.« Gabi und Daniel verließen eilig das Restaurant und Betty trank in Ruhe ihr Glas Weißbier leer und zahlte, dann trat sie gemütlich den Heimweg an.
Immer wieder musste sie an Daniel denken. Ob er jetzt wohl schon am Flughafen war? Ihr Handy holte sie in die Gegenwart zurück.
»Hallo Betty, ich bin am Flughafen gut angekommen und Gabi ist jetzt auf den Weg zu dir. Es war ein schöner gestriger Abend, leider viel zu kurz und ich möchte dich wiedersehen, wenn ich in München bin, was hältst du davon?« Betty war überrascht, denn mit einem Anruf von ihm hatte sie nicht gerechnet.
»Sehr gern, das können wir machen. Es war nämlich ein wirklich schöner Abend, aber wie du schon sagtest – einfach zu kurz.« Betty hörte im Hintergrund einen Flugaufruf. »Betty ich muss jetzt zum Flugterminal, also dann bis bald. Servus.«
»Servus Daniel und einen guten Flug, komm gut in New York an.« Langsam legte sie das Handy auf den Tisch zurück. Betty ging zum Fenster und sah hinaus, während ihre Gedanken erneut bei Daniel waren. Sie sah geistig seine dunklen Augen vor sich und sein Lächeln, in das sie so sehr verliebt war.
Die Türglocke ertönte und Betty fuhr erschrocken zusammen. »Gabi!«, rief sie aus und lief zur Tür. Betty betätigte den Türöffner und wartete bei geöffneter Tür, bis sie Gabi aus dem Fahrstuhl kommen sah. »Alles hat gut geklappt, Daniel ist noch rechtzeitig angekommen.«
»Ich weiß, er hat mich angerufen.« »Da siehst du einmal, er kann keine Minute warten, um deine Stimme zu hören.«
Betty musste lachen.
»Jetzt komm erst einmal herein, magst du einen Espresso?«
»Sehr gerne, und wenn du ein paar Kekse dazu hättest, dann wäre das Super.« Betty nickte.
»Klar habe ich Kekse da.«
Während es sich Gabi auf dem Sofa bequem machte, unterhielt sie sich lautstark mit ihrer Freundin.
»Du hast bei Daniel einen starken Eindruck hinterlassen. Ich glaube sogar, dass er in dich verknallt ist.« »Meinst du?«
»Ja das meine ich.« Betty kam mit einem Tablett aus ihrer kleinen Küche, auf dem zwei Tassen mit Espresso und eine Schale Kekse standen.»Naja … gleichgültig ist er mir auch nicht, ich könnte mir gut vorstellen, dass aus uns was werden könnte.«
»Ha … das hast du dir ja wohl selbst verbaut! Wie kannst du dir auch so einen Blödsinn einfallen lassen, dass du einen Freund hast?«
»Aus diesem Dilemma werde ich schon einen Ausweg finden, lass das mal meine Sorge sein.«
»Na da bin ich ja mal gespannt, wie du das hinkriegen willst? Vorläufig kommt Daniel nicht nach München, und bis er wieder kommt, habe ich bestimmt eine Lösung gefunden. Ich weiß jetzt schon eine! Ich mach einfach Schluss mit meinem nichtvorhandenen Freund.« »Gut … und wie willst du erklären, dass du noch Jungfrau bist? Das bist du doch noch … oder sollte ich da etwas versäumt haben?«
»Nein da hast du nichts versäumt – das stimmt. Aber auch da fällt mir etwas ein.«
»Okay, vielleicht kannst du dir ja einen Typen aus dem Hut zaubern.« »Zaubern nicht, aber ich könnte mir zum Beispiel einen Mann mieten.« »Betty du spinnst, du kannst ihn doch nicht über Wochen mieten, das kostet dich ja ein Vermögen!«
»Doch nicht über Wochen, ich dachte an zwei bis drei Treffen mit dem gleichen Mann, das muss reichen. Dann sind wir uns nicht mehr fremd und ich verliere bis dahin bestimmt auch meine Hemmungen. Dann könnte das Ganze beim dritten Date über die Bühne gehen, denke ich. Ansonsten muss ich noch ein Date anhängen.«
»Dann bist du mindestens eintausend Euro los. Du musst es wissen, ich kann dich nur bitten vorsichtig zu sein, mehr kann ich nicht tun«, dabei sah Gabi ihre Freundin eindringlich an. »Natürlich bin ich vorsichtig und vergiss nicht, diese Männer sind doch alle registriert und möchten bestimmt nicht ihren Job verlieren. Jetzt lass uns von etwas anderem Reden. »Okay. Freust du dich schon auf deinen Urlaub auf der Amalfi-Küste?«
»Herrje, den hab ich ganz vergessen! Jetzt bekomme ich Stress, dann hab ich ja nur eine Woche Zeit!«
»Stimmt!« Betty sprang auf und ging zum Computer.
»Was machst du jetzt?«
»Ich suche ein Portal, wo man Männer mieten kann.«
»Muss das jetzt sein?« Betty nickte. »Natürlich, und du hilfst mir dabei.« Betty wurde ziemlich schnell fündig. Sie verweilte nur kurz auf der ersten Seite und öffnete sofort die Angebotsseite. »Schau da sind die Männer, einige sehen ja sehr gut aus. Was hältst du von dem blonden Typen hier?«
»Ja … der sieht ganz nett aus.«
»Soll ich den nehmen?«
»Du musst doch nicht gleich den Erstbesten nehmen, schau sie dir doch alle erst einmal in Ruhe an.«
Nachdem sie sich durch die Seiten geblättert hatten, hatten beide das Gefühl als würden sie am Anfang stehen. »Lass uns langsam zum Ende kommen. Ich würde sagen den Mann hier von der ersten Seite, den von der 10. und den von der 55. Seite. Diese Herren schaun wir uns einmal näher an«, sagte Betty leicht überfordert. »Nimm den Letzten als Erstes.« Sie sahen sich sein Profil an und als sie sein Honorar. »Wow … nicht gerade billig, aber er wäre es wert.«
»Das schon aber schau mal, wo der herkommt und was seine Anreise kostet.«
»Okay, du hast mich schon überzeugt … zu teuer! Nehmen wir den, der ist München am nächsten.«
»Warum nimmst du nicht gleich einen Mann aus München, dann sparst du dir die Anreise?«
»Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich Lust habe, irgendwann diesem Typen zu begegnen?«
»Dann nimm diesen Sonnyboy, der hat nicht so eine weite Anreise und ist deshalb billiger.« Betty sah ihn sich genau an.
»Ja der ist gut. Für die ersten zwei Stunden zum Kennenlernen ist er teuer genug.«
»Also ich würde die Kohle lieber für etwas anderes ausgeben«, stellte Gabi fest.
»Ich aber ich nicht und für meinen ersten Sex möchte ich auch einen gut aussehenden Mann, dem ich auch noch vertrauen kann.«
»Mit so einem Mann dürftest du auch auf der sicheren Seite sein.«
»Bestimmt … also dann nehme ich jetzt Kontakt auf, oder?«
»Wenn du es unbedingt willst, dann ja.«
»Ja ich will!«
»Na dann los«, sagte Gabi, während sie sich einen Keks in den Mund schob. Mit schwitzigen Händen drückte Betty die Computertasten, denn ab jetzt gab es für sie kein zurück mehr.