Читать книгу Mord bei Vollmond - Silke May - Страница 4
Kapitel 2
ОглавлениеMontagabend Nachtschicht: Im Revier ging es ziemlich laut zu. Ludwig und Popeye hatten zwei Autodiebe auf frischer Tat ertappt und verhaftet. Beide Jugendlichen stritten die Tat jedoch vehement ab.
»Herrschafftszeiten noch einmal, isses denn möglich, dass ihr endlich die Wahrheit sagt‘s?«, schimpfte Ludwig vor sich hin.
»Sperrt’s es doch einfach ein, dann werden‘s schon mit der Wahrheit herausrücken«, stellte Rudi lapidar fest.
»Gute Idee, das hat schon manch einem die Zunge gelöst«, sagte Popeye und stand auf.
»Schaffst du das allein?«, fragte Ludwig.
»Nicht der Rede wert, die zwei leeren Hosen bring ich locker allein in die Zellen.«
»Sperr sie in eine Zelle gemeinsam, sonst muss die Oma Hackl hernach zwei Zellen sauber machen, dann bekommst du einen sauberen Rüffel von ihr«, ermahnte ihn Rudi.
»Stimmt, am Ende verweigert sie mir das Abendessen.«
»Das könnte passieren. Du würdest dich schön ärgern, denn heut bringt sie uns Fleischpflanzerl und Kartoffelsalat.«
»Hmm Frikadellen lecker.«
»Fleischpflanzerl heißt das und jetzt bring unsere Gäste in die Zelle«, verbesserte ihn Rudi.
»Ach ihr Bayern!«, gab Popeye kurz von sich und brachte beide Täter weg. Die Türglocke ertönte und als Ludwig den Türöffner betätigte, kam Babette Hackl herein.
Sie war mit zwei großen Taschen aufbepackt als sie den Raum betrat. »Servus beieinander!«
»Servus Omi Hackl!«, grüßten sie alle gleichzeitig.
»Na Buam und Evi, habt‘s schon Hunger?«, fragte die resolute, athletische große Frau, mit schwarzen hochgesteckten Haaren. Ludwig, Rudi, und Evi nickten.
»Wo ist der Popeye? Ist er allein im Einsatz?«, fragte Frau Hackl.
»Nein er ist bei den Zellen.«
»Hat er was angestellt und ihr habt‘s ihn eingesperrt?«, fragte sie lachend.
»Nö … Omi Hackl, ich habe nur zwei Kerle weggesperrt«, erklärte Popeye der soeben herein kam. »Dann ist es ja gut. Hast Hunger?«
»Und was für einen Hunger, Omi. Hoffentlich hast du genügend dabei?« »Euer Kieler Muskelpaket hat schon wieder Angst, dass es ihm ned reichen könnt. Popeye für dich hab ich a extra Portion dabei, damit du mir ned vom Fleisch fällst.«
»Super Omi, ich gebe dir einen Kuss.« Babette Hackl lachte.
»Nix als leere Versprechungen«, gab sie lachend von sich. Das ließ sich Bernd Rau nicht zweimal sagen und stand abrupt auf. Er ging auf sie zu und grinste sie an.
»Komm her Omi lass dich Küssen.« Er zog sie an sich und gab ihr einen kurzen Kuss auf den Mund. Babette Hackl schob ihn von sich weg und grinste ihn an.
»Du verrückter Uhu! Habt’s das gsehn? Gibt der mir prompt ein Busserl.« »Ich mache immer was ich sage Omi, das musst du dir merken.«
»Ich werde es mir merken«, sagte sie und grinste.
»Ich bring das Essen in den Aufenthaltsraum, lasst es aber ned kalt werden!«
Popeye folgte ihr sogleich und Ludwig hing sich sofort an seine Fersen. Frau Hackl stellte das Essen im Aufenthaltsraum ab. Und ging zu den Zellen, um nach dem Rechten zu sehen.
Unterdessen gingen Evi und Rudi ihren Arbeiten nach.
»Findest ned, dass die Omi Hackl noch ziemlich drahtig aussieht?«, fragte Evi.
»Stimmt … aber das muss sie ja wohl, schließlich macht sie heute noch Karate«. Evi horchte auf.
»Unsere Omi macht heute noch Karate, das glaub ich ned. Sie ist doch schon sechzig Jahre alt, oder?«
»Klar … und sie war im Vollzug beschäftigt.«
»Cool … unsere Omi war im Knast beschäftigt! Wo … im Büro?« Rudi schüttelte heftig den Kopf. »Als Aufseher, sie hatte mit den Knackis direkten Kontakt.«
»Alle Achtung, da gehört eine Portion Mut dazu, ich möchte es nicht machen. Alleine was das an Beherrschung kostet. Ich würde bald selbst als Insasse drinnen sitzen. Außerdem ist das bestimmt nicht ganz ungefährlich für eine Frau.«
»Tja, da hast du Recht, aber Omi Hackl hat nichts dem Zufall überlassen, sie hat den schwarzen Gürtel in Karate und soviel ich weiß, trainiert sie immer noch wöchentlich.«
»Okay, jetzt ist mir alles klar. Deshalb ist Omi so drahtig, ich finde es Klasse.« Ludwig und Popeye kamen vom Aufenthaltsraum zurück.
»Und habt’s uns auch noch was übrig lassen?«, fragte Rudi. Ludwig verzog seinen Mund zu einem Grinsen.
»Wenn Omi Hackl ihn ned eingebremst hätte, dann würde es jetzt traurig für euch aussehen«, dabei deutete er auf Popeye.
»Weißt Popeye du bist schon ein gemeiner Kollege, du würdest mich und Evi sogar hungern lassen. Schäm dich!«
»Jetzt lass mal nicht soviel Dampf ab, schließlich habe ich euch ja etwas übrig gelassen!«, antwortete Popeye und verbiss sich das Lachen. Alois Gruber der Revierleiter kam schnellen Schrittes herein und sah in die Runde. »Was ist los?«
»Nichts!«, antworteten sie alle Einstimmig.
»Gut …, also der Bericht von der Spurensicherung ist da, Rudi schau mal drauf ob da was Verwertbares für dich dabei ist.«
»Wieso kommt der Bericht zu uns und ned zur Kripo?«
»Weil es laut Spurensicherung ein Unfall mit Todesfolge und kein vorsätzlicher Mord war.«
»Das heißt also, dass wir den Fall abschließen, versteh ich das richtig?« »Stimmt, das heißt aber auch, dass dadurch mehr Arbeit auf euch zukommt. Übrigens möchte die Kripo dann über den Abschluss informiert werden.«
»So ist‘s Richtig nichts dafür tun, aber am End den Schlussstrich darunter setzen und die Lorbeeren einkassieren«, stellte Rudi fest.
»Wir können‘s nicht ändern«, sagte Gruber und wendete sich ab, um in sein Büro zu gehen.
»Okay, aber jetzt möchte ich erst mal etwas Essen«, sagte Rudi.
»Mach das, und nimm deine Kollegin gleich mit, damit sie endlich mal was auf die Rippen kriegt. Die bricht uns ja irgendwann mal auseinander«, gab Gruber, Evi anzwinkernd von sich.
Komm du dünner Hering!«, sagte Rudi, er nahm Evi bei der Hand und zog sie mit sich.
Auf dem Esstisch standen eine Schüssel noch halb gefüllt mit Kartoffelsalat und ein Korb mit zwei Brezen darin.
Frau Hackl stand neben der Mikrowelle und sah ihnen ungeduldig entgegen.
»Na, da seid ihr ja. Die Fleischpflanzerl sind gleich warm. Ich hab sie kurz in die Mikrowelle getan. Setzt euch schon einmal an den Tisch. Erzählt mal, was gibt’s neues im Revier, außer dass der Ludwig Vater geworden ist.«
»Nichts Besonderes, nur die Kripo hat uns einen Unfall mit Todesfolge aufs Auge gedrückt.«
»Einen Unfall, was war passiert?« Rudi und Evi erzählten ihren nächtlichen Einsatz und Omi Hackl hörte aufmerksam zu. Als sie am Ende des Erzählens angekommen waren, schüttelte Frau Hackl nachdenklich den Kopf.
»Ihr zwei müsst jetzt den Bericht schreiben?« »Stimmt«, sagte Rudi und schob sich ein Stück Pflanzerl in den Mund. Abwechselnd sah sie Rudi und Evi an.
»Passt bloß auf, dass euch da nichts durch die Lappen geht.«
»Bestimmt ned, denn ich habe alles fürs Protokoll mit dem Handy fotografiert.«
»Hast dein Handy hier? Zeig her.« Rudi holte sein Handy aus der Hosentasche und Frau Hackl sah sich in Ruhe die Aufnahmen an.
»Bist dir sicher, dass das ein Unfall und ned Mord war?« Rudi nickte.
»Weißt Bub, wir hatten in Stadelheim vor ungefähr 10 Jahren so einen ähnlichen Fall, da hat einer seinen Schwiegersohn als Unfall getarnt umgebracht.«
»Nein, das kann man da sicher ausschließen … das war bestimmt ein Unfall«, gab Rudi schnell zur Antwort.
»Kannst mir sagen, warum er dann den Toten ned einfach liegen lässt und abhaut? So würde wenigstens ein normaler Mensch reagieren.«
»Stimmt, wenn ich es mir recht überlege, dann ist da schon was wahres dran, an dem was Omi Hackl gsagt hat«, bestätigte Evi.
»Schmarrn! Dann wär es ja Mord und die Kripo dafür zuständig.«
»Normalerweise schon«, sagte Omi Hackl. In Rudis Gesicht breitete sich ein verschmitztes grinsen aus.
»Allerdings hätten wir zwei dann einen echten Mord zum Aufklären. Wär das nichts für uns … was meinst du Evi?«
»Ich bin dabei, dann hätten wir wenigstens mal was anderes, als uns andauernd nur um besoffene Randalierer und Kleinkriminelle zu kümmern.«
»Okay, dann ermitteln wir zwei.«
»Was glaubt‘s ihr, was der Gruber euer Chef dazu sagt?«
»Dem sagen wir nichts, nur dass wir wegen des Berichts nochmals zum Unfallort fahren müssen.«
»Das könnte klappen, aber ihr müsst vorsichtig sein, falls es wirklich Mord war, dann kann es auch für euch gefährlich werden. Schließlich habt’s ihr es dann mit einem eiskalten Mörder zu tun!«, gab Omi ermahnend von sich.
»Klar, wir passen schon auf«, antwortete Rudi.
»So Kinder jetzt schau ich zu den Zellen, ob alles in Ordnung ist.«
»Eine Zelle ist belegt!«, rief Evi der Omi nach, die soeben den Raum verlassen wollte. Evi und Rudi nahmen genüsslich ihr Essen zu sich und unterhielten sich, über ihr weiteres Vorgehen in ihrem ersten richtigen Fall. Nachdem Omi Hackl den Raum verlassen hatte, wurde nach kurzer Zeit die Tür unsanft geöffnet.
»Sagt’s einmal, was seid‘s ihr denn für Barbaren?«, vor Wut schnaubend, stand Frau Hackl in der Tür.
»Wieso, was ist los?«, fragte Rudi.
»Ihr sperrt‘s die Buam in die Zelle und gebt’s denen noch ned einmal was zu Trinken mit hinein! So wie ich das sehe, wollt ihr sie über Nacht hier lassen, dann hättet ihr sie auch mit Essen versorgen müssen.«
»Ja, das stimmt schon. Wir haben aber nichts zum Essen für sie da.«
Die Omi ging mit festen Schritten auf den Tisch zu und zog ihnen die Schüssel mit dem restlichen Kartoffelsalat und den Teller mit den noch vorhandenen Fleischpflanzerl weg.
»Jetzt ham sie was!« Rudi und Evi begehrten auf. »Halt das gehört dem Gruber!«
»Der braucht nichts, schließlich darf er heute Abend sowieso nichts mehr essen.«
»Warum?«, fragten beide gleichzeitig.
»Weil er morgen wegen eines kleinen Eingriffs in die Klinik muss.«
»Dann ist er ja morgen überhaupt ned da. Warum hat er uns nichts gsagt?«
»Wahrscheinlich wollte er euren Fragen aus dem Weg gehen. Also sagt’s nichts zu ihm.« Frau Hackl verschwand mit dem Essen durch die Tür und Rudi sah seine Kollegin fragend an. Gerade als Evi dazu etwas sagen wollte, öffnete sich die Bürotür und ihr Chef Alois Gruber kam heraus. Er stellte sich breitbeinig in die Mitte des Raumes.
»Ludwig und Popeye …, ihr habt’s einen Einsatz. Beim Ratzingerplatz gibt‘s eine Auseinandersetzung zwischen zwei Jugendlichen. Fahrt hin und schlichtet den Streit, bevor es eskaliert und noch einer ernsthaft verletzt wird.«
»Diese Halbstarken können keine Ruhe geben!«, schimpfte Popeye vor sich hin und erhob sich von seinem Stuhl.
»Aber nimmer lang … komm Popeye, denen werden wir schon zeigen – wer der Herr im Haus ist«, sagte Ludwig und machte dabei eine lässige Armbewegung die Popeye zum Kommen aufforderte. Beide Polizisten verließen das Revier und fuhren zum Ratzingerplatz. Evi warf eine Büroklammer zu Rudi, der seinen Tisch ihr gegenüber hatte. Rudi schrieb seinen Bericht und hob seinen Kopf. Er sah seine junge Kollegin, die Evi aufmerksam an.
»Was hältst du davon, wenn wir uns den Unfallort noch einmal genauer anschaun?«, fragte sie ihren Kollegen.
»Gute Idee … dann könnten wir unseren Bericht noch ausführlicher schreiben«, antwortete Rudi und stand sogleich auf.
»Halt nicht so schnell! Wie lang braucht ihr dazu?«, fragte Gruber, der noch im Raum stand.
»Mei … das kann ma ned so genau sag’n … vielleicht eine Stunde.«
»Gut, damit ihr Bescheid wisst, ich gehe in einer Stunde heim und morgen hab ich frei. Der Gerd Hofstätter von der Ettstraße löst mich in dieser Zeit ab. Also nicht vergessen, der Hofstätter hat in dieser Zeit das Sagen, gell Moser«, dabei sah er den Rudi misstrauisch an.
»Ja, okay«, antwortete dieser leicht genervt.
»Dann morgen einen schönen freien Tag«, gaben beide gleichzeitig von sich und verließen das Revier.