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Kapitel 3

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Der erste Satz des Violinkonzerts war noch nicht ganz zu Ende, als Samanta durch das Signal des Handys aus den verliebten Träumereien gerissen wurde.

Das wird wieder Jerom sein, dachte sie und lächelte verträumt.

Er lässt doch keine Stunde vergehen, in der er mir nicht seine bezaubernden Zärtlichkeiten ins Ohr geflüstert hat.

„Sagt mir etwas Liebes“, hatte er sie bei seine letzten Anruf, vor nicht mal einer halben Stunde gebeten. „Ich brauche den Klang deiner Stimme, dringender zum Leben, als die Luft zum Atmen.“

Samanta dachte, … was für ein Glückspilz bin ich doch. Ihre bebte vor Erwartung, als sie das Handy an das Ohr hob.

Mein Liebster! Ich habe schon voller Ungeduld auf deinen Anruf gewartet! Das hatte sie sagen wollen, doch dazu kam es nicht. Bevor sie zum ersten Wort angesetzt hatte, ächzte eine fremde, heisere Männerstimme drohend: „Vergiss nicht, auf dich wartet der Sensenmann.“

Samanta stockte der Atem. Eisigere Schauer rannen ihr über den Rücken. Für die nächsten Sekunden stand sie wie unter Schock, unfähig etwas zu sagen.

Der Anrufer schien gar keine Antwort zu erwarten, denn er sprach ohne Pause weiter: „Träume nur! Aber deine Träume werden wie Seifenblasen zerplatzen und sich in einen tödlichen Alptraum verwandeln!“ Sie konnte seinen Atem hören.

Samanta fuhr der Schreck in alle Glieder und ihre Hand zitterte. Das ihr das Telefon entglitt ihr und polterte auf den Teppich.

Fassungslos und voller Entsetzen starrte die junge Frau auf das elegante Handy.

Diese Nummer kannten doch nur ihre besten Freunde! Aber keiner von denen würde ihr so etwas antun.

Oder doch? Hatte sich jemand einen bösen Scherz mit ihr erlaubt? Aber wer? Gab es jemanden, der ihr das Glück mit Jerom nicht gönnte?

Seit kurzem kannte natürlich auch Jerom ihre Handynummer. Doch ihn konnte sie ausschließen. Erstens hätte sie seine Stimme aus Tausenden herausgehört. Zweitens liebte er sie viel zu sehr, als dass er sie mit einem üblen Scherz in Angst und Schrecken versetzen würde.

Samantas Puls raste und das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie bekam kaum noch Luft.

Sie suchte nach einer Erklärung. Vielleicht hatte es sich nur um ein Versehen gehandelt? So etwas kommt häufiger vor als man denkt. Es war bestimmt ein Irrläufer und ehe er seinen Irrtum bemerkte, hatte er seinen dummen Spruch schon losgelassen.

Samanta klammerte sich an diese Erklärung und beruhigte sich allmählich wieder. Schließlich fasste sie sich an ihr Herz, griff nach dem Handy und hob es wieder an das Ohr.

„Hallo“, fragte sie. Ihre Stimme klang nicht so sicher, wie sie es gerne gewünscht hätte, aber sie gab nicht auf.

„Hallo“, fragte sie noch mal, weil nicht gleich eine Antwort kam. Aber die Leitung war tot.

Aufgelegt, dachte sie und ließ das Handy resignierend aus der Hand gleiten.

Sie dachte bei sich, also war es doch nur eine falsche Verbindung, ich sollte dem dummen Zwischenfall keine Bedeutung zumessen. Am besten vergesse ich den blöden Anruf einfach.

Samanta stellte die Musik wieder lauter, glitt in den bequemen Sessel und schloss die Augen. Sie hoffte, zu den wundervollen Harmonien, ihre verliebten Träume zurückzuholen. Es dauerte nicht lange und der Klag der Sologeige hatte Samanta wieder in den Bann gezogen. Unter dem Zauber dieser wundervollen Klänge beruhigte sie sich allmählich wieder und der Anruf verlor an Bedeutung

Das Violinenkonzert war bis zum Ende des zweiten Satzes gekommen und Samantas absolute Lieblingsstelle erklang gerade, als sich ihr Handy erneut meldete.

Sie schreckte auf und starrte angstvoll auf den kleinen Apparat. Die Angst stieg in ihr empor und sie zögerte. Aber dann sagte sie sich, dass so ein Irrläufer wie vorhin sich bestimmt nicht so bald wiederholen würde. Dieses Mal würde es ganz sicher Jerom sein, der sich danach sehnte, mit ihr zu sprechen. Ihn durfte sie keinesfalls enttäuschen!

„Ja bitte“, fragte Samanta. Normalerweise meldete sie sich mit Namen, aber es widerstrebte ihr einfach, ihn unter den gegebenen Umständen ihren Namen preiszugeben.

„Aber Liebling, wieso meldest du dich nicht mit deinem Namen“, fragte Jerom befremdet.

Samanta atmete einerseits erleichtert auf, weil es diesmal der geliebte Mann war, anderseits aber stürzte Jeroms Frage sie in Verlegenheit.

Was sollte sie auf seine Frage antworten? Die Wahrheit?

Unmöglich! Sie würde sich nur lächerlich machen!

„Ich … es … ich hatte es im Gefühl, dass du es sein würdest“, redete sie sich verlegen heraus.

Jerom gab sich jedoch nicht mit ihrer Ausrede zufrieden.

„Ist etwas nicht, so wie es sein sollte“, fragte er skeptisch nach.

„Nein, nein, es ist alles bestens“, beteuerte Samanta hastig … viel zu hastig, als dass es ihm nicht ihre völlige Verunsicherung verraten hätte.

Nach ihrer Antwort blieb es still in der Leitung.

„Jerom“, fragte Samanta bedrückt. „Bist du noch dran?“

„Du würdest es mir doch sagen, wenn du dir über irgend etwas Sorgen machen müsstest“, fragte er und dabei blieb der Klang seiner Stimme angespannt. „Gewiss würde ich das!“, versicherte sie hastig, zu hastig, als dass es nicht verdächtig hätte klingen müssen.

„Es besteht wirklich kein Grund zur Sorge“, beteuerte Samanta.

Jerom zögerte seine Erwiderung hinaus und sie hatte bereits den Verdacht, er könnte sie durchschaut haben.

Doch da sagte er mit geänderten Tonfall: „Nun … wie auch immer. Was den Grund meines Anrufs betrifft, es wird dich freuen zu erfahren, dass es mir gelungen ist, einen kurzfristigen Termin bei einem Notar zu bekommen.“

Samanta reagierte keineswegs so enthusiastisch, wie er es hätte erwarten können.

„Ach wirklich“, murmelte sie – eher betroffen, als erfreut.

„Wunderbar, nicht wahr“, sprach er darüber hinweg.

„Der Notar ist ein guter Freund von mir und er war mir einen Gefallen schuldig. Wir können ihn noch heute Abend aufsuchen und den Ehevertrag unterschreiben.“

„Heute schon“, entfuhr es Samanta und es hörte sich eher ein wenig erschrocken an, als erfreut.

Jerom nahm es offenbar nicht zur Kenntnis, denn er ging nicht darauf ein.

„Ist es nicht wundervoll? Es läuft alles bestens!“, wiederholte er freudig. „Ich hole dich also etwa in einer Stunde ab!“

„Oh Gott, schon in einer Stunde“, ächzte Samanta geschockt. „Ich fürchte das ist nicht zu schaffen. Ich müsste mein Haare noch zurecht machen...“

Jerom ließ ihren Einwand nicht gelten. „Ich bitte dich, Liebling, du machst das schon“, redete er ihr ein. „Und mach dich recht hübsch, denn anschließend führe ich dich zum Essen aus und ich möchte, dass mich wieder einmal alle um meine Begleiterin beneiden.“

Sie schluckte und suchte nach Worten.

„Also in etwas einer Stunde“, bestimmte er energisch. „Ich liebe dich, mein kleiner Goldschatz. Ich liebe dich mit jeder Faser meines Lebens. Ist es da nicht verständlich, dass ich es kaum erwarten kann, dich für immer an meiner Seite zu wissen?“

Ehe Samanta darauf antworten konnte, hatte er bereits aufgelegt.

Sie legte nachdenklich das Handy zur Seite.

Eigentlich sollte mir seine Ungeduld signalisieren, dass er mich über alle Maßen liebt. Und wenn ich mir selbst gegenüber ehrlich bin, dann fiebere ich selbst der Hochzeit entgegen. Ich sollte meinem Schicksal von Herzen dankbar sein, dass Jerom genauso fühlt wie ich.

Schreie in der Brandung

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