Читать книгу Altersgerechte Ausbildung in der Jugendfeuerwehr - Silke Wehrle - Страница 6
Оглавление[9]1 Pubertät
Für die meisten Erwachsenen ist das Wort »Pubertät« und alles, was damit in Zusammenhang steht etwas, das sie in Angstschweiß ausbrechen lässt. Besonders in der schwierigen Zeit der Pubertät, in der sich Kinder und Jugendliche selbst finden und sich intensiv mit sich selbst auseinandersetzen müssen, wird der Umgang mit Erwachsenen oft zur Machtprobe. Allerdings sind gerade in einer solchen Zeit Hobbys besonders wichtig – eignen sie sich doch für Kinder und Teenager gleichermaßen und geben sowohl Halt als auch Kontinuität in dieser Übergangsphase zum Erwachsenwerden. Etwas zu können, gemeinsam zu schaffen und auch mal Hürden zu überwinden macht stark und gibt das Gefühl, in einem Team eingegliedert zu werden. Genau hier kann die Jugendfeuerwehr mit Euch als Ausbilder ansetzen, um junge Menschen einerseits mit ins Boot zu holen und zu motivieren, andererseits den Spaß mit lebenslangem Lernen zu verbinden.
1.1 Abschied von der Kindheit – Zeit des Zweifels und der Unsicherheit
Die Pubertät ist eine der schwierigsten Entwicklungsphasen auf dem Weg zum Erwachsenwerden. Diese Zeitspanne im Alter zwischen 11 und 17 Jahren ist ein Prozess der emotionalen, körperlichen und sozialen Verselbständigung der Kinder, der alle Beteiligten vor sehr hohe Ansprüche stellt.
Bild 1: Unterschied zwischen Minderjährigen und Erwachsenen (nach Koch, 2019)
Zudem ist die Pubertät eine Zeit des Zweifelns und der Unsicherheit. Die Pubertierenden fühlen sich nicht mehr als Kind, aber die Welt der Erwachsenen erscheint oft unverständlich und mysteriös. Auch wenn der offensichtliche Unterschied zu Erwachsenen allein schon im physischen Erscheinungsbild ersichtlich ist, gibt es auch Differenzen in der emotionalen Stabilität sowie im kognitiven Bereich. Daher sind generelle Anforderungen an Kinder und Jugendliche anders als an Erwachsene und auch die Grenzen der physischen und psychischen Belastbarkeit sind viel niedriger.
Die Zeit der Pubertät ist häufig von vielen Herausforderungen geprägt: das Gefühlschaos der ersten Liebe, Probleme mit [11]dem veränderten eigenen Körper, Sinnkrise, Stimmungsschwankungen etc. Die Mädchen und Jungen, die zu uns in die Jugendfeuerwehr kommen, sind meistens zwischen acht und 18 Jahren alt und befinden sich damit zu Beginn bzw. mitten in der Pubertät.
Bild 2: Die Lebensphasen des Menschen
Oft haben die Ausbilder keine pädagogische Ausbildung und meist noch wenig Erfahrung im Umgang mit (eigenen) Kindern. Dadurch fällt es wiederholt schwer zu verstehen, was in den pubertierenden Jugendlichen vorgeht – auch wenn wir alle selbst mal jung waren. Da die Pubertät nicht nur körperliche Veränderungen mit sich bringt, sondern auch den emotionalen [12]Zustand und das Sozialverhalten der Jugendlichen beeinflusst, ist ein routinierter Umgang mit Jugendlichen ein wichtiges Unterfangen. Die Geschlechtsreife entwickelt sich und die Hormone, die für diesen Prozess verantwortlich sind, führen zu extremen Stimmungsschwankungen – in Nanosekunden von gut gelaunt zu hochexplosiv. Diese Launenhaftigkeit ist der häufigste Grund für mögliche Auseinandersetzungen in der Jugendfeuerwehr. Konflikte solcher Art sollten jedoch nicht einfach unterdrückt werden, sondern sind sogar wichtig – kennzeichnen sie doch oft den ersten Abschied von der Kindheit hin zum Erwachsenwerden. In dieser Phase bilden Jugendliche ihre ersten eigenen Grundsätze und Meinungen, die eigenen Charakterzüge festigen sich und äußere Vorkommnisse werden bewusster wahrgenommen.
[13]1.2 Die »zweite Trotzphase« oder »Das Kind im Teenager«
Bild 3: Das Kind in der Trotzphase
In der Lebensphase der Pubertät geht es darum, seine eigene Identität zu entwickeln und sich sowohl bewusst als auch unbewusst von den Erwachsenen abzugrenzen. Ein Grund für die auftretenden Differenzen zwischen Jugendlichen und Erwachsenen kann die veränderte Urteilsfähigkeit sein, wodurch das Handeln der Erwachsenen eher in Frage gestellt und [14]kritisiert wird. Zusätzlich verändern sich mit der körperlichen Reife auch die Rollen der Jugendlichen in ihrem Leben und sie wollen dementsprechend als Erwachsene behandelt werden. Die Heranwachsenden wollen auch für ihren Freizeitbereich mehr Verantwortung übernehmen, Erwachsene hingegen wollen diese oft vor »Schaden« bewahren und nehmen so eine Gegenposition ein. Diese Distanzierung ist sehr bedeutend, denn die Kinder und Jugendlichen lernen, ihre eigene Urteilsfähigkeit und Meinung zu entwickeln. Sie loten ihr Handeln aus und analysieren dabei die Reaktionen von außen. Häufig wird die Pubertät aus genau diesen Streitigkeiten auch die »zweite Trotzphase« genannt.
Sich abzugrenzen ist gerade heutzutage, im Vergleich zu früher, nicht immer einfach. Nicht selten leben die heutigen Erwachsenen ähnlich wie die Jugendlichen, d. h. sie hören die gleiche Musik, ziehen sich jugendlich und »hipp« an und haben die gleichen Hobbys. Die jungen Leute spüren und sehen kaum noch Unterschiede, was die Rebellion gegen die Welt der Erwachsenen oft nur vergrößert.
Kinder und Jugendliche haben in dieser Phase das große Bedürfnis nach Autonomie und respektvoller Behandlung. Es ist ihnen dabei sehr wichtig, an Entscheidungen teilhaben zu können und gehört zu werden. Wir als Ausbilder sollten versuchen, ihnen eine angemessene Verantwortung innerhalb der Jugendfeuerwehr zu übertragen und sie somit auf ihrem Weg zu bestärken. Mögliche Verantwortungsbereiche wären etwa die Pflege des Gerätehauses, die Organisation von Speisen und Getränken für den Jugendfeuerwehrdienst, die Kleiderverwaltung und ähnliche Aufgaben, die je nach Jugendfeuerwehr unterschiedlich ausfallen können. Auch können [15]während des Jugendfeuerwehrdienstes ältere Jugendliche die jüngeren anleiten bzw. unterstützen, da die Akzeptanz der Anleitung durch andere Kinder bzw. Jugendliche oft größer ist als durch Erwachsene. Dies sollte jedoch im Hintergrund und immer in Abstimmung mit dem Ausbilder geschehen.
1.3 Patentrezepte gibt es nicht
Leider gibt es im Umgang mit pubertierenden jungen Menschen keine Standardlösungen, sondern jede Situation muss für sich betrachtet und evaluiert werden. Grundsätzlich gibt es jedoch einige Verhaltenstipps, die den Umgang mit Pubertierenden erleichtern können und je nach Kontext und Sachlage in Betracht gezogen werden sollten. Im Folgenden einige Vorschläge:
Erwachsene sind Vorbilder – innerhalb und außerhalb der Feuerwehr.
Gleiche Regeln für Groß und Klein.
Gemeinsam(e) Regeln aufstellen.
Kein »Bester-Kumpel-Verhalten« den Kindern und Jugendlichen gegenüber.
Konsequente Meinung und Reaktion.
Sicherheit und Orientierung geben durch Aufzeigen notwendiger Grenzen (Regeln).
Bedürfnisse beachten.
Möglichkeit der Meinungsäußerung durch die jungen Leute selbst und ein daraus resultierendes Treffen von Entscheidungen durch sie.
Kritik und Konflikte nicht persönlich nehmen.
[16]Bei Erfolg Lob aussprechen – Anerkennung und Wertschätzung zeigen.
Stärke zeigen durch Entschuldigen bei eigenem Fehlverhalten den Kindern und Jugendlichen gegenüber.
Durch Fehler lernen lassen und diese Möglichkeit auch anbieten (ohne materiellen oder menschlichen Schaden zu verursachen).
Fehler bzw. Fehlverhalten eines Einzelnen nicht vor der Gruppe bloßstellen.
Bild 4: Oops – Patentrezepte gibt es nicht
Es müssen nicht immer alle Verhaltenstipps angewendet werden, manchmal reicht es jedoch schon aus, ein paar Dinge praktisch umzusetzen, um eine kriselnde Situation zu beschwichtigen und »unter Kontrolle« zu bekommen.
[17]Zum Schluss ein kleiner Geheimtipp für alle Ausbilder: Humor ist, wenn man trotzdem lacht – auch wenn die Situation einen zu überfordern scheint. Gelassenheit und ein Lächeln können oft den ersten Wind aus den Segeln nehmen! Bevor Du impulsiv Deine Meinung vertrittst oder schimpfst, atme innerlich tief durch, zähle bis drei und versuche dann mit ruhiger Stimme zu reden. Emotionsgeladene Reaktionen lösen oft Trotzreaktionen aus. |
1.4 Selbstkontrolle
1 Für wen gelten Regeln?Für die AusbilderNur für die JugendlichenFür Ausbilder, Kinder und Jugendliche
2 Sollen Kinder und Jugendliche ihre Meinung äußern dürfen?JaNeinNur in bestimmten Situationen
3 Wodurch zeigen Ausbilder ihre Stärke?Sie brüllen und schreien, um sich Gehör zu verschaffen.Sie gestehen den Kindern und Jugendlichen gegenüber eigene Fehler ein.Sie halten ihren Jugendfeuerwehrdienst unbeirrt weiter, auch wenn nicht alle zuhören.