Читать книгу Wir sind Superhelden. Fast. - Silke Wolfrum - Страница 6

1. Mutprobe:
Goldenes Haar

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Papa und ich wollen Superhelden werden. Papa sagt, dafür braucht es vor allem eines: Mut, Entschlossenheit und Köpfchen. Superheld wird man nicht einfach so, das muss man trainieren. Und mit dem Training wachsen auch die Superkräfte. Sagt Papa. Deswegen fahren wir in den Sommerferien auch erst mal nicht weg. Wir bleiben lieber zu Hause und konzentrieren uns auf unser Training: das Erobern magischer Gegenstände. Wir nennen das Superhelden-Mutproben.

»Moritz«, sagt Papa, »heute bist du dran mit Superhelden-Training! Besorge uns ein Haar von Lottis goldenen Locken.«

»Von der wilden Lotti?«

»Genau, von der.«

Ich werde blass. Lotti wohnt im zweiten Stock. Sie geht nicht, sie trampelt durchs Treppenhaus. Sie spricht nicht, sie brüllt und einmal hat sie mich mit ihrem Roller umgefahren.

»Mut, Entschlossenheit und Köpfchen«, raunt Papa, nimmt mich an der Schulter und schiebt mich ins Treppenhaus.

Ich rutsche das Treppengeländer hinunter, bis in den zweiten Stock. Dort verlässt mich der Mut. Ein Haar von Lotti? Das ist zu schwer für einen Superhelden-Anfänger. Soll ich klingeln?

Rums, geht die Tür auf. Lotti stürmt heraus! Sie tritt mir auf den Fuß, rennt an mir vorbei. Aua! Halt! Ich laufe hinterher. Lotti trampelt in den Hof. Sie düst auf ihrem Roller im Kreis umher, wie eine Verrückte. Dann schmeißt sie den Roller hin und hängt sich kopfüber an das Klettergerüst.

Ich sitze in sicherem Abstand von ihr auf einer Bank und beobachte: Ihre blonden, langen Haare berühren fast den Boden. Soll ich einfach hingehen und eins ausreißen? Unmöglich!


Mut, Entschlossenheit und Köpfchen.

Ich hab’s!

Langsam nähere ich mich Lotti. Sie hängt immer noch kopfüber.

»Soll ich dir einen Zopf flechten?«, sage ich.

Lotti plumpst mit einer Rolle vorwärts vor mir auf den Boden.

»Nee«, sagt sie.

Mist. Lotti starrt mich an. Hat sie mich durchschaut?

»Willst du Pferdchen spielen?«

Pferdchen? Das machen doch nur Mädchen.

Lotti rennt weg, sie kommt mit einem Strick zurück und fesselt mich, oder nein, das soll das Zaumzeug sein.

»Galopp hü!«, schreit sie.

Ich renne davon, Lotti lässt mich mehrmals im Kreis traben, dann soll ich Gras fressen.

»Braves Pferdchen«, sagt sie und klopft mir auf den Rücken. »Wihihihaaaaa«, sage ich.

Dann galoppiere ich los, zweimal ums Klettergerüst, die Erde spritzt unter meinen Füßen. Ich spüre Superkräfte, ich bin ein Superhelden-Pferd, schnell wie der Wind, stark wie zwei Bären, mein Fell glänzt in der Sonne. Nur Lotti kann mich bezwingen.

»Wechsel!«, schreit die.

Sie nimmt mir das Zaumzeug ab und legt es sich selbst an. Sie bäumt sich auf und galoppiert.


Ich halte die Zügel fest in der Hand.

»Rechts, links!«, rufe ich und: »Hühott!«

Lottis goldene Mähne flattert im Wind. Nur mir gehorcht die wilde Lotti. Wir rasen durch die weite Prärie, keiner kann uns fangen.

»Hüjaaa!«, rufe ich.

Da geht ein Fenster auf und jemand schreit.

»Pissekacke«, sagt Lotti, »ich muss hoch.«

Weg ist sie. Schade!

Aber was ist das? Sie hat das Zaumzeug einfach fallen lassen. Und jetzt sehe ich es ganz genau. Dort hängt ein langes blondes Haar.

Mission erfüllt!

Triumphierend trage ich das Haar zu Papa.

»Heldenmäßig«, sagt der und legt es in unsere Superhelden-Schatztruhe.

»Morgen bist du dran«, sage ich.


Wir sind Superhelden. Fast.

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