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b) Verfassungsmäßigkeit der auf der Regelung beruhenden Einzelmaßnahme

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Schließlich müsste auch durch die Einzelmaßnahme – die Entscheidung des Berufungsgerichts – in verfassungsgemäßer Weise von der Beschränkungsmöglichkeit des § 27 Abs. 3 BO Gebrauch gemacht worden sein. Wie oben[34] dargestellt, beschränkt sich die Überprüfung dessen auf die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht auf zwei Werbeanzeigen über die ärztliche Tätigkeit des A sowie einem Interview des A. Zu fragen ist, inwieweit die Werbeanzeigen und das Interview den Tatbestand des § 27 Abs. 3 BO erfüllen.

Einschlägig könnte der Tatbestand der anpreisenden Werbung sein. Anpreisend ist eine besonders nachdrückliche Form der Werbung, insbesondere mit reißerischen bzw. marktschreierischen Mitteln, etwa Übertreibungen und besonders wirkungsvollen Herausstellungen eigener Leistungen.[35] A wird in einzelnen Textpassagen als „die unangefochtene Nr. 1 für Bandscheibenvorfälle“ beschrieben, die Erfolgsquote als „sensationell“ bezeichnet. Die Kernaussage, dass die Behandlungsmethode sehr gute Erfolge verzeichne, hätte auch ohne Steigerungen wie „unangefochten“ oder „sensationell“ erreicht werden können. Um die Werbung als solche jedoch als „anpreisend“ bezeichnen zu können, müssten diese genannten Aussagen den Gesamtcharakter selbiger Werbung prägen. Denn alleiniges positives Herausstellen ist gerade typisch für Werbung und macht diese nicht per se sachfremd.[36] Im Rahmen der Abgrenzung zur erlaubten Information i.S.d. § 27 Abs. 2 BO ist vielmehr eine grundrechtsfreundliche Auslegung des Wortsinns einzelner Passagen im Kontext des gesamten Inhalts erforderlich.[37] Der Fokus des Interviews und der Anzeige liegt vorliegend gerade auf der Information über die neuartige Behandlungs- und Operationsmethode für potentielle Patienten, sachliche Informationen überwiegen quantitativ und qualitativ im Vergleich zu sachfremden Zuspitzungen. Der Schwerpunkt der Aussagen liegt in der Information über die Vorzüge, den Inhalt, die Bedeutung und die Möglichkeiten dieser Methode gegenüber der herkömmlichen Behandlung. Die emotionale Prägung der Werbung mit entsprechend assoziativen Begriffen wie „anstrahlen“, „Tänzchen“ oder „bewegend“ (sog. Sympathiewerbung) ist mit Blick auf das persönliche Arzt-Patienten-Verhältnis nach der – nicht über jeden Zweifel erhabenen und recht weitgehenden Ansicht des BVerfG[38] – zulässig, solange der Informationscharakter nicht völlig in den Hintergrund tritt.[39] Allein aufgrund der Werbewirksamkeit eines Textes lässt sich dieser noch nicht als reißerisch qualifizieren (was sich durchaus auch anders auffassen lässt),[40] die Bundesärztekammer spricht von „gesteigert[er] Form der Werbung“[41]. Vielmehr besteht an einer sachlich zutreffenden und verständlichen Informationswerbung ein anerkennenswertes Allgemeininteresse.[42]

Es könnte ein Fall irreführender Werbung vorliegen. In Anlehnung an § 5 Abs. 1 S. 2 UWG wird irreführende Werbung über die Eignung definiert, bei einem erheblichen Teil des angesprochenen Verkehrskreises unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls einen unrichtigen Eindruck zu vermitteln.[43] Die Aussage, dass es sich um die „sanfteste Bandscheibenoperation der Welt“ handle, könnte die Risiken und den invasiven Eingriff verharmlosen. Jedoch ist zu beachten, dass Werbung stets positiv einkleidend ausgestaltet ist und vorliegend der Informationsgehalt nichtsdestotrotz klar erkennbar bleibt.

Ferner liegt auch keine vergleichende Werbung, also solche, die unmittelbar oder mittelbar einen anderen Arzt erkennbar macht, vor.[44] Zwar bezeichnet sich A als „unangefochtene Nr. 1“, dabei wird aber kein konkreter Vergleich zu einem anderen Arzt hergestellt.

Schließlich könnte sich die Berufswidrigkeit der Werbung auch aus entgegenstehenden Gemeinwohlinteressen, § 27 Abs. 1 BO, insbesondere der Gewährleistung des Patientenschutzes oder der Vermeidung einer Kommerzialisierung des Arztberufs ergeben. So verstehen sich die bisher geprüften Tatbestände angesichts des Wortlautes „insbesondere“ des § 27 Abs. 3 S. 2 BO gerade nicht als abschließend. Fraglich ist also, ob sich aus den Werbeanzeigen oder aus dem Interview des A eine Gefährdung für Patienten ergeben könnte. Weder werden jedoch Risiken verharmlost, noch wird konkret zu Behandlungen animiert. Eine Kommerzialisierung der ärztlichen Tätigkeit, ein Vertrauensverlust in den Berufsstand oder im Weiteren eine Gefährdung der Patienten werden somit nicht begründet.

Das Berufungsgericht hat im Ergebnis einzelne, seiner Meinung nach „reißerische“ Sätze herausgegriffen und ohne weitere Erörterung rückgeschlossen, dass die Werbung insgesamt als unzulässig zu beurteilen sei. Damit wurde nach Ansicht des BVerfG der Sachverhalt nicht so erfasst, wie es angesichts seiner grundrechtsbeschränkenden Würdigung angezeigt gewesen wäre.[45]

Der Tatbestand des § 27 Abs. 3 BO ist somit nicht erfüllt.

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