Читать книгу Der letzte Monarch - Simone Lilly - Страница 3

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 3.

Ratlos stand er da. Bewegte sich nicht, atmete kaum. Was hatte sein Vater zu ihm gesagt? hatte er es überhaupt zu ihm gesagt? Louis musste Schlucken. Hatte er es zu weit getrieben? Ja hatte er, es brauchte viel, damit sein Vater ihn aus dem Schloss verwieß. Impulsiv wollte er ihm hinterher, wollte sich entschuldigen, Besserung versprechen, fragen, ob er es wirklich ernst gemeint hatte, ob Louis schon diese Nacht Versailles verlassen musste. Lust hatte er keine. Es war dunkel, er würe keinen Schlaf bekommen und er wäre jeder Gefahr schutzlos ausgesetzt. Räubern, Krankheiten, Hunger und Durst.

Es polterte, seine Miene erhärtete sich, nur für den Fall sein Vater würde erbarmend zurückkehren, würde er sich nichts anmerken lassen wollen.

„Sire.“

Die Stimmen gehörten nicht seinem Vater, auch nicht seinem Bruder. „Begleiten Sie uns bitte.“, sagten die Wachmänner respektvoll, legten ihre Hände auf seine breite Schulter und entnahmen ihm seinen Umhang. Seinen geliebten Umhang.

„Dazu habt ihr kein Recht!“, wehrte sich Louis verbissen und versuchte, sie von sich abzuschütteln, doch die Männer blieben hart. Recht hatten sie, alles der Welt. Der Befehl ihn hinauszuführen stammte von seinem Vater, seine Anweisungen konnte und durfte Louis nicht übergehen. Zähneknirschend beobachtete er, wie sie ihn beinahe bis aufs Unterkleid auszogen. Sogar seine Krone und seinen Schmuck nahmen sie ihm vom Leib. Seine Ringe, seine Ketten . der Reihe nach landeten all seine Habseligkeiten auf dem Boden des Regierungszimmers. Louis schwahnte Schlimmes. Er musste gehen. Wirklich. Fröstelnd verschränkte er seine schlaksigen Arme vor der Brust und ließ sich wehrlos hinausführen. Keiner beobachtete ihn, nicht sein Vater, nicht sein Bruder. Selbst als sie aus dem Schloss traten, eine kleines Gespann vorfuhr und Louis gebannt hineingesetzt wurde. Einer der Männer machte Anstallten die Tür der Kutsche schließen zu wollen, doch kurz bevor er von ihr zurücktrat, holte er noch einmal Luft. „Diese Nacht ist es ihnen erlaubt in dem Gespann zu nächtigen.“

Frierend nickte Louis, seine Finger wurden klamm.

„Danach ist es Ihnen bis auf Weiteres nicht mehr gestattet an den königlichen Hof zurückzukehren.“

Wieder nickte er. Doch dann war die Tür auch schon zugeschlagen worden.

Bis auf Weiteres? Hies das, er konnte wieder zurück? Wie lange war, bis auf Weiteres und, wann würde sein Vater sich dazu durchringen, ihn wieder aufzunehmen, vor allem: Wie gedachte er eine Besserung seines Sohnes zu merken?

Der Untergrund stieß nach vorne. Louis war darauf nicht vorbereitet, wurde von der geladenen Wucht der Pferdefüße wild nach oben geschleudert. Fing sich dann aber wieder, kauerte sich eng auf dem Sitz zusammen. Er war weich, doch gab es keine Decke, keinen Kamin, keine Möglichkeit sich zu wärmen. Bis auf sein Unterkleid trug er nichts. Gottseidank konnte er sagen, sie hatten ihm seine Hosen gelassen, alles andere wäre zusätzlich demütigend genug gewesen. Doch, wo sollte er nach Sonnenaufgang hin? Die Kutsche fuhr, wohin brachte sie ihn? Brachte sie ihn außerhalb Frankreichs? Oder innerhalb des Reiches an einen geheimen Ort? Ihm wurde schlecht, jedoch nicht vom monotonen Geruckel der Kutsche. Verat? War alles geplant gewesen und hatten Attentäter auf den König so etwas angezettelt? Wollten sie zuerst den zweitgeborenen Prinzen, dann den Thronfolger und zu guter Letzt den König selbst töten? Ihn stürtzen?

Ihm schauderte, die Pferde wieherten. Nach draußen wagte er es nicht zu blicken. Es war rabenschwarze Finsternis außerhalb der Kutsche. Selbst bei ihm, brannten keine Kerzen, kein Licht, das ihm Trost spendete. Zum Glück konnte er sich mit dem Gedanken beruhigen, nicht vollkommen alleine zu sein, denn der Kutscher war bei ihm. Wäre größerer Gefahr, von Räubern getötet zu werden, ausgeliefert, als er selbst. Dennoch, würden sie überfallen werden, was zu dieser Tages und Nachtzeit üblich war, würde der gute Mann lediglich wenige Minuten vor Louis ermordet werden. Bald darauf würde er ihm folgen. Wohin auch immer.

Die Kälte wurde schlimmer, durchdringender. Zähneklappernd rollte er sich auf die andere Seite, die Stelle, auf der er zuvor gelegen hatte, war wohlig warm und versuchte seinen gesamten Körper auf sie legen zu können. Doch es gelang ihm nicht. Eine Eule zog durch den Nachthimmel. Ihr Geheule war weit über das Land zu hören. Wohin furen sie verdammt?

Eisige Gänsehaut überzog seine Arme, seine Brust und seine Beine. Am ganzen Leib zitternd überelgte Louis, was die anderen jetzt wohl taten. Hatte sich sein Vater, so als wäre nichts geschehen, wieder in den Festsaal auf seinen Stuhl begeben? Würde sein Bruder tanzen? Vielleicht sogar mit Claudette Mescharde? Wunderte er sich, warum sein Vater mit Louis hinausgegangen war, aber alleine wieder zurückkehrte? Oder war es ihm egal?

Letztes stimmte, es war ihm egal. Es kam ihm recht. Louis schauderte und versuchte, die Augen zu schließen. Er hatte Angst im Dunkeln. Auch wenn es sich nicht gehörte, so fror er hauptsächlich aus Furcht, aus Panik vor einem Überfall, aus Angst vor der Zukunft, vor dem Ungewissen. Instinktiv wusste er aber, dass er in dieser Nacht nicht würde schlafen können.

„Ho.“, zischte der Kutscher und brachte den Wagen augenblicklich zum Stehen. Louis schreckte nach oben. Warum hielten sie? Mitten in der Nacht? Wo waren sie? Wurden sie überfallen? Schwummrig zumute zwang er sich konzentriert zu lauschen, in die Stille der Nacht. Die Pferde schnaupten, nichts geschah, nichts war zu hören. Kein Stimmengewirr, kein Schreien.

Schweißgebadet quälte er sich nach oben zum Fenster, zog sich an ihm nach oben und lugte vorsichtig nach draußen. Die Luft war klar, wunderbar klar. Der Himmel von keiner einzigen Wolke durchzogen, sodass er problemlos in den funkelnden Sternenhimmel blicken konnte. Um sich herum erkannte er nichts. Dunkle Blätter rauschten im Wind, der Weg war uneben, sehr uneben. Waren sie in einem Wald? Umso schlimmer. Klamm rutschte er am Fenster hinunter, fühlte, wie die Pferde wieder vornewegstoben, ließ sich vom ungleichmäßigem Getrape der Tiere durchrütteln und sank bis auf den Boden hinunter. Dort angekommen legte er sich so flach wie möglich auf den Boden, schluckte mehrmals und verharrte dort die ganze Nacht. Sollte ihnen nun etwas zustoßen, würden die Angreiffer ihn nicht sofort entdecken, womöglich gar nicht. Würden nur den Kutschter hinrichten und ihn verschonen. Auf diese Weise am Leben gelassen, könnte er am nächsten Tag, wenn keine Gefahr mehr drohte, nach draußen gehen, sich auf den Kutschbock setzen und wieder zurück zu seinem Vater fahren. Ihm von seinem schrecklichen Erlebnis berichten, Mitleid erhalten und sich wieder in der Familie begrüßen lassen. So war sein Plan.

Der letzte Monarch

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