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Das Terwillinger-College, gegründet und erhalten von den eifrigen Baptisten, liegt in der nächsten Umgebung von Gritzmacher Springs, Kansas. (Die Sprudel sind versiegt, die Gritzmachers sind nach Los Angeles gegangen, wo sie Bungalows und Delikatessen verkaufen.) Ein unordentlicher Haufen, liegt es auf der Prärie, die im Winter vom Sturm gepeitscht wird, im Sommer brät und im Staub verkommt und nur im grasraschelnden Frühling und im schläfrigen Herbst eine gewisse Lieblichkeit zeigt.

Das Terwillinger-College für etwas anderes zu halten, als es ist, wäre nicht gut möglich, weil im Hof ein großer Stein steht, auf dem die Jahreszahlen der einzelnen Klassen aufgemalt sind.

Der Lehrkörper besteht zum größten Teil aus ehemaligen Predigern.

Es gibt ein Konvikt, aber Elmer Gantry und Jim wohnten in der Stadt, in einem Herrenhaus, das einst der Stolz der Gritzmachers selbst gewesen war: einem viereckigen Ziegelbau mit weißer Kuppel. Ihr Zimmer war seit den Tagen des ersten August Gritzmacher unverändert; ein schwerer Raum mit einem ungeheuren Bett aus geschnitztem schwarzen Nußbaum, dicken, immer staubigen Brokatvorhängen und schwarzen Nußbaumstühlen mit Fransen, an denen Goldkügelchen baumelten. Die Fenster waren schwer zu öffnen. Das Ganze hatte dieselbe Atmosphäre peinlicher Genauigkeit und toter Hoffnungen wie ein Altmöbel-Laden.

In diesem Museum hatte Jim eine überraschende, kraftvolle Jugendfrische. In Elmers Aussehen deutete etwas auf künftige Kraftlosigkeit hin, Jim Lefferts aber konnte unmöglich jemals kraftlos werden. Er war schlank, sechs Zoll kleiner als Elmer, aber hart wie Elfenbein und ebenso glatt. Obgleich Jim aus einem Präriedorf kam, hatte er ein gewisses wählerisches Wesen, eine angeborene Eleganz. Alle Teile seiner Garderobe, der Alltagsanzug, der an den Ellbogen glänzte, und der dunkelbraune »Sonntagsanzug«, waren fertig gekauft, sie hatten wackelnde Knöpfe und Nähte, die grobe Fadenenden zeigten, aber auf ihm sahen sie nett und ordentlich aus. Man fühlte, daß er zu jeder Gesellschaft gehören könnte, die er hinreichend bewunderte. Sein aufgeschlagener Mantelkragen hatte etwas romantisch Prahlerisches, seine gestopften Hosenböden ließen nicht an Armut denken, sondern an achtlose, heitere Leichtfertigkeit, und seine ganz gewöhnlichen Krawatten schienen von Klubs und Regimentern zu erzählen.

Sein schmales Gesicht war energisch. Erst sah man nur seine Jugendfrische, dann aber erriet man hinter der Heiterkeit eine straffe Entschlossenheit; in seinen braunen Augen lag eine liebenswürdige Ironie.

Jim Lefferts war Elmers einziger Freund; der einzige wirkliche Freund, den er je besessen hatte.

Obgleich Elmer der athletische Abgott des Colleges war, obgleich seine versteckte Sinnlichkeit, seine schwerfällige Hübschheit die Mädchen im College schneller atmen ließ, obgleich sein mannhaftes Lachen ebenso bezwingend war wie sein sonores Sprechen, war er niemals wirklich beliebt. Er wurde für den populärsten Menschen im College gehalten; jedermann nahm an, daß alle anderen ihn bewunderten, und keiner hatte das Bedürfnis, mit ihm zusammen zu sein. Sie alle hatten ein wenig Angst, fühlten sich ein wenig unbehaglich und waren mehr als ein wenig gegen ihn aufgebracht.

Es lag nicht nur daran, daß er brüllte, immer auf den Rücken klopfte und eine überwältigende Kraft war, so daß man nie richtig mit ihm vertraut werden konnte. Es war, weil er immer forderte. Mit Ausnahme seiner verwitweten Mutter, die er auf unklare Weise verehrte und Jim Lefferts' war er immer der Ansicht, er sei das Zentrum des Universums, und das ganze übrige Weltsystem komme nur soweit in Betracht, als es ihm Hilfe und Vergnügen liefere.

Er wollte alles haben.

In seinem ersten Jahr wurde er, als der einzige Fuchs, der in der Fußballmannschaft des Colleges spielte, als großer, lächelnder Mann, von dem man erwartete, daß er der Liebling aller würde, zum Präsidenten erwählt. In diesem Amt war er nicht sehr beliebt. Bei Klassenmeetings unterbrach er die Redner, gab das Wort nur hübschen Mädchen und Burschen, die sich bei ihm einschmeichelten, und schrie inmitten der wichtigsten Debatten: »Ach, geht weiter, hört doch auf, an dem Mist rumzukauen, kommen wir zur Sache!« Er sammelte den Klassenfond auf dem Wege von Zwangssubskriptionen ein, ebenso despotisch wie ein katholischer Priester, der seinen Pfarrkindern um einer neuen Kirche willen zusetzt.

»Er wird nie wieder ein Amt kriegen, wenigstens nicht, solang ich es verhindern kann!« murmelte ein gewisser Eddie Fislinger, der, obgleich er ein magerer Junge mit rostfarbigem Haar und vorstehenden Zähnen war und ein unangenehmes Kichern hatte, in der Klasse zu Macht gelangt war, weil er bei nichts fehlte, und wegen der Frömmigkeit und ergreifenden Innigkeit seiner Gebete in der Y.M.C.A.

Es bestand die Gepflogenheit, daß der Leiter des Athletikverbands nicht Mitglied bei irgendeiner Mannschaft sein durfte. Elmer erzwang sich die Leitung in seinem Juniorenjahr, indem er damit drohte, nicht Fußball zu spielen, wenn er nicht gewählt würde. Er machte Jim Lefferts zum Kassenwart, und die beiden konnten dank einer ganz geringfügigen Bücherkorrektur fünfzig Dollars der besten aller möglichen Verwendungsarten zuführen.

Zu Beginn des Seniorenjahrs verkündete Elmer, daß er wieder Präsident zu sein wünsche. Jemand zweimal zum Klassenpräsidenten zu wählen, war tabu. Der eifrige Eddie Fislinger, der jetzt Präsident der Y.M.C.A. war und darauf brannte, seine seltenen Talente in den Dienst der Baptistengeistlichkeit zu stellen, versicherte nach einer erfreulichen privaten Gebetsversammlung in seinem Zimmer, er würde Elmer die Stirn bieten und ihm untersagen zu kandidieren.

»Einen Dreck traust du dich das!« bemerkte ein Judas, der noch vor drei Minuten unter Eddies Führung mit Gott gerungen hatte.

»Ich trau' mich nicht, was? Paß nur auf! Es kann ihn doch keiner riechen, dieses ekelhafte Schwein!« quiekte Eddie.

Er schlich hinter Bäumen vor und konnte so im Hof vor Elmer kommen. Er blieb stehen und redete von Fußball, quantitativer Chemie und der alten Jungfer aus Arkansas, die Deutsch lehrte.

Elmer knurrte.

Verzweifelt, mit einer Stimme, die vor Sehnsucht, die Welt zu ändern, schrillte, stotterte Eddie:

»Hör mal – hör mal, Höllenhund, du solltest nicht wieder als Präsident kandidieren. Keiner kann zweimal Präsident werden!«

»Einer wird's werden.«

»Ach, herrje, Elmer, kandidier nicht. Ach, verzicht drauf. Natürlich sind alle ganz verrückt nach dir, aber noch nie ist einer zweimal Präsident gewesen. Sie werden gegen dich stimmen.«

»Dabei möcht' ich sie nur erwischen!«

»Wie kannst du's denn verhindern? Wirklich, Elm – Höllenhund – ich spreche nur zu deinem eigenen Besten. Die Abstimmung ist geheim. Du kannst nicht wissen –«

»Huh! Die Vorwahl ist nicht geheim! Jetzt wirst du dich an die Arbeit machen, Fissy, und allen gelben Coyoten bekannt geben, daß jedem, der einen anderen als Onkel Höllenhund vorschlägt, einiges am Leib braun und blau anlaufen wird. Verstanden? Und wenn sie mir sagen, daß sie nichts davon gewußt haben, kriegst du Heil Columbia auf den Buckel, weil du's ihnen nicht gesagt hast. Klar? Wenn's was anderes als einstimmige Wahl gibt, wirst du in diesem Jahr nicht mehr beten!«

Eddie wußte noch, wie einem Fuchs von Elmer und Jim gezeigt worden war, was sich für ihn gehörte: sie hatten ihn ganz ausgezogen und fünf Meilen weit draußen im Land gelassen.

Elmer wurde zum Präsidenten der Seniorenklasse gewählt – einstimmig.

Er wußte nicht, daß er unbeliebt war. Er glaubte, daß Leute, die kühl gegen ihn zu sein schienen, neidisch wären und Angst hätten, und das gab ihm ein Gefühl von Größe.

So kam es, daß er keinen Freund außer Jim Lefferts hatte.

Nur Jim besaß Willenskraft genug, um ihn zu gefügiger Bewunderung zwingen zu können. Elmer verschlang Ideen im ganzen; er war ein Maëlstrom von Vorurteilen; doch Jim prüfte jeden Gedanken, auf den er stieß, mit Genauigkeit. Jim war ziemlich egoistisch, aber mit dem Egoismus eines Menschen, der denkt und vor keinem Ziel zurückschreckt, zu dem sein Denken ihn führen mag. Dieser kleine Mann behandelte Elmer wie einen großen, demütigen Hund, und Elmer leckte ihm die Schuhe und folgte ihm.

Er wußte auch, daß Jim als Quarter vielmehr für die Mannschaft bedeutete, als er, der Kapitän im Seitensturm.

Elmer Gantry war ein riesiger junger Mann, sechs Fuß eins, stark, breit mit gewaltigen Händen; er hatte ein großes Gesicht, das in der Art einer dänischen Dogge hübsch war, und einen Schopf schwarzer Haare, die er ziemlich lang trug. Seine Augen waren freundlich, sein Lächeln war freundlich – oh, er war immer recht freundlich; er war nur erstaunt, wenn er merkte, daß man seine Wichtigkeit nicht begriff und ihm nicht alles gab, was er sich wünschen mochte. Er war ein stattliches Fleisch gewordenes Baritonsolo; er war ein Gladiator, der über die komischen Verrenkungen seines verwundeten Gegners lachte.

Er hatte kein Verständnis für Menschen, die kein Blut sehen konnten, die eine Vorliebe für Poesie oder Rosen hatten, die nicht so nebenbei darauf aus waren, jedes vielleicht verführerische Mädchen zu verführen. In stimmgewaltigen Auseinandersetzungen mit Jim gab er die Versicherung ab, daß »die Kerls, die die ganze Zeit studieren, sich ja doch nur so verdammt fein und wichtig tun, weil sie bei den verdammten Professoren, die nichts als Limonade in den Adern haben, Eindruck schinden wollen.«

Elmer Gantry

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