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Sich neu erfinden

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Für Lilly begann ihr neues Leben ohne Ethan mit einem fürchterlichen Kater. Ein Kater, der ihr auf sehr plastische Weise bewusst machte, dass sie trotz all dem Schmerz immer noch am Leben war.

Sie war am Leben obwohl ihr jeder Atemzug weh tat, obwohl es sich anfühlte als würde ihr Herz nicht mehr schlagen. Lange Zeit fühlte sie sich als würde sie in einer Blase stecken. Nichts um sie herum fühlte sich wirklich an. Tagelang, nachdem sie sich bei ihrem Auftritt im J's für so cool gehalten hatte, lag sie nur im Bett und heulte.

Ethan fehlte ihr … mehr denn je.

Nun wo er sie zu der Gewissheit zwang allein weiter machen zu müssen, fühlte sie sich so unendlich hilflos wie noch nie in ihrem ganzen Leben. Wie nur sollte sie ohne den Mann, dem ihr Herz gehörte, einfach weitergehen, wo ihr doch jeder Schritt so sinnlos vorkam?

Ethan hatte ihr Herz mitgenommen als er das Haus verließ. Mit kalter Hand riss er es aus ihrer Brust und warf es in den Dreck. Niemals würde sie diesen Mann verstehen. Niemals begriff sie, was ihn zu einem Menschen machte, der sich derart vor seinen Gefühlen fürchtete, dass er sie in den tiefsten Gründen seiner Seele vergrub.

So oft fragte sie sich, was sie hätte anders machen können.

Vor beinahe einem Jahr, als Ethan im J’s vor ihr stand und sie mit seinen eisig blauen Augen durchbohrte, hatte er ihr Angst gemacht. Sie wollte diesen ersten Abend in seiner Wohnung einfach hinter sich bringen und wieder aus seinem Leben verschwinden. Doch Ethan ließ sie nicht. Er ließ sie nicht gehen und Lilly fühlte sich mehr und mehr geschmeichelt von einem so wunderschönen, erfolgreichen Mann begehrt zu werden. Auch, weil sie deutlich spürte, dass diese Gefühle, die er so zwanghaft zu verbergen suchte, da gewesen waren.

Ethan liebte sie … dessen war sie sich nicht erst sicher, seit er es ihr im Angesicht des Todes gestand. Schon lange zuvor hatte es diese deutlichen Anzeichen gegeben. Aber all die Schicksalsschläge, die sein Leben prägten, die Misshandlungen seiner Mutter, welcher Art diese auch immer waren, machten aus einem Menschen, der im Grunde seines Herzens liebevoll und gutmütig war, einen Mann, der mit sich selbst und seinen Gefühlen nicht umzugehen verstand.

Von Beginn an war ihre Verbindung ein einziger Kampf gewesen. Ein Kampf, den sie beide gerne austrugen, weil sie dieses unsichtbare Band, das sie immer wieder zu einander führte, spüren konnten. Weil es sie doch zusammenhielt. Die Frage war nur, warum sie immer wieder an den Punkt gelangten, an dem sie sich sicher waren, es gäbe keine gemeinsame Zukunft?

Was ließ sie nur immer wieder aneinander und all dem was sie für einander fühlten, zweifeln?

Vor Monaten war es Lilly, die ihre Liebe aufgab, weil sie spürte daran zu Grunde zu gehen einen Mann zu lieben, der sie nur als Ware betrachtete. Doch nun war sie sich sicher, dass er damals schon getan hatte, was er nun tat … er ließ sie gehen.

Ethan beendete eine Liebe, die in seinen Augen nur in einer Katastrophe enden konnte. Doch genau das wollte Lilly nicht. Ihre Beziehung war nicht wie die Titanic die in jeder Neuverfilmung wieder dem unaufhaltsamen, unweigerlichen Untergang entgegensteuerte. Ihre Liebe war so tief, so echt, so unendlich stark, dass Lilly einfach nicht begreifen konnte warum Ethan sich in das Bett einer Anderen legte, nur um ihr weh zu tun.

Er … ihr griechischer Gott … der Mann der ihr im Angesicht des Todes seine Liebe gestand, der bereit gewesen war sie mit seinem Leben zu beschützen, konnte einfach nicht so niederträchtig sein …

Warum tat Liebe nur so schrecklich weh?

Immer wieder fragte Lilly sich das, aber alles grübeln nutzte nichts. Es musste weiter gehen und im Gegensatz zu Ethan, der sich nach der Trennung völlig aus der Öffentlichkeit zurückzog, suchte Lilly genau das … die Öffentlichkeit.

Zum Teil, weil Martha sie durch ihre eigenmächtige Entscheidung das Buch aus Marketing Gründen unter ihrem richtigen Namen zu veröffentlichen, dazu zwang und zum Teil, weil sie wusste, dass sie Ethan so am ehesten weh tun konnte.

Denn genau das wollte sie mehr als alles andere.

Das bittere Verlangen danach, ihm genauso weh zu tun wie er ihr weh getan hatte, als er ihr seinen Seitensprung gestand, trieb sie dazu an, jeden Tag erneut einen Fuß vor den anderen zu setzen. Denn sie glaubte nicht, dass er in der Lage war einfach zu vergessen. Er sollte bereuen was er ihr an tat. Er sollte sehen wie unglaublich gut sie aussah, wie glücklich sie ohne ihn doch war. Sie wollte mit aller Macht demonstrieren das sie auch ohne ihn mehr als nur zu Recht kam. Deshalb gab sie sich die größte Mühe möglichst aufzufallen und Zoe half ihr dabei indem sie unglaubliche Kleider entwarf, die sie ihrer Freundin auf den Leib schneiderte. Kleider, die betonten wie wohl Lilly sich in ihrem Körper fühlte. Kleider die ihre sexy Ausstrahlung unterstrichen. Lilly war sich sicher, dass Ethan sich über ihre öffentliche Selbstinszenierung ärgerte. Das es ihn quälte sie zu sehen. Dabei fand sie selbst immer mehr Gefallen daran im Rampenlicht zu stehen und das tat sie nicht nur, weil sie die Ex-Verlobte des allmächtigen Ethan Elias Blake war, sondern weil sich ihr Buch sehr viel besser verkaufte, als sie je zu träumen wagte.

Lilly ging auf Lesereise, gab Autogrammstunden, trat bei Buchmessen und in Buchhandlungen auf. Bald war sie so bekannt, dass sie zumindest in New York nicht mehr auf die Straße gehen konnte ohne erkannt zu werden und das machte sie stolz. Auch wenn es manchmal wirklich anstrengend war auf offener Straße von wildfremden Menschen auf ihre Vergangenheit angesprochen zu werden und sie sich zwielichtige Selbsthilfe-Organisationen vom Hals halten musste, war sie wirklich stolz auf sich selbst und all das, was sie auch ohne Ethan erreicht hatte.

Sicher … es war nicht abzustreiten, dass er ihr auf finanzieller Ebene ein sorgenfreies Leben bereitete, doch in allem anderen hatte sie sich von ihm emanzipiert. Jeder, der sie als ‚ Ex von ‘ ansprach wurde mit bösen Blicken abgestraft. Sie war nicht mehr einfach die Ex-Verlobte von Ethan Blake, sondern sehr viel mehr als das.

Lilly war mehr als nur froh, dass mit der Trennung von Ethan auch die Bodyguards aus ihrem Leben verschwanden. Sie liebte das Gefühl von Freiheit das sie dadurch zurück gewann. Deshalb dachte sie, trotz des Rummels um ihre Person, gar nicht daran selbst einen Bodyguard anzuheuern. Auch wenn sie nach ihrer Rückkehr nur noch mit Basecap und Sonnenbrille aus dem Haus gehen konnte.

Früher hatte sie sich über die Promis lustig gemacht die so versuchten sich zu verstecken. Aber nun blieb ihr zumindest für eine Weile, bis sich die Wogen langsam glätteten, selbst nichts anderes übrig. Und letztlich war auch das in Ordnung. Lilly zwang sich ihren Frieden mit all den Dingen zu machen, die geschehen waren und die Lesereise, auf die Martha sie schickte, half ihr dabei.

„Lilly”, Zoe brüllte durch das halbe Haus und das tat sie so laut, dass Lilly sogar unter der Dusche erschrak: „Was denn? Ich bin im Bad.” „Dein Telefon.” „Geh doch einfach ran”, Lilly war ein wenig genervt.

Gerade erst vor einer Stunde war sie aus Kalifornien zurückgekommen und freute sich nach dem langen Flug so sehr auf ihre Dusche, dass sie einfach nur unter der Regenwaldbrause stand und das angenehm warme Wasser, das auf sie herab rieselte, genoss.

Zwei Monate lang war Lilly fast pausenlos unterwegs gewesen und nun aus dem warmen Kalifornien in das kalte New York zurück zu kommen, das vom Winter fest umklammert wurde, ließ ihr die Temperaturen noch eisiger erscheinen.

„Es ist dein heimlicher Verehrer”, Zoe kam in Lillys Badezimmer gestürmt und riss die Duschkabine auf. Es schien sie nicht sonderlich zu interessieren das Lilly splitternackt vor ihr stand, als sie ihr das Telefon und ein Handtuch entgegenstreckte: „Los … geh ran.” „Herr Gott Zoe”, genervt trocknete Lilly sich die Hände ab und entriss ihrer Freundin das Telefon.

Sie hatte gerade jetzt wirklich keinen Nerv mit einem heimlichen Verehrer zu reden. Wer auch immer das sein sollte. Trotzdem blieb ihr dank Zoes Beharrlichkeit nun nichts anderes mehr übrig als das Gespräch entgegen zu nehmen. Zoe konnte wirklich manchmal extrem nervtötend sein.

„Ja“, Lilly versuchte krampfhaft das Handy nicht unter Wasser zu setzen, was dafür sorgte, dass sie sich vielleicht ein wenig zu schroff rüberkam. Dennoch klang die Stimme am anderen Ende der Leitung warm und liebevoll an: „Hallo Alyssa.”

Lilly erkannte ihr Gegenüber sofort: „Hallo Frank.” Freudig überrascht stieg Lilly aus der Dusche, schlüpfte in einen Bademantel während Zoe ihr das Telefon ans Ohr hielt und lauschte angestrengt der schier erdrückenden Stille. Fast schien es ihr Frank traue sich nicht etwas zu sagen, als seine zaghafte Stimme die Stille zerschnitt: „Hey Lilly … ich weiß nicht wie ich mich je bei dir entschuldigen soll.” „Du dich entschuldigen? … Bei mir? Warum?” „Ethan … er hat mir ganz schön die Leviten gelesen, weil ich nicht auf dich aufgepasst habe.” „Ach hat er das? Mach dir keinen Kopf. Es ist alles okay. Du brauchst dich nicht zu entschuldigen.” „Du bist mir also nicht böse?” „Nein …” „Das ist schön. Ich würde dich nämlich gern wiedersehen. Hast du Lust mit mir Essen zu gehen?” Frank klang fast ein wenig erleichtert und obwohl Lilly sich von seiner Einladung etwas überrumpelt fühlte, antwortete sie: „Ich bin gerade erst zurückgekommen. Ich war viel unterwegs. Komm doch her, dann lassen wir uns was vom Chinesen kommen. Ich hab keine Lust heute Abend noch aus dem Haus zu gehen.” „Okay … ich bring uns was mit.” „Fein.” „Möchtest du etwas Bestimmtes?” „Nein … überrasch mich.” „Okay. Bis später”, erwiderte Frank und legte den Hörer auf.

Lillys Herz schlug mit einem Mal ein wenig schneller. Mit vielem hatte sie gerechnet aber nicht mit Frank. Seit der Entführung, die nun schon fast fünf Monate zurück lag, hatten sie keinen Kontakt mehr gehabt. Nicht einmal im Krankenhaus besuchte er sie. Vielleicht lag das ja daran, dass Ethan ihm die Leviten gelesen hatte.

Ethan … Was er wohl gerade tat?

Sofort zwang Lilly sich ihre Gedanken in andere Bahnen zu lenken. Sie wollte nicht an Ethan denken. Trotzdem googelte sie in Stunden, die sie einsam in irgendeinem Hotelzimmern verbrachte, immer wieder seinen Namen. Und dabei kam jedes Mal dasselbe heraus. Abgesehen von geschäftlichen Dingen gab es nichts Neues von Mr. unnahbar Blake.

Er war völlig von der Bildfläche verschwunden.

Was für ihn, für den Mann der jahrelang bei gefühlt jeder Gala, bei jedem Event, bei jeder Party persönlich anwesend zu sein schien, absolut untypisch war. Aber sicher hatte er seine Gründe und Lilly zwang sich immer wieder diese nicht zu hinterfragen. Längst hatte sie den Versuch, Ethan zu verstehen, sein Verhalten zu ergründen, aufgegeben. Schon während ihrer kurzen, komplizierten Beziehung war sie letztlich nie hinter seine Fassade gedrungen und weshalb sollte das nun, wo sie Beide endgültig ihrer eigenen Wege gingen, anders sein?

Lilly entschied sich für bequeme Jogginghosen und ein viel zu großes Sweatshirt, nach dem sie geduscht hatte. Dazu zwirbelte sie ihr Haar zu einem Messi-Bun zusammen. Sie wusste das sie Frank nicht mit Hochsteckfrisur und Cocktail-Kleid zu beeindrucken brauchte. Sie freute sich einfach auf einen netten Abend mit einem Freund.

Frank war ein intelligenter, charmanter Mann, den Lilly wirklich näher kennenlernen wollte. Nach der Entführung war der Kontakt zu ihm völlig abgebrochen und im Nachhinein bedauerte sie das sehr.

Vielleicht hätte sie sich damals intensiver um eine Freundschaft bemühen müssen, anstatt einfach in ihrem Leid zu versinken. Aber so einfach war das eben nicht gewesen. Lilly hatte in den ersten Wochen nach der Entführung genug mit sich selbst zu tun. Sie wollte niemanden sehen, mit niemandem sprechen … außer Ethan. Doch gerade er ließ sie im Stich und danach war ohnehin nichts mehr wirklich von Bedeutung. Ohne ihn, nach seinem bitteren Verrat, machte ihr Leben lange Zeit keinen Sinn mehr, bis ihr Überlebenswille endlich einsetzte und sie zu kämpfen begann. Viele Freunde um sie herum, vor allem Evelyn, Jack und Pauline blieben in dieser Zeit auf der Strecke, weil Lilly nur noch an sich und ihren Plan dachte sich an Ethan für den bitteren Betrug zu rächen.

 Hör auf schon wieder an ihn zu denken - …

… ermahnte sie das kleine Engelchen auf ihrer Schulter und der Teufel hockte daneben und nickte zustimmend.

Ihre inneren Stimmen hatten recht. Ethan war Vergangenheit.

Lilly musste nach vorne blicken und was war dafür besser geeignet als ein Abend mit Frank. Vielleicht bekamen sie ja die Gelegenheit die ganze Sache von damals gemeinsam aufzuarbeiten. Schließlich war Frank ja auch von den Ereignissen betroffen gewesen und doch gab es für sie nie die Chance darüber zu reden. Außerdem war er wirklich ein charmanter Mann. Davon waren ihr in den Monaten seit der Trennung nicht viele über den Weg gelaufen. Wobei sie offen gestanden auch nicht bewusst danach suchte. Lilly war zufrieden damit Single zu sein. Vielleicht war sie diesbezüglich aber auch einfach zu verwöhnt. Immerhin war sie mit einem Mann zusammen gewesen, der alles war was eine Frau verrückt machte: intelligent, charmant, geheimnisvoll, leidenschaftlich und wunderschön.

Wieder drifteten ihre Gedanken ab und wieder zwang Lilly sich in die Realität zurück zu kehren, während sie die Treppenstufen hinabstieg. Und diese Wirklichkeit hieß eben nicht Ethan Elias Blake, als es an der Tür klingelte.

Lilly freute sich wirklich auf ihren Besucher, als sie öffnete. Frank stand an den Türrahmen gelehnt mit einer Tüte voller Essen in der Hand da und lächelte sie verlegen an. Er schien nicht so recht zu wissen, ob er sich in seiner Haut wohlfühlen sollte oder nicht.

Lilly dagegen fühlte sich wohl und sie freute sich aus ganzem Herzen, als sie Frank zur Begrüßung herzlich umarmte, noch bevor er einen Fuß über die Schwelle setzen konnte: „Hey Frank.”

„Hallo”, erwiderte er etwas verlegen, wobei er Lilly behutsam, fast liebevoll an sich zog und erleichtert aufatmete als sie ihm sanft über den Rücken strich.

„Los, komm rein bevor das Essen kalt wird”, lächelnd griff Lilly nach Franks Hand, zog ihn ins Haus und schob die Tür hinter sich mit dem Fuß zu. Sie ließ ihn nicht los, bis sie im Wohnzimmer angekommen waren: „Setz dich … Wir machen es uns hier vor dem Kamin bequem. Mir ist ziemlich kalt.” „Wäre mir auch, wenn ich gerade aus Kalifornien käme.” „Woher weißt du von meiner Reise?” Lilly sah Frank etwas verwundert an, als sie sich vor der Couch auf den Boden setzte und begann die verschiedenen Kartons voller lecker duftendem Essen auf dem niedrigen Tisch vor sich auszubreiten.

„Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich dich beobachtet habe”, kleinlaut setzte Frank sich zu ihr. Lilly schüttelte, mit einem Lächeln um die Lippen, den Kopf: „Ich dachte ich sei den größten Stalker der Welt los und jetzt du? Ts, ts, ts.” „Schuldig im Sinne der Anklage”, Frank lachte verlegen. Doch er schien zu spüren, dass Lilly ihm nicht böse war: „Ich hoffe du gelobst Besserung.” „Hoch und heilig. Geht es dir gut?” „Sicher … Warum fragst du?” „Naja … du und er, ihr wart ein Traumpaar.” „Es sollte eben nicht sein. Ethan ist nun mal nicht der Richtige gewesen, wenn er bei der erst besten Gelegenheit mit einer Anderen in die Kiste steigt.“ „Dann stimmen die Gerüchte also?“ Frank war sich nicht ganz sicher, ob es eine gute Idee war ihre Steilvorlage anzunehmen, andererseits war er jedoch einfach zu neugierig. Damals gab es viele Spekulationen um die Trennung des High Society Traumpaares, obwohl sie ihre Verlobung nie offiziell lösten. Die plötzliche Verlobung, nachdem sie sich Monate zuvor getrennt hatten, die Entführung, Lillys Verletzung und die völlig unerwartete Trennung beherrschten lange Zeit die Klatschblätter der Stadt. Vor allem, als Lilly allein wieder auf der Bildfläche auftauchte, während der allzeit präsente Ethan in der Versenkung verschwand. Seit der Trennung war er bei keinem Event mehr gesehen worden. Lilly jedoch tummelte sich auf vielen Veranstaltungen und stahl den High Society Ladys die Show.

„Ja … er war wohl mit Margaret im Bett“, Lilly schluckte. Sie hasste diese Vorstellung. In so vielen, einsamen Nächten hatte sie sie in tiefe Depressionen getrieben.

„Verzeih, aber das wusstest du doch schon. Sie waren schließlich schon vor der Entführung zusammen“, Frank verstand nicht ganz, aber er kannte auch die Zusammenhänge nicht.

„Damals ist das alles nur Show gewesen. Ethan und Margaret haben nur so getan, damit Dawson glaubt er hätte sich von mir getrennt. Aber dass er nach der Entführung mit ihr ins Bett gegangen ist, werde ich ihm niemals verzeihen und damit ist das Thema auch beendet. Wenn du weiter über Ethan reden willst, dann bist du hier falsch”, Lillys zorniger Blick wies Frank ohne Umschweife in die Schranken: „Es tut mir leid.” „Genug entschuldigt für heute. Wie geht es deinem Dad?” „Naja, er ist eben ein alter Mann. Das ein oder andere Gebrechen macht ihm schwer zu schaffen.” „Oh… richte ihm doch bitte die besten Wünsche von mir aus”, Lilly war froh, dass Frank ihren Themawechsel aufgriff. Sie wollte wirklich beim besten Willen nicht über Ethan sprechen … vor allem nicht mit Frank.

„Gern … greif zu“, Frank kratzte sich nachdenklich am Kinn: „Ich glaub ich habe ein bisschen übertrieben. Aber ich wusste nicht, was du gerne magst.” „Ich bin nicht wählerisch. Außerdem bin ich wirklich sehr hungrig.” „Dann greif zu”, Frank lächelte. Es gefiel ihm, dass Lilly ohne Reue zu griff und mit großem Appetit zu essen begann.

Nur wenige Damen der High Society taten das. Schließlich wollte jede bei der nächsten Gala in das atemberaubendste Kleid passen. Der Drang sich selbst zu inszenieren war in dieser Welt unglaublich groß. Jede wollte schlanker, schöner und einflussreicher sein als die Andere, doch Lilly war das alles egal. Sie brauchte sich nicht dafür zu interessieren, ob ihre Körpermaße zum ausgewählten Kleid passten. Schließlich schneiderte Zoe all ihre Abendkleider nach Maß. Sie lebte mittlerweile in dem Luxus nicht mehr über ihre Figur nachdenken zu müssen. Trotzdem ging sie, wann immer es ihr möglich war joggen oder besuchte hoteleigene Fitnessräume um sich fit zu halten, während sie auf Reisen war. Ihr war anzusehen, dass sie stolz auf ihren sportlichen, wohl proportionierten Körper war. Obwohl sie nach wie vor der Meinung war ihr Hintern sei zu breit und ihre Brüste viel zu groß. Denn immer, wenn sie rückenfreie Kleider trug musste sie sich Push-Up Polster unter die Brust kleben, um der Schwerkraft entgegenzuwirken. Lilly war wirklich sehr froh darüber das Zoe immer einen Weg fand ihren Körper ordentlich zu verpacken. Dabei entwickelte Lilly selbst immer mehr Gespür für Styling und so ergab sich aus beider Meinungen ein Mix, der bei der breiten Öffentlichkeit gut ankam.

Neuerdings wurde Lilly sogar hinter vorgehaltener Hand als Stil-Ikone bezeichnet, was ihr zwar schmeichelte, ihr aber dennoch nicht ganz geheuer war, schließlich wusste sie inzwischen um die Schnelllebigkeit der Gesellschaft, in der sie sich bewegte. Nichts war älter als der Tratsch von gestern. Dennoch entwickelte sie sich in Sachen öffentlichkeitswirksamem Auftreten genauso weiter wie als Persönlichkeit. Lilly war eine selbstbewusste, junge Frau geworden, die ihren Weg ging. Paradoxerweise war für diese Entwicklung vor allem Ethan verantwortlich. Obwohl er immer darum bemüht war sie zu kontrollieren und zu dirigieren, gab er ihr gerade durch seine großzügigen Geschenke die Freiheit zu tun was sie wollte. Lilly war im Grunde längst nicht mehr gezwungen zu arbeiten, denn während sie das Stadthaus am Gramercy Park behielt, verkaufte sie das Apartment an der Upper East Side, was ihr einen Erlös von unglaublichen 18 Millionen Dollar und somit enorme Unabhängigkeit einbrachte. Obwohl sie natürlich einen ziemlich aufwendigen Lebensstil pflegte und Zoes Designer Ambitionen zu 100% finanzierte waren 18 Millionen eine Menge Geld. Außerdem verdiente sie mit ihrem eigenen Buch auch nicht gerade schlecht. Trotzdem war Lilly sich durchaus bewusst, dass sie sich diesen Luxus nicht würde ewig leisten können. Aber bis dahin genoss sie, was Ethan ihr ermöglichte und im Notfall war da immer noch das Haus am Gramercy Park.

„Dein Buch verkauft sich gut?” Frank stellte diese Frage mit vollem Mund, während Lilly sich bereits den vollgestopften Bauch rieb und sich bequem zurücklehnte: „Ja … besser als erwartet.” „Es ist auch wirklich gut.” „Hast du es gelesen?” „Ja … 2-Mal sogar.” „Warum?” „Weil es mich einfach interessiert hat. Und ich denke, dass es vielen so ging, die mitbekommen haben, was vor einem halben Jahr geschah. Du verdienst wirklich meinen allergrößten Respekt.” „Wofür? Weil ich meinen Peiniger erschossen habe?” Lilly hasste es, wenn ihr jemand für ihre Courage auf die Schulter klopfte. Unterm Strich war sie nichts weiter als eine Mörderin und daran war nichts was verherrlicht werden musste nur weil ihr Opfer der Mann war, der sie über Jahre hinweg missbrauchte.

„Nein, das meinte ich nicht“, Frank verteidigte sich postwendend: „Wie du damit umgehst, beeindruckt mich sehr. Genau so sehr wie viele Andere, die das Buch gelesen haben.” „Das mag sein. Aber das ist alles nur Fassade. Ich hab heute noch Alpträume. Es ist nicht so einfach wie es aussieht.” „Ich würde dir gerne helfen.” „Du … mir?” „Ja … ich hab das Gefühl mit schuld zu sein.“ „Das ist Unsinn Frank. Du hättest absolut nichts tun können.“ „Es tut mir trotzdem leid, damals so leichtsinnig gewesen zu sein. Kann ich denn jetzt irgendetwas für dich tun?” „Ich bin kein Pflegefall … ich komm wirklich zurecht.” „Das glaube ich dir gerne, aber falls du mal eine Schulter zum Anlehnen brauchst, stelle ich die Meine gern zur Verfügung”, Frank zwinkerte auf eine verschmitzte Weise, die Lilly gefiel.

„Soso”, deswegen ging sie in die Offensive, „meinst du so?”

Mit einem verschmitzten Lächeln lehnte sie ihren Kopf an seine Schulter und rutschte dabei ganz bewusst ein ganzes Stück näher an ihn heran. Mit einem Mal wurde ihr ganz warm. Frank roch so wunderbar nach Mann. Ganz anders als Ethan, aber Lilly sog diesen Duft in sich auf, genoss es seine Wärme zu spüren.

Behutsam legte Frank seinen Arm um ihre Schulter, wie ein schüchterner Teenager fast, und Lilly fühlte sich dabei unglaublich wohl. Er machte ihr keine Angst. Er war es, der ihr Geborgenheit zu vermitteln vermochte. Ein seltsames Gefühl nahm Besitz von ihr. Es war nicht vergleichbar mit der Begierde, der Lust und der Leidenschaft, die sie in Ethans Armen empfand, sondern glich eher der Geborgenheit und Zufriedenheit, die man im Kreise seiner Familie fühlte. Lilly hatte plötzlich das Gefühl, angekommen zu sein und als Frank seinen Kopf behutsam an den Ihren lehnte, schloss sie die Augen, kämpfte mit den Tränen, die sie zu überwältigen drohten. Sie konnte spüren wie sich seine Brust gleichmäßig unter seinem steten Atem hob und senkte. Eine beruhigende Selbstverständlichkeit, die ihr so viel Mut machte.

Nach der endgültigen Trennung von Ethan war sich Lilly sicher gewesen nie mehr einem Mann vertrauen zu können, doch Frank gab ihr dieses Vertrauen zurück ohne es überhaupt zu bemerken. Es war diese unglaubliche Normalität, die sie nach dem ständigen Auf und Ab an Ethans Seite mehr brauchte, als sie sich eingestehen wollte. Trotzdem blieb das seltsame Gefühl von Verrat, das sich in Lillys Brust breit machte. Ganz egal was geschehen war, ob Ethan sie nun betrogen hatte oder vielleicht auch nicht, wie Zoe immer wieder behauptete, Lilly liebte ihn immer noch. Viel zu oft sehnte sie sich nach seinen liebevollen Händen, nach seinen zärtlichen Lippen und sich nun in Franks Armen zu trösten, kam ihr einfach nicht richtig vor. Es fühlte sich falsch an, obwohl ihr Herz gerade das wollte. Es wollte sich in die Arme dieses normalen, vernünftigen Mannes werfen und endlich wieder etwas fühlen. Nicht mehr dahinvegetieren, sondern mit offenen Armen etwas Neuem entgegen stürmen.

„Ich glaube ich sollte jetzt gehen”, Frank sprach leise, seine Stimme hörte sich fast an, als wolle er um Verzeihung bitten und Lilly wusste, dass es vernünftiger war ihn gehen zu lassen. Ihre inneren Stimmen rieten ihr im Einklang dazu, doch sie wollte nicht: „Bleib … es ist schön nicht allein zu sein.” „Ja … das ist es”, Frank legte behutsam seinen Zeigefinger unter Lillys Kinn und hob ihren Kopf gerade so weit an, um ihr tief in die Augen sehen zu können.

Nein … Lillys Herz begann nicht zu rasen. Es schlug keine Purzelbäume, wenn sie in Franks haselnussbraune Augen sah, aber es fühlte auch keine Angst. Dieser Mann würde ihr nicht weh tun. Bei ihm konnte sie zu Hause sein, wenn auch all die Leidenschaft und Begierde fehlte, die sie nur in den Armen des Mannes empfinden konnte der sie mit aller Macht von sich stieß … Ethan.

Lilly war bereit. Sie vergrub sich in der friedlichen Tiefe seiner Augen. Es lag an ihm und sie hoffte darauf, dass Frank sie küssen würde. Doch er ließ sich so unendlich viel Zeit, schien darauf zu warten, dass sie ihr Einverständnis gab. Niemals würde er sich nehmen, was er wollte und Lilly begriff plötzlich, warum Frank Ethan in keinerlei Belang je ebenbürtig sein konnte.

Frank war kein Mensch, der über Leichen ging. Er war kein skrupelloser Geschäftsmann wie Ethan, der sich grundsätzlich nahm was er wollte und ein Nein niemals akzeptierte. Egal worum es ging. Wenn Ethan etwas oder jemanden wollte, nahm er es sich und Lilly hatte ihm immer voller Hingabe alles gegeben, weil er sie brauchte, weil seine Begierde, seine bedingungslose Hingabe der Beweis seiner Liebe war.

Frank dagegen war in der Lage Liebe auf normale Weise auszudrücken, da war Lilly sich sicher. Er würde sie trotz allem was geschehen war, nicht zwanghaft zu beschützen oder zu kontrollieren versuchen. Frank würde sie hinfallen lassen um ihr beim Aufstehen zu helfen, wenn es notwendig sein sollte. Ja … es war richtig sich auf ihn einzulassen … Auch wenn sie vielleicht niemals Liebe für ihn empfand.

Ganz vorsichtig, zaghaft berührten sich ihre Lippen. Ein wohliger Schauer kroch Lillys Nacken empor. Es war, als würden sie sich in diesem Augenblick kennenlernen, sich vorsichtig Schritt für Schritt weiter wagen, als würden sie sich gemeinsamen einen Abhang entlang tasten.

Lilly konnte Franks Zögern spüren. Beide wussten sie wie fragil das winzige Etwas zwischen ihnen war, dass sie nun in Händen hielten. Doch Lilly wusste auch, dass sie es wollte. Es war in Ordnung nach einer neuen Beziehung zu suchen. Es war richtig sich nach einem Mann zu sehnen. Deshalb übernahm sie langsam die Führung, öffnete ihre Lippen, ließ seine Zunge eindringen, seufzte zufrieden als er mit der ihren einen liebevollen Tanz begann. Es fühlte sich richtig an. Nichts daran war falsch. Niemand stand ihnen im Weg. Sie waren zwei erwachsene Menschen und Lilly wollte ihn.

Also rutschte sie auf seinen Schoß ohne seine Lippen zu verlieren, schmiegte sich an seine Brust ohne sich wirklich zu setzen. Mit beiden Händen griff sie sein Gesicht. Ihr Kuss wurde leidenschaftlicher und Lilly genoss es die Führung zu haben. Frank drängte sie nicht in die defensive Rolle wie Ethan das immer tat. Auch wenn er ihr damit außergewöhnliche Höhepunkte zu schenken vermochte, war Lilly doch glücklich über die seltenen Momente, in denen es ihr gelungen war die Oberhand zu gewinnen und auch zu behalten.

Frank war ganz anders. Er überließ Lilly die Kontrolle und sie wusste auch weshalb. Er wollte sehen, wie weit sie bereit war zu gehen, dessen war sie sich sicher. Denn Frank forderte nicht. Er nahm was sie ihm bot, war zufrieden mit dem was sie bereit war zu geben und genoss es einfach.

Erst, als Lilly ganz langsam sein Hemd aufknöpfte, schob auch er seine Hände ein Stück weit unter ihr Sweatshirt. Aber nur gerade soweit, dass er sie in den Hüften festhalten konnte. Ein wenig verunsicherte Lilly sein Zögern, dennoch öffnete sie weiter einen Knopf nach dem anderen ohne ihre Lippen von den Seinen zu lassen. Dabei wurde ihr Atem schneller. Es erregte sie die Oberhand zu haben, ihn zu kontrollieren, als ihre Hände über seine Brust glitten. Sie spürte, wie der Griff seiner Hände um ihre Taille fester wurde als ihr Daumen über seine Brustwarze strich. Ein leises Brummen entrann Franks Kehle und machte deutlich, dass ihm der Weg den Lilly einschlug, gefiel. Und so senkte sie langsam ihr Becken, setzte sich auf seinen Schoß. Sie spürte deutlich wie erregt Frank trotz aller Zurückhaltung war. Liebevoll schmiegte sie sich an ihn, rieb sich mit sanften Bewegungen an seinem Schoss. Lilly hoffte darauf, dass Frank die Beherrschung verlor, dass die Erregung ihn mit sich riss, genau wie sie selbst. Er sollte sich auf sie stürzen, sich nehmen wonach ihm verlangte, weil sie spüren wollte, wie sehr er sie begehrte. Sie hoffte darauf, dass auch er diese leicht animalische Ader besaß, die die Kontrolle über sein Tun übernahm, wenn die Lust ihn überwältigte. Und tatsächlich schlang er seine Arme um ihren Körper, zog sie fest an sich und warf sie auf den Rücken.

Einen Moment war Lilly von seiner plötzlichen Dominanz überrascht, doch sie genoss, wie er sein Knie zwischen ihre Beine drängte und wünschte sich in dieser Sekunde, als er sich von ihren Lippen löste, dass kein Stück Stoff sie mehr voneinander trennen würde.

Frank sah sie mit verklärtem Blick an, strich ihr das Haar aus dem Gesicht: „Was tun wir hier?”

Lilly wusste, dass Frank keine Antwort erwartete als sie ihn liebevoll anlächelte, ihm das offene Hemd über die Schultern schob und sich an seinem Knie zwischen ihren Beinen rieb.

Ja … Lilly wollte mit ihm schlafen. Sie wollte es unbedingt, weil sie hoffte Ethan dadurch endlich vergessen zu können. Sie glaubte die letzten Brücken ein für alle Mal einreißen zu können, wenn es einen Anderen in ihrem Bett, in ihrem Leben gab. Ganz egal wie egoistisch dieser Gedanke auch war, Lilly wollte sich selbst endlich von Ethan befreien und Frank war dafür genau der Richtige. Er war ein netter Kerl. Ein Mann der ihr niemals weh tun würde.

Aber Lilly lag in ihrem Leben noch nie so falsch wie mit der Hoffnung Ethan jemals vergessen zu können. Es spielte gar keine Rolle, was Frank in dieser Nacht tat, ihr Kopf war die ganze Zeit damit beschäftigt sinnlose Vergleiche anzustellen. Frank war so ganz anders als Ethan und Lilly mochte ihn wirklich. Dennoch schaffte sie es nicht sich in seine Leidenschaft fallen zu lassen.

Etwas, was mit Ethan so einfach gewesen war, war nun mehr Qual als Genuss. Dabei war Frank so unglaublich zärtlich. Seine Hände glitten liebevoll über ihren Körper während er sie mit sanften Küssen liebkoste. Er war ein so wundervoller, einfühlsamer Liebhaber. Doch Lillys Herz schrie so laut nach Ethan, das sie mit den Tränen kämpfte, als Frank in sie glitt, sich sanft in ihr bewegte. Lilly zog ihn fest an sich um ihre Tränen zu verbergen, als er sich laut stöhnend in sie ergoss.

Nein … Lilly war noch nie so unglücklich gewesen wie in dem Augenblick als Frank sich auf den Rücken drehte und sie fest in seine Arme zog. Sie vergrub ihr Gesicht an seiner Schulter, kämpfte mit sich, mit dem nach Erlösung schreienden Pochen tief in ihrem Innern, mit der Einsicht ohne Ethan nicht leben zu können, obwohl ihr Verstand längst abgeschlossen hatte und bereit war neu anzufangen. Ihr Herz jedoch sprach eine ganz andere Sprache und Lilly wurde auf schreckliche Weise bewusst, dass sie noch lange brauchen würde um Franks Liebe genießen zu können. Und bis dahin durfte er von dem Kampf, der in ihr tobte, nichts wissen. Sie wollte ihm nicht weh tun. Dazu waren sie zu weit gegangen.

Frank war längst eingeschlafen, als Lilly immer noch hellwach im Bett lag und ins Dunkel starrte. Sie konnte einfach nicht einschlafen. Deshalb schlich sie irgendwann mitten in der Nacht aus dem Schlafzimmer hinab in die Küche um etwas zu trinken.

Sie fühlte sich so schrecklich niedergeschlagen. Frank war ein so guter, liebevoller Kerl und sie war einfach nicht in der Lage etwas für ihn zu empfinden. Trotzdem saß der kleine Engel auf ihrer Schulter und versuchte ihr weiß zu machen, dass es richtig gewesen war, sich auf ihn einzulassen. Eben weil er eine gute Partie war. Der kleine Teufel aber schrie so laut nach Ethan, das der Engel beinahe einen Gehörsturz erlitt.

„Süße?” Lilly hing so angestrengt ihren Empfindungen nach, dass sie beinahe zu Tode erschrak als Zoe plötzlich aus dem Dunkeln des Flures auftauchte.

„Hey … warum schläfst du denn nicht?”, Lilly war sich nicht sicher, ob sie morgens um zwei Gesellschaft haben wollte. Denn sie kannte Zoe gut genug um zu wissen, dass sie nicht eher nachgab, bevor sie ihr erzählt hatte, warum sie nicht schlafen konnte.

„Das könnte ich dich auch fragen. Warum bist du nicht oben und lässt dich von deinem Lottogewinn bewusstlos vögeln?” Wie immer war Zoe sehr direkt und Lilly war davon eigentlich nicht mal überrascht. Vielleicht dachte sie gerade deswegen nicht über ihre Worte nach, als sie antwortete: „Frank ist nicht Ethan.” „Oh”, natürlich wurde Zoe hellhörig. Doch Lilly rudert sofort zurück: „Vergiss es … es ist nur der Jetlag.” „Erzähl das deiner Großmutter. Was ist los?” „Nichts …”, Lilly nippte in der Hoffnung an dem Wasserglas in ihrer Hand, Zoe würde einfach aufhören weiter zu bohren.

Doch weit gefehlt: „Ich kenn dich doch Alyssa Cole … der Kerl da oben ist toll und du hockst mitten in der Nacht in der Küche und bläst Trübsal.” „Ja, Frank ist toll. Er ist liebevoll, einfühlsam und nett, aber er ist nun mal nicht Ethan. Ich krieg dieses dumme Arschloch einfach nicht aus dem Kopf.” „Lilly”, Zoe trat näher, sah Lilly einfühlsam an, „du und Ethan … das war eine sehr intensive Zeit. Ihr habt viel miteinander durchgestanden. Es wäre schlimm, wenn du das einfach vergessen könntest, aber es ist vorbei und Frank mag dich wirklich.” „Ich weiß und ich mag ihn. Aber ich weiß nicht, ob ich ihn lieben kann.” „Das wird die Zeit zeigen. Aber wenn du nicht aufhörst Ethan nach zu trauen, wird das nie was werden. Es ist vorbei. Ihr beide wollt es so. Auch wenn ich das niemals verstehen werde.” „Er hat mich betrogen.” „Das glaubst du zu wissen, weil er es gesagt hat. Ich bin mir dessen nicht so sicher, dass weißt du. Ethan würde alles auch noch so Absurde tun um dich zu beschützen und in seinen Augen ist er selbst die größte Gefahr für dich.” „Das ist völliger Blödsinn”, wie so viele Male schüttelte Lilly resignierend den Kopf, wenn sie über diesen Schwachsinn nachdachte. Niemand außer Ethans völlig verdrehtem Verstand konnte mit diesen Gedankenwindungen, die ihn offensichtlich schrecklich quälten, etwas anfangen weder sie auch nur ansatzweise verstehen.

Auch Zoe nicht: „Das sieht wohl jeder so … nur er nicht. Also akzeptier es wie es ist. Hab Spaß mit dem Prachtkerl in deinem Bett. Oder vergiss was er vielleicht getan hat und kämpf um Ethan. Es ist deine Entscheidung.” „Nein, … Ethan hat entschieden und ich werde einen Teufel tun ihm nachzulaufen, weil es ihn quälen würde.” „Na also. Dann hör auch auf ihm nach zu trauern. Übrigens … wie du es wolltest hab ich bei der Agentur angerufen und für morgen Vormittag Vorstellungsgespräche vereinbart.” „Okay … wie auch immer du um diese Zeit darauf kommst.” „Eigentlich wollte ich dir das gestern Abend schon erzählen. Aber du hattest besseres zu tun, als ich nach Haus gekommen bin.” „Oh Gott”, Lilly lief puterrot an, „du hast uns hoffentlich nicht im Wohnzimmer gesehen.” „Nein, aber aus dem Schlafzimmer gehört.” „Das ist absolut peinlich.” „Ach wieso denn? Ich freue mich wirklich das wenigstens du ein Sexleben hast. Wie kommst du nur immer an so reiche, gutaussehende Typen?” „Keine Ahnung … ich werd jetzt mal wieder nach oben gehen und gucken ob mein Prachtkerl friedlich schläft.” „Du könntest ihn aber auch wecken und fragen ob er einen Bruder hat.” „Sorry … Einzelkind”, erwiderte Lilly und ging amüsiert davon.

Sie war so froh Zoe zu haben. Ganz egal was geschah, sie schaffte es immer wieder ihr die Augen zu öffnen, sie wieder auf den Boden zurückzuholen, wenn sie dabei war abzuheben. Zoe war ihr Gewissen, ihre Seele und manchmal auch ihr Herz. Einfach die beste Freundin, die sie jemals haben konnte.

Auch wenn Lilly immer noch zweifelte, schmiegte sie sich behutsam an Franks Brust. Sie wollte nicht mehr allein sein. Sie wollte nachts nicht mehr allein schlafen und ihn mochte sie wirklich. Vielleicht war es besser, sich langsam zu verlieben, als sich kopfüber in kaltes Wasser zu stürzen und zu hoffen das die erlernten Schwimmkünste ausreichen würden um nicht jämmerlich zu ertrinken. Immerhin blieb er bei ihr. Frank lag in ihrem Bett. An ihm konnte sie sich die ganze Nacht festhalten.

„Wo warst du denn?” fragte Frank im Halbschlaf als er seinen Arm um Lilly schlang und sie fest an sich zog. „Schlaf weiter”, Lilly strich ihm gedankenverloren über die Brust.

Ja … dieser Mann konnte ihr zu Hause werden, dafür war sie bereit hart zu arbeiten und das hieß, das sie Ethan endlich vergessen musste.

Kapitel 2


Black Heart

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