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KAPITEL DREI

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Keiras Wecker holte sie am nächsten Morgen zu einer wahrlich unchristlichen Zeit aus dem Schlaf. Das Ding plärrte wie ein Nebelhorn. Sie rollte sich zur Bettkante und schaltete ihn aus. Dann fiel ihr auf, dass die andere Seite des Bettes leer war. Zach hatte letzte Nacht nicht hier geschlafen.

Sie stand auf, rieb sich den Schlaf aus den Augen, und warf einen Blick in das Wohnzimmer. Kein Zach. Wie sie bereits vorhergesehen hatte, war er letzte Nacht nicht mehr zurückgekommen. Wahrscheinlich war er bei Ruth geblieben.

Sie verdrängte die Enttäuschung und das Bedauern und duschte. Das warme Wasser ließ sie wünschen, einfach wieder ins Bett zu gehen. Statt dessen zog sie sich bequeme Kleidung für die lange Reise an.

Sie nahm ihre Tasche und stellte sicher, dass die Tickets und die Mappe mit den Infos da waren, die Heather ihr gegeben hatte. Zufrieden, alle nötigen Dokumente beisammen zu haben, verließ sie das Haus und stieg in ein wartendes Taxi.

Während sie zügig durch die noch leeren Straßen New Yorks fuhr, nutzte Keira die Gelegenheit, ihre rasenden Gedanken ein wenig zu sammeln. Das passierte ihr gerade alles tatsächlich. Sie würde wirklich nach Übersee fliegen, um dort zu arbeiten. Davon hatte sie immer schon geträumt. Sie hätte sich lediglich gewünscht, Zachary hätte sich mit ihr freuen können, anstatt auf Distanz zu gehen.

Der Flughafen in Newark war so voll wie die U-Bahn während der Rush Hour. Ein Flug um 5 Uhr morgens war für viele Geschäftsleute völlig normal und Keira empfand ein wenig Stolz darüber, dass sie nun dazu gehörte. Sie gab ihr Gepäck auf, hoch erhobenen Hauptes, wie ein Hollywood Superstar. Sie suchte sich einen Coffee Shop für die morgendliche Tasse und um Zeit totzuschlagen, bevor sie an Bord gehen konnte.

Während sie dort im belebten Coffee Shop saß, warf sie wieder und wieder einen Blick auf ihr Handy. Obwohl sie wusste, dass Zachary um diese Zeit noch schlafen würde, hoffte sie dennoch auf irgendein Lebenszeichen von ihm. Sie war überzeugt, das Richtige getan zu haben, als sie den Auftrag übernahm und wünschte sich, er würde das früher oder später auch einsehen. Oder ihre Beziehung war tatsächlich zum Scheitern verurteilt, so wie Bryn es vermutete. Ihre unterschiedlichen Prioritäten waren vielleicht wirklich ein Hindernis, das sie nicht überwinden konnten.

Sie schickte Zachary eine unbeschwerte Nachricht, ohne ihren Streit zu erwähnen, in der Hoffnung, dass er ihr beim Lesen einer freundlichen Nachricht gleich nach dem Aufwachen etwas besser gesonnen war.

Ihr Handy piepte und sie schaute aufgeregt auf das Display, voller Hoffnung, dass Zachary geantwortet hatte. Aber es war nur Heather, die checken wollte, ob alles geklappt hatte und sie pünktlich im Flieger sitzen würde. Enttäuscht schrieb Keira ihr zurück, dass alles in Ordnung sei.

Bald darauf wurde ihr Flug aufgerufen. Sie trank ihren Kaffee aus und ging zu ihrem Schalter. Sie nahm sich vor, Zachary anzurufen, sobald sie gelandet war. Der Zeitunterschied zwischen New York und Irland betrug vier Stunden, das musste sie unbedingt im Hinterkopf behalten, während ihres Aufenthaltes dort.

An Bord des Flugzeugs machte Keira es sich bequem und warf einen letzten Blick auf das Handy. Aber da war noch immer keine Nachricht von Zachary. Statt dessen gab es missbilligende Blicke der Flugbegleiterin, weil sie das Handy längst hätte ausschalten sollen. Keira seufzte, schaltete es aus und verstaute es in ihrer Tasche.

In dem Moment kam eine laut schwatzende Gruppe an Bord, offenbar ein Junggesellenabschied. Keira stöhnte auf. Der Flug war lang, sieben Stunden, um genau zu sein, nach Shannon im County Clare. Es würde schon dunkel sein, wenn sie ankam, aber ihr Körper würde denken, es wäre erst Mittag. Sie hatte gehofft, während des Fluges ein wenig schlafen zu können, aber die laute Männergruppe würde das wohl zu verhindern wissen.

Das Flugzeug bewegte sich zur Startbahn. Keira versuchte, die lärmende Partygruppe auszublenden, indem sie Ohrstöpsel benutzte und die Augen schloss. Aber das reichte leider nicht, um die lauten Männer zu ignorieren.

Das Flugzeug erhob sich in die Lüfte und Keira ging zu Plan B über: Koffein. Sie bestellte einen Kaffee bei der Flugbegleiterin, wohl wissend, dass es der erste von vielen sein würde. Sie trank ihn mit einigem Missfallen über den Lärm der Partytypen.

Schließlich nahm sich Keira die Mappe vor, die Heather vorbereitet hatte, mit Infos und Hinweisen.

Es gibt keine Taxis, daher wird auf dem Parkplatz ein Leihwagen für dich stehen. Ich hoffe, du kannst mit einem Schaltknüppel umgehen. Und vergiss nicht, auf der LINKEN Seite zu fahren.

Der Gedanke, mit reichlich Schlafmangel zu fahren, behagte Keira gar nicht. Sie war schon seit Ewigkeiten nicht mehr gefahren, normalerweise nahm sie die U-Bahn. Schaltknüppel bedeuteten einen zusätzliche Herausforderung. Links zu fahren, würde sich als noch schwieriger erweisen. Wenn sie nicht sofort einen Unfall fabrizieren wollte, musste sie noch viel mehr Kaffee trinken!

Du wohnst in einem traditionellen irischen Pub und Bed & Breakfast, erwarte also kein Hilton. Das ist sehr rudimentär.

Das machte Keira nichts aus. Seit sie das College verlassen hatte, war sie eine hungernde Journalistin gewesen. Hotels waren seit Jahren außerhalb ihrer Preisklasse. Sie würde einen Monat lang schon damit klarkommen. Solange man nicht von ihr erwartete, dass sie ein Plumpsklo benutzen sollte, würde sie mit den rudimentären Umständen zurechtkommen.

Du hast den ersten Abend Zeit, dich einzugewöhnen, bevor die Arbeit losgeht. Wir haben dir einen Führer organisiert, der dir alles zeigt. Am nächsten Morgen triffst du den Matchmaker und Festivalveranstalter. Das Festival selbst fängt am nächsten Abend an.

Während sie die Informationen durchging, wurde Keira immer aufgeregter. Der Flug verging viel schneller, als sie erwartet hatte, was vielleicht an dem vielen Adrenalin lag, das ihr durch die Adern rauschte. Das und die Unmengen an Koffein.

Keira landete guter Dinge in Shannon, verließ das Flugzeug und trat hinaus in die kalte, frische Septemberluft. Sie hatte erwartet, grüne Hügel zu sehen, mit Schafen und Kühen. Der Flughafen in Shannon war hingegen eher nichtssagend. Langweilige, graue Industriebauten, mehr gab es nicht zu sehen.

Der Wagenverleih war auch nicht besser. Anstelle eines herzlichen, irischen Willkommens, fand sie sich einem jungen Mann mit versteinerter Miene gegenüber, der ihren Buchungsbeleg schweigend entgegennahm und ihr ebenso schweigsam die Schlüssel für den Leihwagen aushändigte.

Keira nahm die Schlüssel und fand den Wagen auf dem Parkplatz. Er war unglaublich klein. Sie stieg rechts ein und erinnerte sich an Heathers Mahnung, links zu fahren. Es dauerte einen Weile, bis sie sich mit dem Schaltknüppel und der Kupplung vertraut gemacht hatte, dann fuhr sie los. Das Navi dirigierte sie aus Shannon hinaus. Sie würde etwa eine Stunde bis Lisdoonvarna brauchen.

Sie hatte knapp die Hauptstraße verlassen, als ihr bewusst wurde, dass sie schmale, gewundene Straßen ohne Bürgersteig entlang fuhr. Es gab keine Straßenschilder und keine Ampeln. Keira umklammerte aufgeregt das Lenkrad und richtete ihre volle Konzentration auf den Weg vor ihr, er immer schmaler zu werden schien.

Nach etwa einer Viertelstunde fing sie an, sich zu entspannen. Der Verkehr war gering, was sie beruhigte, denn so lief sie weniger Gefahr, mit jemandem zusammenzustoßen. Die Umgebung war auch sehr entspannend. Man sah nichts außer Hügel und Felder mit Schafen. Das Gras war grüner als es Keira je gesehen hatte. Sie kurbelte das Fenster herunter und wollte die frische Luft einatmen. Statt dessen erwischte sie einen Schwall Mistgeruch. Sie kurbelte das Fenster schnell wieder hoch.

Da es fast keine Straßenschilder gab, war sie sehr dankbar für das Navi. Aber es gab eben auch keine Ampeln und das machte das Fahren schwieriger, weil es viele enge, schlecht einsehbare Ecken gab. Die Straßenbemalung war längst verblichen. Das Fahren auf der linken Seite war auch irritierend. Das Ganze wurde noch erschwert von der großen Zahl an Traktoren, die sie überholen musste.

Die Straße wurde schließlich so schmal, dass gerade noch genug Platz für ein Auto war. Keira wäre beinahe in den Gegenverkehr geraten und musste in die Bremsen steigen. Das Auto geriet ins Schlingern und streifte eine Hecke. Keira hob entschuldigend die Hand, aber der andere Fahrer lächelte nur freundlich, als sei das völlig normal. Er legte den Rückwärtsgang ein und machte ihr Platz. Daheim in New York hätte diese Situation dazu geführt, dass man ihr laute Flüche an den Kopf geworden hätte. Sie bekam schon jetzt einen Eindruck von der berühmten irischen Gastfreundschaft.

Ihr Herz raste immer noch von dem Schock des Beinahe-Unfalls, aber Keira schob sich langsam an dem anderen Fahrzeug vorbei.

Sie fuhr nun noch vorsichtiger, hatte noch mehr Angst auf dieser engen Straße. Sie hoffte, der Lack war ohne Kratzer aus der Begegnung mit der Hecke hervorgegangen. Sie wusste nicht, wie man daheim reagieren würde, wenn sie mit einer teuren Rechnung der Leihfirma zurück kam.

Die Reste der Aufregung, die sie anfangs noch verspürt hatte, lösten sich in Luft auf. Adrenalin und Koffein reichten eben auch nicht ewig. Statt den Anblick der wunderschönen Natur zu genießen, erschien ihr nun alles grau und trübe. Die einzigen Lebewesen weit und breit waren Schafe. Hin und wieder stand ein verlassenes, altes Farmhaus in der Landschaft und war dem Verfall ausgesetzt. Oben in den Hügeln sah Keira auch die Ruinen einer Burg, umgeben von Bäumen. Sie fragte sich, wie man ein historisches, altes Gebäude so verfallen lassen konnte.

Sie fing an, sich geistige Notizen für die Arbeit zu machen, immer unter dem zynischen Blickwinkel, den Elliot gefordert hatte. Anstatt die Schönheit des Ausblicks zu sehen, konzentrierte sie sich auf die grauen Wolken. Der wundervolle Blick über die Küste wurde ignoriert zu Gunsten der schroffen Felsen in der Ferne. Auch wenn es eigentlich atemberaubend schön war, ging Keira davon aus, dass es nicht allzu schwierig sein dürfte, diese ganze irische Romantik zu enttarnen. Sie brauchte einfach nur zu wissen, wo man etwas genauer hingucken musste und aus welchem Blickwinkel.

Sie kam durch ein paar kleine, ummauerte Orte. Einer hieß Killinaboy and sie musste laut lachen. Sie schickte ein Foto vom Ortsschild an Zachary, der das hoffentlich zu schätzen wusste.

Sie war von dem lustigen Straßenschild so abgelenkt, dass sie beinahe das nächste Hindernis übersehen hätte: eine Schafherde! Sie stieg auf die Bremse und kam gerade noch rechtzeitig zum Stehen, würgte dabei aber das Auto ab. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie sich wieder beruhigt hatte. Sie hätte beinahe eine ganze Schaffamilie niedergemäht!

Während sie ihr rasendes Herz wieder zur Ruhe kommen ließ, machte sie ein Foto von der Schafherde und schickte das ebenfalls an Zachary mit dem Kommentar: Der Verkehr hier ist ein Alptraum.

Natürlich erhielt sie keine Antwort. Frustriert über seinen kompletten Mangel an Interesse schickte sie dieselben Bilder auch an Nina und Bryn. Beide antworteten fast umgehend mit lachenden Emojis und Keira nickte zufrieden. Wenigstens gab es noch jemanden, der sich für ihre Erlebnisse interessierte.

Keira startete den Wagen wieder und fuhr langsam an der Herde vorbei. Die Tiere glotzen sie an, als wüssten sie, was beinahe passiert wäre. Keira hätte sich beinahe laut bei ihnen entschuldigt. Es wurde langsam dunkel, was das Fahren noch schwieriger machte. Es half auch nicht, dass die einzigen Gebäude, die sie sah, Kirchen waren, mit schlichten Statuen der betenden Jungfrau Maria.

Endlich erreichte Keira Lisdoonvarna und war positiv überrascht. Immerhin schienen hier Menschen zu wohnen. Es gab Straßen mit mehr als nur einem Haus, was es immerhin fast wie eine Stadt aussehen ließ. All die Gebäude, Häuser und Geschäfte waren so winzig und malerisch, ganz nah an der Straße und in allen Farben des Regenbogens gestrichen. Keira war erleichtert, endlich an einem Ort zu sein, der nicht nur aus vereinzelten Häusern und einsamen Straßen bestand.

Sie fuhr langsamer und folgte den Straßenschildern bis sie die Adresse fand, die sie suchte, das St. Paddy's Inn. Das B&B befand sich auf der Ecke zweier Straßen, ein dreistöckiges, dunkelrotes Backsteingebäude. Von außen sah es für Keira sehr irisch aus.

Sie parkte den Wagen, sprang heraus und holte ihre Tasche aus dem Kofferraum. Sie war erschöpft und wollte sich gern ausruhen.

Aber als sie näher kam, war schnell klar, dass an Ausruhen gar nicht zu denken war. Schon von Weitem hörte sie fröhliche Unterhaltung und lautes Debattieren. Außerdem hörte sie Musik. Geige, Klavier und Akkordeon.

Die Glocke über der Tür klingelte, als sie das Gebäude betrat, einen kleinen dunklen Pub mit alten karmesinroten Tapeten und vielen runden Holztischen. Der Pub war zum Bersten gefüllt, alle hatten ein Bier in der Hand. Sie schauten sie an, als sie eintrat und konnten offenbar sofort erkennen, dass sie hier nicht hingehörte, dass sie nicht nur eine Touristin, sondern darüber hinaus auch noch Amerikanerin war.

Keira fühlte sich von dem Kulturschock ein wenig überwältigt.

„Was darf's denn sein?“, sagte eine männliche Stimme mit starkem Akzent, den Keira kaum verstehen konnte. Sie schaute zur Bar, hinter der ein alter Mann stand. Er hatte ein faltiges Gesicht und ein Büschel grauer Haare mitten auf dem ansonsten kahlen Kopf.

„Ich bin Keira Swanson“, sagte sie und trat näher. „Vom Viatorum Magazin.“

„Ich verstehe kein Wort! Lauter!“

Keira versuchte, die laute Musik zu übertönen und wiederholte ihren Namen. „Ich habe hier ein Zimmer gebucht“, fügte sie hinzu, als der Mann sie nur ratlos anschaute. „Ich bin eine Journalistin aus Amerika.“

Schließlich schien der Mann doch zu verstehen, wer sie war und warum sie hier war.

„Ja, sicher!“, rief er und grinste breit. „Von der Zeitung mit dem schicken lateinischen Namen.“

Er hatte eine warmherzige Ausstrahlung, geradezu großväterlich, und Keira entspannte sich ein wenig.

„Genau die“, bestätigte sie.

„Ich bin Orin“, sagte er. „Mir gehört St. Paddy. Ich wohne hier. Und das ist für dich.“

Ein Glas Guinness wurde vor ihr auf dem Tresen abgestellt. „Ein traditionelles St. Paddy-Willkommen.“

Keira zögerte. „Ich trinke eigentlich nicht“, sagte sie lachend.

Orin schaute sie vielsagend an. „Doch, tust du, solange du im County Clare bist, Mädchen. Hier kannst du ganz locker sein, wie jeder andere auch. Und außerdem müssen wir auf deine sichere Reise anstoßen! Dank sei der Jungfrau Maria.“ Er bekreuzigte sich.

Keira fühlte sich ein wenig überrumpelt, als sie das Guinness nahm und an dem starken Gebräu nippte. Sie hatte noch nie vorher Guinness getrunken und der Geschmack sagte ihr nicht gerade zu. Nach dem kleinen Schluck war sie sich ziemlich sicher, das nicht austrinken zu können.

„Hört mal alle!“, rief Orin den anderen Besuchern des Pubs zu. „Das ist die amerikanische Journalistin!“

Keira wollte sich verkriechen, als sich plötzlich alle zu ihr umdrehten, applaudierten und jubelten, als sei sie eine prominente Persönlichkeit.

„Wir freuen uns ja so, dass du da bist!“, sagte eine Frau mit krausen Haaren. Für Keiras Geschmack kam sie ihr etwas zu nahe und lächelte etwas zu breit. Dann fügte sie etwas leiser hinzu: „Du solltest vielleicht den Guinnessbart von der Lippe wischen.“

Rot vor Scham, tat Keira genau das. Gleich darauf hatte sich eine andere Besucherin mit den Ellenbogen einen Weg durch die Menge gebahnt, was niemanden zu stören schien. Sie verkleckerte ein wenig von ihrem Getränk unterwegs. „Ich kann es nicht erwarten, den Artikel zu lesen.“

„Oh, danke“, sagte Keira. Es war ihr nicht in den Sinn gekommen, dass die Leute hier lesen würden, was man über sie schrieb. Das würde es vielleicht doch deutlich schwieriger machen, den zynischen Blickwinkel beizubehalten.

„Wieso bist du Journalistin geworden?“, fragte ein Mann neben ihr.

„Ich bin einfach nur eine Autorin. Keine Reporterin“, antwortete sie errötend.

„Nur eine Autorin?“, rief der Mann laut und Aufmerksamkeit heischend. „Habt ihr das gehört? Sie sagt, sie ist nur eine Autorin. Also, ich kann mal gerade so einen Stift festhalten. Da musst du wohl ein wahres Genie sein.“

Alle lachten. Nervös nahm Keira noch ein paar kleine Schlucke vom Guinness. Die irische Gastfreundschaft war ihr durchaus recht, aber es war auch ein ziemlicher Kulturschock. Es gab so viele Möglichkeiten, diesen Ort in ihrem Artikel niederzumachen, das wurde ihr unangenehm bewusst.

„Ich zeige dir dein Zimmer“, sagte Orin schließlich, als sie wenigstens die Hälfte ihres Biers ausgetrunken hatte.

Sie folgte ihm eine schmale, knarzende Treppe hinauf, einen Korridor entlang, der mit einem fadenscheinigen Teppich ausgelegt war und arg staubig roch. Keira folgte ihm schweigend, nahm alles in sich auf und entwarf im Geiste ein paar scharfe Formulierungen über die veraltete Einrichtung. An den Wänden hingen gerahmte, verblasste Fotografien von örtlichen Fußballmannschaften der Vergangenheit. Keira musste schmunzeln, als sie sah, dass viele der Spieler denselben Nachnamen trugen: O'Sullivan. Sie machte heimlich ein Foto von einem der Schwarzweißbilder und schickte es an Zachary mit dem Kommentar: Mr. O'Sullivan muss ein fruchtbares Zuchttier gewesen sein.

„So, da sind wir“, sagte Orin, öffnete eine Tür und ließ sie eintreten.

Das Zimmer war grauenvoll. Obwohl groß, mit einem Doppelbett und großem Fenster, war es schrecklich eingerichtet. Die Tapete war pfirsichfarben, mit Flecken, die viele Generationen von Händen hinterlassen hatten. Auf dem Bett lag eine dünne Steppdecke, aber nicht hübsch gemustert, sondern eher wie aus einem Notlager.

„Das ist das Zimmer mit dem Tisch“, sagte Orin und grinste stolz. Er deutete auf einen kleinen Holztisch am Fenster. „Zum Schreiben.“

Keira errötete. Sie war innerlich entsetzt von der Vorstellung, einen ganzen Monat in diesem schmierigen Zimmer wohnen zu müssen. Aber sie quetschte ein „Danke schön“ hervor. So viel zu dem Thema, sie würde locker einen Monat rustikal leben können.

„Willst du dich erst einmal etwas eingewöhnen, bevor du Shane kennenlernst?“, fragte Orin.

Keira runzelte verwirrt die Stirn. „Wer ist Shane?“

„Shane Lawder. Dein Führer für das Festival“, erklärte Orin.

„Natürlich“, sagte Keira und erinnerte sich an Heathers Notizen. Da war die Rede von einem Tourführer gewesen. „Ja, danke, ich würde Shane gern kennenlernen.“ Sie hatte nicht das geringste Bedürfnis, auch nur eine einzige Minute länger in diesem Zimmer zu bleiben. Sie warf ihre Tasche auf das Bett und ging die knarzende Treppe wieder hinunter.

„Shane!“, rief Orin, nachdem er seinen Platz hinter dem Tresen wieder eingenommen hatte.

Zu Keiras Überraschung war es der Geigenspieler, der antwortete. Er legte das Instrument beiseite und kam zu ihnen herüber, während die anderen Musiker einfach weiterspielten, als wäre nichts gewesen.

Keira konnte erkennen, dass sich unter seinem Zottelbart ein kantiger Kiefer verbarg. Tatsächlich war es so, dass er durchaus gutaussehend gewesen wäre, wenn er sich nur die Haare geschnitten und weniger schlabberige Kleidung getragen hätte. Keira hatte ein schlechtes Gewissen, an so etwas zu denken, zumal es mit Zachary im Augenblick so ungünstig lief. Aber da fiel ihr Bryns Motto ein: Gucken darf man immer.

„Du siehst nicht gerade aus wie ein Joshua“, sagte Shane, als er ihr die Hand schüttelte.

„Oh, hat dir keiner Bescheid gesagt?“, fragte Keira. „Es kam etwas dazwischen, daher bin ich nun hier. Tut mir leid.“

Shane musterte sie feixend. „Was gibt es da zu entschuldigen? Ich verbringe lieber dreißig Tage mit einer hübschen Lady wie dir. Nichts gegen diesen Joshua, ich bin sicher, er sieht gut aus, aber er klingt nicht, als wäre er mein Typ. Du weißt schon, so als Mann und so.“

Keira schluckte. Sie hatte nicht erwartet, dass irische Männer so direkt sein würden. Sie dachte an Zach und wiederholte im Geiste das Mantra, dass Gucken erlaubt war.

Während Shane sich neben ihr auf einen Barhocker setzte, stellte Orin ihnen beiden ein Guinness hin. Leira stöhnte innerlich. So viel Alkohol würde sie nicht verkraften.

Shane nahm einen kräftigen Schluck, dann breitete er ein paar Dokumente auf dem Tresen aus.

„Das Festival der Liebe geht über dreißig Tage“, erklärte er. Die meisten Aktivitäten fangen nie vor dem Abend an. Daher habe ich einen Plan erstellt, was du dir angucken kannst, während deines Aufenthaltes, damit du einen besseren Eindruck von Land und Leuten bekommst. Wir fangen mit dem Burren an, damit du eine Kalksteinlandschaft siehst. Dann die Klippen von Moher für den Blick über das Meer. Dann springen wir rüber ins nächste County, nach Kerry, zu dem alten, stattlichen Killarny, von da geht’s nach Dingle.“

„Ich dachte, du bist nur mein Führer für das Festival“, sagte Keira, „nicht für das ganze Land!“

„Du drehst durch, wenn du tagsüber nicht mal aus Lisdoonvarna rauskommst“, erklärte Shane. „Die Masse an Menschen, die kommen und gehen, das ist ein bisschen viel.“

Keira lachte innerlich. Sie bezweifelte ernsthaft, dass Lisdoonvarna während des Festivals hektischer sein könnte als New York an jedem normalen Tag.

„Es wird viel getrunken“, fuhr Shane fort. „Manche der Partys gehen bis in die frühen Morgenstunden. Ach, was sage ich, manche, denn eigentlich sind es fast alle.“

Keira dachte an den lärmenden Junggesellenabschied im Flugzeug und fragte sich, ob sie in den nächsten vier Wochen überhaupt Schlaf kriegen würde.

„Das sieht gut aus“, sagte sie und schaute sich den Plan an. „Aber ich werde jeden Tag ein wenig Zeit brauchen, um zu schreiben. Es ist eben nicht nur alles reines Vergnügen.“

Shane schmunzelte. „Du bist gerade erst angekommen und denkst schon über Arbeit nach?“

„Ich muss“, erklärte Keira. „Der Auftrag ist wichtig für mich. Ich will ihn nicht versauen.“

„Und ihn nicht zu versauen, ist gleichbedeutend damit, sich nicht entspannen zu können?“

Keira war nicht in der Stimmung, jetzt über ihre Lebensentscheidungen zu diskutieren. Darüber hatte sie von Zach und ihrer Mutter gestern wahrlich genug gehört.

„Es bedeutet lediglich, dass ich jeden Tag ein wenig Zeit zum Schreiben brauche“, gab sie ein wenig eingeschnappt zurück.

Shanes Gesichtsausdruck behielt sein amüsiertes Schmunzeln. Er nahm noch einen großen Schluck Guinness. „Du bist einer von diesen puritanischen Typen, oder? Nur Arbeit, kein Vergnügen.“

Keira blickte ihn unbeeindruckt an. „Ich weiß nicht, wie du annehmen kannst, irgendetwas über mich zu wissen“, sagte sie. „Wir kennen uns gerade erst seit fünf Minuten.“

Shane grinste immer noch. Er antwortete nicht, als wäre das Thema bereits erledigt. Keira verkrampfte sich. Er sah gut aus, das stimmte wohl, aber wenn er so weitermachte, würde er ihr schon sehr bald fürchterlich auf die Nerven gehen. Sie wusste nicht, ob sie dreißig Tage lang Hänseleien und Trinkgelage aushalten würde, ohne einen anständigen Platz zum Schreiben.

Vielleicht war dieser Auftrag schwieriger, als sie erwartet hatte.

*

Keira schaffte es schließlich, sich zur Nacht zu verabschieden. Sie hatte irgendwann aufgehört, zu zählen, wie viele Guinness Orin und Shane getrunken hatten. Immerhin hatten sie beizeiten aufgehört, sie ebenfalls zum Trinken zu animieren. Dennoch schwirrte ihr der Kopf, als sie die Treppen zu ihrem Zimmer hinaufstieg.

Sie schloss die Tür hinter sich, aber die Musik und das Stimmengewirr von unten waren dadurch nicht weniger hörbar. Keira fühlte sich völlig überdreht und aufgekratzt. Sie warf einen Blick auf ihr Handy, aber da war noch immer keine Nachricht von Zachary. Er hatte auf jeden Fall genug Zeit gehabt, sie zu lesen. Was bedeutete, dass er sie mit Schweigen strafte. Wie erwachsen, dachte Keira.

Immerhin hatte sie Nachrichten von Nina und Bryn, die sie mit Fragen bombardierten. Sie schrieb Nina, die den Artikel editieren würde, um ihr zu sagen, dass ihr Zeitplan randvoll war und an Schreiben erst einmal nicht zu denken war. An Bryn schickte sie eine kurze optische Beschreibung von Shane und ein paar Feuer-Emojis.

Er ist aber ziemlich anstrengend. Einer dieser arroganten Typen, die meinen, es wäre reizvoll, wenn sie einen die ganze Zeit auf den Arm nehmen.

Bryns Antwort kam sofort. Es IST reizvoll.

Keira lachte und legte das Handy beiseite. Die Musik unten würde sie sicher noch eine Weile vom Schlafen abhalten, also konnte sie genauso gut schon mal ein wenig arbeiten. Sie holte den Laptop aus der Tasche und schrieb eine E-Mail an Elliot, mit einigen Ideen, wie man den Artikel angehen könnte. Dank der paar Guinness konnte sie sogar einen noch bissigeren Ton finden als sie gedacht hatte.

Falls du dich je gefragt hast, wie über Jahrzehnte verkleckerte Guinnessflecken im Teppich riechen, brauchst du bloß nach Lisdoonvarna ins St. Paddy's Inn zu kommen. Als exotische Amerikanerin wurde ich gleich nach meiner Ankunft mit einem Übermaß an irischer Gastfreundschaft erstickt. Ich sage erstickt, denn es war schier unmöglich, die Angebote, reichlich Alkohol zu trinken, abzulehnen. Daher riecht es hier überall in dem dunklen Schuppen nach abgestandenem Guinness. Man hat geradezu das Gefühl, alles, Teppiche, Gardinen, Tapeten, wirklich alles klebt vom Bier. Sagen wir mal so, es würde mich nicht wundern, wenn morgen früh aus der Dusche in meinem veralteten, winzigen Bad dunkelbraune, schäumende Flüssigkeit käme.

In dieser Art setzte sie ihren Bericht fort. Sie wusste, dass es gemein war, das B&B auf diese Weise niederzumachen und erst recht die netten Menschen, die sie bisher getroffen hatte, aber sie konnte einfach nicht anders.

Sie endete den Bericht und schickte ihn ab. Elliot antwortete beinahe sofort mit lobenden Worten.

Weiter so, Keira. Das ist goldrichtig!

Im nächsten Moment klingelte ihr Telefon. Es war Bryn. Keira seufzte, denn das bedeutete, dass es mit der Arbeit für heute vorbei war. Sie klappte den Laptop zu und nahm das Gespräch an, während sie ins Bett krabbelte.

„Was ist los?“, fragte sie ihre Schwester.

„Ich hatte gerade ein misslungenes Date“, erklärte Bryn. „Also dachte ich, ich rufe dich an, um mehr über diesen stattlichen Tourguide zu erfahren.“

Keira lachte. „Also, er hat zu viele Haare. Und sein Modebewusstsein ist fragwürdig.Aber mit ein bisschen Mühe würde er schon etwas hermachen.“

„An deiner Stelle würde ich ihn mir schnappen“, sagte Bryn.

Keira schnappte nach Luft. Selbst für Bryns Verhältnisse war das schon sehr direkt. „Aber was ist mit Zach?“, fragte sie lachend.

„Was ist mit ihm?“, fragte Bryn abfällig zurück.

Keira stöhnte auf. „Er ist mein Freund“, erinnerte sie Bryn. „Und selbst wenn Shane zum Friseur gehen würde und sich neu einkleidete, dann könnte ich immer noch keine fünf Minuten in seiner Gegenwart verbringen, ohne ihm den Hals umdrehen zu wollen.“

Bryn lachte. „Das wird die nächsten paar Wochen irgendwie anstrengend machen, oder nicht?“

„Das und die Tatsache, dass sich mein Zimmer direkt über einem Pub ohne Sperrstunde befindet, und wo eine Folkband drin zu wohnen scheint.“

„Klingt großartig“, gab Bryn zurück. „Mann, Keira, du arbeitest so hart, dass du nicht einmal merkst, in welch aufregender Situation du dich befindest! Du hast gerade gesagt, dass die Party nie aufhört und dabei gestöhnt.“

„Du hörst dich an wie Shane“, antwortete Keira. „Wenn ich nicht trinken, tanzen oder fröhlich sein will, dann muss ich das auch nicht!“

Sie und Bryn beendeten das Gespräch. Keira stellte fest, dass sie trotz des Lärms von unten die Augen kaum noch aufhalten konnte. Also krabbelte sie unter die dünne Decke und legte den Kopf auf das verbeulte Kissen. Noch immer hatte Zach auf keine ihrer lustigen Nachrichten reagiert. Sie versuchte, ihn anzurufen, aber er ging nicht dran.

Sie ging auf Instagram und sah Fotos von Zach auf Ruths Hochzeit. Er sah großartig aus in seinem Anzug, aber er wirkte so einsam. Er schien immer etwas abseits und allein zu stehen, was ihr ein schlechtes Gefühl gab, nicht bei ihm zu sein. Vielleicht hatte ihre Mutter doch nicht ganz unrecht gehabt. Allein auf eine Hochzeit zu gehen, war schon etwas peinlich.

Schon fast im Halbschlaf, sah sie sich selbst mit Zach auf der Hochzeit. Allerdings war es gar nicht Zach, sondern Shane, rasiert, im maßgeschneiderten Anzug. Er sah noch besser aus, als sie gedacht hatte.

Keira erwachte mit einem Schrecken. Die Lage war schon kompliziert genug, da musste sie nicht auch noch ein Auge auf ihren Reisebegleiter werfen!

Sie schob alle weiteren Gedanken beiseite und verfiel endlich in einen tiefen Schlaf.

Das Festival der Liebe

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