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Spiel und Spiritualität

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Mehrfach wurde angedeutet: Zwischen Spiel und Spiritualität besteht ein enger Zusammenhang. Wer gut zu spielen weiß, findet leichter in das spirituelle Leben, und der spirituelle Mensch kann hingebungsvoll und getröstet – vielleicht auch fairer? – spielen.

Nach dem Ideal Jesu (vgl. z.B. Mt 18,1–5) sind Kinder der Inbegriff seliger Existenz. Selbstvergessen und selbstverloren spielen sie, stundenlang hingegeben, in abgrundtiefem Vertrauen, dass die Welt und die Menschen gut sind und ihr Leben geborgen ist in der Güte Gottes. Die Seligkeit der Kinder besteht nicht in ihrer Bedürftigkeit oder darin, dass viele ihrer Fähigkeiten noch unausgebildet sind – man würde den Mangel verklären –, sondern darin, dass sie spontan Freude empfinden, dass sie interesselos den Augenblick verkosten, dass sie dankbar und vertrauend sich dem hingeben, was sie – und sei es noch so gering – an beschränktem Ort und in beschränkter Zeit vorfinden, dass sie so klein sein können, wie sie sind, und sich nicht größer machen müssen, dass sie Zuwendung vorbehaltlos annehmen und daraus leben, dass sie – mit einem Wort – aus dem Spiel und im Spiel leben. »Selig« bedeutet in der Sprache der Bibel: Gott nahe; aufgenommen in sein »Reich«, das aus Gerechtigkeit und Friede, aus Liebe und Glaube und Hoffnung besteht. Deswegen sagt Jesus: »Werdet wie die Kinder!«, und dieses Wort Jesu gilt, auch wenn wir wissen, wie früh sich schon bei Kindern der Wurm des Bösen einschleichen kann …

Im Spiel lernen wir, dass Leben Gnade ist: Ob wir heute Zeit und Muße haben zu spielen, ob wir gerade in der rechten Gestimmtheit und Entspannung sind, ob wir bereite Mitspieler finden, ob das Spiel nicht im Streit oder im Ärger endet, sondern gelingt und Freude macht, ob also der kairos – der rechte Augenblick – sich einstellt, all das können wir wünschen, und wir können das Unsere dazu beitragen, aber es liegt nicht wirklich in unserer Hand. Gelungenes Spiel ist – so empfinden wir immer wieder – Fügung, Geschenk, Gnade. Erfüllte Begegnung – und welches Spiel ist das nicht? – können wir nicht machen, sie wird uns gegeben. Auf solche Gnaden haben wir kein Recht, sondern sie sind unverdient, ungeschuldet, gratis; mal werden sie gewährt, mal entzogen – was in der freien Verfügung eines Anderen liegt. Entscheidend für das spirituelle Verkosten wird sein, dass wir aufmerksam werden für das Geschenk des Spiels und stetig dafür danken.

Der Spieler braucht Vertrauen und Glauben. Nur wer angstfrei sich eine Auszeit aus dem allzu Triebhaften und aus dem bloß Effektiven gönnt, wer seine Besitztümer vertrauensvoll verlassen und sich in den Spielraum hineingeben kann, wer auf die Mitspieler und deren Fairness vertraut, wer auf die Sinnhaftigkeit des Daseins als Ganzes baut, wer sich eingeborgen weiß in die Fülle des Lebens, wer also im Letzten glaubt, kann sich frei und ohne Vorbehalte auf das Spiel einlassen. Wer nicht glaubt, wird ängstlich auf dem Seinen beharren, er kann nicht spielerisch sich hingeben, er wird immer etwas wollen und berechnen und sichern. Umgekehrt stellen wir fest, dass das Spiel das Vertrauen und den Glauben auch stärkt: Wer spielend Freude und Sinn erfährt und Gemeinschaft und Beziehung erlebt, wird mehr den Menschen vertrauen, er wird freier und offener leben, er wird ein tieferes Ja zur Welt und zu den Menschen, zum Dasein und zu Gott sprechen.

Das Spiel übt den Wegcharakter des Lebens ein: Ein Spiel ist ein Prozess, auf ein Ziel hin; ist das Ziel erreicht, ist das Spiel aus. Der Sinn des Spiels liegt aber nicht im Ergebnis, sondern im Weg selbst. Man kann also sagen: Der Weg ist das Ziel – wir spielen zweckfrei, nicht ergebnisorientiert, aus reiner Lust am Vollzug. Paradoxerweise kann man jedoch hinzufügen: Der Weg ist nicht das Ziel – denn das Spiel ist ja begrenzt, es soll zu einem Ende kommen, damit danach wieder anderes kommt, der Alltag, der nächste Schritt, weiteres Leben, neue Spiele. Spirituell gedeutet: Hier im Leben dürfen wir die kleinen, endlichen Wegabschnitte ganz und gar genießen, zweckfrei uns der Freude der täglichen Spiele hingeben, mögen sie unspektakulär und beschämend bescheiden sein, aber mit der ganzen Aufmerksamkeit auf dem Hier und Jetzt des eingegrenzten Tuns; doch zugleich sind wir, wissend um die Grenzen und um die Vorläufigkeit aller irdischen Spiele, ganz auf das Ende dieses Lebens ausgerichtet, im Inneren hingeordnet auf den Himmel, der zwar in irdischen Spielen schon zu erahnen ist, aber das wahre Leben in seiner Fülle und so das vollendet-ewige Spiel erst noch bringen wird.

Im Spiel üben wir. Mühselig trainieren wir unsere Fertigkeiten: mühevoll und selig – also im oft schmerzhaften Kampf gegen Grenzen und Widerstände und zugleich im lustvoll erfahrenen und stetig erweiterten Können. Wer resigniert hat, übt nicht mehr. Nur wer glaubt und hofft, übt. Übend gibt der spielende Mensch seiner Hoffnung und seinem Glauben Ausdruck.

Das Spiel bildet: Es lehrt uns die Vorläufigkeit irdischer Erfolge und Ehren, es übt humane und spirituelle Werte ein wie das Loslassen, die Beziehung, die Freude, das Schöne, das ehrliche Streben, und es weist – indem es »nur« Spiel ist und irgendwann unweigerlich endet – über sich selbst hinaus auf Größeres: auf das Ganze und dessen Sinn, auf das Leben und dessen Schöpfer. Nicht nur Psychotherapie und Psychiatrie, auch die Pädagogik nutzt Spielmethoden, um Lernprozesse etwa von Kranken oder Kindern zu fördern; als spirituelle Spielpädagogik werden die Exerzitien später vorgestellt werden.

Im Spiel werden wir zum Ebenbild des Schöpfers: Nach Nikolaus von Kues5 liegt in der Fähigkeit zum Spiel die eigentliche Würde des Menschen, denn spielend schafft sich der Mensch neue Welten, er gestaltet sie sich und genießt sie – und genau darin, in freier, kreativer Potenz, wird er Gott ähnlich! Spielende Menschen berühren Gott: Ihr Spiel wird zum spirituellen Vollzug, zum Gebet und zur Liturgie des Daseins.

Spielend leben

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