Читать книгу Kleine Ärgernisse erhalten den Alltag - Stefan Müller-Veeh - Страница 3
Berufungen
ОглавлениеHaben Sie auch das Bedürfnis, in Ihrem Beruf der Beste zu sein? Werden Sie Zahnarzt! Zahnärzte leben von den Empfehlungen ihrer Patienten. Und für die ist ihr jeweiliger Zahnarzt grundsätzlich der Beste. Sind Sie schon mal gefragt worden, ob Sie einen guten Zahnarzt kennen? Und? Was haben Sie gesagt? Bestimmt so etwas wie, "Nimm meinen, der ist der Beste!". Sehen Sie! Und genau deshalb sollten Sie Zahnarzt werden. Sie werden das Attribut, der Beste zu sein zwar mit all den anderen besten Zahnärzten teilen, aber immer noch besser als Psychiater oder Urologe. Oder sind Sie schon mal nach einem guten Psychiater oder Urologen gefragt worden?
Wissen Sie, was mich an meinem Beruf richtig stört? Preisverhandlungen. Ich bin Verkäufer im Außendienst und jedes Mal aufs Neue überrascht, warum ausgerechnet dieser Kunde einen besseren Preis bezahlen möchte, als andere Kunden vor ihm. Entweder, er ist schon jahrelang Kunde, dann will er einen Treuerabatt. Oder er ist Neukunde, dann will er einen Neukundenrabatt, um bestimmt irgendwann einen Treuerabatt bekommen zu wollen. Oder er war Kunde und will, damit er wieder Kunde werden kann, einen Sonderrabatt. Und wenn Sie Ihrem Kunden, welchem auch immer, einen attraktiven Preis machen, will er einen noch besseren Preis, und wenn Sie ihm einem schlechten Preis machen, weil Sie genau wissen, er verhandelt so oder so, dann fühlt er sich womöglich beleidigt und will gar nicht mehr mit Ihnen verhandeln. Egal, wie Sie es machen, Sie werden es nie erleben, dass der Kunde Ihnen um den Hals fällt, weil Sie genau das gemacht haben, was er von ihnen erwartet. Einen guten Preis anzubieten.
Ich glaube, wenn einem völlig egal ist, was man tut, Hauptsache es ist lukrativ, dann gibt es wohl kaum etwas gewinnbringenderes, als Schrauben, Nägel und ähnliches herzustellen und zu verkaufen. Haben Sie schon mal Ihren Werkzeugkasten aufgemacht und geschaut, was sich darin alles befindet? Und, was haben Sie gefunden? Mit Sicherheit einen Berg diverser Schrauben, Muttern, Nägeln etc., fein verpackt in diversen Plastikschächtelchen. Und ich wette mit Ihnen, wenn Sie mal wieder in Ihrem Haushalt handwerklich unterwegs sind, werden Sie sich nicht die Mühe einer Bestandsaufnahme in Ihrem Werkzeugkasten machen, sondern schnurstracks in den nächsten Baumarkt gehen und sich ein umfangreiches Sortiment gängiger Eisenwaren zulegen. Das Ende vom Lied ist, dass Sie nur etwa 10% Ihres gerade eben getätigten Kaufs verbrauchen und der Rest in Ihr wahrscheinlich immer größer werdendes Lager nicht verbrauchter Eisenwaren wandern wird. Und genau das ist es, was diesen Beruf so lukrativ macht. Sie verkaufen Dinge, die die Menschen nicht wirklich brauchen. Jedenfalls nicht alle davon.
Haben Sie sich schon mal überlegt, welchen Beruf Sie auf keinen Fall ausüben würden, egal wie viel Geld man damit verdienen könnte? Ich ja. Mitarbeiter eines Beerdigungsinstitutes. Ich meine jetzt nicht die, die die Toten waschen, einbalsamieren und in Kleidung hüllen, als hätten sie gleich einen Fototermin. Nein, ich meine die, die den Angehörigen im Todesfall klar machen, dass ein Kirschbaumsarg gegenüber einem Eichensarg gravierende Vorteile in Sachen Qualität, Langlebigkeit und Bequemlichkeit für den Toten hat.
Wie man ein normales Verkaufsgespräch beginnt, weiß ja jeder. Aber wie beginnt man ein Verkaufsgespräch in einem Beerdigungsinstitut? Kaltakquise auf der grünen Wiese fällt ja praktisch aus: "Guten Tag, wir von der Firma "Ruhe sanft und ewig" wollten ihnen unser neues Leistungsportfolio vorstellen. Hätten sie einen Augenblick Zeit für ein paar Fragen?".
Und wenn man den Kunden schon von früheren Geschäften her kennt, sind Floskeln wie, "Guten Tag, Frau Meier. Schön, mal wieder von ihnen zu hören." und, "Bis zum nächsten Mal!" auch eher unangebracht.