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3. Ein verrückter Onkel im Pazifik

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„Wer um Himmels Willen ist Onkel Raito?“, fragt Leo und schnappt sich den Zettel, um ihn noch mal in Ruhe lesen zu können. „Lichtkartuschen, und Spaß… Ich versteh‘ gar nichts. Und warum hast du mir nie etwas von diesem Onkel erzählt?“ Leo ist sauer. Eigentlich dachte er, dass er Hannah sehr gut kennt und sie ihm immer alles erzählt. Seit drei Jahren sind sie nun schon befreundet. Seitdem Hannah mit ihrer Mutter in das Nachbarhaus gezogen war. Er weiß, dass sie süße Erdbeeren liebt. Dass ihre Lieblingsfarbe hellblau ist, sie gerne lilafarbene Strümpfe anzieht und seine tollpatschige Art mag, weil sie dann meistens etwas in ihr Buch für die guten Taten schreiben kann. Sogar den Unfall ihres Vaters hat sie ihm anvertraut. Und dass deshalb ihre Mutter umziehen wollte, um nicht ständig an Noah, Hannahs Papa, erinnert zu werden. Aber Raito? Diesen Namen hat sie ihm gegenüber noch nie erwähnt. „Klingt komisch, der Name“, sagt Leo beleidigt.

„Onkel Raito wohnt in Japan, oder so. Glaube ich“, beginnt Hannah zu erzählen. „Er ist der Bruder von Paps und war früher oft bei uns zu Besuch. Ich glaube, er ist verrückt. Aber immer witzig drauf. Immer wenn er da war, durfte ich ihn fotografieren. Er hat immer lustige Grimassen gemacht. Warte mal“, sagt sie und steht auf und verlässt das Zimmer. Kurze Zeit später kommt Hannah mit einem Fotoalbum unter dem Arm wieder und lässt es vor Schreck fallen.

„Was ist denn hier los?“, schreit Hannah. Leo sitzt am Tisch und grinst über beide Ohren. Er ist kaum noch zu sehen, denn vor ihm liegt ein riesiger Berg aus Pommes Frites und Würstchen. Der ganze Tisch ist voll davon. Hunderte Pommes. Dutzende Würstchen. Und dazwischen zieren Kleckse von Mayonnaise und Ketchup das Chaos. Er schmatzt laut und kaut genüsslich, während er sich noch ein paar Pommes mit den Fingern in den Mund schiebt. Sein Kinn und die Wangen sind rot und weiß verschmiert

„Was hast du gemacht?“, fragt Hannah. „Nüschhts“, kommt aus Leos Mund, als er einfach seelenruhig weitermampft.

„Isch hatte sooo Hunger… Nopff gedrückt“, versteht Hannah noch. „Knopf?“, fragt sie Leo. „Schluck erst mal runter!“, fordert sie ihn auf. „Ich versteh‘ kein Wort, wenn du so schmatzt. Wo kommen die Pommes und Würstchen her?“ „Hmpf. Boaaa! Sind die lecker“, antwortet Leo, nachdem er die Pommes hinuntergeschluckt hat. „Ich hab‘ auch keine Ahnung, Hannah. Ich wollte einfach das Frühstück hier fotografieren und schwupps, waren die Würstchen da. Äh… und die Pommes. Cool, oder?“, fragt er Hannah. „Welchen Knopf hast du gedrückt?“, fragt sie und nimmt die Kamera. Leo stutzt. „Ich hab‘ ein Foto gemacht, Hannah. Ich habe also keinen Knopf gedrückt, ich habe den Auslöser benutzt!“ „Welchen von den fünf?“, fragt Hannah. Leo wischt sich mit dem Ärmel seines Pullovers Ketchup aus dem Gesicht und legt ein Würstchen weg, in das er gerade beißen wollte: „Fünf? Willst du mich veräppeln?“, fragt Leo. „Schau selbst“, antwortet Hannah. Sie hält ihm die Kamera hin. Tatsächlich. Wie hatte er das nur übersehen können. Auf der oberen Seite der Kamera befinden sich fünf Auslöser. Wo sich bei normalen Fotoapparaten der Auslöser befindet, sind drei Knöpfe vorhanden, die man mit der rechten Hand bedienen kann. Für die linke Hand sind zusätzlich zwei Knöpfe auf der Oberseite der Kamera angebracht. Dazwischen ein kleiner Blitz, der etwas aus der Kamera ragt. Jeder Auslöser hat eine andere Farbe und darunter ist jeweils ein kleines Bild aufgedruckt.

„Also, welchen Knopf hast du für die Würstchen gedrückt?“, fragt Hanna. „Rot, gelb, schwarz, blau oder den bunten?“ Leo guckt verdutzt. „Ähm… Keine Ahnung. Ich hab‘ die Kamera genommen und gedrückt.“ Er nimmt den Apparat und hält ihn so, wie er ihn kurz vorher wohl auch in der Hand hatte. „Ich glaube den hier“, sagt er und zeigt auf den roten Knopf. Hannah nickt. „Könnte stimmen. Du bist ja Linkshänder und dieser Knopf befindet sich ganz links an der Kamera“, antwortet sie. „Aber warum die Würstchen? Hast du an irgendetwas gedacht, als du das Foto schießen wolltest?“, fragt Hannah weiter. „Ja klar. Als ich die Sachen da auf dem Tisch durch die Kamera gesehen hab‘, hab‘ ich mir gewünscht, dass ich irgendwann mal Pommes und Würstchen zum Frühstück essen kann. Und schon waren die leckeren Sachen da“, erklärt Leo. „Komisch, oder?“ „Ja, sehr seltsam“, antwortet Hannah. Sie nimmt die Kamera wieder in die Hand und schaut sich das Geschenk ihres Onkels nochmal genauer an. Vorne eine große Linse, das Objektiv schwarz. Die Front des Fotoapparates wirkt recht alt, aber schön und stilvoll. Auf der Rückseite dieses riesige, glatte Display. Und dann diese komischen Zeichen und Knöpfe dazu! „Wofür braucht eine Kamera fünf Auslöser?“, fragt sich Hannah.Sie ist sich sicher, dass sie das Bild von der Vase vor einigen Minuten mit dem äußersten Auslöser auf der rechten Seite gemacht hat. Dass sie ihren Zeigefinger wie bei einer ganz normalen Kamera benutzt hat. Vermutlich hat sie auf den regenbogenfarbenen Knopf gedrückt. Und dann war die Vase wieder heil. Unter dem Regenbogenknopf erkennt Hannah eine Sanduhr. Unter dem roten Auslöser, den Leo verwendet hat, ist ein Herz gemalt. Daneben ist ein gelber, unter dem ein Schlüsselloch-Symbol zu sehen ist. In der Mitte ein schwarzer Knopf, darunter ein Pinsel. Und dann ist da noch ein blauer Auslöser, der sich zwischen dem schwarzen und dem regenbogenfarbenen Knopf befindet. Darunter ist eine Art Kompass gezeichnet. Hannah grübelt und drückt auf den Wiedergabe-Knopf auf der Rückseite der Kamera. Auf dem Display erscheint wieder ein zweigeteiltes Foto. Auf der einen Seite sieht man den Frühstückstisch, wie ihn Hannahs Mutter angerichtet hat. Schokocornflakes. Orangen. Brötchen. Gekochte Eier. Auf der anderen Seite ist derselbe Tisch mit Pommes und Würstchen zu sehen.

„Leo, ich hab zwar keine Ahnung, was dieses Ding hier alles kann, aber ich glaube, wir sollten es herausfinden“, sagt Hannah, schaut durch die Kamera auf den Frühstückstisch und macht ein Foto. BLITZ!

„Hey, wo sind meine Pommes hin?“, schreit Leo. Er reibt sich die Augen. Der Blitz der Kamera hatte den Raum für eine Sekunde grell erleuchtet. „Wie hast du das gemacht?“, fragt Leo. „Ich hab‘ ein Foto vom Tisch gemacht. Mit dem roten Auslöser. Und mir einfach gewünscht, dass hier wieder Ordnung herrscht“, antwortet Hannah. Sie schaut selbst verblüfft. „Hat funktioniert“, sagt sie und grinst.

Sie schwenkt die Kamera herum, während sie ihr offenes Auge am Sucher hat. „Was machst du?“ fragt Leo. „Ich will die anderen Knöpfe ausprobieren“, sagt sie, stoppt abrupt ihre Drehbewegung und zoomt mit der Kamera auf eines der Frühstückseier, die in den Eierbechern auf dem Tisch stehen und wahrscheinlich schon ganz kalt sind. BLITZ!

Plötzlich gackert es. Ein Huhn steht neben Leos Orangensaftglas und blickt ihn verdutzt an. Leo schreit laut und fällt fast von seinem Stuhl, als er vor Schreck ein Stück nach hinten rutscht. Die Henne flattert mit den Flügeln, springt vom Tisch und versteckt sich darunter. Hannah lacht laut. „Du müsstest mal dein Gesicht sehen!“, ruft sie. „Das Ding ist ja megawitzig! Schau, ich hab das Ei fotografiert, den Regenbogenauslöser gedrückt und mir vorgestellt, wie das in ein paar Wochen aussehen könnte!“, erklärt Hannah. Leo schaut ungläubig. „Und das heißt jetzt?“, fragt er. „Ich weiß nicht genau, aber ich glaube, mit der Kamera kann man irgendwie Wünsche erfüllen“, sagt sie. „Und ich glaube, dass es davon abhängt, was man gerade fotografiert und dabei denkt“, meint Hannah. „Schau, dein Ei ist weg. Dafür ist ein Huhn da. Witzig, oder? Ich habe nur den Regenbogenknopf gedrückt.“ Tatsächlich. Leos Ei steht nicht mehr im Eierbecher. Dafür hören beide ein aufgeregtes Gackern. Hannah geht in die Hocke und kriecht mit dem Fotoapparat auf allen Vieren unter den Tisch. BLITZ!

Hannah streckt Leo ein Ei entgegen. „Das gehört dir, oder?“, scherzt sie und lacht. Leo nimmt das Ei, schaut es mit großen Augen an und stellt es wieder in den Becher. „Ich glaube, ich ess‘ nie wieder Eier!“, sagt er etwas angewidert. „Jetzt bist du dran, Leo! Fotografiere etwas und stelle dir etwas Witziges dabei vor!“, fordert Hannah ihn auf. Leo schaut sich in der Küche um. „Ich hab’s“, ruft er und hält sich die Kamera vors Auge. Er steht auf, dreht sich um und nimmt das kunterbunte Gemälde, das hinter ihm an der Wand hängt, in den Fokus. BLITZ!

Das Bild ist weg. „Hä?“, kommt es aus seinem Mund. „Was hab ich jetzt gemacht?“, fragt er Hannah. „Das weiß ich doch nicht. Was hast du dir gewünscht?“ fragt ihn Hannah. „Na, dass dieses komische Bild da auf dem Kopf steht. Deine Mutter hat immer gesagt, das sei moderne Kunst. Seitdem ich es das erste Mal gesehen habe, dachte ich mir, dass die bunten Farbkleckse eigentlich verkehrt herum hängen. Jetzt wollte ich es umdrehen“, erklärt er. „Tja, jetzt ist es weg. Bist du dir sicher, dass du dir das gewünscht hast, und nicht, dass es verschwinden soll, weil es dir nicht gefällt?“, fragt Hannah. „Nein. Ich hab‘ mir genau vorgestellt, wie toll es anders herum aussehen würde und dass es doch bitte umgedreht da hängen soll“, sagt Leo zickig. „Dann versuche ich es eben noch einmal.“ Er dreht sich mit der Kamera um und fotografiert die Lampe, die über dem Küchentisch hängt. BLITZ!

Vom Licht geblendet reibt sich Hannah die Augen. „Hä, warum hast du dir das Gemälde an die Lampe gewünscht?“, fragt sie. An der Küchenleuchte baumelt das Bild, das vor wenigen Augenblicken noch an der Wand hing, hin und her. „Ähm… das hab‘ ich doch gar nicht! Ich hab‘ mir statt dieser modernen Leuchte einen echten Kronleuchter mit Kerzen gewünscht“, erklärt Leo. „Irgendwie funktioniert deine Theorie nicht, Hannah“, sagt er sichtlich enttäuscht und schiebt die Kamera wieder zu Hannah, die mittlerweile auf dem Stuhl neben Leo kniet und sich am Kopf kratzt. „Welchen Auslöser hast du gedrückt?“, fragt sie Leo. „Vielleicht funktionieren ja nicht alle Auslöser gleich“, vermutet sie und schaut sich auf dem Display erneut ein zweigeteiltes Foto an. Auf der linken Seite ist das Gemälde an der Wand zu sehen. In der Mitte ein weißer Strich. Auf der rechten Seite des Bildes sieht man das Gemälde an der Deckenlampe baumeln. Doch da fällt ihr etwas auf, das sie anscheinend bei den vorherigen Bildern nicht beachtet hatte. „Stimmt‘s, es war der blaue Knopf, oder?“, fragt sie Leo. Der blickt noch immer hin und her zwischen der leeren Stelle an der Wand und dem Gemälde, das jetzt schräg über Frühstücksbrötchen und dem Marmeladenglas hängt. „Woher weißt du das?“, fragt er. „Schau!“, ruft sie und hält ihm das Kameradisplay hin. „Wenn ich mir die Fotos anschaue, zeigen alle Bilder, die wir bis jetzt gemacht haben, zwei Sachen. Auf der linken Seite ist das zu erkennen, was wir fotografiert haben. Auf der rechten Seite ist das zu sehen, was die Kamera daraus gemacht hat. Und jetzt kommt’s: Jedes Foto, das hier im Wiedergabemodus gezeigt wird, hat einen ganz dünnen Rahmen in der Farbe des Auslösers, mit dem das Bild geschossen wurde. Lampe: blauer Rahmen. Huhn: regenbogenfarbener Rahmen. Würstchen und Pommes Frites: roter Rahmen. Zerbrochene Vase: Regenbogenrahmen.“ Hannah klickt durch die Bilder, die sie bis jetzt gemacht haben. „Vielleicht hat ja jeder Auslöser auch eine andere Funktion“, vermutet sie erneut.

„Jetzt warte mal kurz“, bittet Leo. „Mir ist das nicht ganz geheuer mit diesem Ding. Da schickt dir so ein Onkel aus der Südsee irgend so eine Kamera, die zaubern oder was weiß ich alles machen kann...“ „Pazifik“, unterbricht ihn Hannah. „Mein Onkel wohnt irgendwo im Pazifik“, wiederholt sie. „Mir doch egal. Jedenfalls kenn‘ ich ihn nicht, du hast mir noch nie irgendetwas von ihm erzählt und der Typ ist anscheinend nicht einmal in der Lage, dem komischen Ding hier eine anständige Gebrauchsanweisung oder Erklärung beizulegen“, nörgelt Leo weiter. Er nimmt nochmal das beinah transparente Schreiben, das im Päckchen lag, und liest sich die Zeilen noch einmal durch: „… Voller Macht, Spaß, Liebe und nicht nur Hilfe in der Not: Blau, gelb, Regenbogen und das Rot. Doch nur Ehrlichkeit, Güte und ein Herz ganz rein, schaltet die Lichtkartuschen ein…“

BLITZ! Leo lässt den Glitzerzettel fallen und schreit: „Mensch! Erschreck‘ mich nicht so!“ Hannah hat die Kamera in der Hand und blickt auf das Gemälde. „Komisch! Ich dachte, es passiert irgendetwas, wenn ich das Bild noch einmal mit einem anderen Auslöser ablichte“, sagt sie und drückt enttäuscht auf den Wiedergabeknopf auf der Rückseite. „Hey, schau mal. Ich glaub‘, ich spinn‘!“, sagt sie. „Die Kamera weiß, wer das Bild gemalt hat. Irre!“, ruft sie und zeigt Leo das Display. Dort steht Folgendes: Malerin: Agnés Amo Licht Jahr: 2012 Acryl auf Leinwand Vorlage: vier verschiedene Werke von Wassily Kandinsky, Expressionist („Komposition VII“, „Komposition VIII“, „Gelb Rot Blau“, „Einige Kreise“)

„Deine Mutter hat diese kunterbunten Kleckse gemalt?“, fragt Leo. „Ja. Aber das wusste ich auch schon vorher, ich war ja dabei, als sie das gemacht hat“, antwortet Hannah. „Aber woher weiß die Kamera das? Ich hab‘ auf den gelben Knopf gedrückt und die Information wurde auf dem Bildschirm angezeigt. Ich denke, weil ich ein Bild von dem Gemälde gemacht hab’‘“, versucht Hannah Leo zu erklären. „Du freust dich also, weil die Kamera weiß, dass deine Mutter das Bild gemacht hat und dabei von diesem Kandinsky abgemalt hat? Verrate mir lieber, wie wir das Bild wieder an die Wand bekommen, bevor deine Mutter zurückkommt?“, murrt Leo. „Warte mal“, antwortet Hannah und dreht sich zum Bilderalbum, das sie geholt hat und das jetzt auf dem Boden liegt. Sie macht ein Foto davon. BLITZ!

Leo blinzelt. Hannah strahlt. „Schau, ich wusste es! Der gelbe Knopf scheint so eine Art Wikipedia zu sein“, sagt sie und zeigt Leo das Display noch einmal. „Wer ist das? Und warum ist nicht das Bilderalbum auf dem Foto zu sehen, sondern dieser komische Typ mit den grauen Haaren und den Falten im Gesicht?“, fragt er. „Das ist Onkel Raito“, antwortet Hannah. „Das ist ein Fotoalbum mit Bildern von ihm, das ich dir eigentlich zeigen wollte, bevor du die Pommes- und Würstcheninvasion gestartet hast. Schau, die Kamera zeigt Bilder, auf denen Raito zu sehen ist. Hier war er noch etwas jünger. Auf dem Bild steht er neben meiner Mama. Hier hat er mich auf dem Arm, als ich noch ein Baby war. Cool! Die Kamera hat Bilder aufgenommen, die auch im Album sind.“ Hannah klickt am Kameradisplay weiter, um Leo Fotos von ihrem Onkel zu zeigen. „Hier steht ja auch was“, wundert sich Leo und liest den Text auf dem Display der Kamera vor:

Name: Raito Bright, Alter: 63 Jahre Bruder: Noah Bright Beruf: Programmierer, Physiker, Medientechniker, Philosoph und Erfinder Geburtsort: Tokyo, Japan Derzeitiger Wohnort: Gelbgrund, Lumeria

„Wo ist denn bitte Lumeria? Ist das in Japan?“, fragt Leo. „Wahrscheinlich“, antwortet Hannah. „Meine Mutter hat mir zumindest irgendwann einmal erzählt, dass Onkel Raito auf irgendeiner Insel im Pazifik lebt. Wahrscheinlich Japan. Ich hab‘ keine Ahnung!“, gesteht sie. „Jedenfalls wurden er und sein Bruder, also mein Paps, damals dort geboren, als ihre Eltern wegen der Arbeit einige Jahre in Japan waren. Sein Geburtsort ist also tatsächlich Tokyo“, erklärt sie. „Später sind meine Oma und mein Opa wieder nach Deutschland gekommen. Meinem Vater hat’s hier gut gefallen. Er hat ja auch meine Mama kennengelernt. Nur Onkel Raito ist immer wieder nach Japan gereist und hat später dort auch einen guten Job bei einem großen Elektronik- und Unterhaltungskonzern bekommen. Dann hatte er fast keine Zeit mehr, uns zu besuchen“, erzählt Hannah.

„Aha. Klingt irgendwie abenteuerlich“, findet Leo. „Und du meinst, dieser Onkel Raito hat dir diese Zauberkamera zum Geburtstag geschenkt?“, fragt er Hannah. „Vielleicht. Sieht zumindest so aus“, antwortet sie. „Keine Ahnung, wie diese Kamera das macht, aber das ist schon irgendwie cool!“ sagt Leo. Er nimmt die Kamera in die Hand, richtet das Objektiv direkt auf sich selbst und… BLITZ!

Während sich Hannah noch ihr Auge, das nicht vom Pflaster bedeckt ist, reibt, beginnt Leo laut vorzulesen, was auf dem Display in gelber Umrahmung zu lesen ist:

Name: Leo Mutebi Alter: 11 Jahre Geschwister: Jacky, Theo, Joseph Beruf: Schüler Geburtsort: Kampala Derzeitiger Wohnort: Großburgklein, Deutschland

„Cool, oder?“, sagt Leo. „Den gelben Knopf kapier‘ ich jetzt. Bei den anderen bin ich mir nicht so sicher. Was machen wir jetzt?“, fragt er. Hannah hat auch keine Antwort, setzt sich wieder hin und nimmt noch einmal den schimmernden Beipackzettel, quasi den Geburtstagsbrief ihres Onkels, in die Hand. Sie hält das Papier ins Licht. Dreht es nach links. Kippt es nach vorne und dreht es nach rechts, als ob der Zettel eine Art Geschicklichkeitsspiel wäre. Nichts zu erkennen, was sie noch nicht gelesen hat. Sie dreht sich zu Leo, während sie das Papier schon fast gedankenverloren nochmal zu sich kippt. „Stopp!“, schreit Leo. „Halt‘ es genau so. Nein, noch etwas zu dir gedreht. Und dann halt‘ es wieder ins Sonnenlicht, das durchs Fenster scheint“, weist Leo aufgeregt an. „Ja! Genau! Stopp! So ist’s perfekt! Da steht was!“, ruft er laut und hektisch zu Hannah, obwohl sie direkt neben ihm sitzt. „Was?“, fragt Hannah, die den Text von ihrer Seite aus nicht erkennen kann. Leo starrt auf das Papier. Er holt tief Luft und beginnt geheimnisvoll zu flüstern: „Ich glaube, das, was du vorgelesen hast, also das auf deiner Seite, ist nur die persönliche Nachricht von deinem Onkel. Das hier auf der Rückseite ist die Bedienungsanleitung von Ollopa2!“

Hannah Halblicht

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