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Das Hauptbad

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– ein Relikt von vorgestern

Mein Vater, Alfred Rogal, hat über vierzig Jahre im Bäderamt als Installateur gearbeitet. Ich genoss dadurch freien Eintritt in sämtliche Essener Schwimmbäder – und das waren nicht wenige. In den siebziger Jahren veröffentliche das Bäderamt die Broschüre ‚In Essen ist immer ein Bad im Bau’, vielleicht um bei der beachtlichen Zahl von Frei- und Hallenbädern nicht den Überblick zu verlieren. Meinen Freischwimmer absolvierte ich bereits mit sieben Jahren im Krayer Hallenbad bei der Schwimmmeisterin Waltraud Weiß, bei der wahrscheinlich tausende Essener Kinder schwimmen gelernt haben. Sonntags morgens nahm mein Vater mich oft mit nach Kray. Wunderschön war es, dass ich noch vor Öffnung des Bades in das „unberührte“ Wasser eintauchen durfte. Das Krayer Bad gefiel mit sehr gut, war es doch „mein“ Schwimmbad, in dem ich vor und hinter den Kulissen jeden kannte. 1976 wechselte mein Vater ins Hauptbad. Eingezwängt zwischen andere Gebäude lag es vor einem Innenhof, in den kaum ein Lichtstrahl drang. Werkstatt und Maschinenräume hatten keinerlei Tageslicht. Kesselhäuser, Magazine, Umkleiden für die Arbeiter reihten sich an mir endlos erscheinenden dunklen Gängen auf. Verglichen mit dem Krayer Bad wirkte das alles abstoßend auf mich. Eines Tages zeigte mir mein Vater den Tiefkeller. Hinter einer Tür, die mir bisher noch gar nicht aufgefallen war, ging es über eine steile Treppe in eine mir mittelalterlich anmutende schwarze Katakombe, die noch weit unterhalb der eigentlichen „Unterwelt“ dieses Bades lag. Das war, auch wenn es für mich so aussah, keine Vorstufe zur Hölle, sondern der alte Maschinenraum aus dem Jahr 1882, in dem mit gigantischen schwarzen Öfen das Badewasser noch über Kohlenfeuerung erwärmt wurde. So etwas hatte ich weder zuvor noch habe ich es danach je wieder gesehen und es machte mir dieses Schwimmbad nicht sympathischer. Das Hauptbad wirkte schon vor vierzig Jahren altmodisch auf mich. Der Abriss war längst überfällig.

(aus: WAZ, 19. Januar 2016; in: Christina Wandt: Von Milchbar bis Kohlenkeller – Erinnerungen an das Hauptbad)

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