Читать книгу Heimat-Heidi 32 – Heimatroman - Stefanie Valentin - Страница 3

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»Christl?«

»Ja, Vater…?« Ein auffallend hübsches Mädchen betrat die Stube des Tannenhofs.

»Hat der Toni dich erreicht?« Der Tannhofer-Max sah seine zweitälteste Tochter fragend an.

Christl Wagaer schüttelte den Kopf. »Nein. Hat er angerufen?«

»Vor einer Stund’ etwa«, antwortete ihr Vater.

»Und was hat er wollen…?«

Der Tannhofer-Max lachte kurz auf. »Du hast vielleicht einen sonnigen Humor. Als wenn das ein junger Bursch dem Vater des Madels aufbinden würd’, dem er hinterhersteigt.«

Christl tat erstaunt. »Wie kommst denn darauf, daß der Toni mir nachsteigt?«

»Jetzt ist’s aber gut«, erwiderte ihr Vater. »Alle Augenblick ruft

er an, will dich sprechen und du tust dann auch immer ganz beflissen.«

»Ich tu’ beflissen?« Christls Stimme klang erstaunt. »Also, das wüßt’ ich aber.«

»Und was war, als der Toni kam und ein Madel brauchte, das ihm aushilfsweis’ beim Almausschank zur Hand geht?« Ihr Vater lächelte sie vielsagend an. »Und als er vor einem Monat etwa zur Kirchweih ins Unterallgäu wollt’, wer ist da mitgefahren?«

»Das… das hat nix zu bedeuten«, erwiderte Christl. »Einmal hab’ ich ihm lediglich einen Gefallen getan, und beim anderen Mal war mir halt nach feiern. Da bin ich net ihm zum Gefallen mitgefahren, sondern mir zum Gefallen.«

»Na ja«, brummelte der Max, »dann glaub du mal weiterhin an den Weihnachtsmann, jedenfalls hab’ ich dir ausgerichtet, daß der Toni angerufen hat und dir ausrichten läßt, daß du ihn zurückrufen sollst.«

»Ja«, erwiderte Christl, »das hast ausgerichtet, dank’ schön.«

»Du brauchst dich net weiter zu bedanken«, erwiderte ihr Vater, »aber dem Toni kannst was ausrichten.«

»Was denn…?«

»Daß am Sonnabend aus Vorderstein einige Burschen zu ihm kommen wollen «, antwortete der Max. »Und die, die kommen, meinen es net gut.«

»Was heißt das?« Christl sah ihren Vater erschrocken an.

»Daß der Weiner-Lenz mit ein paar Burschen hinauf auf die Alm vom Toni will«, antwortete der, »um ihm und seinem Almausschank einen Besuch abzustatten. Und der Besuch ist kein freundlicher, falls er das net weiß.«

»Was will der Lenz denn vom Toni?« Christl sah ihren Vater ein wenig ängstlich an.

»Das weiß ich net«, antwortete der. »Ich weiß nur, daß mit dem Lenz net gut Kirschen essen ist. Und wenn der mit einer Handvoll Burschen einem anderen einen Besuch abstatten will und herumtönt, daß es blaue Augen geben würd’, dann wird er net in freundlicher Absicht kommen.«

Christl wirkte einen Augenblick nachdenklich. Dann atmete sie tief durch und sagte, daß sie den Toni gleich anrufen würde.

Der Tannhofer-Max hatte drei Töchter, von denen eine hübscher als die andere war, aber unterschiedlich im Temperament. Die Moni war mit siebenundzwanzig die Älteste, dann kam die Christl, sie war vierundzwanzig, das Nesthäkchen war die Lissi, sie war zwanzig.

Die Mutter der Mädchen war vor neun Jahren an einer schweren Krankheit gestorben, aber trotz aller Gerüchte hatte der Tannhofer sich keine Frau mehr genommen.

Die Moni hatte den Haushalt übernommen, wobei sie von ihren beiden Schwestern, je nach Arbeitsaufkommen, unterstützt wur­de. Christl hatte im Bergerhof Servieren gelernt und hatte lange in einem der Vorderegger-Betriebe in Balding gearbeitet. Die Lissi hatte im vergangenen Jahr Abitur gemacht und wollte unbedingt Jura studieren, was ihrem Vater aber nicht recht schmeckte.

»Ich geh’ mal rasch anrufen«, sagte Christl, die es plötzlich eilig zu haben schien.

Als sie nach wenigen Minuten zurückkam, sah ihr Vater sie fragend an.

»Der Toni war net zu Haus«, sagte sie, »ich… ich wollt’ eh zur Bergerhof-Heidi und da kann ich gleich weiter zu ihm gehen. Vielleicht treff’ ich ihn ja sonstwo.«

»Dann sorgst dich also doch um den Toni?« Max ließ seine Tochter nicht aus denAugen.

Die wand sich ein wenig, bekam rote Ohren und vermied es, ihrem Vater eine Antwort zu geben.

»Willst wieder im Bergerhof aushelfen?« fragte der, wobei er das Thema wechselte.

Christl nickte. »Ja, zuerst hat die Resi vier Wochen Urlaub und anschließend geht die Gerti in Urlaub. Zwei Monat’ soll ich mindestens bleiben.«

»Bestell den Bergerhofschen schöne Grüße und sag, daß ich bald kommen würd’, um nach dem Herd zu sehen.«

»Ich werd’s ausrichten«, sagte Christl. Kurz darauf verabschiedete sie sich und ihr Vater ging in die Küche, wo Monika das Mittag­essen vorbereitete.

»Die Christl ist zum Essen heut’ net da«, sagte er.

»Das ist wurscht«, erwiderte seine älteste Tochter, »es gibt eh Eintopf. Was net gegessen wird, wird eingefroren und kommt einen anderen Tag auf den Tisch.«

Die Moni hatte die Haare zu einem Knoten aufgesteckt, war schlank und groß und wirkte, da sie kaum mal lachte, eher ernst und man konnte sie schon mal für älter halten als sie tatsächlich war.

Ihr Vater sorgte sich ein wenig um sie, denn Moni zeigte keinerlei Interesse, wenn ein Bursch sich um sie zu bemühte, was öfter der Fall gewesen war, doch inzwischen schon länger nicht mehr.

Dabei hatte der Tannhofer seiner Frau auf dem Sterbebett versprechen müssen, daß alle Töchter unter die Haube kamen, wobei die Tannhoferin betont hatte, daß die Töchter dem Alter entsprechend heiraten sollten.

»Max«, hatte seine Frau gesagt, »du mußt wirklich darauf achten, net daß nachher die Moni sitzen bleibt.« Als ob sie geahnt hätte, daß gerade ihre Älteste sich im Umgang mit Männer schwer tue.

*

»Du, in die alte Gaststub’ ist eben der Weiner-Lenz eingezogen«, sagte Heidi, als sie in die Küche kam, wo ihre Schwiegermutter dabei war, Salat zu putzen.

»Eingezogen?« fragte die, »was meinst denn mit eingezogen?«

»Na, er ist mit drei Spezln erschienen«, antwortete Heidi, »und hat derart großspurig getan, daß am Nachbartisch gleich zwei Burschen aufgestanden und gegangen sind. Jetzt hockt er wie ein König da und führt das große Wort.«

»Dann will er Ärger«, sagte Luise, während sie sich die Hände an einem Handtuch abwischte.

»Willst du hingehen?« Heidi sah ihre Schwiegermutter entsetzt an.

Die nickte. »Sicher will ich das. Oder meinst du, ich würd’ uns die Gaststube demolieren lassen? Da sind Sachen drin, die sind net zu ersetzen.«

»Jetzt bleib mal ganz ruhig«, erwiderte Heidi, »in der kleinen Gaststub’ sitzen ein paar Burschen, mit denen werd’ ich mal reden. Vielleicht sind die zu bewegen, in die alte Gaststub’ zu gehen, solang’ der Lenz und seine Spezl da sind.«

»Welche Burschen sind denn in der kleinen Gaststub’?« wollte Luise wissen.

»Der Karner-Hans und der Berner-Michl«, antwortete Heidi.

»Wer ist denn der Berner-Michl?« fragte Luise.

Heidi lächelte. »Daß du grad’ den net kennst…?«

»Was heißt das…?«

»Na, sein Großvater ist der beste Freund deines Mannes gewesen.«

Luise starrte Heidi einen langen Augenblick ungläubig an.

»Du meinst doch net etwa den Enkel vom Gustl?« fragte sie dann.

»Doch«, Heidi nickte, »genau den mein’ ich…!«

»Wo kommt der Bub denn her?« murmelte Luise »Ich denk’, der lebt mit seiner Mutter in Lindau am Bodensee.«

»Das hab’ ich ihn auch gefragt«, sagte Heidi.

»Und…?«

»Er studiert inzwischen in München.«

»Herrschaftseiten«, murmelte Luise mit verträumtem Blick. »Das kann ich gar net glauben. Ich seh’ den Bub noch vor mir, wie er dagesessen ist. Klein und ängstlich hat er dreingeschaut, als sein Großvater damals beigesetzt worden ist.«

»Oje, Luise«, erwiderte Heidi, »das ist lang’ her. Geh mal hin­über und schau dir den Michl an, du wirst staunen.«

»Wieso?«

»Geh hin und schau ihn dir an«, sagte Heidi. »Und wenn du schon mal da bist, dann kannst den beiden stecken, daß sie vielleicht in die alte Gaststub’ wechseln.«

Luise war schon auf dem Weg nach draußen, als sie noch mal stehen blieb.

»Und du meinst, daß der Berner-Michl der Richtige ist, um den Wiener-Lenz aufzuhalten?« Luises Blick verriet, daß sie daran nicht glaubte.

Doch Heidi lächelte. »Geh hinüber und schau ihn dir an. Dann kannst selbst urteilen.«

Luise ließ sich nicht lange bitten und ging. Als sie die kleine Gaststube, sie lag im Anbau des Bergerhofs, betrat, mußte sie nicht lange suchen, sondern steuerte gleich einen Tisch an, an dem zwei junge Burschen saßen und sich köstlich zu amüsieren schienen.

»Du bist der Berner-Michl«, sagte sie, ohne weitere Vorrede, »du siehst deinem Großvater Gustl derart ähnlich, da muß man net lange ratschlagen.«

Der junge Bursche lächelte, stand auf und gab Luise die Hand.

»Wenn du das so genau siehst«, sagte er, »dann bist du sicher die Bergerhof-Luise.«

»Herrschaftseiten, Bub«, murmelte die Seniorchefin des Bergerhofs, »wenn du wüßtest, wie sehr du mich an deinen Großvater erinnerst. Wenn der dich jetzt da sehen könnt’. Die Heidi hat gesagt, du würdest studieren?«

»Ich hab’ schon studiert«, antwortete Michl Berner.

»Da schau’ her«, murmelte Luise, »und was bist jetzt?«

»Ich bin Referendar«, antwortete der junge Bursche.

Im gleichen Moment hörte Luise aus dem Bereich der Theke eine laute Männerstimme und sie erinnerte sich daran, um was Heidi sie gebeten hatte.

Sie erklärte rasch um was es ging und fragte dann: »Meint ihr zwei, ihr könntet mal hinüber in die alte Gaststube gehen? Vielleicht läßt sich der Wiener-Lenz von euch ja ein bisserl einschüchtern?«

Bevor Michl noch einen Ton hätte sagen können, war Hans Karner schon aufgestanden.

»Der Weiner-Lenz ist drüben?« fragte er, wobei er gar nicht freundlich dreinschaute.

Luise nickte. »Ja, er hockt da und tönt herum, wie er es immer tut, wenn er was im Schilde führt.«

Hans Karner grinste Michl an. »Du kannst ruhig da bei der Luise bleiben. Ich erledig’ das drüben schon allein.«

»Das geht net«, rief Luise hinter ihm her. »Der Lenz ist net

allein’, einige Spezln sind bei ihm.«

Doch Hans Karner hatte die Gaststube schon verlassen, durchquerte den Thekenbereich und betrat dann die alte Gaststube. Dort saß Lenz mit drei seiner Spezln am Tisch und führte das große Wort. Die anderen Gäste hatten die alte Gaststube inzwischen verlassen.

Als Lenz mitbekam, wer die Gaststube betreten hatte, zuckte er zusammen. Doch da Hans offensichtlich alleine war, dauerte sein Erschrecken nur wenige Momente, dann breitete sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus.

»Der Herr Karner«, sagte er, wobei er jedes Wort bedächtig aussprach, »wagst dich wieder mal unter die Menschen? Was willst du denn da im Bergerhof? Sonst kommst doch kaum heraus aus deinem Bau.«

»Ich hab’ geahnt, daß ich dich hier treff’«, erwiderte Hans, auf dessen Gesicht ein amüsiertes Lächeln Platz gefunden hatte.

»Und ich wollt’ mir eine Begegnung mit dir einfach net entgehen lassen. Schließlich ist’s dir ja lange Zeit gelungen, mir aus dem Weg zu gehen.«

Das Grinsen in Lenz Weiners Mimik erstarrte. Er stemmte die Hände auf die Tischplatte, so wie man es tut, wenn man aufstehen will.

Doch gerade als er das tun wollte, wurde die Tür geöffnet und Michl Berner kam herein. Er lächelte in die Runde, durchquerte die alte Gaststube und stellte sich demonstrativ neben Hans Karner. Während er mit einer Kopfbewegung in Richtung von Lenz Weiner und seinen Spezln zeigte, sah er Hans fragend an.

»Was ist mit denen?« wollte er schließlich wissen.

»Kennst du den Weiner-Lenz?« erwiderte Hans.

Michl schüttelte den Kopf. »Sollt’ ich den kennen?«

Hans tat so als überlege er, dann winkte er ab. »Wenn ich’s mir recht überleg’, dann brauchst gar net zu wissen, wer er ist.«

»Dann geh’ ich wieder hinüber und wart’ auf dich«, sagte Michl, »aber laß mich net zu lang’ warten. Net daß es mir langweilig wird.« Dann grinste er. »Oder soll ich lieber hierbleiben?«

Hans schüttelte den Kopf. »Nein, brauchst du net. Die Burschen wollen eh gehen.«

Daraufhin sahen Lenz Weiners Spezln ihren Anführer an. Sie erwarteten von ihm, daß er reagierte. Doch der schien plötzlich völlig verunsichert zu sein. Er vermied es, Hans oder Michl anzusehen und stand plötzlich auf.

»Willst du gehen?« fragte Hans.

»Und wenn ich’s will?« erwiderte Lenz.

»Dann vergiß das Zahlen net«, sagte Hans.

Lenz nestelte einen Geldschein aus der Jackentasche, ließ ihn auf die Tischplatte fallen und wirkte unentschlossen.

»Wolltest du net gehen?« fragte Hans. »Gezahlt hast ja nun, jetzt steht deinem Gehen nix mehr im Weg.«

Wie in Zeitlupe bewegte sich Lenz daraufhin hinter dem Tisch hervor. Seine Spezln starrten ihn an und schienen nicht glauben zu können, was sie sahen. Ihr Lenz, den sie wegen seines Auftretens bewunderten, kniff, ohne daß wer auch nur einen Finger gerührt hatte.

»Ihr dürft auch gehen«, sagte Hans Karner, wobei er ganz ruhig, ja fast gütig wirkte.

Da standen auch Lenz’ Spezln auf und gemeinsam verließen sie die alte Gaststube des Bergerhofs. Als die Tür hinter ihnen ins Schloß fiel, grinsten sich Hans Karner und Michl Berner an.

»Wofür war das jetzt gut?« fragte der.

»Der Weiner-Lenz ist einer der übelsten Schläger der Gegend«, antwortete Hans. »Wenn es dem einfällt, dann nimmt der eine Gaststube binnen weniger Minuten auseinander.«

»Und du meinst, das hätt’ er vorgehabt…?«

Hans schüttelte den Kopf. »Das glaub’ ich eher net. So wie er heut’ hier aufgetreten ist, wollt’ er sich Mut machen.«

»Was heißt das…?«

»Daß er was vorhat«, antwortete Hans.

Dann wurde die Tür der Gaststube geöffnet, und Luise steckte den Kopf herein. »Sind sie weg?«

Hans nickte und zeigte auf den Geldschein auf dem Tisch. »Gezahlt hat der Lenz auch.«

»Aber er hatt’ doch schon gezahlt«, murmelte Luise. »Was soll das denn heißen?«

»Daß sie es eilig hatten, davon zu kommen«, erwiderte Michl Berner.

»Einen Moment bitt’ schön«, sagte Luise, »grad’ eben ist die Christl vom Tannhofer-Hof gekommen. Sie hat was Interessantes zu berichten.«

Hans und Michl sahen das hübsche Mädchen aufmerksam an, als es die alte Gaststube betrat.

»Servus…!« Hans lächelte freundlich. »Was gibt’s denn?«

»Der… der Vater hat gesagt«, antwortete Christl, »daß er letztens mitbekommen hat, daß der Weiner-Lenz dem Schall-Toni droben auf der Alm im Almausschank einen Besuch abstatten will.«

»Aha«, Hans nickte, »und ich irr’ mich net, wenn feststeht, daß der Besuch net freundlich sein wird, oder?«

Christl nickte. »So ist es.«

»Weißt du auch, wann der Besuch stattfinden soll?« Hans sah Christl fragend an.

Die nickte noch mal. »Ja, morgen, am Sonnabend. Aber wann morgen, das weiß ich net.«

Da drehte Hans den Kopf und sah Michl an. »Den Schall-Toni kennst du doch, oder?«

»Sicher kenn’ ich den Toni«, antwortete der junge Bursch. »Wer kennt da den Toni nicht?«

»Du willst doch wieder mehr Kontakt hierher haben, wenn ich dich richtig verstanden hab’, oder?« fragte Hans.

Michl nickte. »Ja.«

»Dann könntest dich mit einem kleinen Beistand gut einfügen«, sagte Hans.

»Du meinst, ich sollt’ mit dir auf die Alm gehen und dem Toni beistehen?« Ein Lächeln, das zeigte, wie sehr ihn der Gedanke amüsierte, umspielte seine Mundwinkel.

Hans Karner nickte. »Ja, so ähnlich zumindest.«

»Ich bin dabei«, erwiderte Michl. »Ich schätz’ mal, daß es eine Mordsgaudi geben wird.«

Hans grinste übers ganze Gesicht. »Davon kannst getrost ausgehen…!«

*

»Servus, Toni.« Christl strahlte den überraschten Burschen überaus freundlich an. Daß sie ihn mochte, sah man auf den ersten Blick.

»Hallo…!« Toni wischte sich die Hände an der krachledernen Hose ab.

»Wunderst dich gar net, daß ich herauf zu dir komm’?« wollte Christl wissen.

»Schon«, antwortete Toni. »Aber… also, ich hatt’ angerufen bei euch, aber du warst net da. Ich hab’ eher damit gerechnet, daß du zurückrufst.«

»Das hab’ ich auch versucht«, erwiderte Christl, »Aber es ist wieder mal was mit deinem Telefon net in Ordnung.«

Toni nickte. »Ich weiß, ich werd’ mir ein neues holen müssen. Das alte funktioniert nimmer zuverlässig.«

»Da bin ich halt heraufgekommen«, sagte Christl.

»So spät noch…?« Toni sah gegen den Himmel. »In einer Stund’ ist’s schon arg dämmerig. Ich werd’ dich nachher nach Haus’ bringen müssen.«

»Das ist net nötig«, erwiderte Christl. »Ich will dir nur was sagen, dann bin ich schon wieder weg.«

»Du bist gekommen, um mir was zu sagen?« Toni zeigte auf die Bank vor der Hütte. »Setz dich, magst was trinken?«

Christl schüttelte den Kopf. »Jetzt net, danke.«

»Was willst mir denn sagen?«

»Daß der Weiner-Lenz morgen mit ein paar Spezln herauf zu dir kommen will«, antwortete Christl. »Der Vati hat zufällig gehört, wie’s der Lenz herumgetönt hat.«

»Da schau her, der Lenz…!«

Christl nickte. »Ja, und daß es kein freundlicher Besuch sein wird, steht auch fest, weil der Lenz gesagt hat, es würd’ blaue Augen geben.«

Toni nickte. »Aha. Dann weiß ich ja, auf was ich mich einzurichten hab’.«

»Du… du wirst dich allein gegen die Burschen net zur Wehr setzen können«, erwiderte Christl.

Toni zuckte mit den Schultern. »Es bleibt mir möglicherweise nix anderes übrig.« Dann grinste er. »Aber mit dem Lenz werd’ ich schon fertig werden.«

»Jetzt ist’s aber gut«, erwiderte Christl. »Nimm das net auf die leichte Schulter. Deswegen bin ich net heraufgekommen.«

Toni grinste. »Weswegen bist denn heraufgekommen?« Er wollte mit einer spielerischen Bewegung nach Christl greifen.

Doch sie wich ihm aus und runzelte die Stirn. »Toni Schall. Ich hab’ den weiten Weg herauf net gemacht, um net ernst genommen zu werden.«

»Was soll ich denn machen?« fragte Toni. »Ich weiß, daß der Lenz kommt und irgendwas von mir will, na und? Das ist nix Neues. Der will ständig was von irgendwem. Diesmal halt von mir. Ich kann’s net ändern.«

»Und wenn er dich übel zurichtet?« fragte Christl, »was dann?«

»Dann passiert’s eben«, antwortete Toni. »Ich kann net ständig wen bitten, bei mir hier oben zu sein. Da muß der Lenz nur aufpassen, bis ich mal allein bin. Wenn er dann mit seinen Spezln kommt, werd’ ich eine ordentliche Tracht bekommen, für die vielen Male mit, wo’s net geklappt hat.«

»Du willst dich also net bemühen, daß dir morgen jemand beisteht…?« Christls Augen blitzten.

Toni schüttelte den Kopf. »Das kommt net in Frage…!«

»Dann… dann kann ich dir auch net helfen…!« Christl hatte Tränen in den Augen. Sie drehte sich auf dem Absatz um und ging mit ausholenden Schritten die Alm hinunter, wobei sie sich nicht einmal umsah.

*

»Das wär’ ein bisserl arg zeitig für den Lenz«, murmelte Toni, als er am nächsten Morgen zeitig in der Früh zwei Gestalten auf dem ausgetretenen Pfad über die Alm kommen sah.

Es war kurz nach acht Uhr in der Früh und Toni blieb vor der zum Almausschank umgebauten ehemaligen Almhütte stehen, bis er wußte, wer ihn da besuchen kam.

»Da schau her«, murmelte er, »der Karner-Hans. Der ist aber lang’ net dagewesen.«

Wer mit dem Karner-Hans die Alm heraufkam, wußte er nicht. Auch als die beiden bei ihm waren, hatte er keine Ahnung, wen Hans mitgebracht hatte.

»Kennst ihn nimmer?« fragte der, während er breit grinste.

Toni schüttelte den Kopf. »Net daß ich wüßt’.«

»Du bist mit ihm im gleichen Klassenzimmer gesessen«, sagte Hans. »In der Grundschul’. Zwar net in der gleichen Klass’, aber damals waren in der Grundschul’ ja noch vier Klassen zusammen.«

»Wir zwei…?« Toni zeigte zuerst auf Michl Berner, dann auf sich. »Wir sollen in der Grundschul’ gewesen sein? Wie alt bist denn du?«

»Neunundzwanzig«, antwortete Michl, »im übernächsten Monat mach’ ich die Dreißig voll.«

Plötzlich entspannte sich Tonis Gesicht und er grinste. »Jetzt weiß ich, wer du bist, der Schuster-Ferdl. Der ist damals mit seiner Familie ins Werdenfelsische gezogen und…!«

»Nix da«, erwiderte Toni, »jetzt wird’s allmählich peinlich. Als ich ihm gestern erklärt hab’, worum es heut’ ging, da hat er net lang’ gefragt, sondern ist gleich mitgekommen.«

»Wie, worum es geht?« Verständnislos sah Toni seine beiden Besucher an.

»Hat dir die Christl nix gesagt?« fragte Hans.

Toni schüttelte den Kopf. »Sie war zwar da und hat mir erzählt, daß der Weiner-Lenz mir einen Besuch abstatten will, aber von euch hat sie nix gesagt. Und daß er mitkommt, mit dem ich in

einem Klassenzimmer gesessen bin, den ich aber net wiedererkenn’, das hat sie mir auch net gesagt.«

»Ganz vorn ist er gesessen«, sagte Hans, »ein bisserl spillerig ist der damals gewesen.«

»Michl?« fragte der Toni daraufhin. »Bist du am End’ der Berner-Michl?«

»Endlich«, murmelte Hans Karner, »es ist jetzt wirklich schon peinlich gewesen.«

»Ja, Herrschaftseiten«, erwiderte Toni, »wie soll ich den Michl denn erkennen? Damals ist er ein Bürscherl gewesen und heut’? Bei allem was recht ist, Bürscherl ist er bestimmt keiner mehr.«

Dann gab Toni Michl Berner die Hand, daß beide sich ehrlich freuten, stand außer Frage.

»Was treibt dich denn hierher zurück?« wollte Toni wissen. »Wohnst du inzwischen net in Lindau?«

Michl nickte. »Eigentlich schon, ja. Aber ich bin jetzt für ein Jahr ans Amtsgericht in Kempten versetzt und da hab’ ich gemeint, ich schau’ mich da mal um, wo meine Familie früher einmal daheim gewesen ist.«

»Was machst denn du am Amtsgericht?« wollte Toni wissen.

»Er ist Rechtsreferendar«, sagte Hans Karner. »Wenn wir dem Weiner-Lenz den Hintern versohlt haben, dann kann er ihn am Montag gleich aburteilen.«

»Du bist Jurist?« Ein wenig ungläubig sah Toni seinen ehemaligen Schulkameraden an.

Der nickte. »Ja, das erste Staatsexamen hab’ ich. Jetzt mach’ ich meine Referendarzeit und dann werd’ ich wohl die Laufbahn eines Anwalts einschlagen.«

»Da schau her…!«

Dann wechselte Toni das Thema. »Was habts ihr denn mit dem Weiner-Lenz zu tun?«

»Wir möchten dabei sein, wenn er kommt und dir blaue Augen verpassen will«, antwortete Hans.

»Den Lenz schaff’ ich allein«, erwiderte Toni, »es ist nett, daß ihr mir helfen wollt, aber für einen Weiner-Lenz reicht, was ich an Dampf in den Fäusten hab’.«

Hans nickte. »Das glaub’ ich dir. Aber der Michl und ich werden darauf achten, daß nur der Lenz derjenige ist, der dir blaue Augen verpassen will. Wir werden dir lediglich seine Spezl vom Leib halten. Das heißt, wenn es recht ist.«

Toni grinste übers ganze Gesicht. »Dagegen ist nix zu sagen.«

Dann sah er auf die Uhr. »Es kann lang’ dauern, bis der Lenz und seine Spezl kommen…!«

»Um so schöner«, erwiderte Michl, »dann können wir uns inzwischen ein bisserl amüsieren.«

Da winkte der Karner-Hans ab. »Alles Amüsement ist nix gegen das, wenn der Toni nachher dem Weiner-Lenz ein bisserl Anstand beibringt.«

*

»Habts ihr mich verstanden?« Der Weiner-Lenz starrte seine Spezl zornig an. »Ich hab’ keine Lust alles dreimal zu sagen, nur weil ihr blöd seid.«

»Was gibt’s denn da viel zu verstehen?« fragte ein spindeldürrer Bursch. »Wir gehen hinauf in seinen Ausschank, setzen uns irgendwohin, warten, bis niemand mehr da ist und hauen dem Toni eine rein.«

»Net wir hauen ihm eine rein«, entgegnete Lenz mit ärgerlichem Unterton in der Stimme, »sondern ich hau’ ihm eine rein. Hast mich verstanden?«

»Ist ja schon gut«, wehrte der Spindeldürre mit einer wegwerfenden Handbewegung ab.

»Ich mag so was net«, erwiderte Lenz und seiner Stimme war anzuhören, wie zornig er war.

Dann herrschte Ruhe. Außer Lenz waren noch drei seiner Spezln bei ihm, sozusagen der harte Kern seiner Gang.

»Wann willst denn gehen?« fragte schließlich einer. »Nix tun und nur blöd herumsitzen ist net meine Sach’.«

Lenz hätte gern erwidert, daß er bestimme, was wessen Sache sei, doch er wußte, daß er nicht übertreiben durfte. Deshalb beauftragte er einen, er solle einige Karton Bier holen.

»Aber Dosen«, sagte er, »wenn die leer sind, können wir sie wegwerfen. Wir fahren dann bis zum Bergerhof, stellen da den Wagen ab und gehen den Serpentinensteig hinauf.«

»Du willst net ganz hinauffahren?« maulte einer.

»Nein, will ich net«, erwiderte Lenz.

»Und warum net?«

»Weil ich es net will«, schrie Lenz, der sich plötzlich nicht mehr in der Gewalt hatte. »Ich hab’ keine Lust, alle Augenblick Erklärungen abzugeben. Entweder du machst, was ich anschaff’, oder du kannst verschwinden. Dann aber plötzlich…!«

Lenz starrte den jungen Burschen zornig an, bis der schließlich mit den Schultern zuckte, was ausdrücken sollte, daß er sich Lenz’ Vorherrschaft unterwarf.

»Ich geb’ nachher einen aus«, sagte der, wobei er breit grinste. »Wenn wir von der Alm kommen, gehen wir in den Bergerhof.«

»Und wenn der Karner-Hans und der andere wieder da sind?« wollte einer wissen.

»Dann mischen wir sie auf«, erwiderte Lenz, wobei seine Augen plötzlich zu schmalen Schlitzen zusammengezogen waren.

Eine halbe Stunde später waren sie unterwegs. Der das Bier holen sollte, hatte vorgeschlagen, es im Bergerhof zu holen.

»Wenn wir uns zuerst auf ein Bier in die Gaststube hocken«, sagte er, »dann erfahren wir auch, ob schon wer hinauf zum Ausschank ist…!«

Lenz überlegte einen Moment, dann nickte er. »Gar keine üble Idee. Wir kehren erst im Bergerhof ein. Da erfahren wir einiges, was interessant ist. Zum Beispiel, wer der andere Bursche war. Ich hab’ ihn da jedenfalls noch nie gesehen.«

»Irgendwie kam er mir bekannt vor«, sagte der Spindeldürre, »aber ich hab’ keine Ahnung woher…!«

»Es ist mir wurscht, wer er ist«, erwiderte Lenz, »ich hab’ deshalb nix unternommen, weil ich unsere Sach’ heut’ net gefährden wollt’. Wenn mir der Kerl noch mal begegnet, gleich wo, dann erlebt er sein blaues Wunder.«

Dieses Reden gefiel seinen Spezln, das sah man ihnen deutlich an. Sie grinsten und standen auf, was bedeutete, daß sie aufbrechen wollten.

Die Fahrt zum Bergerhof verlief weitgehend ruhig, erst als sie den Wagen auf dem Parkplatz abstellten, begannen sie wieder herumzutönen.

»Der Toni kann sich schon mal ein Krankenhaus aussuchen«, sagte der Jüngste der Spezln.

Lenz griff nach dessen Jackenkragen und zog ihn zu sich heran.

»Du mußt net jeden Tag beweisen, wie blöd du bist«, zischte er ihn an. »Hier brauch nur wer zu hören, was du sagst und zwei und zwei zusammenzählen, dann ruft der beim Toni an und der verbarrikadiert sich oder ruft einige seiner Spezl zusammen. Dann kriegen wir alle eine rein und stehen außerdem auch noch dumm da.«

Der Angesprochene wand sich, und nickte schließlich. »Ist ja schon gut, du hast ja recht.«

Im Bergerhof war man inzwischen schon auf den Lenz und seine Burschen aufmerksam geworden.

»Da schau«, sagte Luise, während sie mit einer Kopfbewegung aus dem Fenster zeigte, »der Weiner ist schon wieder da.«

»Wir haben ein Gasthaus«, erwiderte Heidi, »wir können ihn net ausschließen. Wenn er sich anständig benimmt, dann müssen wir ihn ertragen.«

Christl hatte an jenem Tag ihren Aushilfsdienst im Bergerhof angetreten. Als sie den Lenz und seine Spezln aus dem Wagen steigen sah, ging sie gleich in die Küche zu Luise und Heidi.

»Die gehen von da weg hinauf zum Toni«, sagte sie, wobei sie ängstlich dreinsah.

»Jetzt bleib ganz ruhig«, erwiderte Heidi. »Der Weiner-Lenz ist mißtrauisch wie selten einer und wenn er was spannt, dann bläst er seinen Besuch beim Toni ab.«

»Das wär’ doch gut«, entgegnete Christl.

»Ja«, Heidi nickte, »aber nur solang’, bis er wieder hinaufgeht und dann hat der Toni niemanden, der ihm beisteht. Wenn der Lenz Widerstand spürt, dann gibt er rasch auf. Er kann sich seines Ansehens wegen bei seinen Spezln keine dauernden Niederlagen leisten.«

»Dann soll ich ganz freundlich sein und so tun, als ob gar nix wär’?« Christl schien es nicht fassen zu können.

Doch Heidi nickte. »Genauso tust es. Und wenn du es net kannst, dann bleibst weg von ihnen.«

»Nein, nein«, sagte Christl, »das geht schon…!«

»Und daß du dich net verplapperst und sagst, daß der Hans und der Michl schon droben beim Toni sind«, mahnte Heidi.

»Ist schon klar«, erwiderte Christl, dann verließ sie die Küche und ging in die alte Gaststube, wo der Lenz mit seinen Spezln saß.

»Die Tannhofer-Christl«, sagte der, »da schau her. Bist wieder im Bergerhof beschäftigt?«

»Nur aushilfsweis«, antwortete das hübsche Mädchen, »solang’ die Resi und die Gerti in Urlaub sind.«

»Wir hätten gern jeder ein Bier«, sagte Lenz, »und dann für jeden noch drei Dosen als Wegzehrung.«

»Wo wollt ihr denn hin?« wollte Christl wissen.

»Auf die Alm«, antwortete Lenz, »ist heut’ schon wer hinauf?«

Christl schüttelte den Kopf. »Bisher noch net. Aber es ist auch noch ein bisserl zu früh im Jahr, daß viele Leute auf die Almen gehen.«

Der Lenz nickte zufrieden. Er und seine Spezln tranken ihr Bier aus, Lenz zahlte alles und gab sogar ein reichlich bemessenes Trinkgeld, dann grinste er und zog mit seinen Spezln ab.

*

Lissi war die jüngste der Tannhofer-Töchter. Sie war auch die kesseste und vielleicht, aber das mag am Betrachter liegen, um winzige Nuancen auch die hübscheste.

Lissi war stets gut aufgelegt, am liebsten war sie mit Freunden unterwegs, was ihren Vater eher aufregte, denn er hatte seine Töchter lieber um sich.

»Hallo, Vati!« Lissi strahlte ihren Vater an. »Ist immer noch keine Post wegen meines Studienplatzes gekommen?«

Der Tannhofer-Max verzog das Gesicht. Wenn das Gespräch auf Lissis Studium kam, schaltete er auf stur, davon wollte er nichts wissen.

»Hast wieder mal deine Schwierigkeiten?« fragte Lissi. »Ich versteh’ gar net, was du dagegen hast, daß ich nach München geh’ und studier’? Das tun inzwischen viele junge Madln.«

»Ja«, erwiderte ihr Vater, »das weiß ich. Es macht die Sach’ aber auch net besser.«

»Und was ist falsch daran?« Lissi sah ihren Vater aufmerksam an.

»Ein Madel wie du sollt’ zu Haus bleiben«, antwortete ihr Vater.

»Und dann?« fragte Lissi. »Warten bis der Märchenprinz kommt? Also, das ist nicht meine Sach’. Schau dir doch die Moni an. Sie ist siebenundzwanzig und noch immer ist sie solo. Net daß dagegen was zu sagen wär’, aber dahocken und warten, bis da mal der kommt, der einem das Herz erweicht?« Sie schüttelte energisch mit dem Kopf.

»Und was erhoffst du dir von einem Studium?« fragte ihr Vater.

Es war das erste Mal, daß die beiden so offen über das Thema redeten. Bisher hatten sie zwar die Positionen des anderen gekannt, aber darüber miteinander geredet hatten sie nie.

»Vor allem, daß ich mal unabhängig bin von einem Mann, der mich zu versorgen hat«, erwiderte Lissi. »Außerdem möcht’ ich meinen Horizont gern noch ein bisserl erweitern.«

»Und das geht nur bei einem Studium in München…!« Der Tannhofer stand auf, und ging zur Kredenz, wo er eine Schublade aufzog. »Daß deine Mutter gleich nach eurer Geburt Geld weggelegt hat, um euch eine Ausbildung zu garantieren, das weißt du?«

Lissi schüttelte den Kopf. »Nein, das weiß ich net.«

»Dann weißt du’s jetzt«, erwiderte ihr Vater. »Sie hat damals ihre ganze Mitgift für euch angelegt. Eine wird im Haus bleiben, hat sie gesagt, eine wird da in der Gegend gut heiraten und eine wird eine gute Ausbildung benötigen, für die verwendest dann das Geld. Wie’s ausschaut, bist du das.«

Lissi stand da und starrte ihren Vater benommen an. »Heißt das, daß… ich mein’, hast nix mehr dagegen, daß ich studier’?«

Um Max Wagners Mundwinkel huschte ein Lächeln, dann schüttelte er den Kopf.

»Ganz und gar net, mein Madel«, murmelte er, wobei seine Stimme einen ganz besonders weichen Klang hatte.

»Aber wieso hast denn du bei jeder sich bietenden Gelegenheit dagegen geredet?«

»Ich wollt’ erst mal sehen, wie ernst es dir damit war«, antwortete der Tannhofer.

»Ist das wirklich wahr?« Lissi ließ ihren Vater nicht aus den Augen.

Der nickte. »Ja, das ist wahr. Ich seh’ nämlich net ein, daß du nach München gehst, nur um dir einen schönen Tag zu machen. Ernsthaftigkeit gehört zu einem Studium, das steht wohl außer Frage.«

Einen Moment noch war Lissi still, sie sah ihren Vater an wie jemand, den man lange nicht mehr gesehen hat und dessen Auftauchen einem Rätsel aufgibt.

»Das gibt’s doch gar net«, sagte sie schließlich, »da wird man vom eigenen Vater gefoppt und man kann net mal was dagegen sagen. Ein bisserl Vertrauen wär’ net schlecht…!«

»Das ist ja richtig«, erwiderte ihr Vater, »aber wenn du dir Mühe gibst, dann verstehst mich auch. Wenn ich zu allem Ja und Amen sagen würd’, was du bisher von mir gewollt hast, also, dann hätt’ ich kein Haar mehr auf dem Kopf.«

Zuerst schien es, als wenn Lissi zornig reagieren würde, doch dann huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. Sie stand auf, ging zu ihrem Vater, legte die Arme um seinen Hals und einen langen Moment drückte sie sich an ihn.

»Ich weiß, was du meinst«, sagte sie dann, »und ich freu’ mich riesig, daß du nix mehr gegen meine Pläne hast.« Dann zögerte sie einen Augenblick. »Auch wenn ich plötzlich ein bisserl Angst in mir spür’…!«

*

»Du«, sagte der Karner-Hans zu den anderen beiden, »sie kommen. Vier sind’s, der Weiner-Lenz geht vornweg.«

Heimat-Heidi 32 – Heimatroman

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