Читать книгу Der Fuß vom Monte Scherbelino - Stefanie Wider-Groth - Страница 11

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Mirko Frenzel erwartete sie auf dem Parkplatz, den Emmerich und Gitti Kerner erst kurz zuvor verlassen hatten.

„Ihr habt Glück“, verkündete er mit falscher Freundlichkeit. „Auch mit euch geht’s jetzt bergauf.“

„Genau das hat mir heute noch gefehlt“, meinte Gitti wenig später, als sie hinter Mirko ein steiles Stück betonierter Forststraße erklommen. „Ist es noch weit?“

„Wie man’s nimmt. Ich laufe diese Strecke inzwischen schon zum dritten Mal.“ Mirko sah drein, als sei er auf diese Leistung ziemlich stolz. Sie überquerten ein kreuzendes Stück Straße, schlüpften unter einem Absperrband hindurch und der Anstieg wurde noch ein bisschen steiler.

„Wirklich ein idealer Platz, um eine Leiche loszuwerden“, kommentierte Gitti bitter.

„Niemand hat bis jetzt behauptet, dass sie den Berg hinaufgetragen wurde“, gab Mirko zu Bedenken. „Im Gegenteil, ich halte es für viel wahrscheinlicher, dass der Mann in vollkommen lebendigem Zustand an den Ort des Geschehens kam.“

„Dass ihr einen Mann gefunden habt, ist sicher?“

„Ziemlich sicher. Das letzte Wort überlasse ich gerne der Gerichtsmedizin.“

„Tatsächlich, Herr Kollege?“

„Jawohl, verehrte Frau Kollegin. Wenn du erst gesehen hast, was ich bereits gesehen habe, dann weißt du auch warum.“

„Vielleicht will ich mir das gar nicht antun?“

„Vielleicht bleibt dir keine Wahl?“

„Wie weit noch?“

Emmerich war ein Stück zurückgefallen und verfolgte das sich |44|entfernende Geplänkel der Kollegen nur mit einem halben Ohr. Mit der anderen Hälfte, mit der Nase, mit den Augen versuchte er, die Umgebung auf sich einwirken zu lassen. Ruhig war es hier, vor allem, wenn man bedachte, dass man sich immerhin noch auf dem Gebiet einer pulsierenden Großstadt bewegte. Es schien ihm, als schallten Mirkos und Gittis Stimmen unnatürlich laut durch diese Stille, auch wenn er inzwischen aufgrund der größer werdenden Entfernung nicht mehr verstand, worüber die beiden sprachen. Vom einsetzenden Berufsverkehr auf der nahen Schnellstraße war allenfalls ein schwaches Rauschen zu vernehmen. Spaziergänger liefen ihnen keine mehr über den Weg, was aber auch daran liegen konnte, dass das Gebiet mittlerweile weitgehend abgesperrt worden war. Ob sich, wie von Frau Sonderbar behauptet, Wildschweine in diesem Stückchen Wald herumtrieben, vermochte er nicht zu beurteilen, unwahrscheinlich war es aber nicht. Das Gelände rechts und links der Forststraße wirkte ausgesprochen unwegsam, selbst für jene, die es nicht lassen konnten, auch noch die letzten Eckchen unberührter Natur mit verdreckten Freizeiträdern zu durchstreifen. Es war davon auszugehen, dass etwas, das hier im Gestrüpp zwischen den Bäumen lag, dort lange liegen konnte, ohne dass es irgendjemand auffiel. Egal, ob es sich nun um illegal entsorgten Müll oder eine Leiche handelte. Am Ende des steilen Aufstiegs wandte Mirko sich nach rechts, wo nach wenigen Metern die kleine Lichtung erreicht war, von der die Hundehalterin gesprochen hatte. Von dort ging es noch einmal nach rechts, über nasses Laub und Wurzeln, ein Stückchen in den Wald hinein zur eigentlichen Fundstelle dessen, weshalb sie hergekommen waren. Emmerich betrachtete kritisch seine Schuhe, hoffend, dass die sich, wenn schon nicht als wasserdicht, so doch wenigstens als wasserfest erweisen würden. Ein langsam sich vergrößernder, feuchter Fleck ungefähr dort, wo sich sein linker großer Zeh befand, sprach dagegen, doch bislang fühlten sich seine Socken als zwar zu dünn, aber immerhin noch trocken an.

„Stimmt was nicht?“, fragte Mirko und hielt ihm ein Paar Einweghandschuhe nebst Überziehern für die Schuhe hin.

|45|„Alles in Ordnung“, entgegnete Emmerich, seine Befürchtungen hinsichtlich nasser, unterkühlter Füße verdrängend. Er nahm die Handschuhe und die Überzieher, legte alles vorschriftsmäßig an und näherte sich behutsam dem weißen Zelt, das die Kriminaltechnik im Wald errichtet hatte. Lange hielt er sich nicht damit auf, hineinzusehen. Gitti war ihm bereits zuvorgekommen und stand, blass um die Nase, ein paar Meter weiter weg an einen Baumstamm gelehnt.

„Hast du gesehen, dass ihm auch ein Arm fehlt?“, bemerkte sie mit leichtem Würgen, als er sich zu ihr gesellte. „Tierfraß, meinen die Kollegen.“

„Natur pur“, gab Emmerich zurück und erntete einen empörten Blick. „Haben Sie schon irgendwas zur Liegezeit gesagt?“

„Ach, wo. Sie haben doch gerade erst mit ihren Untersuchungen angefangen. Sicher ist nur, dass die Leiche männlich ist und am noch vorhandenen Fuß einen Sportschuh trägt, der zu dem passt, den wir schon haben. Das Alter schätzen die Kollegen grob auf über dreißig, aber unter vierzig.“

„Mehr nicht?“

„Beim Fundort könnte es ich um ein Obdachlosenlager handeln. In der Nähe lag ein kaputter Schlafsack. Wenn der Tote ursprünglich da drin gesteckt hat, werden sie es sicherlich bald wissen. Es gibt leere Konservendosen, leere Lebensmittelverpackungen, leere Bomben und ein paar Plastikfolien, die als Matratze oder Regenschutz gedient haben könnten.“

„Leere Bomben?“

„Flaschen mit zwei Litern Billig-Rotwein. Das alles kann aber schon seit Monaten hier gelegen haben.“

„Auch der Tote?“

„Der wohl eher nicht, sonst wäre noch weniger von ihm übrig.“

„Also gibt es doch Anhaltspunkte hinsichtlich der Liegezeit.“

„Du kennst die Kollegen.“ Gitti machte eine resignierte Geste. „Sie werden sich nicht äußern und schon gar nicht festlegen, bevor sie nicht irgendetwas Definitives wissen. Ich gebe hier nur Dinge wieder, |46|die Mirko mir auf dem Weg hierher erzählt hat. Sachen, die er aufgeschnappt hat, während sie ihr Zelt errichtet haben. Erste Eindrücke, gewissermaßen.“

„Nun ja, man darf nicht zu viel erwarten“, seufzte Emmerich und spähte durch das kahle Geäst der Bäume himmelwärts. „Es fängt schon an zu dämmern, oder?“

„Sie haben sicher Scheinwerfer dabei.“

„Ich bekomme kalte Füße. Lass uns noch ein bisschen die Umgebung ansehen, bevor es dunkel wird.“

„Meinetwegen.“ Gitti zog den Reißverschluss ihrer Daunenjacke hoch bis unters Kinn, schob die Hände in die Taschen und gab das Anlehnen an ihren Baumstamm auf. „Mirko scheint es ja in diesem Zelt gut auszuhalten. Im Gegensatz zu mir.“

„Einer von uns da drinnen reicht“, meinte Emmerich, sich in Bewegung setzend, leichthin. „Besonders dann, wenn es sich nur um einen Obdachlosen handelt.“

„Nur?“, wiederholte Gitti mit deutlich sarkastischem Unterton.

„Du weißt ganz genau, wie ich das gemeint habe. Keine übertriebene Eile, keine Sonderkommission, keine großen Kosten, kein unnötiger Aufwand.“

„Ich weiß“, entgegnete Gitti und trat mit einem wuchtigen Schritt eine morsche Wurzel durch.

Sie standen nun am Rand der kleinen Lichtung, ein paar Uniformierte und ein paar zivil Gekleidete stocherten dort wie zum Zeitvertreib mit langen Stöcken im Boden herum und markierten gelegentlich etwas mit einem nummerierten Täfelchen. Hundertschaft und Hundestaffel dagegen waren längst abgerückt. Rechter Hand entdeckte Emmerich eine Bank, auf der es sich in der warmen Jahreszeit sicher lauschig sitzen ließ, mitten im Stillen und im Grünen. Er nahm sich vor, dies mit Gabi im Sommer auszuprobieren. Auch wenn ihm klar war, dass der Vorsatz nur mit Glück zur Ausführung kommen würde. Es gefiel ihm einfach, jetzt gerade einen solchen Plan zu haben. Gegenüber, etwas zurückversetzt, stand der von der Hundehalterin erwähnte Hochsitz, sonst bot die Lichtung auf den |47|ersten Blick nichts Besonderes mehr. Ob die Auswertung der mit den Täfelchen markierten Spuren etwas erbringen würde, mussten die nächsten Tage zeigen.

„Viel können wir zwei hier im Augenblick nicht tun“, bemerkte Gitti fröstelnd. Emmerich wollte dies gerade bestätigen, als hinter seinem Rücken sein Name gerufen wurde.

„Ja, was gibt es?“, wandte er sich um. Mirko hatte mit einem Asservatenbeutel in der Hand das Zelt verlassen und kam auf ihn zu.

„Das da“, sagte er und reichte ihm den Beutel. „Ein markantes Teil, das zur Identifizierung beitragen könnte.“

Emmerich erblickte einen schwarzen Gürtel mit einer großen Silberschnalle in Form eines Totenschädels.

„Schick. Aber sicherlich kein Einzelstück.“

„Dazu noch ein paar weitere Erkenntnisse.“

„Schieß los.“

„Der Tote hatte schulterlange, dunkle Haare und war, alles in allem, eher schlank. Über seinen Sportschuhen trug er schwarze Jeans, mit diesem Gürtel, und dazu ein Oberhemd, vermutlich hellblau. Eine warme Jacke, wie sie bei diesen Temperaturen eigentlich vorhanden sein sollte, ist bisher noch nicht aufgetaucht. Auch keine persönlichen Gegenstände, die Aufschluss über seine Identität geben könnten. Kein Schmuck, die Armbanduhr ist Massenware. Die Leute, die in diesem Zelt gerade ihre Arbeit tun, sind sich außerdem ziemlich sicher, dass er kein Obdachloser war. Dafür wäre …“ –Mirko hüstelte – „… sein Gesamtzustand zu gepflegt. Wenn man das so sagen darf.“

Emmerich wusste, was damit gemeint war, verzichtete auf die Details und nickte.

„Der Tote wird dann demnächst umgedreht. Wollt ihr zusehen?“

„Hat sich schon jemand um den Abtransport gekümmert?“, wich Gitti Mirkos Frage aus. Der zog die Schultern hoch:

„Ich weiß nicht.“

„Wenn das so ist“, sagte Gitti und zog ein Handy aus der Tasche ihrer Daunenjacke, „organisiere ich jetzt einen Leichenwagen.“

|48|Als Florina zurück in ihre Wohnung kam, war es Nacht geworden. Nicht von der Uhrzeit her, aber in dem Sinn, dass das Tageslicht verschwunden war. Die Tür zum Badezimmer war geschlossen, dahinter hörte sie die Dusche rauschen. Mit einem leisen Seufzer entledigte sie sich ihrer Winterjacke, ging ins Schlafzimmer und vertauschte ihre Straßenkleidung gegen etwas Bequemeres. Sie hatte sich selbst auf ein warmes Bad gefreut, während ihrer bisherigen Aufenthalte war Holde nie vor acht Uhr abends von ihren Kundenterminen zurückgekehrt. Heute aber offensichtlich schon, Florina nahm es hin, wie sie auch andere, gelegentliche Unbequemlichkeiten, die mit der Vermietung des Zimmers einhergingen, hinzunehmen pflegte. Anstelle eines warmen Bades bereitete sie sich in der Küche einen heißen Glühwein zu. Ein Handtuch turbanartig um den Kopf geschlungen, kam Holde wenig später auch herein. Sie trug den flauschig-grauen Bademantel und dicke, gestrickte Socken an den Füßen.

„Es macht dir doch nichts aus, wenn ich ihn trage?“, meinte sie mit Blick auf den Bademantel mehr feststellend als fragend. „Ich meine, du hast ja gesagt, es sei ohnehin nicht deiner. Für die Reinigung bezahle ich natürlich.“

„Schon gut“, entgegnete Florina, obwohl dem nicht so war. Der Mantel war ihre Erinnerung an Luggi, vielleicht das einzige Materielle, was ihr von ihm blieb. Der ihm innewohnende Geruch nach Mann durfte sich inzwischen zugunsten des Aromas von Holdes Duschgel verflüchtigt haben. „Warum bist du so früh zurück?“

Über Holdes frisch gecremtes, glänzendes Gesicht huschte ein Ausdruck der Erschöpfung, sie machte eine abwehrende Geste.

„Lassen wir das, bitte. Ich hab derzeit nichts als Ärger. Hier riecht’s nach Glühwein, oder?“

„Willst du eine Tasse?“

Holde nickte und fuhr hektisch mit der Hand nach oben, der Turban nahm das Nicken übel. Florina zeigte auf die Thermoskanne, die auf der Spüle stand.

„Tassen sind im Schrank darüber.“

|49|„Weiß ich doch“, sagte Holde, nahm eine heraus, befüllte sie und setze sich mit dem dampfenden Getränk zu Florina an den Küchentisch.

„Ein feiner Mantel“, meinte sie nach einigen Sekunden Schweigen.

„Vergessen deine Gäste öfter mal so gute Sachen hier?“

„Eigentlich hat Luggi den Mantel nicht vergessen. Eher deponiert.“

Holde zog erstaunt die Brauen hoch, geradezu behutsam strich sie mit der rechten Hand über den samtigen Stoff ihres linken Ärmels. Der eigentlich gar nicht ihr Ärmel war.

„Luggi, sagst du? Doch nicht der, den ich dir empfohlen habe?“

„Eben der“, sagte Florina knapp und blies Luft über ihre heiße Tasse.

„Ich hätte nie gedacht, dass so einer sich so was leisten kann. So einen Mantel, meine ich. Das ist allerbeste Qualität.“

„Er hatte auch noch andere teure Sachen.“

„Echt? Was denn, zum Beispiel?“

„Seidene Schlafanzüge. Rasierwasser vom Feinsten. Englische Strümpfe“, zählte Florina auf, behielt aber für sich, dass sich zudem noch eine überaus wertvolle Schweizer Armbanduhr in ihrem Gewahrsam befand. „Jedenfalls nichts, was jemand auf den ersten Blick bei ihm vermutet hätte. Luggi war der Ansicht, man dürfe den Kunden gegenüber auf keinen Fall irgendwie zu wohlhabend oder gar protzig wirken.“

„Interessant. Gar nicht so blöd, der Mann, oder?“

„Überhaupt nicht blöd“, entgegnete Florina vielleicht eine Spur zu heftig. „Eigentlich eher das Gegenteil. Deshalb dachte ich ja auch …“

„Was?“

„Nichts.“

Ein paar Sekunden lang wurde geschwiegen. Florina wischte sich unauffällig eine Träne aus dem Augenwinkel und nippte scheinbar konzentriert am heißen Glühwein, während Holde erst einmal ausgiebig pustete, bevor sie lapidar bemerkte:

„Du hattest was mit ihm.“

|50|„Ich …“

„Und er hat dich sitzen lassen. Deshalb redest du auch in der Vergangenheitsform von ihm.“

„Nein. Ich meine …. so würde ich das vielleicht nicht sagen … also eigentlich …“, verhedderte Florina sich beim Versuch zu antworten, verstummte wieder und widmete sich der intensiven Betrachtung ihrer Tasse. Also fuhr Holde fort:

„Typen wie Luggi sind gefährlich, weißt du?“

„Ich glaub, das siehst du falsch.“

„Nirgends zu Hause. Schon gar nicht bei nur einer Frau.“

„Wie kommst du dazu, so von ihm zu denken?“

„Außer vielleicht bei ihrer Mutter“, dachte Holde weiterhin laut nach, ohne auf Florinas Frage einzugehen.

„Bei der hat er ja auch gewohnt“, nuschelte die kummervoll. „Bei seiner Mutter. Meine ich zumindest.“

„Was sag ich?“, triumphierte Holde und nahm ein Schlückchen Glühwein. „Das tut jetzt gut, bei dieser Kälte.“

„Scheiß auf die Kälte. Ich wüsste nur zu gerne, wo er ist.“

„Hast du nicht seine Nummer? Ruf ihn einfach an.“

„Das Handy ist seit Wochen aus.“

„Dann ruf seine Mutter an.“

„Die kenne ich doch gar nicht. Und ich mache mich auch nicht zum Affen.“

Holde wackelte auf eine Art und Weise mit dem Kopf, dass der Handtuchturban Auflösungserscheinungen zeigte und sagte:

„Oh Himmel, mein Haare.“

„Was ist mit deinen Haaren?“

„Ich hab sie frisch getönt. Da sollte ich mal schauen, ob …“

„Eine Frechheit ist das.“ Florina versetzte mit der flachen Hand dem Küchentisch einen unverhofften Schlag. „Und dazu noch nicht normal.“

„Meine Haare?“ Holde guckte säuerlich. „Entschuldige, ich wusste nicht, dass es dich stören könnte, wenn ich mir die Haare töne. Im Bad sind keine Flecken, falls du deswegen Bedenken hast.“

|51|„Deine Haare sind mir …“, setzte Florina ruppig an, unterdrückte den Rest des Satzes gerade noch und korrigierte sich stattdessen: „Tut mir leid. Ich bin wohl einfach nicht gut drauf.“

„Schon recht“, erklärte Holde huldvoll. „Du bist immer noch bei Luggi. Ich kann das gut verstehen.“

„Es ist doch aber auch sehr seltsam. Einfach so abzuhauen und seine ganzen Sachen hier zu lassen.“

„Den Bademantel?“ Ein feines, fast schon höhnisch zu nennendes Lächeln huschte über Holdes Züge, während sie den Turban wieder fester wickelte. „Auf einen Bademantel kommt es einem Luggi doch nicht an. Was weißt du, bei wem er noch alles einen hängen hat?“

„Weiß ich nicht. Aber du womöglich? So wie du von ihm redest?“

„Ich rede nur so allgemein.“

„Hast du nicht gesagt, er wäre nur ein flüchtiger Bekannter? Als du ihn mir letztes Jahr als Gast empfohlen hast?“

Holde machte eine vage Geste und gab ein wenig aussagekräftiges „Pfffff“ von sich.

„Ich jedenfalls“, fuhr Florina dezidiert und etwas schnippisch fort, „kenne die Bademantelverteilungsgewohnheiten meiner flüchtigen Bekannten nicht.“

„Meine Güte“, sagte Holde und hob entschuldigend die Hände.

„Es tut mir leid. Ich wollte niemandem zu nahe treten.“

„Nein“, entgegnete Florina, ihrerseits nun etwas peinlich berührt, eine Hand an ihre Wange legend. „Ich muss um Verzeihung bitten. Du kannst schließlich nichts dafür. Wie er sich aufführt. Dass ich mir solche Sorgen mache.“

„Die Kerle haben das durch nichts verdient“, bemerkte Holde mit Leichenbittermiene. „Man sollte sich den Kopf nicht über sie zerbrechen.“

„Das sagt sich leichter, als es ist. Wir wollten Silvester zusammen feiern. Ich hatte Karten fürs Theaterhaus besorgt. Er hat mir das Geld dafür gegeben. Und dann ist er einfach nicht gekommen.“

„Ohne irgendwie Bescheid zu geben?“

„Eine SMS hat er geschickt. Er müsse unverhofft verreisen. Genau |52|an Weihnachten war das. Ein paar Tage später hab ich erfahren, dass sie seinen Bus gefunden haben. Auf einem Parkplatz unterhalb vom Birkenkopf. Sogar seine Fahrgäste hat er sitzen lassen. Deshalb sage ich dir, es ist nicht normal.“

„Das zumindest hört sich komisch an“, gestand Holde endlich zu. „Was ist aus den Fahrgästen geworden?“

„Weiß ich doch nicht“, meinte Florina patzig. „Gehen die mich irgendetwas an? Mich interessiert, was aus ihm geworden ist.“

Holde erhob sich, trat ein Stück zur Seite, beugte den Oberkörper nach vorn und rubbelte sich die Haare trocken.

„Warst du bei der Polizei?“, wollte sie undeutlich unter dem Handtuch hervor wissen.

„Bei der Polizei“, wiederholte Florina ungnädig. „Was sollte ich wohl bei der Polizei?“

„Ihn vermisst melden, zum Beispiel.“

„Damit sie mir eine Menge Fragen stellen? Wegen meinem Zimmer? An wen ich es vermiete und was ich dadurch einnehme? Bestimmt nicht.“

„Sie sind nicht das Finanzamt. Und sie wüssten vielleicht, ob ihm etwas zugestoßen ist.“

„Wenn sie etwas wissen, dürfen sie es mir nicht sagen. Ich bin schließlich keine Angehörige von Luggi. Nur eine Freundin. Und wenn ich Pech habe wie üblich“, sagte Florina, sich erneut die Augen wischend, „womöglich nicht einmal die einzige.“

Der Fuß vom Monte Scherbelino

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