Niemand schaut in mich rein
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Steffen Kabela. Niemand schaut in mich rein
Niemand schaut in mich rein
Inhaltsverzeichnis
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Mami
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Отрывок из книги
Spätsommer 2020 , die Zeit verging schnell. Es sind immer noch hohe Temperaturen, der August war sehr heiß und trocken. Mehrmals am Tag bin ich auf den Friedhof, am Grab meiner kleinen Familie. Nachdem meine Mama mich für immer verlassen hat stecke ich tief in einem Loch. Ich finde keine Ruhe, bin rastlos und sehr unruhig. Unter Leute gehe ich gar nicht, ich bin in unserer Wohnung, erledige den kompletten Haushalt für mich. Am liebsten würde ich im Bett bleiben und mich unter der Bettdecke verstecken. Aber das tue ich nicht. Bin ich nicht zu Hause, dann bin ich am Grab zu finden. Das Haus verlasse ich nur, wenn ich muss und unter Medikamente. Ich bin sehr tieftraurig, freudlos, Interessenlos und habe das Lachen verlernt. Antriebslosigkeit, Kraftlosigkeit, Müdigkeit und Erschöpfung, große Leere und Dunkelheit um mich herum bestimmen meine Tage und schlaflose Nächte. Ich grüble sehr viel und ständig stecken in meinen Kopf schlechte, negative Gedanken. Ich fühle mich so wertlos, habe große Selbstzweifel und Schuldgefühle. Meine Ängste, Verlust-, Zukunfts-, Existenz- und Versagensängste sind meine ständigen Begleiter. Mit meinen Wasch-, Zähl-, Ordnungs-, Zeit- und Kontrollzwängen bin ich auf Konfrontation, aber sie siegen immer wieder. Mich zu konzentrieren fällt mir sehr schwer. Ich fühle mich ausgelaugt und weggeworfen. Ich fresse alles in mich hinein. Man sieht mir meine Krankheit nicht an, meine Seele ist zerstört und kaputt. Es hat sehr lange gedauert, bis ich das begriffen habe. Verstehen kann ich es selbst immer noch nicht. Wie soll das alles weitergehen, ich weiß es nicht. Ich verkrieche mich immer mehr, aus Enttäuschung. Wieder einmal habe ich Gefühle gezeigt und Menschen an mich herangelassen. Wieder einmal habe ich darüber gesprochen, was mich bewegt und was mich sorgt … wieder einmal bin ich einfach nur enttäuscht. Es tut sehr weh, aber wer das nicht selbst durchlebt oder durchlebt hat, kann es nicht nachvollziehen.
Lange Zeit stand ich unter Schock und kann mich nicht mehr an alles erinnern. Ich bin froh darüber und auch dankbar, dass ich mich mit Hilfe richtig entschieden habe, in unserer Wohnung zu bleiben. Ostersamstag vor 55 Jahren zogen wir in diese Wohnung ein. Der Wohnungsverwaltung bin ich unendlich dankbar, dass es keine Probleme gab in der Wohnung zu bleiben. Meine Wohnung gab ich auf. Und wie alles in meinem bisherigen Leben so verlief, hatte ich auch jetzt wieder Ärger und Stress mit Ämtern, Behörden und Institutionen. Egal ob Einwohnermeldeamt, Geldinstitut oder Krankenkasse, irgendetwas war immer mit außergewöhnlichen Problemen behaftet. Ich weiß nicht warum, aber bei uns lief nie etwas ohne Ärger und Probleme ab! Und wenn ich dachte, jetzt wird es etwas ruhiger, dann irrte ich gewaltig. Zwei Tage nach Papis Geburtstag wurde die Grabstätte neu gemacht, dass Grab indem Omi, Papi und Mami beerdigt wurden, wurde jetzt teilweise abgedeckt und Mami bekam einen Grabstein, zwei Herzen. Ostern, Pfingsten und auch die Geburtstage waren voller schmerzlicher Erinnerungen. Zu Mamis Geburtstag stellte ich einen schönen Blumenstrauß auf ihrem Grab auf und auch zu Hause an ihrem Bild. Auch Menschen die Mami sehr lieb hatten, stellten Blumen auf ihr Grab. Wie geht alles nur weiter, ich weiß es nicht. Der Gedanke frisst mich regelrecht auf. Mein Geburtstag steht vor der Tür, ich will ihn allein verbringen. Meine größte Sorge ist, was wird am Jahresende werden. Ich, gerade ich, der Weihnachten in Familie über alles liebte, die Traditionen pflegte – Advent und Weihnachten wird für mich ausfallen. Wie zu Ostern, werde ich auch zu Weihnachten nichts schmücken. Allerdings unsere zwei LED-Kissen werde ich auf Mamis Platz, dem Sofa, stellen. Pflege macht einsam, krank und arm, das wusste ich. Dem habe ich mich aber gestellt. Mit war wichtiger, für meine Familie da zu sein, ich brachte kein Opfer, ich pflegte aus Liebe. Das ich eines Tages einmal niemanden mehr um mich haben werde, war klar. Bekannte und Freunde machten sich aus dem Staub nachdem mein Büro geschlossen wurde und ich von der Touristik Abschied nehmen musste. Die mir nahestehenden Menschen meldeten sich nicht mehr seit dem Beginn der Pflege meiner Eltern. Natürlich war meine Zeit dadurch sehr begrenzt. Mein bester Freund und wenige Bekannte blieben mir treu. Bei der Familie ist es nicht anders, sehr viele liebe Menschen habe ich durch den Tod verloren und weine heute an ihren Gräbern. Meine Großcousine Sieglinde und ihr Mann, sie wohnen weit entfernt von mir, sind meine übrig gebliebene Verwandtschaft und wir haben Kontakt. Ein wenig Verwandtschaft lebt in der Tschechei, auch diese Kontakte erhalte ich und stehe in Verbindung. Ina, meine Großcousine, hat sich für den Alkohol entschieden und sämtliche Kontakte abgebrochen, ihre Schwester meinte zwar, Mami, ihre Tante Hanna, wäre die einzige Verwandte, die sie noch hätte. Zur Beisetzung stand sie mit am Grab, am Abend telefonierte ich auch noch mit ihr und dankte ihr, danach riss der Kontakt ab. Genauso mein ehemaliges Mündel – sie hat zu niemanden aus der Familie Kontakt, weder zu ihrer Tante, der Schwester ihrer Mutti, kaum besteht Kontakt zu ihrer Mutti im Heim. Auch zu den anderen Familienangehörigen hat sie den Kontakt abgebrochen. Auch sie war mit am Grab zur Beisetzung Ende Februar und von da an ist der Kontakt abgebrochen. Unseren kleinen Liebling Vincent, ihren Sohn, habe ich jetzt seit 13 Monaten nicht mehr gesehen, er wurde in diesem Jahr 6 Jahre alt. Erklären kann ich es mir nicht, trotzdem weiß ich, wie sie tickt. Es hat mich sehr beschäftigt. Jetzt habe ich damit abgeschlossen. Es tut sehr weh, es gab nie Streit oder Zank, die Familie hielt immer zusammen. Sie hat sich so entschieden … das Kapitel ist für immer erledigt.
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Und auch jetzt bin ich nur in Gedanken, in Gedanken bei meiner Mama und einer weiteren Odyssee vor 365 Tagen.
Es war der 22. September ich musste wieder den Notarzt rufen. Der Rettungswagen kam aus dem kleinen und beschaulichen Krostitz, die beiden Sanitäter waren sehr nett. Der Notarzt aus Eilenburg sprach mit mir, dass meine Mama ins Krankenhaus muss. Aber wie…kein Rettungsstuhl auf dem alten Rettungswagen. Der Fahrer des Rettungswagens fand das auch nicht lustig, in Leipzig gibt es die neuen elektronischen Rettungsstühle, das Randgebiet hat teilweise die Rettungsstühle und auf dem „platten Land“ ein zarter Hauch von Nichts und nur alte Rettungswagen. Die Rettungsdecke kam zum Einsatz, Mami wurde dann nach unten gebracht mit Angst und Panik, Atemnot und Aufschreie. Das Ergebnis dieser Aktion waren Hautabschürfungen am Arm , Prellungen und jede Menge Angst. Das war dann mal eine richtig tolle Rettung, wie aus einem nordsächsischen „Leerbuch“. Ich weiß, wie Lehrbuch geschrieben wird! Da ich das Krankenhaus ausreichend kenne, fuhr ich sofort hinterher und ging in die Notaufnahme. Kurz darauf ließ mich die Schwester zu meiner Mama. Von da an, über 2 Stunden, war keine Schwester oder Arzt zu sehen, kein Notrufknopf vorhanden. Mami lag auf der Pritsche und ich stand die ganze Zeit neben ihr. Mami war die einzigste Patientin in einem Notfallzimmer, ein sogenannter Penner, wie die Schwester sagte, lag auf der Erde und schlief seinen Rausch aus im eigenen frischen Erbrochenem. Schwestern und Ärzte befanden sich in irgendeinem Raum und hatten sehr viel Spaß. Es gab nichts zu tun, sie lachten, hatten Spaß und die Kaffeetassen knallten auf den Tisch. Die Sonne schien meiner Mami schon auf den Kopf, ich sorgte dafür, dass es ihr nicht zu warm wurde. Sie schlief ganz ruhig, wachte immer wieder auf, sah mich an und schlief zufrieden wieder ein. Meine Mutti bekam wieder Luftnot. Klingeln zwecklos, es gab ja keine Klingel. Ich rief nach einem Arzt. Es geschah nichts. Ich rief lauter. Nach ein paar Minuten kam dann auch die Ärztin und in diesem Augenblick sah ich, dass die Sauerstoffbrille zwar auf der Nase war, aber nicht angeschlossen am Wandanschluss. Daraufhin fragte ich die Ärztin, was das für eine Brille auf der Nase sei, natürlich ironisch. Sie sprach „Für die Beatmung“ . Ich: „Sie sind wohl ein ganz modernes Krankenhaus und verabreichen Sauerstoff digital“. Ein skeptischer Blick und ein „nein“. Dann schickte ich ihren Blick auf Reisen, Richtung Schlauch und Anschluss, dass dieser gar nicht angeschlossen sei. Sie steckte den Schlauch auf den Anschluss und meinte nur dazu, dass die Schwestern das wohl vergessen hätten. Diese Halbgöttin in Weiß sagte doch dann ernsthaft zu mir, „Schauen Sie mal, der Sauerstoffgehalt steigt wieder“ … wie das wohl kommt?!?! Der Rauscheengel rauschte wieder zu ihrer Kaffeetasse zurück. Einige Zeit später rückte sie an zum bürokratischen Akt. Das ist wichtiger wie ein Mensch und ein Menschenleben. Über den „Penner“ stiegen die Schwerstern einfach hinweg. Frau Doktor drückte zwischendurch einmal kurz den Button auf dem Überwachungsmonitor zum Blutdruckmessen. Sie teilte uns dieses auch mit. Ich schaute Mami an, sie war jetzt wach. Das Gerät brummte und schickte Druckluft auf die Manschette, nur Mami hatte keine Manschette am Arm. Beide grinsten wir uns an. Das hochmoderne digitale Gerät hatte keinen Blutdruck zu bieten. Also noch einmal , Knöpfchen drücken und warten. Auf einmal erspähte ich, wie sich neben dem Monitor der Papierstapel bedrohlich erhob. Frau Weißkittel erkannte die Lage nicht, natürlich nicht, sie war ja digital vernetzt! Der Erfolg blieb leider wieder aus. Daraufhin sprach ich „Zuhause machen wir das anders. Da haben wir so eine Manschette, die legen wir um den Arm, drücken so einen großen grauen Knopf und messen. Das klappt fast immer, ich weiß, Sie sind moderner und messen auch den Blutdruck lieber digital“. „Hier ist das wohl nicht so?“ - meine Frage. „Doch“ – sprach die promovierte Ärztin, hier ist das auch so und merkte noch nicht einmal meinen Zynismus und sprach „Da habe die Kollegen doch den Blutdruck vergessen anzuschließen“ und tat es rasch Es war ja nur die Notaufnahme, alles kein Problem für eine Ausbildungsstätte einer großen Uniklinik unweit von diesem Krankenhaus. Nach diesem Prozedere kam Mami wieder auf Station und genau in das Zimmer, wo unser Papscher eingeschlafen war und für immer von uns gegangen ist. „Sonntag schieben wir hier doch keine Betten um“ – so die Aussage der Schwester von der Station 3, nach meinem Einwand. „Die wird´s schon überleben“. Am nächsten Tag begann der Krankenhausaufenthalt auf einer anderen Station, der 5 und wieder wurde Wasser aus dem Körper ausgeschwemmt. Nun müssen wir wieder abwarten, Hoffen und Bangen. Und das tat ich auch. Mami tat mir so unwahrscheinlich leid. Ich hoffte und bangte sehr, war die gesamte Besuchszeit und darüber hinaus bei ihr, an ihrem Bett und bei meiner Mama. Sie brauchte meine Hilfe, auf die Hilfe vom Fachpersonal brauchte keiner Hoffen. Vier Frauen lagen in dem Zimmer, eine intensive Zumutung. Und alle vier Frauen hatten ihre Erfahrungen mit dem Personal gemacht. Mami hatte es besonders schwer, sie litt unter den Sprüchen so mancher Schwester. Mami hatte immer noch die vielen Albträume durch den Medikamentenentzug und der Angst, sie träumte und das auch laut. Sie schrie förmlich teilweise auf. Verschuldet durch diese Station, durch eine Oberärztin. Und Mami musste nun darunter leiden. Anstatt Abhilfe zu schaffen, bekamen die anderen Patientinnen Ohrstöpsel auf Krankenkassenkosten. Eine Punktion der Lunge wurde angedacht, man wollte auch mit mir sprechen. Nur beim Willen blieb es. Selbst ein Arztgespräch wurde nicht mit mir geführt. Einer Schwester missfiel der Umgang und sie sprach mit mir. Ich sollte dranbleiben, mir würde täglich ein Arztgespräch zustehen, so würde das nicht funktionieren. Nun bekam ich mein Arztgespräch und ich bekam auch gesagt, dass am nächsten Morgen die Punktion stattfinden wird. Ich willigte gemeinsam mit meiner Mami ein, wir besprachen immer alles miteinander. Schon am Vormittag ging ich in die Klinik, die Visite war gerade vorbei. Ich meldete ein Arztgespräch an, für die Arztsprechstunde am Nachmittag. Mami erzählte mir ganz stolz, was die Ärzte zu berichten hatten. Eine Punktion braucht nicht gemacht zu werden, sehr viel Wasser war bereits ausgeschwemmt wurden aus dem Körper und die Geräusche in der Lunge wurden weniger. Mami hatten einen enormen Kampfgeist und Lebenswillen und das war schön anzusehen. Sie hatte nur ein Ziel, gesund wieder nach Hause zu kommen. Am Nachmittag bekam ich dann mein Arztgespräche, aber auch nur deswegen, weil ich mich auf dem Gang in Stellung brachte. Ein ärztliches Entwischen gab es jetzt nicht … und ich bekam mein Gespräch. Nur dieser blonde Rauscheengel im weißen Kittel kam unvorbereitet zur Veranstaltung. Vielleicht wollte sie auch zum Friseur, ich weiß es nicht. Jedenfalls wollte sie mir einreden, die Werte hätten sich verschlechtert und Mami hätte die Ultraschalluntersuchung nicht durchführen lassen und auch die Punktion verweigert. Es gab nur ein Problem dabei: bei der Sonographie war ich mit dabei und mir wurden die Bilder erklärt, ich wusste bereits von den verbesserten Werten und das die Ärzte sich gegen eine Punktierung entschieden hatten. Nun widersprach ich dem blonden Arztengel, dass fand sie überhaupt nicht schick und schön. Ich wurde böse und sie holte die Akte und schlug nach. Schamröte schoss in ihr bleiches goldenes Haupt und meinte nur, sie wäre nicht mit bei der Visite gewesen und hätte das nur so von der Ferne gehört. Dazu der Kommentar „Die Angehörigen wissen eh alles besser“. In diesem Fall war es wohl wieder einmal so korrekt, die Ansage meinerseits folgte und der Rauscheengel schoss von Station, sie schwebte in ihr Dienstende. Die Innere Station ist die Loreley-Station, „Sag mir was soll es bedeuten“. Besser für Frau Doktor, sie soll sich eine Auszeit gönnen. Auch Schwestern bekamen das mit und in einem kurzen Gespräch bekam ich gesagt „Lassen Sie sich das nicht gefallen“. Das stößt irgendwie bitter auf. Ich ließ es mir auch nicht gefallen, ich verfasste eine Petition an unsere Regierung und eine Beschwerde an die Sächsische Staatsregierung. Die Bundesregierung interessiert nicht, was in Sachsen los ist, so die Antwort, der Herr Bundespräsident sei dafür nicht zuständig, auch nicht gegen einen Verstoß von §1 des Grundgesetzes. Und unser schönes sächsisches Sozialministerium war auch überfordert und machte sich noch Lustig auf unsere Kosten. Ist halt die Politik, sie kümmern sich nur um sich, aber das richtig gut. Meine Gedanken kreisten unaufhaltsam. Mami war nur noch wichtig und am wichtigsten. Meine Entscheidung, immer für sie da zu sein war genau die richtige Entscheidung. Diese Entscheidung stand schon seit Jahren und ich war froh darüber. Mami war glücklich und zufrieden und das war schön.
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