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Kapitel 1 - Aller Anfang ist schön

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Ich bin Steffen und mir wird immer wieder gesagt „Du hast so viel erlebt, schreib doch ein Buch“ was ich jetzt beginnen werde nach fast 58 Jahren auf der Welt Ich habe keine Ahnung davon ein Buch zu schreiben, ich bin kein Autor, aber es reizt mich und ich werde mein Bestes geben. Aber bevor ich mit meinem Leben beginne es aufzuarbeiten werde ich kurz meine Familie vorstellen. Wer ist meine engste Familie, mein Glück und meine Lebensfreude, meine engsten Vertrauten. Das sind: meine Mama Hanna, geboren am 19. Mai 1933 in Langendorf / Ostpreußen , mein Papa Alois , geboren am 04. Mai 1932 in Neuwernsdorf - Klostergrab/ Sudetenland und meine Oma Mathilde, geboren am 05. April 1903 in Langendorf/Ostpreußen. Meine Familie mußte sehr viele Schicksalsschläge verwinden und dies schon sehr frühzeitig. Meine Mama floh mit meiner Oma und anderen Angehörigen am 21. Januar 1945 vor den Russen , von Ostpreußen im Treck über das zugefrorene Haff unter Beschuß und anderen Kriegsqualen, welche historisch alle bekannt und belegt sind. Ende 1945 wurden sie von den Polen aus Linkehnen bei Stolp vertrieben und kamen Anfang 1946 völlig erschöpft, krank, ausgehungert, verängstigt und verarmt in Wiedemar in Sachsen , an. Mein Papa wurde mit meiner Oma Maria aus dem Sudetenland, aus Neuwernsdorf - Klostergrab Kreis Dux, innerhalb weniger Stunden, mit nur den Sachen am Leib und einer kleinen Tasche aus ihrer Heimat, am 21. Juni 1946 vertrieben und nach einem Lageraufenthalt Anfang 1947 nach Radefeld , in Sachsen, zugeteilt. Meine Oma Marie wurde schwer krank und verstarb am 06. Juni 1952 in Radefeld. Meine Mama und mein Papa lernten sich 1951 in der Kleinbahn kennen und lieben, wollten 1952 heiraten. Durch den frühen Tod von Oma Marie wurde die Hochzeit verschoben. Omi und Mami ließen Papi nicht allein in Radefeld zurück, sie holten ihn zu sich nach Wiedemar und nahmen ihn bei sich auf . Im Sommer 1952 verlobten sich meine Eltern und heirateten am 16. Oktober 1954 kirchlich und standesamtlich in Wiedemar. Für meine Eltern stand die Existenz im Mittelpunkt sowie die Fürsorge für meine schwerkranke Omi. Durch Arbeit sorgten sie für ein beginnendes Leben unter normalen Bedingungen. Und dann begann die Familienplanung.

Es war der 19. September 1962, ein schöner Herbsttag. Meine Mama putze die Wohnung, kochte und backte, denn das Wochenende stand ja vor der Tür. Nur ich sah das nicht so und zuckte im Bauch. In der Nacht wollte ich dann mehr und mein Papa mußte zum nächsten Telefon rennen. Es befand sich etwa 950 Meter weit entfernt bei der Gemeindeschwester, einer guten Freundin der Familie, welche auch Vertriebene aus der Heimat Nordböhmen, aus Eichwald dem heutigen Dubi, stammte. Wenig später holte uns der Krankenwagen. Am Morgen des 20. September 1962, genau um 9:05 Uhr , erblickte ich das Licht der Welt im „Storchennest“, der Geburtsstation, in Schkeuditz. Mami war überglücklich, ich war gesund und munter. Schreien wollte ich nicht und bekam gleich erst einmal einen Klaps auf den Po. Jetzt klappte es schon besser. Nur Mami mußte noch genäht werden. Schon da richtete ich Schaden an! Und auch die Gemeindeschwester von Wiedemar war schon vor Ort, mich zu begutachten. Maria fuhr unverzüglich mit ihrem Mofa ES und der Schwesterntracht nach Wiedemar zurück und informierte unsere Omi und den Papi. Und wie es sich so gehörte, natürlich auch das halbe Dorf. „Mein Junge ist da!“ - lautete die Botschaft . Nach Feierabend setzte sich mein Papi auf das Motorrad und düste nach Schkeuditz. Es war herbstlich neblig , dunkel und es goß in Strömen. Weinte der Himmel vor Freude ? Klitschnaß, aber glücklich sah er uns in der Klinik, die wir auch nach 10 Tagen Richtung nach Hause verlassen durften. Mami und Papi kannte ich ja nun schon. Jetzt lernte ich noch meine Omi kennen und lieben. Ich hatte eine wundervolle Babyzeit. Für mich sorgten alle. Ich wuchs und gedeihte, nur die Wohnküche konnte beheizt werden, daher war dies mein Aufenthaltsort. Im Schlafzimmer wuchsen die Eiskristalle an der geweißten Wand und den einfachen Fensterscheiben. Ich wurde verwöhnt. Milch und Brei waren nicht so mein Ding, aber auch keine Möhren. Mami fand das nicht so toll, aber ich. Unser Hausarzt Dr. Martin in Glesien fand das auch nicht so schlimm. „Ein Stückchen Schokolade am Tag ist auch in Ordnung“ meinte er und das war für mich in Ordnung. Bald stellte ich auf feste Nahrung um und bekam „kleine Schäfchen“ Brot zu Essen. Das fand auch Schwester Maria gut und brachte hausgeschlachtete Leberwurst vom Bauern mit und frisches Gehacktes. Mir ging es gut. Sehr viel frische Luft bekam ich auch, frische Landluft im tiefergelegten Korbkinderwagen und später Korbsportwagen. Mein Papi kaufte alles für mich und uns. Am 1. Osterfesttag, dem 14. April 1963 wurde ich in der evangelischen Kirche zu Wiedemar von Pfarrer Franke getauft. Es war ein schönes Fest. Meine Taufpaten waren Fräulein Brigitte Riemann und Elli Riemann, die engste Familie aus Ostpreußen, Silvia Geißler aus Arzberg, Papas Cousine aus der Heimat sowie Frau Jutta von Perbandt aus Bonn, ehemals Gutsherrentochter vom Gut von Perbandt aus Langendorf. Frau Jutta von Perbandt ließ über den DRK-Suchdienst alle ihre ehemaligen Angestellten aus Ostpreußen suchen und nahm Kontakt zu ihnen auf. Es war ein reger angenehmer Austausch. Sie wollte über alles informiert werden und somit erfuhr sie auch von meiner Geburt und war total begeistert und freute sich. Sie fragte sofort an, ob sie Pate stehen dürfte. Meine Omi und auch meine Mami hätten nie nach einer Patenschaft angefragt. Somit wurde es „Meine liebe Tante Jutta“ für mich, für meine Mami „ Sehr geehrte Frau von Perbandt“ und für meine Omi war es die „Gnädige Frau“. Nur das wollte meine Tante Jutta überhaupt nicht. Meine Paten wurden ein wichtiger Bestandteil in meinem Leben. Die Flüchtlingsunterkunft hatten meine Eltern schon lange verlassen, die Notunterkunft auch und konnten sich jetzt eine zugewiesene Unterkunft in einem Kleinbauernhaus leisten. Unterm Dach des Bauernhauses hatten wir eine Wohnküche und ein kleines Schlafzimmer, ein kleines Zimmer für unsere Omi, unten auf dem Hof eine Pumpe und ein Plumpsklo neben dem Misthaufen. Dazu Familienanschluß bei der Besitzerin, der Frau Roßberger. Wir waren glücklich und zufrieden. Das war schon Lebensqualität. Immer mehr konnten wir uns leisten, eine Nähmaschine aus dem Laden von Paul Winkler in Wiedemar, dem späteren Konsum, einen Fernseher vom Landwarenhaus Glesien, ein Röhrenradio, ein Stückchen Pachtland für ein paar Quadratmeter Gartenfläche sowie ein paar Kaninchen. Die Langohren wurden schnell meine Freunde , ich besuchte sie oft mit Mami auf dem Grabeland . Tante Hugagscher gab uns manchmal frische Eier ab oder Tante Maria brachte sie uns vorbei. Von Tante Liese, Omi ihrer Schwester, konnten wir auch Eier bekommen, sie kassierte aber ihre eigene Schwester ab. Onkel Hermann, Tante Lieses Mann, war ein ganz Lieber. Er packte Eier an einen verabredeten Ort. Omi holte sie dann ab und Papi legte dort für ihn einige Flaschen Bier hin. Da freute er sich sehr, denn Tante Liese kaufte kein Bier für ihn. Ich war ein sehr lebensfrohes Kind, mochte alle Leute, lächelte alle an, bekam Zähnchen und fing an mit Sprechen. Krabbeln ging besser als Laufen. Es half aber nichts, ich kam in den Laufgurt von Schwester Maria und ab ging es zum Spaziergang in die Natur. Ich lernte es schnell. Alle Leute sagten immer : „Ist das ein hübscher Junge, ganz wie die Mama“ . Nur sauber wollte ich nicht werden, ob mir die Baumwollwindeln, Baumwolleinlagen und Gummihosen so gefallen haben, ich weiß es nicht. Windeln auskochen war ständig angesagt. Der Duft der großen weiten Welt … kostenlos in der Wohnküche. Das Sprechen wurde immer besser. Frau Roßberger war die „Tante Hugagscher“ , ich war der Tetta, die Kleinbahn die Tufftuff und vieles mehr an Fremdsprache sprudelte aus mir raus. Ausbüchsen und wegkrabbeln war meine Lieblingsbeschäftigung. Da kam ich in den Laufstall. Und dort hinein kam mein Teddybär, meine Puppe Christine und anderes Spielzeug. Das war optimal für mich. Meine Mami verlies kurz das Zimmer und ich war nicht mit dabei. Das ging nicht. Ich robbte hinterher mit dem Laufgitter im Schlepp. Es zog sich gut über die schön gebohnerte Dielung. Meine Mami war draußen auf der Treppe, ich im Zimmer im Laufgitter hinter der Tür und die Laufleiste des „Rennstalls“ schob sich unter der Türklinke. Das fand Mami nicht so toll. Sie kam nämlich nicht mehr zurück ins Zimmer und ich nicht raus. Eine halbe Stunde Überredung, dann viel ich auf meinen Windelhintern und die Türe wurde wieder freigegeben. Mami war erleichtert und ich freute mich auch, sie wieder zu sehen und Omi war auch so überaus glücklich. Warum nur? Am Abend kam Papi nach Hause und Mami berichtete. Ich hatte nicht viel von meinem Papi, denn ich mußte ins Bett. Am nächsten Tag dann die Ernüchterung. Das Laufgitter bewegte sich nicht mehr. Papi schlug einen Nagel in die Diele und Mami band das Laufgitter daran mit einem Schnürsenkel fest. Eine wirkungsvolle Maßnahme … die aber auch erfinderisch machte. Mein Teddy, die ideale Steighilfe. Mami war kurz unten im Hof und Omi in ihrem Zimmer. Kurz darauf kam Omi zurück und wunderte sich, warum ich am Tisch stand und mich freute. Oma saß im Sessel, Mami kochte am Herd und ich spielte im Laufgitter. Auf einmal war ich der Mittelpunkt im Raum und mit mir wieder die große Verwunderung. Meine Eltern kamen dann darauf, dass ich den Teddy zum Ausstieg nutze. Aber nicht nur das. Neben dem Laufgitter stand der Fernseher Rafena von RFT mit den schönen Drehknöpfen. Der eine Knopf war schön groß und für die Programme einzustellen. Eines Abend, ich schon im Bett, Papi wollte die Nachrichten der Aktuellen Kamera schauen, aber der Programmknopf war weg. Die großangelegte Suche blieb erfolglos bis Mami auf die Idee kam und zu Papi sagte, er solle mal im Spielzeug im Laufgitter nachsehen. Und da war er auch. Mit meinen kleinen Fingerchen hatte ich es geschafft den Knopf zu entfernen. Ein paar Tage später ging dies auch nicht mehr, denn Papi baute eine Abdeckung auf den Fernseher, die ich nicht entfernen konnte. Fernseher gerettet. Ein Erlebnis war immer für mich, wenn Papi mit dem LKW, ein Framo, nach Hause kam. Dann durfte auch ich an das Lenkrad … schöne Fotos sind entstanden. Ob Kalt oder Warm, jeden Tag ging es zum Spaziergang einmal durch und um das Dorf herum. Das Heimkommen war immer ein Erlebnis, wenn auch nur von kurzer Dauer. Ich hatte mich auf die schöne Tischdecke und die Übergardinen in der Küche konzentriert. Kaum zur Türe herein und blitzschnell war ich schon an den Vorhängen , zog kräftig und unten lagen sie. Dann kam die Tischdecke dran. Ich hatte daran große Freude, meine Mami eher nicht. Das ging nicht lange für mich gut, die Vorhänge wurden mit Wäscheklammern ein paar Zentimeter gekürzt, ein rankommen unmöglich, für mich. Aus der schönen Tischdecke wurde ein Tischläufer und er blieb auf dem Tisch. Der Spaß war zu Ende und ich vergaß es am Ende ganz. Ende 1963 meldeten sich meine Eltern für eine Neubauwohnung in Delitzsch bei der Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft für eine Wohnung an. Das Geld für die Aufnahme in die Genossenschaft hatten sie sich zusammen gespart. Sie wurden vorgemerkt für eine Zweieinhalbzimmer - Wohnung im neuen Wohngebiet Delitzsch - Ost. Alles wird dort super sein, Kinderkrippe und Kindergarten, Einkaufsladen, Schule, Hort und vieles mehr. Sie sprachen darüber mit meiner Omi, sie war sehr krank, litt an den Folgen von einer offenen Tbc, verursacht von Flucht und Vertreibung. Zweite Etage mit Balkon, Keller und Boden, Korridor, Bad mit fließend Wasser warm und kalt, Gasheizkörper im Badezimmer, Küche mit Kohleherd, 2 Gasflammen und Gasbackröhre, Spüle, Warm- und Kaltwasser, Durchlauferhitzer, Wohnzimmer mit Berliner Ofen mit Röhre, Schlafzimmer mit Kachelofen und Kinderzimmer mit Berliner Ofen, so entschied das Los. Meine Eltern freuten sich, meine Omi freute sich auch für meine Eltern und sprach traurig ihre Freude aus. Sie wollte in Wiedemar bleiben. Für meine Eltern war das keine Option. Wir sind und waren eine kleine glückliche Familie und das sollte auch so bleiben. Ohne uns gemeinsam keinen Umzug. Aber auch nicht ohne Genosse Walter Ulbricht in Berlin. Denn der brauchte die Mauerteile und den Zement für die Berliner Mauer. Dadurch große Ruhe auf den Wohnungsbaustellen in der gesamten DDR.

Der Bau wurde etwas später vollendet, Papa mußte Eigenanteile und Aufbaustunden leisten und die Wohnung fertig machen. Oma und Mami packten in Wiedemar zusammen. Ich brachte natürlich alles gehörig durcheinander und freute mich über den schönen Spielplatz. Schon seit Wochen gab es jedes Wochenende Kaninchen bei uns. Große Kaninchen ... Papi mußte alle Kaninchen schlachten und auch Tante Hugagscher bekam jedes Wochenende ihre große Keule mit Soße, Kartoffeln und Rotkraut. Ostern 1965 stand vor der Tür. Ostersamstag der große Umzug nach Delitzsch in die neue Wohnung. Mami verpackte den Rest noch. Papi verlud die Möbel mit Hilfe von Bekannten auf den Framo. Dann kam die Verabschiedung aus Wiedemar, Omi und ich kamen auf den Beifahrerplatz, es war ja eine große Sitzbank. Mami daneben und Omi hatte die Pfanne mit dem Osterbraten auf dem Schoß. Delitzsch wir kommen!

Oma und ich, wir sahen die schöne Wohnung zum ersten Mal. Mama und Papa haben ja vorher schon alles für die Ankunft vorbereitet. Gardinen Grosch fertigte die Gardinenstangen an und nähte die Gardinen und Übergardinen. Papi weißte die Wände in den Wunschfarben meiner Mami und jedes Zimmer wurde mit einem anderen Muster frisch gewalzt. Das Bad hatte erdbraune Fließen am Boden und braune Fließen über der Wanne. Die andere Wand hatte einen schönen Ölsockel, der Trend der 60-er Jahre. Schränke wurden aufgebaut, die gesamte Wohnung eingerichtet und fertiggestellt. Omi beschäftigte mich auf dieser riesigen Baustelle und Mami und Papi schufen das schöne Heim für uns. Über der Badewanne malte mein Papi selber ein Landschaftsbild, mit einer Birke, einem See und einem Storch, kein Klapperstorch. Ostermontag war alles fertig und erledigt. Die Schränke waren eingeräumt, Omi freute sich über ihr Zimmer, das Kinderzimmer, und mein kleines Kinderbett stand im Schlafzimmer am Fenster. Oma hatte Küchendienst und Kinderbetreuung, Papi mußte wieder Geld verdienen und Mami war noch wegen mir zu Hause. Das fand ich super toll. Viel Arbeit so eine neue Wohnung. Omi suchte immer die Wassereimer, nun kam ja das Wasser aus der Wand und sie kam zuerst nicht mit den Gasbrennern klar. Alles eine Frage der Zeit. Aber es fehlte etwas, Geld und eine Speisekammer. Geld mußte jetzt wieder verdient werden! Papi hatte eine Idee für unseren ersten Kühlschrank. Der Schrank unter der Spüle bekam einen Ventilator hineingestellt. Das funktionierte einfach wunderbar. Die Butter lief nicht mehr von alleine weg. So langsam kehrte wieder Ruhe bei uns ein und auch der Alltag. Alles normalisierte sich. Nur 400 Meter von unserem Balkon entfernt befand sich die Bahnstrecke von Halle an der Saale nach Cottbus sowie in Sichtweite der alte Sorauer Bahnhof, später Oberer Bahnhof. Und viele Züge fuhren auf der eingleisigen Strecke. Vorallem viele Dampflokomotiven und das Zuschauen machte mir besonders Spaß. Nur als laufender Meter mußte ich mir was einfallen lassen. Die Balkontürscheibe war geteilt, somit konnte ich den Holzfensterrahmen der Doppelverglasung als Trittleiste und die Mittelleiste zum Festhalten nutzen. Das machte richtig Spaß. Urlaub ist was Schönes!! An einem schönen Sommertag packte ich meinen kleinen Kinderkoffer, rot mit weißen Punkten und voller Hartgummi - Indianer und beschloß nach Hause zu fahren . Es dauerte auch garnicht lange und meiner Mami fiel meine Abwesenheit auf. Omi auf mich angesprochen, sie dachte ich wäre bei meiner Mami. Ha Pustekuchen. Panik brach aus. Mami suchte im Neubaugebiet und Omi auf der Leninstraße. Nichts. Omi sprach eine Frau an, ob sie einen kleinen blonden Jungen von 2 Jahren begegnet sei. Ja, sie war. Omi, Seite an Seite mit Genossen Wladimir Illitzsch, auf in Richtung Bahnhof. Kurz vor den Gleisen hatte sie mich eingeholt. Ich freute mich, sie zu sehen. Die Frage von ihr, wohin ich denn wollte beantwortet ich: „Omi, hier ist es schön, aber ich will nach Hause zu Tante Hugagscher.“ Wir gingen gemeinsam wieder in das neue Zuhause und Mami erklärte mir voller Freude, das dies jetzt unser zu Hause sei. Kurze Zeit später kam der erste Besuch. Große Freude, denn Tante Schwester Maria und Tante Hugagscher kamen uns besuchen. Einige Tage später kamen uns zwei Arbeitskollegen von Mami besuchen. Mami ihr Chef, Kurt Reibert, der Besitzer der Chemischen Reinigung und Färberei, brauchte meine Mami wieder dringend auf der Arbeit. Der Familienrat tagte, Omi paßte auf mich auf, Papi war weiterhin den ganzen Tag als Kraftfahrer für den Konsum und die HO auf den Straßen unterwegs und Mami ging wieder detachieren in ihre geliebte Reinigung. „Omi sprach, halbe Tage kannst Du auf Arbeit gehen, da nehme ich ihn Dir ab. Aber wenn er krank wird, bleibst Du zu Hause.“ Damit waren alle einverstanden, auch Herr Reibert. So sollte es werden. Ich nahm natürlich alle Kinderkrankheiten mit, wie sich das für ein ordentliches Kleinkind gehörte. Ich war gut erzogen und ein sehr lieber Junge, sagten alle Leute und meine Mami war da sehr stolz. Meine Eltern verdienten unser Geld, gingen wahnsinnig gerne auf die Arbeit. Ich sparte auch in meiner Sparbüchse. Omi konnte ihre kleine DDR - Mindestrente für sich sparen. Das wichtigste war, wir waren zusammen und sehr glücklich. Unsere kleine Familie….

So verging Tag für Tag. Ich ging mit meiner Oma einkaufen in die schöne neue HO-Kaufhalle oder zu unserem neuen Hausarzt in die Stadt. Am Wochenende gingen wir spazieren im Neubaugebiet oder in die Stadt und bis in den Park . Im Sommer ging es in die Eisdiele, in den Park oder in ein Cafe. Aber auch nach Leipzig und Halle an der Saale fuhren wir zum Bummeln und Einkaufen in die große Stadt, in die Zoos oder auch auf eine Dampferfahrt auf der Saale. Urlaub machten wir auch. Da fuhren wir mit den Rädern, ich hatte es gut, für mich gab es einen Kinderkorb und später den Kindersattel. Wir fuhren mit den Rädern auch schon mal nach Radefeld oder einfach nur in den Wald. Dresden mit einer Dampferfahrt oder der Zwinger - Besuch war auch immer schön, genauso der Ausflug in den Wörlitzer Park. Gerne denke ich an diese schönen Ausflüge zurück. Oft fuhren wir samstags zu unseren Verwandten nach Wiedemar und nach Radefeld. Die Fahrten waren immer anstrengend und umständlich. Aber so war es halt nun mal. Im Sommer lief uns der Schweiß im Bus runter und im Winter zitterten wir uns warm.

Mami stand jeden Wochentag schon 3.45 Uhr auf und erledigte die Hausarbeit. Staubwischen, Badputzen, Sachen bereitlegen, Frühstück machen, im Winter Öfen fertigmachen, Heizen, Asche vor an die Straße bringen. Jeden früh strickte sie auch noch ein paar Nadeln, es war Mamis liebstes Hobby. Sie zauberte die schönsten Anziehsachen von der Nadel und das mit außerordentlich viel Geschick und Liebe. Papi stand eine Stunde später auf. Beide frühstückten zusammen und gingen dann auf die Arbeit. Mami kam schon um 13 Uhr nach Hause, Papi erst spät am Abend. Omi betreute mich und legte mich auch in mein Bett zum Mittagsschlaf. Natürlich wurde mein Schlaf auch überwacht und kontrolliert. Oft genug schob ich das Rollo zur Seite und konnte schauen, wie meine Mami von der Arbeit kam. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich die Straße noch weit hinauf schauen. Meine Freude Mami zu sehen war groß. Oma kam sofort auf Mami zu und sprach: „Sei leise der Junge schläft!“ - Nein, der hat Mami schon gesehen und schlief nicht. Meine Mama konnte diese Wunschvorstellung meiner Oma gleich entkräften. So vergingen die Tage , Wochen und Monate, wir freuten uns immer mehr über unser neues Zuhause und wie sich das Wohnumfeld immer mehr veränderte und schöner wurde. Zu dieser Zeit wußte ich noch nicht, was eine Partei ist, wohl wußte ich aber, dass man auf die Großen hören muß. Und zum Wohle des Volkes beschloß unsere Partei die Steigerung der Arbeitsproduktivität in den Fabriken und in den Schlafzimmern. Die Kinderproduktion wurde gesteigert – gut für mich, ich hatte ausreichend Spielkameraden zum Spielen. Somit verschwand auch langsam das Heimweh nach Wiedemar.

Im Jahr 1966 waren wir nun schon richtige Stadtmenschen geworden. Der erste Kühlschrank wurde angeschafft und unser Haushalt vergrößerte sich. Hansi, unser Wellensittich zog ein und Papi baute uns ein Aquarium mit Zierfischlein. Unser Papi mochte die Natur, die Flora und Fauna. Die Fische wurden Gäste auf der Blumenbank und Hansi unser grüner Wellensittich fand sein neues Zuhause in der Küche. Nur leider nicht von Dauer, denn durch das Stadtgas wurde er krank, schweren Herzens verschenk und hatte noch ein langes und glückliches Leben auf dem Land. Jeden Freitag nach der Arbeit fuhr meine Mami zum Fleischer in die Stadt einkaufen. Schön war es, wenn Mami nach Hause kam, auspackte und ich bekam ein Stück Wienerle oder Leberkäse . An einem solchen Freitag war alles anders, ich war in der Wohnung verschwunden, genauer Standort war der Korridor und war sehr ruhig. Das gefiel meiner Mami und der Omi garnicht und beide schauten nach mir, einfach nur mal um die Ecke. Da war es schon geschehen, ich stempelte mit der Wurst schöne Muster auf die Wand. Omi und Mami verschlug es die Sprache und meinten nur , dass darüber sich der Papi heute Abend freuen wird. Leider konnte ich mich von er Freude nicht überzeugen, denn nach dem Sandmann war das Bett angesagt. Papi freute sich am nächsten Tag noch genauso und beseitigte den Schaden wieder. Neben der Oma ihrer Zimmertür stand mein kleines Kinderstühlchen. Ich saß sehr oft darauf. Da konnte mir nichts entgehen, ich hatte alles im Überblick und war keinem im Weg. Omi hatte immer so schönes Haaröl. Das roch so gut. Ich fand die Flasche in ihrem Zimmer und probierte es auch gleich mal aus. Dann setzte ich mich auf das Stühlchen und schaute in die Küche zu meinen Eltern . Meine neue Frisur hatte ich schon wieder vergessen und voller Freude in mir legte ich meinen Kopf zurück an die Wand. Kurze Zeit später ein Aufschrei meiner Oma, Mama kam auch gleich gelaufen … ein riesiger Fettfleck an der Wand. Auch Papi seine Freude war wieder sehr groß, denn erneut mußte die Farbe wieder aus dem Keller geholt werden. Auch stand mein erster Urlaub ins Haus. Unser Papi hatte Heimweh nach seiner alten Heimat, seinem alten Zuhause, Nordböhmen. Mamachen ihre Heimat konnte leider nicht besucht werden und wurde auch offiziell von den einstigen Machthabern verschwiegen, Ostpreußen. Jetzt sowjetisches gesperrtes Territorium, kein Hinkommen für viele Jahre möglich. Das alte Sudetenland, Böhmen und späteres Protektorat Heydrichs, Nordböhmen konnte als Czechoslowakei nur mit Visa zu diesem Zeitpunkt bereist werden. Da es einmal Papas Heimat war stellten die Behörden der DDR dieses Visum auch aus. Im Sommer war es soweit, 2 Wochen Urlaub für meine Eltern und davon 10 Tage nach Nordböhmen. Eigentlich von Haustür zu Haustür nur 170 Straßenkilometer, bei uns waren es mehr. Zu Fuß gegen 18 Uhr zum Bahnhof, dann mit dem Personenzug nach Leipzig, mit dem D-Zug Richtung Prag über Dresden, Bad Schandau und Usti nad Labem , dem alten Aussig an der Elbe, nach Decin, früher Detschen-Bodenbach. Weiter fuhr der Arbeiterzug nach Teplice, früher Teplitz-Schönau, mit Umstieg in Usti. Dann noch mit dem Autobus von Teplice nach Hrob-Mlyny, dem alten Grundmühlen und 600 Meter Fußmarsch bis nach Neuwernsdorf. Gegen 9 Uhr früh waren wir vollkommen kaputt angekommen. Die Fahrt war umständlich, aber in Ordnung. Problematisch dagegen die Grenzkontrolle in Bad-Schandau, egal ob DDR-Grenzer , Zoll oder die tschechischen Behörden. Dabei waren wir doch eigentlich schon Klassenbrüder! Nun aber erst einmal das große Besuchsverwöhnprogramm mit Bier , Knödel und Schweinebraten. Aber auch viele Besuche und Erholung. Meine geliebte Tante Bertl hat mich immer so schön festgehalten, wir hatten uns beide lieb. Mein Onkel Franz beschloß mir die tschechische Sprache näher zu bringen und mir gefiel das auch. Somit fing ich an Tschechisch, die zweite Muttersprache meines Papi, zu lernen. Die Tage vergingen wie im Flug und wir fuhren wieder nach Hause mit vielen Eindrücken, Erholung und böhmischen Lebensmitteln, Omi sollte ja auch Böhmen vom Geschmack kennen lernen. Und bei uns in der kleinen Familie gab es schon immer eine Tradition: Selbst das Kleinste wurde geteilt. Dies lernte ich auch sehr schnell und finde es heute noch eine gute Familientradition. Und auch das Spielzeug wurde immer mehr, in der Zwischenzeit zählte zu meinem Besitz schönes Blechspielzeug, wie eine Raupe, ein Mondauto, ein ferngesteuerter Hubschrauber, aber auch ein Kinderschifferklavier, eine Mundharmonika, ein Bagger aus Plaste , ein Matchbox und ein Friseurkasten. Mein armer Teddy wurde täglich rasiert … heute immer noch gut zu erkennen! Papi verdiente sich nebenbei noch Geld durch zusätzliche Fahrten am Samstag. Da lieferte er Bier und Limo aus, fuhr manchmal auch Brötchen und Brot aus. Dieses Geld investierte er für mich und Mami und Papi beschlossen, mir eine Modelleisenbahn zu bauen. Papi organisierte Bausätze und dann saßen beide bis tief in der Nacht in der Wohnstube und bauten und klebten. Sechzehn Monate betrug die erste Bauzeit. Immer am Mittwoch war in unserer Straße viel los. Gegen Mittag kam der Milchmann, ein schöner Wagen mit zwei Schimmel eingespannt. Zwei Groschen, die Milchkanne und Omi an der Hand ging es vor zum Milch holen. Die schönen Pferde und die schönen Pferdeäpfel. Mami und Omi liebten die frische Milch. Ich war da wie mein Papi und weigerte mich, Milch zu trinken, aber um die Milchsuppe mit Mehl – Klümpchen, Klunkersuppe, kam ich nicht herum … den Geschmack verspüre ich heute noch. Sonntag Vormittag fuhr mein Papi manchmal in den Wald, unsere Spröde. Dort gab es auch noch Bombentrichter vom Krieg. Aus diesen Bombentrichtern holten wir unser Fischfutter, Wasserflöhe, rund und dick, ein schönes Mahl für die Fische. Mami stand am Herd und machte wie so oft ein böhmisches Sonntagsessen, Broiler mit Schmorkraut und Semmelknödel. Ach roch das immer gut, wir waren von der Radtour auch schon hungrig. Papa trat in die Pedalen und ich schnatterte auf meinem Kindersitz. Auch das war anstrengend...

Ich freute mich auch schon immer auf die kalte Jahreszeit. Papi baute ein Vogelhäuschen für den Balkon, da konnte man schön die Piepmätzchen beobachten. Schnee fiel vom Himmel und machte alles weiß, aus der Ofenröhre ein leckerer Duft von Bratapfel, welche Papi für uns dort hineinlegte. Plätzchen wurden gebacken, manchmal auch Stolle und die Paketfrau brachte die Weihnachtspakete. Westpakete, aus Bonn und aus Marktredwitz. Der Geruch des Westens, unverkennbar und eingebrannt im Gedächtnis für immer. Für Jeden war etwas dabei, für Papi Ernte 23, für Omi Sarotti und löslichen Kaffee, für Mami Lux-Seife, Feinstrumpfhosen und Sorotti-Schokolade und dann noch Obstkonserven und Kaffee, Kaugummi und Milka, Dr. Oetker Pudding und Schaumspeisen, Schlagwunder und Aromen, Zitronat und Orangeat, Cigorie und Fischbüchsen, von allem etwas und auch noch so schön verpackt. Ein Augenschmaus und Genuss. Weihnachten konnte kommen und stand auch schon vor der Tür. Mami und Omi waren viel in Küche beschäftigt. Es wurde gebacken, gebraten, gekocht, Kartoffelsalat, Karpfen, Fischsuppe … eine schöne Familientradition. Papi mußte sich unter Anleitung von Mami um die Weihnachtsfichte kümmern. Schön geschmückt stand sie nun an ihrem Platz in der Wohnstube. Nach dem Kaffeetrinken gingen wir noch in die Stadt auf einen Spaziergang. Es war kalt und schneite. Ein Wintermärchen … und an unserem damaligen Hotel „Linde“ auf einmal ein großer Schreck für mich, der Weihnachtsmann stand vor mir. Ups, mein gelerntes Gedicht war einfach nur weg. Mit ein wenig Hilfe von Mama lief es problemlos und ich bekam einen schönen Lolli vom Weihnachtsmann. Daran erinnere ich mich noch heute gerne zurück. Wieder zu Hause angekommen schickte Mami uns in den Keller, wir brauchten noch das Obst. Als wir wieder oben waren, war doch tatsächlich der Weihnachtsmann da und hat mich verpaßt. Grüße lies er über meiner Mami ausrichten und legte die Geschenke unter dem Weihnachtsbaum. Ich war am Ende mit den Nerven, konnte es nicht begreifen, das ich den Weihnachtsmann nicht gesehen habe zu Hause. Und so geschah es noch viele weitere Jahre, immer war der Weihnachtsmann schon wieder weg, wenn wir aus dem Keller kamen. Ich wollte mich doch nur bei ihm bedanken. Den Wunschzettel habe ich auch schon immer für die Engelchen auf das Fensterbrett gelegt. Sie kamen immer zu mir, wenn ich schon schlief, so sagte es jedenfalls meine geliebte Mami. Die Engelchen wollten mich nicht wieder wach machen…

Im neuen Jahr 1967 änderte sich nicht viel. Mami und Papi gingen auf die Arbeit, Omi war für mich da, ich brauchte nicht in den Kindergarten. Das war auch gut. Meine Kinderkrankheiten nahm ich auch so dankend gerne mit. Was weg war , war halt weg. Kurz vor Ostern kam Post aus Radefeld von Tante Pepi, wir sollen doch Ostern kommen. Und das taten wir auch. Per Autobus aufs Land. Tante Pepi freute sich, knuddelte mich und es gab erst einmal 2. Frühstück, Bauernfrühstück mit Hausschlachtewurst und frischem Landbrot. Gerald war 5 Jahre älter als ich. Es war ein herrlicher Sonnentag und wir gingen hinter in den Garten. Gerald und ich durften Ostereier suchen und wurden auch fündig. Schön war es, alle waren richtig glücklich und wieder zurück in der Küche. Nur ich nicht, ich suchte weiter schöne Ostereier. Nur einer fand das garnicht so toll, es war Struppi der Hofhund. Ob er wohl schon das Elend kommen sah? Ich fand auch noch viele schöne Ostereier und groß waren sie. Voller Stolz und glücklich bin ich in die Küche gelaufen und zeigte meine Ausbeute. Mami und Papi wunderten sich, Tante Pepi und Onkel Rudi wurden kreidebleich und schockstarr. Nach dem ersten Schreck der Aufschrei von meiner Tante und sie schoß mit den Eiern durch die Tür. Ich mußte ihr zeigen wo ich diese gefunden habe, was ich auch tat. Ich kann nur sagen, die Ente war dann wieder glücklich über ihre Eier ... Mein zu Ostern erhaltenes kleines Radio Kosmos mit den wiederaufladbaren Akkumulatoren aus dem Lande Lenins war eine Wucht und mein ständiger Begleiter. Selbst auf den Sonntagsspaziergängen hatte ich es mit dabei und hörte Radio. Dann kam es , wie es kommen mußte, Post vom Amt. Papa mußte mich für die Schule anmelden. Und ich hatte Glück, ich wurde für die neue Otto-Grotewohl-Oberschule eingetragen. Da ich nicht im Kindergarten war wurde für mich die Vorschule vorgemerkt.

Auch änderte sich viel im Wohngebiet. Es wurde immer Grüner und wir bekamen neue Spielplätze. Wippen , Schaukeln, Sandkästen, Kletterpilz und alles direkt vor der Haustür. Das war Klasse. Alle vier Wochen wurde die große weiße Wäsche gewaschen. Das geschah im Waschhaus. Am Vorabend des Waschtages wurde das Waschhaus eingeräumt. Unsere Nachbarin, Tante Mayerhofer, kaufte sich schon einen DDR-Waschvollautomaten aus dieser Zeit. Es war ein Holzbottich mit einem Motor betrieben. Dieses Gerät hat wunderbar sauber die Wäsche gewaschen. Papa besorgte uns eine Wäscheschleuder vom „Fliegenden Konsum“ , welcher auf den Dörfern unterwegs war, ein Traktor und 3 umgebaute Bauwagen. Wir durften die Waschmaschine mit benutzen und Tante Mayerhofer benutzte auch unsere Schleuder. Am Waschtag hieß es Waschkessel anheizen mit Braunkohleknorpel und Briketts und Wäsche kochen. Danach Waschen, Schleudern und im Sommer auf dem Wäscheplatz die Wäsche aufhängen. Im Winter ging es 90 Stufen hinauf auf den Boden. Und das alle 4 Wochen. Eine Erleichterung war die Einführung des Haushalttages für die berufstätigen Mütter. Der wurde auch dringend gebraucht. Papi war an der Arbeit, Omi, Mami und ich im Waschhaus. Am Abend mußte dann auch noch alles geputzt werden, trocken gemacht werden und wieder in den Keller verräumt, die Asche mußte gezogen werden. Tagsdrauf ging ja schon wieder der nächste Nachbar in das Waschhaus. Das war echter Streß alle paar Wochen … ich machte noch zusätzlich Streß, denn ich hatte immer sehr viel Nasenbluten. Meistens natürlich auch am Waschtag. Alle 8 Wochen mußten meine Mami und ich nach Leipzig in die Straße der Deutsch - Sowjetischen - Freundschaft reisen zum Hals – Nasen – Ohren - Arzt. Dieser verätze mir die Äderchen, was sehr weh tat. Auf Grund seines hohen Alters verätzte er mir auch andere Stellen an der Nase. Ich hatte immer große Panik vor diesem Arztbesuch, aber es mußte sein. Es gab dann auch immer die unschöne Borsalbe und viel Mull zur Pflege der Nase. Das war furchtbar, aber ich war ein sehr artiges Kind. Meine Eltern waren immer sehr stolz auf mich. Ich wurde geliebt und bewundert von Allen, so ein lieber rund hübscher Junge, ganz wie die Mama … höre ich heute noch. Ich war ja auch der Liebling der Familie. Zum Geburtstag, so auch zum 5. Geburtstag, bekam ich einen schönen Blumenstrauß, einen schönen Kuchen, meinen Kerzenkranz mit dem Lebenslicht. Es war immer so schön, aber auch die Feiern mit Freunden und Familie und Verwandten . Ich erinnere mich sehr gerne daran zurück. Und erst richtig gut war mein neuer Roller, ein luftbereifter grüner Roller. Er fuhr sich leicht und einfach nur gut. Er wurde zu meinem ständigen Begleiter. Wenn Papi den Einsatz der Lieferfahrzeuge planen mußte, saß er im Büro. Dann fuhr ich die 1000 Meter bis zu seiner Arbeit und brachte ihm das Mittag. So kann ich mich erinnern, das es einmal sehr warm war und die Leninstraße baumlos. Die Bratkartoffeln waren noch warm, trotz Fahrtwind. Die selbergemachte Sülze schon etwas lockerer und der Nachtisch, die selbstgekochte Götterspeise einfach nur flüssig … nach meinem Transport ein Getränk. Aber Papi freute sich immer und ich war sicher auf dem Fußweg und achtete auf den Verkehr. Mein Papi war ja schließlich Berufskraftfahrer! So kam auch wieder Weihnachten und kein Weihnachtsmann der Welt konnte mich mehr erschrecken, denn ich war ja jetzt schon ein großer Junge. Nach dem Kaffee wieder der Spaziergang in die Stadt. Es war eiskalt, die Dunkelheit brach herein, der Schnee rieselte vom Himmel und die Glocken der Stadtkirche riefen zum Gottesdienst. Am Hotel in diesem Jahr kein Weihnachtsmann in Sicht. Also brauchte ich keine Angst mehr zu haben. Meine Gedanken sprudelten in mir und auch heraus. Alles was im Köpfchen war erzählte ich auch. Wir waren auf dem Heimweg, kurz hinter den Bahnschranken. Der Schneefall wurde stärker und auf einmal ein heller Glockenklang vor mir und ein „ho ho ho…“. In mir erstarrte alles, ich schaute hoch und erkannte den Weihnachtsmann. Ach war das eine Überraschung und mein Gedicht war wieder weg. Mit Mamis Hilfe klappte es wieder. Ich war echt verblüfft. Nach Jahren erfuhr ich von meinen Eltern, dass sie den Weihnachtsmann schon lange gesehen hatten wie er die Leninstraße herunter kam, aber nichts sagten und dann Ruhe war bei mir bis wir wieder zu Hause waren und ich der Oma von dem Treffen erzählte. Danach bin ich wieder mit Papi in den Keller gegangen, um die Dose Ananas aus dem Westen zu holen. Diesmal war ich aber aufmerksamer und teilte meiner Mami mit, dass wir uns beeilen werden, damit ich mein Gedicht dem Weihnachtsmann vortragen kann … und wieder war er schon wieder gerade aus der Türe heraus, als wir hochkamen. Mami sagte nur zum Papi „Ihr hättet ihn aber noch sehen müssen“ – ich begriff es nicht, aber die schönen Geschenke lenkten ab. Sie lagen alle schön unter dem Weihnachtsbaum. Mami, Papi und Omi strahlten, ich war von dem Glanz ganz verzückt. Trotzdem, etwas ganz Komisches lag in der Luft, und Omi und meine Eltern waren etwas nervös. Auf dem Boden, vor dem Buffetschrank stand etwas, noch Verdecktes. Groß und verhüllt lag es da … da war mir einiges klar, der Weihnachtsmann hatte schwer zu schleppen und war deswegen auch gleich wieder weg. Mami und Papi entfernten die Verhüllung und ich war platt, da stand sie vor mir, oder besser lag sie … eine Modelleisenbahnplatte. Und so schön war sie, Spur TT, mit Häusern, Bahnhof Himmelpforte und Leuten, Autos, Schranke und Landschaft. Auf den Gleisen die Dampflokomotive und 2 Personenwagen der Deutschen Reichsbahn. Ich strahlte vor Freude. Mami, Papi und Omi auch, so schön war sie. Mami und Papi hatten echt schön gebastelt, nur ich wußte das ja zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Aber dann, mein Papi steckte den Stecker des Trafo in die Steckdose und nahm die Eisenbahn in Betrieb. Ach, war das schön, alles so schön beleuchtet, alles die Lichter in den Häusern, die Landschaft und der Zug fuhr los nachdem die Schranken sich schlossen. Ich konnte mich von dem schönen Geschenk garnicht trennen, die Feiertage vergingen wie im Flug. Ihren Platz fand die Eisenbahn während der Feiertage unter dem Buffet und das Spielen fand kein Ende. Auch noch bekam ich einen Baukasten vom Weihnachtsmann geschenkt, wo ich selber mir Rollschuhe, Schlittschuhe und Gleitschuhe bauen konnte. Sofort baute ich mir die Schlittschuhe zusammen, mit der Hilfe von meinem Papa und probierte sie auch gleich an. Das fand Mami garnicht so toll auf dem Teppich … ohne weitere Worte dazu.

So konnte gerne das Jahr 1968 beginnen. Papi lies den Zug rollen und ich sprang vor Freude mich haltend an der Lehne den Schalensessel hoch. Ich verlor den Halt und krachte rückwärts auf den Bahnhof. Natürlich war dieser zerstört und platt. Das gefiel mir garnicht. Am 6. Januar, dem Heilig Dreikönigstag verschwand die Weihnachtsdekoration wieder wie von Zauberhand. Somit auch die schöne Eisenbahn. Ich war sehr traurig. Gleich zum Jahresbeginn stellten meine Eltern den Antrag auf einmalige Ausreise aus der Deutschen Demokratischen Republik für 10 Tage in die Tschechoslowakische Republik und bekamen nach Prüfung und Bezahlung auch das Visum. Der Urlaub war sicher und daraufhin wurde auch gearbeitet und vorbereitet. Mit meinen neuen Gleitschuhen und den anderen Kindern ging es nach Beerendorf auf den Schwämi, dem Gülleteich der Schweinezucht. Er war idyllisch und viele Kinder waren dort zum Spielen. Die Gülle war schon verdünnt zum Lagern und späteren Aufbringen auf die Felder der LPG. Einfach genial zum Gleitschuhlaufen, nur Umfallen durfte man nicht. Man roch uns dann schon einige Meter vor der Haustür nach Hause kommen. Nun waren auch noch die Schlittschuhe dran. Flott zusammengebaut und Papa hatte auch Schlittschuhe sich besorgt, fuhren wir an einem Sonntagvormittag mit unseren Rädern nach Werben auf den Dorfteich. Papi zog sich die Schlittschuhe an, ich auch und Papi lief los. Nur ich hatte Schwierigkeiten, schon alleine meine Haltungsnoten beim Stehen auf den Dingern waren schlecht. Ich lag mehr als ich stand und beendete die Lerntätigkeit. Bis heute kann ich nicht Schlittschuhlaufen. Dafür klappte es mit den Rollschuhen immer besser. Und auch Ostern verlief diesmal in Radefeld anders. Ostereier wurden im Haus gesucht, da das Wetter nicht so schön war, also hatten auch die Enten vor mir Ruhe. Im Sommer packten wir unsere Koffer und Taschen, voll mit vielen Geschenken und machten uns auf Richtung Böhmen, mit einer gehörigen Portion Angst und Panik vor den Grenzbeamten und dem Zoll. In der Zwischenzeit wußten auch wir vom Prager Frühling. Mähren und Prag waren weit weg und in Nordböhmen merkte man vom Prager Frühling nicht viel. Eine ungewöhnliche Grenzsicherung blieb auch uns nicht verborgen. Diese ersten Urlaubstage waren sehr schön, bis dann die geschichtlichen Ereignisse immer näher kamen. Decin, Usti und dann auch noch Teplice, nur 12 km entfernt, gab es Krawalle und Auseinandersetzungen. Als die ersten Panzerfahrzeuge durch Klostergrab rollten, war der Spaß vorbei und wir mußten raus. Aber wie, am Abend vorher wurden die Grenzen geschlossen. Unsere Verwandtschaft riet zur Flucht über Moldawa, dem früheren Moldau. Dort war nur ein Schlagbaum und gleich dahinter der Ort Rehefeld/DDR. Mit Sack und Pack ging es 700 Höhenmeter auf Richtung Moldau. Im Schutz der Dunkelheit gelang uns der Grenzübertritt und wir waren wieder sicher. Sicher kamen wir auch wieder zu Hause an, nur unsicher waren die DDR-Behörden. Kein Ausreisestempel im Visum, das ging garnicht. Nach der Niederschlagung des Prager Frühling öffneten sich auch wieder die Grenzen und das sogar visafrei. Das war ein richtiger Abenteuerurlaub … aber auch erst einmal der letzte Urlaub für unbestimmte Zeit in Böhmen. Mein 6. Geburtstag stand bevor. Mami und Papi hatten schon Probleme mit mir auf dem Fahrradkindersitz. Ich wurde ja immer größer. Papi organisierte ein Fahrrad für mich und an meinem Geburtstag stand es nun da, ein blaues Klappfahrrad von Mifa. Ich freute mich unendlich und mußte nun Radfahren lernen. Es klappte ganz gut und schnell und machte mir auch viel Spaß. Von nun an war ich noch größer und konnte mit meinem eigenen Rad fahren. Das Jahr ging auch wieder dem Ende entgegen. In diesem Jahr war alles anders, ich war nun schon ein großer Junge, der Nachmittagsspaziergang viel aus. Wir verbrachten die Zeit vor der Bescherung zu Hause am warmen Ofen. Der Weihnachtsmann legte die Geschenke wieder unter dem Baum und ich habe ihn wieder nicht gesehen. Was aber wieder da stand, meine Eisenbahn, größer und schöner denn je. Jetzt noch mit Weichen und auf zwei Etagen Schienen. Dazu noch eine Diesellok und Güterwagons der Deutschen Reichsbahn. Der schöne Bahnhof Himmelpforte war im alten Glanz aufgebaut. Und der Weihnachtsmann hatte noch eine besondere Überraschung mitgebracht, Holzböcke für die Eisenbahnplatte. Das war Fortschritt, wir mußten nicht mehr auf der Erde spielen. Da machte die Eisenbahn doch noch viel mehr Spaß. Das war wieder einmal ein Weihnachtsfest, eine schöner Baum, wohlige Wärme, schönes Essen, eine harmonische Familie und ein schönes Fernsehprogramm. Wie in jedem Jahr liefen die schönen sowjetischen Märchen im Fernsehen, Hexe Babajaga, Das singende klingende Bäumchen und mehr. Und noch etwas ganz Besonderes war zu Weihnachten vorhanden und das nennt man Schnee. Für alle, die das nicht mehr kennen sollten, es ist weiß, kalt und fällt vom Himmel. Und in diesem Jahr 1968 war Frau Holle ganz besonders fleißig. Somit konnten gleich meine neuen Skier ausprobiert werden, richtige schöne Ski, 1 Meter lang und schöne Bambusstöcke dazu. Stiefel an und Bindung hoch und los ging es. Ach, war das toll. Nach langer Zeit, naß und durchfroren ging es wieder in die warme Wohnung. Und als Dank gab es eine Erkältung. Damit gab ich mich meist nicht zufrieden, bei mir wurde es meistens immer eine Angina. Also kam ich mit Fieber ins Bett. In der Zwischenzeit war ich natürlich zu groß geworden für das Kinderbett. Meine Eltern hatten sich ein neues Schlafzimmer gekauft und der transportable Kachelofen mußte weichen und wurde auf dem Boden abgestellt, wo er sich noch heute befindet. Ich bekam ein Wandklappbett. Mein Papi hatte auch noch eine kleine Lampe mit hineingebaut. Da lag ich nun, krank im Bett. Ich kam auf die Idee Fieber zu messen. Ich tat es auch und schlug das Fieberthermometer wieder runter. Dabei traf ich die Bettkante und es ging kaputt. Zwei große Kugeln Quecksilber lagen da. Kein Problem, es gab ja Schippe und Handfeger. Aus den 2 Perlen wurde viele Perlen, aber sie bewegten sich nicht auf die Schippe, also nahm ich den Staubsauger Omega aus Altenburg. Gute Erfindung. Das Quecksilber nebst Glas war weg. Viele Wochen später half ich meiner Mami im Korridor Staub zu saugen. Auf einmal gab es einen fürchterlichen Knall, hinten raus eine Stichflamme von 30 Zentimeter, Mami schrie auf, Omi kam um die Ecke und ich stand da und war ganz blass. Die Sicherungen waren auch herausgeflogen von der extremen Verpuffung. Das bedeutete, wir mußten einen neuen Staubsauger kaufen, Papi kannte ja genug Leute und brachte einen neuen Staubsauger mit nach Hause. Aus dem alten Omega baute er dann aus vielen Bindfäden eine Schuhputzmaschine. So eigentlich funktionierte diese Maschine sehr gut. Wir probierten sie an Schuhen im Korridor aus. Alle standen wir ringsum, wie Papi den Schuh an die drehenden Bindfäden hielt. Jawohl, die Maschine putzte den Schuh blank … nur wir waren nicht wiederzuerkennen. Erst sahen wir garnichts mehr und als wir wieder zum Vorschein kamen, waren wir alle voller Kleinstfäden des Bindfadens. Diese Erfindung unseres Papschers viel durch. Wir machten zuerst Badewasser fertig, dann ging es in die Wanne und zum Schluß machten wir den Korridor wieder sauber. Viele Jahre lachten wir noch darüber!

Warum hat mich das Glück vergessen

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