Читать книгу Sieben Schritte zur Ewigkeit - Stephen Turoff - Страница 7

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KAPITEL 1

»ICH STARB IN DER SCHLACHT AN DER SOMME« Das waren die ersten dramatischen Worte, die James Legget mir vermittelte. In der Folge erklärte er, wie er mit zwanzig Jahren den Tod gefunden hatte.

Es war im August 1914. Ich war erst achtzehn Jahre alt, als der Krieg ausbrach. Wie die meisten Jugendlichen wollte ich unbedingt zur Armee und hatte das Glück–wenigstens glaubte ich das damals -, genommen zu werden. Ich machte mir kaum bewusst, dass ich nicht zurückkommen würde.

Im November desselben Jahres verließ ich ein Zuhause, in dem ich immer liebevoll umsorgt worden war, und begab mich in das Lager in caterham. Das war ziemlich beschwerlich für mich, denn ich vermisste die Annehmlichkeiten von daheim. Jener Herbst war einer der regenreichsten, die ich jemals erlebt habe. Wir wurden in primitiven Armeezelten untergebracht, wo wir nur unter einer Wachstuchdecke und zwei Laken schliefen.

Mit der Aufstellung der Holzbaracken für den Winter war gerade erst begonnen worden. Bis spät in den Herbst hinein mussten wir in mit Sackleinen bespannten Unterständen leben und auf dem Boden schlafen.

Es wurden neue Befehle ausgegeben, denen zufolge wir in die Chelsea-Baracken umquartiert werden sollten. Diese erfreuliche Nachricht gab uns Grund zu feiern, denn es bedeutete, dass wir endlich ein richtiges Dach über dem Kopf haben würden. Nach Beendigung der Grundausbildung wurde das Regiment ins Ausland abkommandiert, wo wir das Gelernte praktisch anwendeten.

Im darauf folgenden Jahr kam ich zum Glück oft um Haaresbreite davon, verlor aber viele Freunde auf dem Schlachtfeld, bevor das Schicksal dann ein letztes Mal zuschlug. Bereits 1916 wurde meine Zeit knapp. Ich wurde in die Schützengräben verlegt. Die Deutschen beschossen unsere Frontlinien und das Niemandsland dazwischen mit Granaten. Wir warteten auf den Angriff, der, wie wir wussten, auf das Sperrfeuer folgen würde. Es kam zu einem grimmigen Nahkampf, aber wir schlugen sie zurück, wobei es auf unserer Seite nur geringe Verluste gab. An der Front wurde der Befehl ausgegeben, wir sollten zum Gegenangriff übergehen, bevor sich die Deutschen neu formieren konnten.

Bei Einbruch der Dunkelheit lag Stille über dem Schlachtfeld, man hörte nur ein paar Granaten explodieren, die den Nachthimmel erhellten. Vorsorglich duckte ich mich, denn die deutschen Heckenschützen brauchten nicht viel Licht, um ihr Ziel zu treffen. Plötzlich ertönte der Pfiff und man hörte den Schrei »Auf sie, Jungs!«

Wir waren erfüllt vom Kampfgeist, der nur in dieser einzigartigen Kameradschaft entstehen kann, die es in solchen Situationen gibt. Auf diesen Augenblick hatten wir die ganze Zeit gewartet. Mit aufgesteckten Bajonetten drängten wir über die Brustwehr. Für die Deutschen war unser Kommen nicht überraschend, denn sie bewarfen uns mit allem, mit Ausnahme des Spülbeckens.

Während wir auf Niemandsland vorrückten, wurde ich von einem Granatsplitter in der Brust getroffen. Stundenlang lag ich im Todeskampf auf dem Boden. Die Dämmerung zog auf und ich spürte, wie ununterbrochen Wellen von vorwärts stürmenden Männern über mich hinwegstolperten

Nach einer Weile wurde ich aufgrund des Blutverlusts bewusstlos. Bei Sonnenuntergang kam ich dann wieder zu mir. Über allem hing ein unheimlicher Nebel. Ich betete darum, eine Granate möge mich treffen und meinen Todeskampf beenden, denn der quälende Schmerz war unerträglich. Wieder wurde ich bewusstlos. Als ich wieder zu mir kam, fühlte ich mich benommen, verspürte aber wenig Schmerzen und fühlte mich nicht mehr schwach und müde. Ich legte die Hand auf die Brust, um festzustellen, wie viel Schaden der Granatsplitter angerichtet hatte. Zu meinem Erstaunen hatte meine Uniformjacke keinen einzigen Riss. Ich zog mich mühsam hoch, weil mich völlige Dunkelheit umgab. Obwohl sie entfernt schienen, hörte ich die Gewehrschüsse und das Geschrei um mich herum. Nach einer Weile gewöhnte ich mich an die Dunkelheit, die einem dicken Nebel glich, und sah dunkle Schatten darin hin und her huschen. Andere Schatten lagen reglos da. Ich beschloss, weiterzugehen; ich wollte nicht geschnappt oder von den übrigen Jungs getrennt werden.

Was dann geschah, ist schwer zu erklären. Es war wie ein Traum, in dem man versucht, weiterzugehen, aber es nicht kann. Etwas hinderte mich daran, mich mehr als ein oder zwei Schritte weiterzubewegen. Ich tastete mich ab und entdeckte eine Schnur, die sich auf geheimnisvolle Weise an mich gehängt hatte. Ich ergriff sie und zerrte daran, konnte sie aber nicht lösen. Ich sah an meinen Händen hinunter bis zu der Stelle, wo sie als nicht erkennbare dunkle Form endete. Das verwirrte mich ziemlich und löste Beklommenheit, ja Schrekken in mir aus. Ich setzte mich hin, um nachzudenken.

Den Kopf in den Händen vergraben, überlegte ich fieberhaft, was ich als Nächstes tun sollte. Plötzlich hörte ich Stimmen in der Nähe, und als ich die eines Freundes erkannte, rief ich nach ihm; doch ich bekam keine Antwort. Ich zog mich hoch und rief: »Ich bin hier!« Die Stimmen wurden lauter und zwei schattenhafte Gestalten bewegten sich auf mich zu.

»Passt doch auf!«, schrie ich, als sie geradewegs durch mich hindurchgingen. Sie knieten sich neben die schattenhafte Masse, an der ich festgebunden war, und einer schien etwas damit zu machen. Ich war verwirrt und dachte, ich sei im Delirium, doch wenigstens hatten sie mich gefunden. Plötzlich hörte ich, wie einer der Schatten ausrief: »Er ist tot, armer Kerl, wir bringen ihn am besten zurück.« Ich fragte mich, über wen sie sprachen. Beide beugten sich hinunter und hoben zu meinem Erstaunen die schattenhafte Masse hoch, an der ich festgebunden war. Als sie sich fortbewegten, wurde ich von dieser geheimnisvollen Schnur mitgezogen. Ich schrie, sie sollten stehen bleiben. »Um Himmels willen, was tut ihr da? Ich kann euch sehen, ich kann euch hören, warum gebt ihr keine Antwort?« Aber es war zwecklos.

Dann brandeten die Worte eines der beiden Schatten zurück: »Er ist hinüber, der arme Kerl.« Ich sagte mir die ganze Zeit: »Ich kann doch nicht tot sein, ich kann hören und sehen; zwar nicht besonders gut, aber ich kann sehen.« Ich hoffte und betete, dass sie sich irrten. Bei einem niedrigen Gebäude blieben sie stehen und hielten noch immer den Schatten, an dem ich festgebunden war.

Eine neue Stimme sagte: »Bringt ihn nicht hierher, er ist schon eine Weile tot. Legt ihn hinten zu den anderen, die begraben werden sollen.« Ich erinnere mich vage an die Worte, die bei der Trauerfeier gesprochen wurden, dann war es still. Die Schatten wandten sich zum Gehen und zum letzten Mal vernahm ich die Stimme meines Freundes: »Er war ein netter Typ.«

Die Stimmen verloren sich allmählich im Nebel und ich hörte nichts mehr. Langsam fuhr ich mit den Händen über Körper und Gesicht. Ich hatte immer noch einen Körper, aber irgendetwas mussten sie ja begraben haben. Inzwischen dämmerte es mir langsam, dass ich vielleicht wirklich tot war. Ich war entsetzlich verwirrt und hatte Angst. Ich fragte mich, was wohl als Nächstes passieren würde. Falls ich tot war, wo war dann der Himmel? Ich fing an, hemmungslos zu weinen, und stieß hervor: »Lieber Gott, bitte hilf mir. Ich weiß, ich bin nie in die Kirche gegangen, aber ich habe immer versucht, ein guter Mensch zu sein.«

Seltsamerweise verwandelte sich meine Angst in Wut. Mein ganzer Körper begann zu pulsieren. Ich wollte verzweifelt von dieser Schnur loskommen und meine Wut gab mir die Kraft dazu. Ich ergriff sie und zog daran. Ich kann nicht ohne weiteres beschreiben, was ich anschließend fühlte. Ich empfand eine Leichtigkeit in meinem Körper und Geist. Ich hatte das Gefühl, zum ersten Mal, seit ich verletzt worden war, einen klaren Kopf zu haben. Jetzt war ich frei!

Ich sah an mir herunter und starrte hinüber zu der Stelle, von der das Kriegsgeschrei zu mir drang. Ich konnte viele Gestalten sehen, die umherrannten und zu Boden fielen. Manche standen wieder auf, manche lagen einfach da. Eine der Gestalten fiel mir besonders auf. Als ich genauer hinsah, bemerkte ich, dass ein dünner Nebel aus ihr strömte und die Gestalt eines Mannes annahm, der über der dunklen Masse schwebte. Erstaunt mutmaßte ich, dass mir wohl dasselbe widerfahren war. Darauf sah ich eine vollständige Gestalt, an der eine dünne Silberschnur hing, die mit dem Schatten am Boden verbunden war. Ich sah weiter hin. Der Mann fing an, sich zu regen und zu kämpfen. Offensichtlich konnte er nicht verstehen, was da vor sich ging–genauso wenig wie ich gerade. »Armer Kerl, vielleicht kann ich ihm wenigstens irgendwie helfen«, dachte ich.

Es war nicht weit bis zu ihm. Beim Näherkommen hörte ich seine Schreie, als er kämpfte. Ich rief: »Keine Panik! Ich helfe dir.« Gleichzeitig dachte ich: »Bloß wie? Du bist ja viel größer als ich.« Als er mich sah, fing er an zu schreien: »Hilf mir, Kumpel, was ist los mit mir?«. »Na ja«, sagte ich, »ich glaube, wir sind tot!«

»Blöder Idiot«, rief er. »Wieso soll ich denn tot sein? Ich rede doch mit dir! Wie könnte ich denn tot sein? Wenn man tot ist, ist man tot, das weiß doch jeder.«

»Na ja, Kumpel«, sagte ich, »hör einfach auf zu denken. Kannst du dich von dort wegbewegen, wo du bist?« Plötzlich malte sich Entsetzen auf seinem Gesicht. »Nein«, kam seine Antwort, »ich kann nicht. Etwas hält mich fest. Ich glaube, so eine Art Kordel.«

Ich schlang die Arme um seinen Brustkorb. »Zieh, komm schon!«, rief ich. Mit einem gewaltigen Ruck riss er sich von dem dunklen Schatten am Boden los. Er kam viel schneller von seiner dunklen Gestalt los als ich. Ich weiß nicht, wie oder warum, aber so war es. Er war frei und ich auch. Und so begann unsere Reise in das neue Leben.

»Ich heiße James, aber meine Freunde nennen mich Jim«, sagte ich. Er antwortete: »Und ich, alter Kumpel, ich bin Bill, Bill Barnes. Aber meine Freunde nennen mich ›Der Bär‹.« Ich brauchte ihn nur anzusehen und verstand, warum. Aber trotz seiner Körpergröße sah ich die Angst auf seinem Gesicht und die Verwirrung in seinen Augen.

»Lass uns reden«, sagte er. Wir gingen ein paar Schritte und ich erklärte ihm, wie ich hierher gekommen war und seine Ankunft beobachtet hatte. »Es ist doch lachhaft. Ich kann doch nicht tot sein!«, sagte Bill. »Ich habe eine Frau und drei Kinder. Was werden sie ohne mich machen?«. »Ich weiß nicht«, gab ich zurück, »ich weiß es einfach nicht. Es muss doch eine Antwort auf all diese Fragen geben.« Wir gingen weiter.

»So wie ich es sehe, können wir nicht die Einzigen sein, die gestorben sind. Es muss noch andere geben. Ist dir eigentlich aufgefallen, dass es hier weder hell noch dunkel ist, sondern nur neblig? Ich weiß nicht, ob es Tag oder Nacht ist, auch nicht, wie spät es ist. Und schon gar nicht, was hier los ist.«

Der Boden unter unseren Füßen war hart. Der Kriegslärm hinter uns nahm immer mehr ab. Wir kämpften uns durch den Nebel. Ich blieb stehen und sah Bill an. »Ich glaube, wir haben uns verlaufen, und ich weiß nicht, wohin wir gehen sollen.« Aber Bill hörte gar nicht zu, sondern sah woanders hin. »Was ist los?«, fragte ich.

»Da kommt ein Licht auf uns zu«, gab er zur Antwort. »Vielleicht kommt Hilfe.« Das Licht wurde langsam größer und ich hörte Stimmen darin. »Bill, kannst du das hören?«, flüsterte ich. »Ja. Hinter dem Licht ist jemand. Sieh mal, da sind ein paar Menschen. Vielleicht können sie uns helfen.«

»Hallo, ihr da!«, rief ich. Könnt ihr uns sehen?«.

»Ja«, kam es zurück. Ein Offizier trat vor und mit ihm ein anderer Herr, der Kleidung trug, die ich noch nie gesehen hatte.

»Hallo, Sir«, sagte ich. »Könnten Sie uns sagen, was passiert ist und wo wir sind?« »Man wird Ihnen später alles erklären. Zuerst müssen wir weg von hier«, antwortete der Hauptmann.

Wir folgten dem Hauptmann und dem merkwürdigen Mann, der ein Licht trug. Unterwegs blieben wir ab und zu stehen, um andere aufzulesen, denen es genauso ging wie uns. Allmählich lichtete sich der Nebel und der Boden unter unseren Füßen wurde weicher. Jetzt sah alles anders aus; Bäume tauchten auf. Es schien zwar keine Sonne, aber es war warm. Beim Weitergehen fielen mir zerfurchte, bräunlich-grüne Grasflecken und ein paar zum Teil zerstörte Gebäude auf–vermutlich Überbleibsel aus dem Krieg.

Wir gingen auf eine große Wellblechbaracke zu, an deren Eingang eine Gruppe junger Soldaten unruhig wartete. Ich wollte Bill gerade fragen, was er davon hielt. Aber als ich sein Grinsen sah, fragte ich stattdessen: »Was ist denn daran so lustig?« »Ich überlege gerade«, antwortete er. »Ob hier wohl die Flügel und die Harfe ausgeteilt werden? Ich brauche dann aber ziemlich große!«

»Machen Sie sich nichts vor, Soldat«, ertönte eine Stimme. Wir drehten uns um und sahen den Hauptmann dort stehen. »Mag sein, dass Sie ganz gut begriffen haben, was mit Ihnen passiert ist, aber ich will es einmal ganz deutlich sagen«, fuhr er fort. »Wir sind alle tot, na ja, auf jeden Fall körperlich hinüber. Ich bin schon eine ganze Weile hier und helfe Leuten wie Ihnen, sich an ein neues Zuhause zu gewöhnen. Ich weiß, Sie haben eine Menge Fragen, die auch garantiert beantwortet werden. Gehen Sie jetzt alle in dieses Gebäude, dort finden Sie Sitzgelegenheiten. Setzen Sie sich einfach hin und entspannen Sie sich.« Daraufhin entfernte sich der Hauptmann mit dem Herrn, der das Licht trug.

Wir betraten einen riesigen, lauten Saal mit hunderten Stühlen, auf denen meistens Männer, aber auch ein paar Frauen saßen. Manche unterhielten sich, andere lachten oder weinten. Einige starrten einfach stumm geradeaus. Vorn stand ein Rednerpult. »Hoffentlich bekommen wir hier Antworten auf unsere Fragen«, sagte ich zu Bill.

Plötzlich ertönten sphärische Klänge und es wurde still im Saal. Ich kann den Klang nicht beschreiben, aber er hatte etwas Friedliches, Beruhigendes an sich. Ich sah zu Bill hinüber und bemerkte, wie die Angst aus seinem Gesicht wich. Über jeden im Saal senkte sich Frieden. Nach zehn oder zwanzig Minuten verstummte die Musik.

Vom Rednerpult drang die Stimme eines hoch gewachsenen Offiziers. »Guten Tag, meine Damen und Herren. Mein Name ist Marsh und ich möchte Ihnen erklären, wo Sie sind. Sie haben inzwischen sicher gemerkt, dass Ihnen etwas zugestoßen ist. Sie befinden sich mittlerweile an einem anderen Ort und merken nun auch, dass dieser Ort sehr real ist.

Sie befinden sich auf der Ebene zwischen Himmel und Erde, genannt Astralebene, aber machen Sie sich im Augenblick keine großen Gedanken darüber, denn dies ist ein Ort, an dem Sie sich ausruhen und eingewöhnen können. Es wird so sein, als gingen Sie wieder in die Schule. Es gibt hier für Sie viel zu lernen. Wahrscheinlich war diese Ebene für viele von Ihnen ein Schock, weil Sie gesehen haben, dass das Leben weitergeht. Was Sie Tod nennen, ist lediglich ein Ortswechsel.

Dieser Saal hier ist einer von vielen, die in der niederen Astralebene errichtet wurden, als Hilfe für diejenigen, die im Krieg sterben. Hier unterstützt man Sie dabei, diese Übergangsphase Ihres neuen Lebens zu akzeptieren. Vermutlich fragen Sie sich, was dem Feind zugestoßen ist. Wenn dies mir widerfährt, was ist dann mit ihm? Nun, Gott macht keinen Unterschied. Sie werden später verstehen, dass alle seine Kinder sind.

Am Ausgang werden Sie in Gruppen aufgeteilt und einquartiert werden. Ihrer Gruppe wird jemand zugeteilt werden, der mit Ihnen über Sie sprechen wird. Anschließend werden Sie lernen, Ihre Willenskraft einzusetzen, denn in diesem Leben wird es auf den Willen des Einzelnen ankommen. Schauen Sie doch einmal nach, ob hinten auf Ihren Stühlen eine Zahl steht. Bitte merken Sie sich diese Zahl, wenn Sie den Saal verlassen. Ich werde zu einem späteren Zeitpunkt wieder eine Ansprache halten, aber jetzt verabschiede ich mich erst einmal.«

Wir gingen zu einem der Ausgänge. Ich drehte mich nach Bill um und sah ihn direkt hinter mir. »Alles in Ordnung, Bill?«, fragte ich.

»Klar, Jim. Welche Nummer hast du?«, fragte er.

»Nicht zu fassen–1901!«, erwiderte ich. »19 und 1 ergibt mein Alter. Zuerst bekommen wir eine Nummer, wenn wir eingezogen werden. Und jetzt, wo wir tot sind, bekommen wir noch eine.«

Eine laute Stimme unterbrach mich. »Alle mit den Nummern 1900 bis 1950, bitte mitkommen.« Ich sah hoch und stellte fest, dass die Stimme einem Feldwebel gehörte. Ich bemerkte zu Bill: »Nicht einmal hier wird man sie los.« »Du hast Recht«, sagte er, »aber ich glaube, wir sollten ihm besser folgen.« Wir überquerten ein paar Felder und näherten uns einer großen Baracke.

»Also, Jungs«, sagte der Feldwebel, »Ihr werdet fürs Erste hier einquartiert. Drinnen findet ihr Betten, macht es euch also bequem. Ich bin gleich zurück.« Als ich eintrat, sah ich Betten auf beiden Seiten des Raumes und steuerte auf eines zu, während Bill das neben mir nahm. Ich drehte mich zu ihm um und sagte: »Ich glaube, ich lege mich hin.«

Ich legte mich aufs Bett und begann mich zu entspannen, während mir die letzten Stunden durch den Kopf gingen, die mich weiter zurückdenken ließen. Ich frage mich, ob meine Mutter weiß, dass ich tot bin. Es wird ihr das Herz brechen, wenn sie es erfährt. Sie wollte nicht, dass ich zur Armee gehe, aber ich wollte nicht auf sie hören. O, Mama, es tut mir so Leid. Hätte ich doch nur auf dich gehört, dann wäre ich jetzt nicht hier und könnte dir sagen, dass ich am Leben und nicht tot bin. Ich merkte, wie ich in eine Art Depression versank, als ich die Stimme des Feldwebels hörte. Es war, als hätte er meine Gedanken gelesen.

»Also, Jungs«, sagte er, »hört ihr mir mal zu? Ihr müsst eine Menge lernen, und je schneller wir damit anfangen, desto besser. Das Erste, was ihr vermissen werdet, sind die Menschen, die ihr liebt. Es wird eine Zeit lang dauern, bis ihr darüber hinweg seid, aber mit unserer Hilfe und eurer Selbstbeherrschung werdet ihr diese Emotionen in den Griff bekommen. Ich lasse euch jetzt allein, damit ihr euch ausruhen könnt, aber ich bin in ein paar Stunden wieder zurück.« Dann ging er.

Da ich sehr müde war, legte ich mich wieder hin und schlief ein. Die Stimme des Feldwebels weckte mich. »Los, raus aus den Federn. Hopp, hopp, alle aufstehen!« Nach dem Schlaf fühlte ich mich erfrischt und ausgeruht. Beim Aufstehen merkte ich, dass ich immer noch dasselbe trug wie bei meiner Ankunft, aber seltsamerweise rochen weder ich noch meine Kleidung.

»Alles in Ordnung, Jim?«, rief Bill mir zu. Ich sah ihn an.

»Ja, Kumpel, alles in Ordnung, aber ich frage mich, was sie jetzt für uns auf Lager haben. Wie kommst du zurecht?«

»Ganz gut«, gab er zurück. »Ich habe eine Weile gebraucht, um einzuschlafen, aber dafür, dass ich tot bin, fühle ich mich sehr gut.«

Ich erinnere mich, dass ich laut sagte, er sei ein rechter Witzbold. Ausgerechnet da rief uns der Feldwebel zur Ordnung. »Stellt euch jetzt draußen in Zweierreihen auf. Man lässt den Lehrer nicht warten.« »Also auf ein Neues«, dachte ich, als wir uns in Bewegung setzten.

Es entging mir nicht, dass alle besorgt dreinschauten, als wir uns einem kirchenähnlichen Gebäude näherten. Wir gingen hinein und setzten uns hin. Vor uns befanden sich ein Altar, ein Tisch und zwei Stühle. Es dauerte nicht lange, bis sich der Hauptmann vernehmen ließ. »Guten Tag, meine Herren. Sollten Sie meinen Namen vergessen haben, ich heiße Marsh, Hauptmann Marsh. Ich werde nicht persönlich zu Ihnen sprechen, sondern das Wort an jemanden übergeben, der schon viel länger in dieser Welt ist als ich und der sich zu den höheren Ebenen der Astralwelt hinentwikkelt hat. Was Sie gleich erleben werden, wird ein Schock für Sie sein, aber hier ist das etwas ganz Normales.«

Alle Augen waren auf den Hauptmann gerichtet und jeder fragte sich, was wohl als Nächstes passieren würde. Plötzlich tauchte aus dem Nichts ein wirbelnder Nebel auf. Er nahm allmählich die Gestalt eines Mannes an und schimmerte vom Scheitel bis zur Sohle, als er sich verdichtete. Wo vor uns eben noch ein leerer Raum gewesen war, stand jetzt ein Mann. Ich drehte mich um, um zu sehen, wie die anderen reagierten. Ich glaube, sie waren genauso verblüfft wie ich. »Du liebes bisschen. Und was kommt jetzt?«, dachte ich.

»Meine Herren«, sagte der Hauptmann, »ich vertraue Sie jetzt Ihrem Lehrer an.«

»Offenbar hören Sie mir alle zu«, sagte der Lehrer. »Ich kann mir keine bessere Art vorstellen, um diese Aufmerksamkeit zu bekommen, als mit einem beeindruckenden Auftritt. Zuerst möchte ich Ihnen etwas über Ihre neue Umgebung erzählen. Sie befinden sich auf der vierten von sieben Astralebenen. Jede Ebene unterscheidet sich von den anderen durch die Manifestation, Dichte und Geschwindigkeit ihrer Grundessenz. Ihr physischer Körper verändert sich in einer Weise, die Ihr spirituelles Wachstum bestimmt–etwas, wonach Ihre Seele immer sucht. Viele von Ihnen lassen ihre Seelen buchstäblich verhungern und lassen beispielsweise zu, dass der Verstand vom Materialismus völlig vereinnahmt und beherrscht wird.

An die Seele wendet man sich immer, um nach oben zu schauen, nicht um zurückzuschauen. Sie muss Ihr Leben mit Hoffnung und Liebe erfüllen… Selbst wenn Sie sich bemühen, werden Sie diesen Idealen nicht immer gerecht, doch es ist immer ein Schritt in die richtige Richtung, sich zu bemühen.

Meine lieben Freunde, Sie sind im Krieg gefallen und Ihr bewusster Verstand hat Hass auf den Feind entwickelt, so wie er auf Sie. Aber Sie sind Ihre Gedanken und diese hasserfüllten Gedanken verzögern Ihre Entwicklung. Ihr schlimmster Feind sind Sie selbst, nicht die Soldaten, denen Sie auf dem Schlachtfeld gegenüberstanden. Auf dem Schlachtfeld des Lebens müssen Sie Ihren Charakter bilden, um sich auf Ihre nächste Phase vorzubereiten.

Sie wurden nun einmal zu früh in diese Welt hineingeworfen–wie ein Apfel, der gepflückt wird, bevor er reif ist. Genauso erleben viele von Ihnen einen verfrühten Tod–als bitter. Deshalb ist es unser Wunsch, Ihnen zu helfen, Ihrer Individualität zur Reife zu verhelfen, damit sich Ihre Seele weiterentwickeln kann. Suchen Sie nur bei sich selbst, denn viele Antworten liegen in Ihnen.

Bitte konzentrieren Sie sich jetzt auf meine Worte. Sie haben gehört, dass es sieben Ebenen gibt. Ebenso haben Sie sieben Körper. Einer davon war der physische Körper, den Sie beim Verlassen der irdischen Ebene abgestreift haben. Hier auf der vierten Astralebene lernt Ihr Astralleib, im Einklang mit den Schwingungen hier zu schwingen. Sie sind feiner und schneller als die auf der irdischen Ebene. Das erklärt, weshalb hier alles genauso greifbar und real ist wie auf der Erde. Unser Ziel ist es, Ihnen zu helfen, sich auf die Schwingungen Ihrer neuen Umgebung einzustellen und sie mit ihnen in Einklang zu bringen.

Sie befinden sich auf der zweiten Ebene Ihres bewussten Lebens, und da die dritte und vierte Ebene nur geringfügig feiner als die irdische sind, sind wir bestrebt, Sie auf die fünfte Ebene zu bringen. Das wird dann stattfinden, wenn Sie Ihre mentalen und emotionalen Schwingungen verfeinern. Ich komme von der siebten Ebene, wo die Materie schneller schwingt und verfeinerter, vergeistigter ist als hier. Sie fragen sich vielleicht, wieso ich auf Ihre Ebene kommen kann.

Die Antwort darauf ist einfach. Ich habe gelernt, meine Schwingungen herunterzutransformieren, damit ich mich auch auf niedrigeren Ebenen aufhalten kann. Durch Gedankenkraft kann ich sie so weit herunterschrauben, dass ich mich hier materialisieren und mit Ihnen sprechen kann. Nun, das ist wirklich genug für den ersten Vortrag. Sie werden sich an diese Worte erinnern, wenn Sie über Ihre erste Lektion nachdenken. Sie brauchen sich keine Notizen zu machen. Möge der Große Geist Sie bis zu unserem nächsten Treffen segnen.«

Mit diesen Worten begann der Lehrer, sich vor uns zu entmaterialisieren. Als wir gegangen waren, dachte ich über seine seltsamen Erklärungen nach. Viele schienen aus einem Märchenbuch zu stammen. Ich hatte so viel zu lernen und hatte das Gefühl, so wenig zu verstehen. Der Hauptmann erhob sich und fragte, ob es noch weitere Fragen gebe, und ein paar Hände gingen nach oben.

Der Hauptmann deutete auf einen jungen Mann, der aufstand und sagte: »Mein Name ist George Taylor. Gibt es einen Gott, Sir?« Der Hauptmann erwiderte: »Ja, George. Es gibt einen Gott und wir werden später etwas über die Gotteskraft sagen, die allen Dingen innewohnt.«

Dann deutete er hinten im Saal auf jemanden, der aufstand und sagte: »Ich heiße Tom Richardson. Werde ich meine Frau wiedersehen und mit ihr sprechen können, Sir?« Ich spürte sofort, dass diese Seele in Sorge war. »Tom«, sagte der Hauptmann, »Sie haben gehört, dass Sie einen besonderen Führer zugewiesen bekommen werden, der Ihnen beibringen wird, wie Sie mit all Ihren Lieben kommunizieren können.«

Tom blieb stehen und weinte. »Aber das genügt mir nicht. Ich will sie jetzt sehen.« Langsam ließ er den Kopf in die Hände sinken und weinte wie ein Kind.

»Es reicht, Soldat«, sagte der Hauptmann. »Beherrschen Sie sich.« Seine Stimme verriet einen starken Willen, doch es schwangen auch Verständnis und Mitleid darin. Tom hob den Kopf: »Es tut mir Leid, Sir. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist.«

Der Hauptmann sagte: »Ich verstehe, wie Ihnen zumute ist. Wir alle machen das hin und wieder durch. Aber ich kann Ihnen versichern, dass es Ihnen gut gehen wird. Ich habe zwei Kinder zurückgelassen, das älteste war erst fünf. Aber ich kann mit ihnen und meiner Frau mithilfe einer spirituell bewussten Person, einem so genannten Medium, kommunizieren.

Ihre Führer werden diese Information in Ihre praktischen Lektionen einbauen, um Ihnen gelegentlich über Gewissensbisse hinwegzuhelfen, die Sie bekommen werden. Ich finde, wir sollten hier besser aufhören, meine Herren. Würden Sie bitte aufstehen und hinausgehen, dort wartet Ihr Feldwebel auf Sie.«

Nachdem wir entlassen worden waren, gingen wir zu unseren Unterkünften zurück. Ich legte mich aufs Bett und versuchte, alles in mich aufzunehmen, was ich gehört hatte. Mir ging so viel im Kopf herum, dass ich schnell müde wurde. Ich schloss die Augen und schlief sofort fest ein. Als ich aufwachte, hatte ich das Gefühl, so viel Stärke wie nie zu besitzen. »Mein Gott, es ist wunderbar, am Leben zu sein«, dachte ich.

Ich lachte laut vor mich hin. »Was rede ich denn da? Ich bin doch tot!« Und doch fühlte ich mich lebendiger als je zuvor. Ich ging hinüber ans Fenster, sah hinaus und dachte, hier wird es sicher niemals dunkel, denn es war immer noch taghell. Ich setzte mich wieder auf mein Bett und erinnerte mich sofort an das, was der Lehrer vorhin gesagt hatte. Das war seltsam, denn ich hatte niemals ein gutes Gedächtnis. Ich betrachtete Bill, der immer noch schlief. Sollte er sich nur ausruhen.

Nachdem ich eine Weile untätig dagesessen war und mich ziemlich langweilte, merkte ich plötzlich, dass ich nicht gesehen hatte, was jenseits des Saals lag. Da musste es ganz sicher noch etwas anderes geben. Ich ging zur Tür und öffnete sie leise, um niemanden zu stören. Ich ging auf die Kirche zu und behielt sie als Orientierungspunkt im Auge, um mich nicht zu verlaufen. Als ich weiterging, fühlte ich eine Wärme, die von allen Seiten ausstrahlte. Ich sah hoch, weil ich dachte, das müsse die Sonne sein, aber die Sonne war nirgends zu sehen und am Himmel gab es keine einzige Wolke. Ich hatte vorher nicht darauf geachtet und das schien mir jetzt seltsam. Aber andererseits–was war an diesem Ort nicht seltsam? Ich ging weiter und sah andere Menschen. Es waren junge Paare darunter, die Hand in Hand gingen; offenbar hatten sie seit ihrer Ankunft zusammengefunden. Wie glücklich sie aussahen!

Recht besehen hatte ich niemals eine feste Freundin gehabt; doch was ich nie gehabt hatte, würde ich auch nicht vermissen. Es war ein so wunderbarer Tag, dass ich zu einem Dickicht in der Nähe ging. Beim Näherkommen sah ich, dass die Bäume schlank und aufrecht waren. Ringsherum standen Lilien und Glockenblumen nebeneinander im Gras und zeigten ihre farbenprächtig leuchtenden Blüten. In der Luft hing der schwere süße Duft von Geißblatt und Lavendel.

Der Blumenteppich vor mir sah so einladend aus, dass ich mich hinsetzte und an einen der Bäume lehnte und begann, mich zu entspannen. Mir fiel auf, dass die Bäume in voller Blüte standen und damit meine Stimmung widerspiegelten. Ich gab mich Tagträumereien hin und nickte ein, wurde aber von einer Stimme aufgeschreckt.

Als ich mich umsah, erblickte ich zu meinem Erstaunen einen Orientalen, der direkt hinter mir stand. »Keine Angst«, sagte er, »ich bin hier, um dir zu helfen. Ich möchte mich vorstellen. Mein Name ist Chan und ich bin dazu ernannt worden, als dein Führer zu arbeiten. Auch wenn wir unterschiedlichen Rassen angehören, wird es zwischen uns keine Sprachbarrieren geben.«

Ich sah ihn von oben bis unten an und bewunderte seine prächtige Kleidung. Die Farben leuchteten, als wären sie lebendig. Ich fragte mich, woher er war. »Natürlich von der sechsten Ebene, wo ich lebe«, sagte er.

»He, ich habe gar nichts gesagt. Woher wusstest du, woran ich gerade dachte?«

»Ich kann deine Gedanken lesen«, antwortete er. »Hier braucht man nicht zu sprechen. Auch du wirst lernen, deine höheren Sinne zum Sprechen zu benutzen.«

»Aber redest du denn gerade mit mir?«, wollte ich wissen.

»Natürlich. Ich kann zwar die Kraft meines Verstandes nutzen, aber das heißt nicht, dass ich die Kraft des Sprechens verlieren möchte. Wir haben eine Menge zu besprechen, aber lass mich zuerst ausreden. Als du zum ersten Mal hier in dieses Leben kamst, hast du deine Persönlichkeit und alle ihre Erfahrungen mitgebracht. Eine dieser Erfahrungen war deine Fähigkeit, auf der Erde zu sprechen und zu kommunizieren. Du wirst deine alten Fähigkeiten nicht verlieren. Du kannst sie gar nicht verlieren, weil sie Teil deines Charakters sind. Im Leben geht es darum, seinen Charakter zu formen, und Erfahrungen sind die Bausteine des Charakters.

Könntest du dir einen Gott der Liebe vorstellen, der ein vierjähriges Kind aus dem Kindergarten herausnimmt und in eine Universität steckt? Das Kind wäre völlig verloren, weil es seine neue Umgebung nicht begreifen könnte. Um die Zeit, die es an der Universität verbringt, richtig zu verstehen, muss es zuerst in den Kindergarten und die Grundund höhere Schule gehen. Die nächste Phase kommt dann automatisch und das Streben nach Bildung schließt sich reibungslos an. Bei dir ist das genauso, weil du nicht vom physischen Tod direkt auf die Geistebene gelangen kannst. Die Anpassung wäre zu viel für dich. So wirst du stufenweise auf die jeweiligen Astralebenen geführt. Jede bildet dich für die nächste aus. Du wirst deine althergebrachten Ideen von irdischem Schulunterricht revidieren müssen, aber ich werde dein Lehrer sein und dir dabei helfen, dir neueVorstellungen anzueignen.

Deine erste Lektion wird es sein, zu lernen, deine Gedanken zu bündeln, indem du deine Willenskraft konzentrierst. Dann kannst du mental mit anderen Seelen kommunizieren. Das funktioniert so, dass ein Gedanke zur Geraden und der Wille zum Impuls wird. So wie man auf der Erde über Telefone kommuniziert, setzt du hier den Willen dazu ein. Durch Gedankenkontrolle und Willenskraft wirst du in der Lage sein, Botschaften zu empfangen und zu senden. Das ist direkte Kommunikation. Solange du sie noch nicht beherrschst, musst du deinen Kehlkopf benutzen, so wie du es in den letzten zwanzig Jahren getan hast.«

Es erstaunte mich, dass er mein Alter wusste, und ich fragte ihn neugierig, woher. »Nun ja«, sagte er, »Ich kann das Muster deines Lebens lesen, das mir alles über dich verrät, von deiner Geburt bis jetzt.«

»Du liebe Güte«, dachte ich, »er weiß alles über mich!« »Reg dich nicht auf«, sagte er. »Ich kann deine Gedanken lesen, Jim. Es stört dich doch nicht, wenn ich Jim zu dir sage?«

»Nein«, sagte ich spontan. »Aber was ist diese Sache mit dem Lebensmuster?«

»Ich glaube, damit beschäftigen wir uns jetzt lieber nicht«, erwiderte er.

Wenn ich heute zurückdenke, erinnere ich mich, wie wenig ich damals wusste und verstand. Später wurden Chan und ich wie Vater und Sohn.

»Also, Jim, ich möchte mit dir über deine Schlafgewohnheiten sprechen. Bitte unterbrich mich nicht. Es werden dir hier viele nützliche Veränderungen auffallen. Eine davon ist, dass du kein Schlafbedürfnis mehr haben wirst. Die Zeit, in der du seit deiner Ankunft geschlafen hast, sollte dir die Eingewöhnung erleichtern. Als deine Mutter dich zum ersten Mal in den Armen hielt und an ihre Brust drückte, hast du dich so sicher und geborgen gefühlt, dass du in die Welt des Schlafs geglitten bist, damit sich dein winziger Körper nach seiner Ankunft auf dieser Welt erholen konnte. Dein Körper war eine Maschine, die Nahrung, Wasser und Ruhe brauchte, um richtig zu funktionieren. Schlaf war nötig, damit sich der Körper erneuern konnte, aber oft drückte man sich damit vor den täglichen Verpflichtungen. Viele meinen, ihre ganzen Sorgen würden über Nacht verschwinden. Das stimmt aber gar nicht.

Ist dir klar, dass du ein Drittel deines Lebens verschlafen hast? Obwohl du hier zwar keinen Schlaf gebraucht hast, hat sich dein Verstand die Anpassungsmuster aus seinem Erdenleben gemerkt. Der physische Körper verlangsamt seine Reaktion auf die menschliche Uhr, die angibt, wann man Erholung braucht. Deine Uhr wird sich den Schwingungen dieser Ebene entsprechend verändern und deinen konditionierten Verstand langsam auflösen und dir so mehr Freiheit gewähren. Wenn du das nächste Mal schlafen willst, dann sag Nein. Wenn du das mehrmals machst, wirst du die Gewohnheit ablegen und kein Schlafbedürfnis mehr haben. Du wirst dich genauso gut fühlen, wenn nicht besser.«

»Aber nach meinem Schlaf fühlte ich mich so voller Energie«, sagte ich. »Hör einfach auf zu denken«, erwiderte er. »Du wirst keinen Schlaf mehr brauchen, aber du wirst dieselbe Energie wie vorher haben. Manchmal wirst du es für notwendig halten, dich zu erholen, damit du verdauen kannst, was du gelernt hast, aber Schlaf, so wie du ihn kanntest, wird unnötig sein.«

Chans Worte schwirrten in meinem Kopf. »Ich weiß, das ist sicher eine dämliche Frage«, sagte ich, »willst du mir damit sagen, dass ich, wenn ich mir einrede, ich bräuchte keinen Schlaf, nicht schlafen und mich trotzdem genauso gut fühlen werde?«

»Das habe ich dir gerade erklärt«, antwortete er in einem Ton, der keine Zweifel daran ließ, dass er wusste, wovon er sprach, und dass ich aufmerksamer hätte zuhören sollen. Er fragte, ob ich weitere Fragen hätte.

»Ja«, gab ich zur Antwort, »wo kann ich etwas zu essen bekommen? Ich bin kurz vorm Verhungern.«

»Darauf habe ich die ganze Zeit gewartet«, neckte er mich. »Erinnerst du dich, was ich gerade über den Schlaf gesagt habe? Nun, dasselbe gilt auch fürs Essen.«

Ich war sprachlos über Chans Worte und rief aus: »Du meinst doch nicht etwa, dass ich auch nicht mehr essen kann?«

»Dafür gibt es einen triftigen Grund«, erwiderte er. »Die Lebensbedingungen auf den höheren Sphären hängen von geistiger Kraft mehr ab als auf der irdischen Ebene. Du hast beispielsweise einen Körper, der ein Duplikat des Körpers ist, den du auf der irdischen Ebene hattest. Du hast Lungen, die sich mit Luft füllen. Du hast ein Herz, das schlägt und klopft. Du hast auch eine Leber, Nieren und andere innere Organe, aber sie werden nicht genauso benutzt wie auf der irdischen Ebene, weil du hier keine grobkörnige Nahrung zu dir nimmst, die von Leber, Nieren und so weiter verarbeitet werden muss. Hier nehmen wir Nahrung oder Brennstoff über die Poren unserer Haut und über unsere Atmung auf. Das ist für unser Wohlergehen völlig ausreichend.«

»Um den quälenden Hunger abzustellen, brauche ich also nur zu denken, dass ich nichts zu essen brauche?«, fragte ich.

Er nickte und lächelte. »Sehr gut, junger Mann«, sagte er, »du lernst allmählich. Mit der Zeit wird es immer einfacher.

Du bist erst seit kurzem hier und fragst und denkst schon mit anderen Augen. Du lernst schnell, weil du eine Wahrnehmungsfähigkeit hast, die vielen fehlt. Du bist nämlich in einem sehr jungen Alter hierher gekommen und die materielle Lebensweise hatte sich noch nicht so tief in dein Bewusstsein eingeprägt. Trotzdem brauchst du aufgrund der Umstände deines Todes eine Gewöhnungsphase. Ich bin aber dennoch sicher, dass du es schaffen wirst, wenn du mehr Erfahrung hast. Und ich versichere dir, dazu wirst du hier die Gelegenheit haben. Komm, gehen wir ein Stück. Fürs Erste habe ich alles gesagt und möchte dir jetzt das Leben hier ein bisschen zeigen. Wir werden dir auch neue Kleidung besorgen.«

Ich war aufgeregt, als von neuer Kleidung die Rede war, weil ich immer noch meine Uniform trug und sie ziemlich satt hatte. Wir gingen ungefähr eine halbe Stunde lang, dann streckte Chan die Hand aus und sagte:

»Wir gehen nur bis zu diesem Hügel da drüben. Ein andermal zeige ich dir, wie du deine Willenskraft benutzt, um an einen beliebigen Ort zu reisen. Mit anderen Worten: Du brauchst nicht mehr irgendwohin zu gehen, wo du hingelangen möchtest. Du gelangst dorthin, indem du einfach an den Ort denkst und deine Gedanken darauf richtest. Wie ich bereits sagte, wirkt der Gedanke als Gerade und in diesem Fall wirkt der Wille wie ein Magnet, den es zu dieser Geraden hinzieht. Alles ganz einfach.« Er gluckste leise.

Bei seinen letzten Worten sah ich ein allwissendes Lächeln über sein Gesicht huschen. »Ich muss noch so viel lernen«, dachte ich. »Diese ganzen Dinge–reden, ohne zu reden, nicht schlafen, nicht essen und jetzt brauche ich nirgendwohin mehr zu gehen. Du lieber Gott, was ist mit mir los?«

Chans Befehl holte mich aus meinen Gedanken: »Beruhige dich. Ich kann deine Gedanken lesen. Es ist nicht so schlimm, wie du meinst. Du wirst feststellen, dass du ohne die Einschränkung durch den physischen Körper viel mehr Ausdrucksmöglichkeiten hast.«

Wir waren oben auf dem Hügel angelangt und sahen eine kleine Stadt unter uns. Ich sah Chan an, dessen Lächeln zu sagen schien: »Ich hab’s dir doch gesagt.« Wir brauchten nicht lang bis zur Stadt. Sie sah wie viele Städte auf der irdischen Ebene aus. Es gab Gasthäuser und alle möglichen Läden. Der große Unterschied zwischen dieser Stadt und denen auf der Erde war, dass sie viel sauberer war. Es gab keine schmutzigen Straßen und verschmutzte Luft. Sie war friedlich und es herrschte auch nicht das übliche Gedränge und Gehetze im Leben einer Stadt auf der Erde.

Die Ladenschaufenster waren sehr schlicht, weil der Mensch, wie Chan erklärte, der Versuchung nicht widerstehen konnte. Sobald einmal Dinge im Schaufenster lagen, musste man sie haben. Wir brauchen hier keine Versuchung. Das sah ich genauso.

Wir kamen zu einer recht unscheinbar wirkenden Schneiderei. Jacken und Hosen waren ordentlich aufgehängt. Ein recht überlegen wirkender Mann betrat den Raum, in dem wir saßen. Ich stand sofort stramm und vergaß für einen Moment, wo ich war. Der Schneider begann bei mir Maß zu nehmen und fragte: »Was hätten Sie denn gern, Sir? Einen bestimmten Stil oder eine besondere Farbe?«

»Nein, nein, was Sie für das Beste halten. Aber diese Farbe da gefällt mir«, sagte ich und deutete auf ein Indigoblau im Musterbuch. Ich war mit meiner Entscheidung für das einzigartige Blau zufrieden. Als der Schneider mit Maßnehmen fertig war, sagte er, wir sollten in drei Stunden wiederkommen. Ich sah, dass auch Chan mit meiner Wahl zufrieden war, obwohl er es niemals zugegeben hätte.

»Es warten noch andere Bekleidungsgeschäfte auf uns«, sagte Chan und winkte mir, ihm zu folgen. Wir suchten in zahlreichen Geschäften neue Kleidungsstücke aus, bis ich vier Taschen voll hatte. Du fragst dich vielleicht, wie ich für das alles bezahlte. Als ich mich nach der Bezahlung erkundigte, hieß es, das sei nicht notwendig, weil hier jeder zum Nutzen anderer arbeite. Ich dachte mir, das sei doch eigentlich viel besser.

»Also, Jim, gefallen dir deine neuen Kleidungsstükke?«, fragte Chan. Ich freute mich und sagte das auch. »Gut«, gab er zurück, »jetzt möchte ich dich an einen Ort mitnehmen, wo du baden und dich umziehen kannst.«

Nach einer Weile ließen wir die Stadt hinter uns und kamen zu ein paar Feldern. Nach kurzer Zeit erreichten wir einen Wald, wo Chan mich zu einem von Büschen umstandenen Teich führte. Als ich sie zur Seite bog, sah ich, dass der Teich von einem kleinen Bach gespeist wurde. Chan ermutigte mich: »Zieh diese alten Klamotten aus und spring hinein.«

Ich brauchte nur Sekunden, um mich meiner Uniform zu entledigen und ins Wasser zu springen. Ich kann das Gefühl, das mich im Wasser überkam, nicht in Worte fassen. Es war, als hätte das Wasser einen eigenen Verstand. Sosehr ich versuchte, unterzutauchen–ich kam immer wieder hoch. Chan stand neben meiner Uniform und schien hoch konzentriert. Selbst aus der Entfernung spürte ich seine Willenskraft. Er gestikulierte mit den Händen, worauf ein Licht aus einer seiner Handflächen zu strömen begann. Das Licht umfloss meine Uniform und innerhalb von Augenblicken waren Licht und Uniform verschwunden.

Das erschreckte mich und sofort rief ich ihm zu: »Was hast du mit meiner Uniform gemacht? Wo ist sie? Ich werde Schwierigkeiten bekommen, wenn ich sie nicht habe.«

»Du brauchst hier keine Dinge, die dich an den Krieg erinnern«, bellte er. »Du hast den Krieg auf der irdischen Ebene hinter dir gelassen, aber deine Uniform war ein Teil davon und enthielt noch negative Schwingungen, die dich beinträchtigen könnten. Es wird Zeit, dass du herauskommst und dich anziehst. Ich habe deine Kleidung zurechtgelegt.«

»Aber ich brauche ein Handtuch«, sagte ich.

»Nein, brauchst du nicht«, erwiderte er. »Komm einfach raus, dann siehst du, was ich meine.«

Ich stemmte mich auf die Füße hoch, wobei ich Acht gab, nicht auszurutschen, und da stand ich in all meiner Pracht. Das Wasser glitt einfach an mir ab und ich war völlig trocken! Gleichzeitig hatte ich ein höchst bemerkenswertes Gefühl. Alle meine Sorgen waren weggeblasen und ich hatte wieder neuen Schwung. Ich ging zu der Stelle, wo Chan meine Kleidung zurechtgelegt hatte, und zog sie an. Dann hielt ich nach Chan Ausschau.

»Hier drüben bin ich«, rief er mir von einer Baumgruppe zu.

Ich musste leise lachen, weil er so dekorativ aussah, wie er da auf einem Stuhl unter einem der Bäume saß. Der Stuhl neben ihm war offenbar für mich gedacht und so ging ich hinüber und setzte mich. »Und«, fragte er, »fühlst du dich jetzt besser?«

»Ja«, antwortete ich. »Seit dem Bad fühle ich mich richtig gut. Warum ist das so?«

»Das muss ich dir näher erklären«, sagte er. »Du weißt, dass dein neuer Körper anders ist als dein alter. Er ist nun mehr von ätherischen Energien abhängig. Dein Körper und alles andere hier wird von diesen Energien beeinflusst. Wasser ist die am meisten aufgeladene Energie. Erinnere dich an etwas von der irdischen Ebene. Die Autos dort brauchten einen Energievorrat, um richtig fahren zu können. Stell dir deinen Körper wie ein Auto vor, das eine Batterie hat. Der Astralleib besitzt einen Vorrat an ätherischer Energie, der aufgefüllt werden muss, wenn er zur Neige geht. Normalerweise bekommst du genügend Energie vom Äther, um deinen Körper erhalten. Ab und zu wirst du eine bestimmte Arbeit verrichten, die dir die Energie schneller entzieht, als du dich aufladen kannst. Solange du es nicht anders weißt, wirst du in einem der Ströme baden müssen, um den Aufladeprozess zu beschleunigen. Ich bin mir ganz sicher, mit mehr praktischer Erfahrung wirst du verstehen, was ich gesagt habe.

Du hast bereits gesehen, dass du kein Handtuch brauchst. Ich will dir erklären, warum. Unser Körper besteht aus chemischen Stoffen, die der Atmosphäre entnommen werden, aber ihr Zustand ist viel verfeinerter. Die höheren Schwingungen und die größere Menge Lebenskraft, die uns beständig durchströmen, lassen unseren Körper viel stärker, wenngleich schwimmfähiger werden als irdische Körper.

Die Ebene, auf der wir uns befinden, ist der Gotteskraft viel näher als die irdische Ebene; deshalb nehmen wir viel mehr davon auf. Das bezieht sich auf deine Entdeckung von eben, dass dein Körper Energie aus dem Wasser aufnehmen konnte, ohne das Wasser selbst aufzunehmen.

Ich will noch einen anderen Vergleich anführen. Während deines irdischen Lebens hast du für deine Mutter sicher manchmal die Fenster geputzt. Als du den nassen Lappen auf das Glas gelegt hast, ist dir sicher aufgefallen, dass das Wasser von der Scheibe ablief und etwas darauf zurückblieb. Hier bekommst du nicht die Rückstände, sondern hast zum Schluss einen sauberen und wiederaufgeladenen Körper. Beantwortet dies deine Frage?«

»Ja«, antwortete ich. »Aber was ist mit meiner Uniform und wie hast du sie verschwinden lassen?«

»Dein Verstand ist ja wirklich wissbegierig«, sagte er. »Das ist gut, denn es bedeutet, dass du mir aufmerksam zuhörst. Mit meiner Willenskraft kann ich astrale Materie beeinflussen. Das heißt, ich kann sie aufbauen oder in ihre ursprünglichen Bestandteile auflösen. Unsere Stühle beispielsweise sind so gebaut. Zuerst musste ich an den Stuhl denken und den Gedanken in meinem Kopf festhalten, während ich meinen Willen auf die Gedankenform fokussierte. Dadurch gelangte die subjektive Sichtweise in die objektive Welt, indem sie sich objektiver Materie bediente. So bekommen wir die meisten Dinge in dieser Welt.

Nun aber zu der Frage, weshalb ich deine Uniform habe verschwinden lassen. Sie war mit Gedanken an den Krieg infiziert. Der Hass, der Tod und die Zerstörungswut, die du dem Feind gegenüber aufgebaut hast, beeinträchtigte die schwerfällige Natur deines niedrigen Selbst. Deine Uniform war Teil von dir. Sie hatte zwar keinen eigenen Verstand, doch sie kam in Kontakt mit deinen Gedanken und sog die Emotionen des Krieges wie ein Schwamm auf. Dadurch entstand eine Übertragung zwischen der Uniform und dir. Obwohl nicht sichtbar, hat das einen Effekt auf dich gehabt, der deine Gefühle durch Hass auf deine Kameraden trübte. Das darfst du nicht zulassen, denn es schadet deinem spirituellen Wachstum.

Das ist mit ein Grund, weshalb wir versuchen, neue Seelen von ihren unmittelbaren irdischen Lebensbedingungen abzubringen, denn sonst führen sie den Kampf auf den niederen Parzellen der Astralebene weiter, wo das Böse herrscht. Du hattest Glück, dass der Hauptmann dich gefunden und hierher gebracht hat, sonst hätten sich niedere Elemente deiner bemächtigt und dich mit den niederen Begierden des irdischen Lebens wie Alkohol, Glücksspiel und Sex geködert. Dann wärst du zum Sklaven dieser Begierden geworden und langsam immer tiefer in die astrale Materie gesunken und hättest dir damit deine eigene Hölle geschaffen.«

Es erstaunte mich, dass Chan die Hölle erwähnte. Ich fragte, ob es solch einen Ort gebe, und wenn ja, wo er war. »Ich werde dir ein andermal erklären, wo sie sich befindet«, sagte er. »Ich will jetzt lieber da weitermachen, wo ich stehen geblieben bin. Du wirst Höhen erklimmen müssen, aber der erste Schritt beginnt immer auf der untersten Sprosse. Der Kampf zwischen Gut und Böse wird immer auf den niederen Ebenen geführt. Manchmal versucht das Böse, seine Grenzen auszudehnen, und dann kommt es zu offenen Konflikten. Das dauert nicht lange, weil wir die Macht des Rechten auf unserer Seite haben. Manchmal mischen sich die Herren des Lichts in die Schlägerei ein und mit ihrer Hilfe wird das Böse schnell vertrieben. Bei dieser

Gelegenheit können wir ,Gefangene’ machen, die wir, so hoffen wir, davon überzeugen können, dass sie sich falsch verhalten.

Wir können sie nicht lange festhalten, weil ihre eigenen bösen Gedanken sie zurück auf ihre Ebene ziehen. Manchmal sind die Seelen nicht böse, sondern nur verloren und in falsche Gesellschaft geraten. Wenn sie einverstanden sind, helfen wir ihnen, aus ihrer Dunkelheit auf den Pfad des Lichts zu klettern. Die Seelen, die damit beschäftigt sind, diese verlorenen Wesen emporzuheben, nennt man Retter. Ihre Aufgabe ist es, sich auf die niederen Ebenen zu begeben, und sie werden aufgrund ihrer hoch entwickelten Willenskraft ausgewählt. Wer sich in die finstersten dieser Reiche vorwagt, muss geschickt und mutig sein. Und in diese dunkelsten Reiche gehen die Retter in Vierergruppen, um die vier Kardinalpunkte der Seele, der sie helfen, zu bewahren. Dann hat das Böse keinerlei Chance, unsere Arbeit zu durchkreuzen. Die zurückgeholten Seelen werden an einen Ort der Ruhe geführt, wo sie so lange bleiben, bis sie eine positivere Einstellung entwickelt haben und ihr Verstand sich für die höheren Einflüsse des Lebens hier öffnet.

Es gibt hier eine ganze Armee von Seelen, die so arbeiten. Ich habe als Retter gearbeitet, bis ich damit beauftragt wurde, für dein Wohlergehen zu sorgen. Und jetzt wird es Zeit, dich zurückzubringen. Ich habe viel über das Leben hier gesagt und du musst verdauen, was du gehört hast.«

Wir erhoben uns von den Stühlen, die sich auflösten, als Chan eine Handbewegung machte. Ich fragte ihn, ob er mir einmal zeigen würde, wie man das macht. »Ja«, sagte er, »ein andermal. Wir müssen gehen.«

Wir brauchten nicht lang für den Weg zurück zur Unterkunft. Ich fühlte mich gut und hatte den Eindruck, in meinen neuen Kleidern gut auszusehen.

»Wann sehe ich dich wieder?«, fragte ich.

»Schon recht bald«, gab er zur Antwort. »Du brauchst jetzt Ruhe. Wenn du mich brauchst, dann konzentrier dich auf mein Gesicht und meinen Namen. Und warte ab, was passiert! Machs gut!«

Ich dankte ihm für seine Hilfe. Zum Abschied winkte er mir und begann plötzlich zu verblassen. Im Nu war er verschwunden. Das muss ihm erst mal einer nachmachen! Eben noch da und schon wieder weg.

Sieben Schritte zur Ewigkeit

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