Читать книгу Die Essenz der Quantenpsychologie - Stephen Wolinsky - Страница 9
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Advaita-Vedanta und die Quantenpsychologie
In Indien gibt es im Wesentlichen zwei Wege der Selbstfindung: Advaita und Vedanta. Advaita oder nichtduales Gewahrsein heißt, dass man sich der Tatsache gewahr wird, dass es nur eine Substanz, eine Wirklichkeit und nicht etwa zwei oder mehrere gibt. Dies ist mit »Nichtdualität« gemeint. Die sinnvollste Definition von Vedanta besagt, dass man erkennt, wer man ist, indem man sich von allen Vorstellungen trennt, die man in Bezug auf sein eigenes Selbst hegt. In Sanskrit nennt man dies neti-neti, also »weder dies noch jenes« oder »nicht so und nicht so«. Die Veden gelten als die heiligsten Texte Indiens. Vedanta bedeutet: das Ende der Veden.
Das Ziel der Quantenpsychologie
Die Quantenpsychologie unterscheidet sich von anderen Richtungen der Psychologie ganz wesentlich, weil ihre Zielvorstellung eine andere ist. Hier geht es darum herauszufinden, wer Sie wirklich sind. Der Weg dorthin führt über den Abbau (neti-neti) eines innerseelischen Systems, das wir »Falscher Kern« und »Falsches Selbst« nennen, hin zum Aufbau »multidimensionalen Bewusstseins«. Was diese Begriffe bedeuten, werden Sie nach und nach erfahren.
Die Quantenpsychologie will Sie also nicht besser oder tugendhafter machen. Sie lehrt Sie auch nicht, wie Sie befriedigende Beziehungen eingehen, mehr Geld machen oder mit Ihrem Leben besser zurechtkommen können. Es geht vielmehr um die Entwicklung von Bewusstheit, sodass Sie entdecken, wer Sie sind, und zwar jenseits der Bewusstheit selbst.
Multidimensionales Bewusstsein bedeutet, dass wir uns der acht Dimensionen gewahr werden, in denen sich das Bewusstsein manifestiert. Die Quantenpsychologie geht davon aus, dass die Entwicklung multidimensionalen Bewusstseins bei der Suche nach unserem Selbst sehr hilfreich sein kann. Ich beschränke mich hier auf ein »kann«, denn eine Garantie gibt es trotz allem nicht.
Ich habe sechs Jahre lang in Indien gelebt und bin dort bei mehreren Gurus und Meditationsmeistern sozusagen in die Lehre gegangen. 1979 lernte ich Sri Nisargadatta Maharaj kennen, der zu meinem wichtigsten Lehrer und spirituellen Mentor wurde. Er lehrte mich Folgendes: »Der einzige Weg herauszufinden, wer du bist, ist zu entdecken, wer du nicht bist.« Also wieder das Prinzip des neti-neti. Nisargadatta Maharajs wichtigster Grundsatz spiegelt sich in der Quantenpsychologie wider: »Alles, was du zu sein glaubst, bist du nicht.« Zu seinen Lebzeiten wurde leider nur eines seiner Bücher veröffentlicht: Ich bin. Dies ist unzweifelhaft einer der bedeutendsten spirituellen Texte unserer Zeit. Er war sowohl Meister des Advaita-Vedanta als auch des Jnana-Yoga. Jnana-Yoga ist Sanskrit und bedeutet: Pfad des Wissens. Tatsächlich könnte man eher von einem »Pfad des Verlernens« sprechen. Wie sagte schon in Krieg der Sterne Meister Yoda zu seinem Schüler Luke Skywalker: »Du musst vergessen, was du gelernt hast.« Advaita bedeutet, dass alles nur aus einer Substanz besteht und dass es nur diese eine Substanz gibt. Spiritualität im Zeichen des Advaita bedeutet daher, dass wir genau dies erkennen. Nisargadatta Maharaj drückte dies so aus:
Am Anfang war das absolute Nichts. Dann verdichtete sich innerhalb dieses Nichtseins das Ich bin. Und eines Tages wird das Ich bin verschwinden, sich einfach auflösen in dieses Nichts hinein. Dann wird wieder das absolute Nichts herrschen.
Nisargadatta Maharaj und die Quantenpsychologie
Persönlichkeit ist nichts weiter als eine falsch verstandene Identität.
Nisargadatta Maharaj
Die Quantenpsychologie nähert sich dem eigenen Selbst mit einem Prozess der Selbstbefragung an, in dessen Verlauf wir feststellen, dass wir all das nicht sind, was wir zu sein glauben. Dieses Modell geht auf den Einfluss Nisargadatta Maharajs zurück. Das ständige Infragestellen zieht unsere Aufmerksamkeit von dem ab, was wir als unsere Persönlichkeit wahrnehmen. Auf diese Weise wird sie frei für die Entdeckung, dass Befrager und Befragter, Gewahrsein und Gewahrseiender letztlich eins sind. Sie verschmelzen in der allem zu Grunde liegenden Schicht der einen Substanz, die jenseits aller Bewusstseinsdimensionen liegt.
Daher ist die Quantenpsychologie sozusagen ein Nebenprodukt von Nisargadatta Maharajs Lehren, die auf dem Advaita-Vedanta beruhen. Die grundlegenden quantenpsychologischen Prinzipien lassen sich so zusammenfassen:
• Advaita (Nichtdualität) ist die Grundlage von allem.
• Es gibt nur eine Substanz, eine Wirklichkeit, nicht zwei oder mehrere.
• Vedanta ist der Prozess.
• Neti-neti charakterisiert die Methode: »Weder dies, noch jenes.«
Das Herz der Quantenpsychologie
Dies sind die neun quantenpsychologischen Prinzipien von Nisargadatta Maharaj:
1. Es gibt nur eine Substanz, eine Wirklichkeit.
2. Alles, was du über dich zu wissen glaubst, stammt nicht aus dir selbst. Lass es also los.
3. Stelle alles in Frage. Glaube nichts.
4. Wenn du herausfinden willst, wer du bist, musst du erforschen, wer du nicht bist.
5. Wenn du etwas loslassen willst, musst du zuerst wissen, was es ist.
6. Der Erfahrende steckt in der Erfahrung selbst.
7. Alles, was du zu sein glaubst, bist du nicht.
8. Halte dich an dein Ich bin. Lass alles andere los.
9. Alles, was du über dich weißt, kannst du nicht sein.
Diese neun Prinzipien bilden den Kern der Quantenpsychologie.
Das Ich bin
Bevor wir nun fortfahren, möchte ich noch genauer erläutern, was Nisargadatta Maharaj meinte, als er sagte, wir sollten uns an unser Ich bin halten und alles andere loslassen.
Vor dem Auftauchen jeglicher Gedanken waren »Sie« da, im zustandslosen Zustand des Ich bin, in dem das Sein keine Attribute hat. Wenn dann Gedanken, Gefühle oder was auch immer sozusagen wie Wolken am leeren Himmel des Geistes aufsteigen, dann ist dieser zustandslose Zustand immer noch da. Und wenn Gedanken und Assoziationsketten wieder verschwinden, ist er immer noch da. Daher sollen wir uns an unser tiefstes Sein halten und alles andere gehen lassen.
Wenn Sie es wirklich erfahren wollen, schließen Sie die Augen und achten Sie darauf, was geschieht, wenn Sie Ihren Gedanken, Erinnerungen, Emotionen, Wahrnehmungen, Absichten, Assoziationen und so weiter keine Aufmerksamkeit schenken. Dieser leere Raum liegt vor allem Denken. Wenn Nisargadatta Maharaj sagt, dass wir alles, was wir zu sein glauben, nicht sind, dann meint er damit, dass wir schon vor unseren Gedanken, Erinnerungen etc. existieren, im zustandslosen Zustand (oder »Nicht-Zustand«) des nonverbalen Ich bin.
Um mit dieser Schicht Ihres Seins in Kontakt zu kommen, müssen Sie die Aufmerksamkeit von allem abziehen, was Sie gewöhnlich zur Informationsbeschaffung und -verarbeitung nutzen. Sie gehen auf Ihre Gedanken, Erinnerungen, Gefühle, Assoziationen, Wahrnehmungen, Absichten etc. einfach nicht mehr ein. Wenn Sie das tun, werden Sie Bekanntschaft mit einer natürlichen Leere schließen, die allem vorausgeht. Anfangs erleben Sie diese Erfahrung vielleicht nur für den Bruchteil einer Sekunde, nachdem Sie alles, was Sie gewöhnlich beschäftigt, beiseite geschoben haben. Doch je häufiger Sie in diesem zustandslosen Zustand verweilen, desto mehr werden sich diese Augenblicke ausdehnen und vertiefen. Und Sie erfahren das Ich bin. Für den Anfang aber genügt es, wenn Sie überhaupt bemerken, dass vor Ihrem Denken, Empfinden, Wahrnehmen etc. tatsächlich etwas existiert.
Übung zum Entdecken des Ich bin: Der erste Schritt
(Bitten Sie einen Freund, eine Freundin oder eine andere Person, Sie durch diese Übung zu geleiten. Ein Freund wird Sie natürlich mit »du« ansprechen.)
Schließen Sie für eine Weile die Augen.
• Lassen Sie Ihre Gedanken, Erinnerungen, Emotionen, Assoziationen, Wahrnehmungen, Zielvorstellungen, Absichten beiseite und beantworten Sie sich folgende Frage: Sind Sie ein Mann? Oder eine Frau? Oder keines von beiden?
• Achten Sie nicht auf Ihre Gedanken, Erinnerungen, Emotionen, Assoziationen, Wahrnehmungen, Zielvorstellungen, Absichten und beantworten Sie sich folgende Frage: Sind Sie begrenzt? Sind Sie unbegrenzt? Oder keines von beiden?
• Ohne auf Ihre Gedanken, Erinnerungen, Emotionen, Assoziationen, Wahrnehmungen, Zielvorstellungen, Absichten zurückzugreifen beantworten Sie sich folgende Frage: Sind Sie klar definiert? Sind Sie nicht klar definiert? Oder keines von beiden?
• Ohne Gedanken, Erinnerungen, Emotionen, Assoziationen, Wahrnehmungen, Zielvorstellungen, Absichten: Was ist Heilung?
• Ohne Gedanken, Erinnerungen, Emotionen, Assoziationen, Wahrnehmungen, Zielvorstellungen, Absichten: Was ist es, das geheilt werden muss?
• Ohne Gedanken, Erinnerungen, Emotionen, Assoziationen, Wahrnehmungen, Zielvorstellungen, Absichten: Was bedeutet Existenz oder Nichtexistenz? Haben diese beiden Begriffe überhaupt irgendeine Bedeutung?
• Ohne Gedanken, Erinnerungen, Emotionen, Assoziationen, Wahrnehmungen, Zielvorstellungen, Absichten: Lauschen Sie dem Klatschen der einen Hand (wie es in einem berühmten Zen-Koan heißt)!
• Nun sind wir am Ende und gleich werde ich (der die Anleitung gibt), Sie/dich bitten die Augen zu öffnen und in diesen Raum zurückzukehren, während Sie mit einem Teil Ihrer Aufmerksamkeit im Nicht-Zustand des Ich bin bleiben, in dem es weder Gedanken noch Erinnerungen, weder Gefühle noch Assoziationen, weder Wahrnehmungen noch Absichten gibt. Wenn Sie die Augen öffnen, kann ein Teil Ihres Bewusstseins weiterhin das reine Sein wahrnehmen, während der andere Teil in diesen Raum zurückkehrt. Sobald Sie nun dafür bereit sind, schlagen Sie die Augen auf …
Willkommen
im zustandslosen Zustand des
Ich bin!