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Pitchi-bucketi-indian

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Der Indianer sah sich um. Seine Augen funkelten, und ein scharfer Geruch ging von ihm aus, nach nassem Leder und etwas anderem, Fremdartigem.

Die Mutter bewegte sich. Jerker sah, daß sie den Saum ihrer Schürze mit der einen Hand krampfhaft festhielt. Sie strich sich das Haar aus der Stirn und sagte halblaut:

„Wenn man nur sprechen könnte ...“

Dann ging sie mit Jonas im Schlepptau auf den Indianer zu und sagte beinahe zornig:

„Was will er?“

Der Indianer legte die Hände auf den Bauch und sagte:

Pitchi-bucketi-indian ...

Er hatte eine unerwartet helle Stimme.

„Hat er Hunger?“ fragte die Mutter.

Der Indianer nickte.

Hungry“, sagte er.

Die Mutter ging zum Eckschrank und holte ein Stück gesalzenes Schweinefleisch heraus.

Der Indianer riß das Fleisch beinahe an sich und ließ es in einer der vielen Falten seines Umhanges verschwinden. Gleichzeitig sah er die Mutter an.

Sie sah ohne zu blinzeln zurück.

So standen sie eine Weile und prüften einander mit den Augen, dann nickte der Indianer und ging zur Tür.

Neben der Tür lag Jonas’ Puppe. Jonas nannte sie Nana. Die Mutter hatte sie aus Stoffetzen für ihn genäht. An einem Band hing ihr um den Hals eine kleine Glocke.

Der Indianer nahm die Puppe hoch und schüttelte sie.

Als Jonas das Glöckchen hörte, ließ er die Schürze der Mutter los und stürzte zum Indianer hin.

„Nein!“ schrie er. „Nicht Nana nehmen ...“

Der Indianer hielt die Puppe so hoch, daß Jonas sie nicht erreichen konnte. Und zog sein Messer. Die Mutter schrie auf; Jerker sah schnell weg. Aber der Indianer schnitt nur das Glöckchen ab, und dann reichte er Jonas die Puppe wieder. Der Kleine riß sie an sich und lief zurück, hinter die Mutter.

Der Indianer hielt das Glöckchen ans Ohr und schüttelte es mit entzücktem Gesicht. Jonas schmiegte sich an die Mutter und preßte schluchzend seine Puppe an sich.

„Ist das der Dank?“ sagte die Mutter erbost.

Der Indianer steckte eine Hand unter den Umhang und holte ein schmales Fell heraus. Er legte es auf den Boden; dann verschwand er.

Lange Zeit war es ganz still im Blockhaus.

„Puh!“ sagte die Mutter und stützte sich auf den Tisch. Dann ging sie zur Tür und sah hinaus.

„Ist er weg?“ fragte Jerker.

Die Mutter antwortete nicht. Sie setzte sich an den Tisch und nahm Jonas auf den Schoß. Jerker holte das Fell und gab es seinem kleinen Bruder. Es war glatt und weich, und die einzelnen Härchen glänzten.

„Das hier ist doch viel schöner als das Glöckchen“, sagte er.

Aber Jonas warf das Fell fort.

„Böser Indianer“, stieß er zwischen den Schluchzern hervor.

„Vielleicht hatte er ebenso große Angst wie wir“, sagte die Mutter.

„Warum ist er dann gekommen?“ wollte Jerker wissen.

„Er sah ganz verhungert aus“, sagte die Mutter.

Sie legte ihre Wange an Jonas’ Kopf und begann zu singen. Aber nicht von Onkel Patt.

So war es, als der erste Indianer zum neuerbauten Hof der Familie Borg kam. Und danach kamen noch viele.

Sie sagten kaum etwas. Die Mutter gab ihnen zu essen und versuchte, so gut es ging, mit ihnen zu sprechen. Und ab und zu lag morgens ein Fell oder ein Hase oder eine Wildgans vor der Haustür.

Das war die Art der Indianer, ihre Dankbarkeit zu zeigen.

Jerker gewöhnte sich allmählich an die Besuche der Indianer und hatte zum Schluß kaum noch Angst vor ihnen, nur noch ein klein bißchen.

„Sie haben so stechende Augen“, sagte er.

„Indianer bös“, sagte Jonas.

Aber abends hielt er das „Indianerfell“ zum Einschlafen immer fest an sich gedrückt.

Vater konnte die Roten, wie er die Indianer nannte, nicht leiden. Und wenn er sie kommen sah, machte er sich gerne im Stall oder irgendwo anders auf seinem Besitz zu schaffen.

„Man könnte meinen, daß du mehr Angst vor ihnen hast als ich und die Kinder“, sagte die Mutter einmal, als sie schlecht aufgelegt war.

Der Vater antwortete nicht.

Aber auf zwei hölzernen Stützen neben der Tür, so hoch oben, daß die Kinder nicht hinaufreichen konnten, lag das Gewehr – geladen und schußbereit.

Keine Angst vor Rothäuten

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