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Die Ankunft

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Tahir? Tahir, ist das hier das Lager?

Der Fahrer antwortete nicht. Er kniff die Augen zusammen und beugte sich vor, das Kinn auf dem Lenkrad. Der Lkw schlingerte, und als Tahir das Steuer herumriss, um einem Schlagloch auszuweichen, schrammten die Äste eines Akazienbaums über die Längsseite des Wagens.

Der Fahrer beschleunigte. Vögel mit kräftigen, gelben Beinen und weißgefleckten Flügeln, die auf einem Hang umherstreiften, stoben auseinander. Die untergehende Sonne färbte den Himmel leuchtend rot. Zart bernsteinfarbene Wolken sprenkelten den Horizont.

Saba suchte im Seitenspiegel nach ihren Mitreisenden. Dutzende Lastwagen waren im Morgengrauen von der Stadt aufgebrochen, in die sie auf ihrer Flucht vor dem Krieg gekommen waren, doch jetzt war ihr Lkw der einzige auf der Straße. Sabas Mutter neben ihr murmelte ein Gebet, das sie seit ihrem Aufbruch von zu Hause unablässig wiederholte. Hagos, ihr Bruder, saß auf der Ladefläche inmitten der wenigen Habseligkeiten, mit denen sie geflohen waren.

Herr, erleuchte unseren Weg in die Sicherheit.

Über der Talsenke brach die Nacht herein. Die Scheinwerfer des bergab steuernden Lkw durchschnitten die Dunkelheit. Ein flaches, mit Hütten übersätes Gelände tauchte vor ihnen auf. Bestehen Flüchtlingslager nicht aus Zelten?, fragte sich Saba.

Sie befürchtete, ein Blinzeln, und alles wäre ausgelöscht. Und die endlose Reise, die vor vielen Tagen auf Kamelen begonnen hatte, würde weitergehen. Sie hielt sich am Armaturenbrett fest und konzentrierte sich auf das Bild vor ihren Augen. Doch als Tahir erneut das Steuer herumriss, um einem Schlagloch auszuweichen, holperte der Wagen über eine Unebenheit. Der Stoß warf den Fahrer in seinem Sitz zurück, und Saba griff nach dem Lenkrad. Je tiefer es ins Tal hineinging, desto mehr ruckelte das Fahrzeug, und der Lichtstrahl der Scheinwerfer schwenkte von den Hütten zum Buschland und wieder zurück. Tahir bremste.

Da sind wir, sagte er und rückte seinen Turban zurecht. Saba, das ist dein Lager.

Saba hielt sich die Nase zu.

Dung.

Überall Dunggeruch.

Tahir stellte den Motor ab. In der Stille wirkte der Ort sehr viel entlegener und verlassener, als Saba es sich jemals vorgestellt hatte. Sie blickte in den Himmel. Es gab keine Kampfflugzeuge, nur einen halben Mond. Er hing am Himmel wie der sichelförmige goldene Ring, den ihre Großmutter in der Nase getragen hatte.

Saba betrachtete die Hütte im Scheinwerferlicht. Ihre Mutter murmelte Gebete und weinte. Saba konnte sich nicht erinnern, wann sie ihre Mutter zum letzten Mal hatte lächeln sehen oder lachen hören.

Tahir kletterte aus der Kabine und humpelte zur Vorderseite seines Wagens. Als er die Motorhaube öffnete, qualmte es. Saba trat hinaus in die Dunkelheit. Wir sind die Ersten im Lager, dachte sie. Außer ihnen war niemand zu sehen, nicht einmal ein Beamter zu ihrem Empfang. Sie wollte Tahir fragen, als sie von einem Lichtschein in ihrem Rücken abgelenkt wurde. Sie drehte sich zur Ladefläche um, wo Hagos auf Jutesäcken saß. Seine Taschenlampe beleuchtete einen runden Handspiegel, in dem er sein Gesicht von allen Seiten begutachtete.

Als Saba zu Hause ihre Bücher einpacken wollte, hatte ihre Mutter sie daran gehindert, denn die Schmuggler verlangten für jede zusätzliche Tasche extra Geld. Und während sie Kleider und Unterwäsche in mehreren Schichten übereinander tragen konnte, war das mit Büchern nicht möglich. Deshalb hatte sie vor dem Aufbruch Tag und Nacht ihre Lieblingspassagen auswendig gelernt.

Hagos jedoch hatte diesen fragilen Gegenstand mitgenommen, obwohl die Schmuggler die Flüchtlinge vor dem Aufbruch gewarnt hatten: Sogar Menschen zerbrechen auf dem Weg in die Sicherheit, sagten sie, und Spiegel erst recht.

Hagos kletterte vom Lkw und sank in Sabas ausgebreitete Arme. Seine Haut duftete nach Jasmin, als sie ihn fester an sich drückte. Sie griff nach seiner Hand, den Blick auf eine runde Hütte mit einem konisch geformten Strohdach gerichtet. Auf einem der Büsche, die die Hütte säumten, saß ein Nachtfalter. Die fluoreszierenden Kreise auf seinen Flügeln leuchteten im Licht der Scheinwerfer.

Ein fernes Brummen steigerte sich zu einem lauten Getöse, als ein Lkw nach dem anderen im Lager eintraf. Lärm brach los. Kinder kreischten. Gott wurde angerufen. Freudentriller vermischten sich mit Schluchzern. Und als sich die Lkws verteilt hatten und verschiedene Areale erhellten, sah man Bruchstücke des Lagers aufleuchten, die einander zu spiegeln und sich im Schlagschatten der Hütten zu vervielfältigen schienen.

Die Leute stiegen von ihren Lastwagen herunter. Ihre Silhouetten wanderten über die Wände der Hütten. Männer und Frauen, emsig wie Ameisen, trugen ihre Habseligkeiten auf dem Rücken und auf dem Kopf. Jutesäcke. In Tücher oder gabis gewickelte Kleider. Herde mit Kochplatten aus Lehm. Kinder, festgebunden auf dem Rücken ihrer Mutter. Eine Frau hatte ihren Mann huckepack genommen, er schlang die Beine um ihre Hüften und die Arme um ihren Hals. Keuchend schleppte sie sich an Saba vorbei.

Bevor Tahir aufbrach, zog er einen Stift aus der Tasche. Hagos, sagte er, in deinem Alter war ich wie du. Auch ich war schweigsam, bis ich einen Stift fand.

Aber Hagos griff nicht nach dem Stift.

Mein Sohn kann weder schreiben noch lesen noch sprechen, sagte seine Mutter.

Tahir sah den Zwanzigjährigen an. Ist das wahr, Hagos?

Hagos starrte an Tahir vorbei vor sich hin.

Saba nickte. Ja, es ist wahr.

Tahir fuhr los. Und sofort vermisste Saba den Geruch der Fahrerkabine, die sonnengedörrten Früchte auf dem mit Wildleder überzogenen Armaturenbrett und die Datteln, die seine Eltern am Nilbogen geerntet hatten. Sie vermisste die Freigebigkeit, die aus Tahirs Hand floss. Seine Hand, die ihr Orangen und Wasser gereicht und gestikuliert hatte, als er von seiner Kindheit unter britischer Herrschaft erzählte. Er hatte seine Zunge in kaltes Wasser tauchen müssen, als könnte er nur dann wie die Menschen im Norden sprechen, wenn er seine Wurzeln erfrieren ließ. Auch seine Art, Arabisch zu sprechen, hatte er beibehalten, und er dehnte die Wörter so, dass auf seiner Zungenspitze jede Silbe ihr Leben verlängerte. Im Lager würde Saba diesen Akzent kaum wieder hören. Ihre Gedanken verdüsterten sich, als immer mehr Lkws aufbrachen.

Sie musterte die Holztür, deren Risse im Licht der Taschenlampe sichtbar wurden. Gestank drang heraus. Und Dunkelheit. Hagos hielt ihre Hand, als er die Tür aufstieß. Sabas Brust zog sich zusammen. Sie drehte sich um und rang nach Luft. Ein Nagel in dem niedrigen Türrahmen riss ihr die Haarnadel heraus. Die verschwitzten Locken fielen ihr ins Gesicht und über die Augen.

Hier werden wir wohnen, sagte ihre Mutter und band das Tuch fester um ihre Hüften, um die Kreuzschmerzen zu lindern. Seit ihrem Aufbruch, als sie alle drei auf dem Rücken eines Kamels auf einer Matratze zusammengekauert saßen, tat ihr das Kreuz weh.

Hagos band Sabas dickes langes Haar im Nacken zu einem Knoten zusammen. Seine Schwester folgte ihm ins Innere der nach Dung stinkenden Hütte. Der Strahl seiner Taschenlampe wanderte durch den Raum. Aus dem Strohdach schossen Insekten hervor. Saba beobachtete einen Nachtfalter, dessen Flügel in der schweren Luft flatterten. Hagos reichte ihr die Taschenlampe und ging hinaus.

Der Holzpfahl in der Mitte der Hütte war aus einem dünnen knorrigen Baumstamm gezimmert. Er verlief bis ganz nach oben und trug das Dach. Saba hoffte, nicht dagegen zu stoßen.

Hagos kam mit Jutesäcken zurück, sein Gesicht erleuchtet von dem grellen Licht in Sabas Hand. Während er die Säcke entlang der Wand aneinanderreihte, versuchte auch sie, die Fassung wiederzugewinnen. Ihre Mutter musste sich dringend ausruhen. Das wurde Saba klar, als Hagos aus einem der Säcke eine Decke herauszog. Sie beobachtete seine Bewegungen und fragte sich, ob sie für ihre Mutter jemals so gut würde sorgen können wie er.

Die dünnen Decken seien vorerst ihre Schlafmatten, erklärte die Mutter.

Saba und Hagos packten die Decke an den Enden, schüttelten sie aus und legten sie auf den nackten Boden neben der Wand. Sie husteten im Chor. Saba streifte den Staub von ihrem schwarzen Kleid, während Hagos der Mutter half, sich auf ihre Decke zu legen. Ihr Bett. Er faltete einen Schal zu einem Kissen zusammen und schob es ihr unter den Kopf. Dann küsste er sie auf die Stirn und deckte sie mit seinem gabi zu, den ihm die Hebamme, die auch Beschneidungen durchführte, bei der Feier seiner rituellen Reinheit überreicht hatte.

Die andere Decke breitete Saba an der gegenüberliegenden Wand aus. Hier würden Hagos und sie schlafen. Sie würden ihre Träume miteinander teilen. Und ein neues Leben. Dies würde ein Ort der Wiedervereinigung sein. Sie würden nächtelang reden. Lachen. Singen. Einander Geschichten von zu Hause erzählen. Und Kindheitserinnerungen austauschen. All die Jahre, in denen sie Hagos vernachlässigt hatte, würde Saba jetzt wiedergutmachen. Jahre, in denen sie nichts anderes im Kopf gehabt hatte als ihre Schulbücher. Doch der Krieg hatte sie dem Menschen nähergebracht, in dessen Gesicht sie geblickt hatte, als sie zum ersten Mal ihre Augen aufschlug. Ihre Mutter hatte ihr oft erzählt, dass die neugeborene Saba, erst wenige Stunden alt, an Hagos’ Brust Milch hatte saugen wollen. Hagos war auch das erste Wort gewesen, das sie sprach. Hag. Die anderen Buchstaben – o und s – kamen später hinzu. Und wie sein Name würde auch er selbst in ihrem Leben jetzt allmählich wieder mehr Raum gewinnen.

Saba sah aus dem Fenster. Ein paar Männer betraten den Platz. Ihre Öllampen flackerten, und ihre Schatten verschmolzen zu einem einzigen gestaltlosen Körper. Träge und schwer.

Die Gruppe war aufgebrochen, um den Fluss zu suchen. Nach Auskunft der Lkw-Fahrer lag er westlich des Lagers. Aber sie waren erfolglos zurückgekommen. Dort gab es nur Buschland.

Wir müssen morgen früh nochmal los, sagte ein Mann in weißer Dschallabija und schwarzer Weste. Wir haben nur das Zischen von Schlangen gehört. Was da draußen sonst noch ist, wissen wir nicht.

Skorpione. Antilopen. Krokodile. Elefanten. Löwen. Saba wusste nicht, in welchem Teil dieses Landes sie sich befanden, und befürchtete, dass es hier alle möglichen wilden Tiere gab. Ein Lager mitten im Busch.

Der Platz wurde immer voller, die Leute standen bis vor Sabas Hütte. Seid ihr sicher, dass der Fluss westlich des Lagers liegt?, fragte ein Junge, der sich seinen kleinen Bruder auf den Rücken gebunden hatte. Unser Fahrer hat gesagt, er liegt dort drüben.

Der Junge deutete in die Richtung entgegengesetzt zu der, aus der die Männer gekommen waren. Er ist nicht älter als zwölf, dachte Saba und beobachtete, wie er sein Brüderchen auf seinem Rücken schaukelte. Schlaf, mein süßer kleiner Bruder. Schlaf doch.

Mit Stöcken und Öllampen bewaffnet teilten sich die Männer in vier Gruppen auf, um in verschiedene Richtungen auszuschwärmen. Saba und Hagos schlossen sich der Gruppe an, die von einem athletisch aussehenden jungen Mann in einem Trainingsanzug angeführt wurde.

Doch der Athlet trennte Sabas Hand von der ihres Bruders. Das ist kein Abenteuer für Mädchen und Frauen, sagte er.

Saba drängte sich an ihm vorbei und hakte sich bei Hagos unter. Eine Hand zog sie zurück. Bitte lass die Leute gehen, sagte der Junge mit dem weinenden Baby. Mein Brüderchen hat Durst.

Die Männer brachen auf. Saba rührte sich nicht vom Fleck. Ihre Augen suchten die dunkle Grenze des Lagers ab, die näher rückte, als das Licht der Öllampen erstarb. Mit der Dunkelheit kamen besorgte Gedanken. Was, wenn Hagos von einer Schlange oder einem Skorpion gebissen wurde? Wenn ein Krokodil ihn verschlang?

Sie nahm ihr Tuch von den Schultern. Eine warme Brise strich über ihren Nacken und umfing sie, ohne ihr schweres Herz zu erleichtern. Sie schwitzte.

Links von ihr tauchten Lichtpunkte auf. Im flackernden Lampenschein kehrten die Männer mit lautem Geschrei und Freudensprüngen von ihrer Suche westlich des Lagers zurück. Sie hatten durch die Wildnis aus Gras, Steinen, Büschen und Hügeln eine Schneise geschlagen. Der Fluss ist weit weg, aber wir haben zumindest Wasser, sagte der Athlet mit lauter Stimme.

Saba war überzeugt, dass es Hagos war, der den Fluss als Erster entdeckt hatte. Er trug eine Miene zur Schau, die ihr vertraut war, denselben Entdeckerstolz wie damals, als er ein Foto ihrer Großmutter gefunden hatte, wie sie von Kaiser Haile Selassie ausgezeichnet wurde. Seine stummen Lippen wurden breit und schmal, als er die Hand zur Faust ballte. Aber es war der Athlet, der alles Lob für sich einheimste: Du bist ein furchtloser Löwe. Dank deiner werden unsere Kinder nicht verdursten.

Frauen stießen Freudentriller aus.

Saba umarmte Hagos und legte ihm ihr Tuch um die Schultern. Die Finger ineinander verschränkt, gingen sie zu ihrer Hütte zurück.

Das ganze Lager brach zum Fluss auf. Laternen und Taschenlampen beleuchteten den Boden, den Lebensraum gefährlicher Kreaturen. Die Menge trampelte über Gras und Büsche hinweg, und als sie auf einen schmalen Weg gelangte, wich der Geruch des Laubs dem Aroma überreifer Kaktusfrüchte. Doch bald erfüllte nur noch Schweißgeruch die Luft.

Saba drängte sich an Hagos. Sie klammerte sich an ihn, den Unerschrockenen, dessen Heldenmut verhindert hatte, dass Kinder, Männer und Frauen verdursteten. Sie konnte sein Gesicht nicht sehen, aber sie wusste, dass er lächelte bei den Worten, die sie ihm zuflüsterte. Lächelte wie immer.

Murmelnd plätscherte der Fluss über die Steine. Saba atmete den Geruch von frischem Schlamm ein. Der Fluss muss erst vor kurzem über die Ufer getreten sein, dachte sie.

Die Leute stellten ihre Öllampen hinter sich ab und reihten sich am Ufer entlang auf. Zwischen ihren Beinen glitzerte der Fluss, doch die Landschaft war in Dunkel gehüllt. Saba drückte ihren gelben Eimer an ihre Brust. Behälter schepperten, Kanister schlugen gegeneinander. Die silbernen Armbänder einer Frau vor ihr klimperten, als sie ihren Kanister ins Wasser tauchte. Während sie sich tiefer hinunterbeugte, umspielte ihr adalkana-Kleid, leuchtend wie die Farben des Regenbogens vor einem pechschwarzen Himmel, ihre Hüften. Der Kanister glitt ihr aus den Händen und wurde sofort vom Fluss fortgetragen. Hagos lief ins Wasser. Laternen wurden hochgehoben, Taschenlampen auf ihn gerichtet. Warum tut er das?, fragte ein Mann. Weil jetzt auch die geringsten Dinge einen Wert besitzen, sagte ein anderer. Hagos rutschte aus. Das wogende, goldglänzende Wasser verschlang ihn. Saba dachte an das letzte Mal, als ihr Bruder, noch zu Hause, in einen vom Regen angeschwollenen Fluss gesprungen war, um einen Mann zu retten, der vor den Derg-Soldaten floh. Einer Gefahr zu trotzen war für ihn ein Weg, wahrgenommen zu werden. Und Saba tat, was sie immer getan hatte. Sie sprang ihm hinterher.

Bruder und Schwester verschwanden unter Wasser. Eine Ewigkeit verging, bis ihre Köpfe wiederauftauchten. Fast gleichzeitig und erleuchtet von Taschenlampen.

Als Hagos mit dem gefüllten Kanister vor der Frau stand, legte sie ihm ihre hennagefärbte Hand auf die Schulter. Danke, sagte sie. Das war mutig von dir.

Gern geschehen, sagte Saba neben ihrem Bruder. Er freut sich, wenn er helfen kann.

Als sie nass und zitternd vom Fluss nach Hause zurückkehrten, stand ihre Mutter vor der Hütte und murmelte vor sich hin.

Wie könnt ihr nur ins Wasser springen, sagte sie.

Es war nicht gefährlich, sagte Saba.

Die Gefahr stand den Männern in die Augen geschrieben.

Ich habe schon größere Gefahren überstanden, Mutter, das weißt du.

Weißt du, was Rahwa über dich sagt? Die Stimme ihrer Mutter brach. Ihre Finger zitterten, während sie an ihrem Tuch herumnestelte.

Die Hebamme ist hier? Saba drehte sich um und kickte mit dem Fuß in die Luft. Staub wirbelte auf.

Als Saba die Hütte betrat, sah sie, dass Hagos die Hände seiner Mutter hielt und küsste, bis sie sich beruhigt hatten.

Gott segne dich, mein geliebtes Kind, sagte die Mutter.

Hagos führte sie in die Hütte, während Saba in ihrem durchnässten schwarzen Kleid an der Tür stand und zuschaute. Er setzte sich neben seine Mutter und massierte ihr die Arme. Saba zog sich hinter die Hütte zurück, um ihr Nachthemd anzuziehen. Das Licht der Taschenlampe, die sie auf den Boden gestellt hatte, tauchte die Nachbarhütte in einen gespenstischen Glanz. Die Tür stand offen. Ein Fuß trat in den Lichtkreis, der ein Fußgelenk umspielte. Ich kann überall gesehen werden, dachte Saba. Drinnen wie draußen.

Sie suchte Zuflucht in der Hütte. Hagos hatte sich auf einer Seite der Decke zusammengerollt. Saba stieg über ihn hinweg und zwängte sich in den schmalen Spalt neben der aus Dung gemauerten Wand. Ihr Gesicht lag neben Hagos’ Füßen. Kleine Steinchen stachen durch die dünne Decke. Saba kuschelte sich zwischen die gewölbte Wand und den zusammengekauerten Hagos.

Schweigen ist meine Muttersprache

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