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Kapitel 1

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Leise und auf nackten Füßen mit einem Bündel Bettwäsche in ihren Händen schlich die Gräfin in ihrem gelben Seidenmorgenmantel die Stufen ins Erdgeschoss hinunter, durchquerte die große Eingangshalle und öffnete die schwere Eichentür. Vorsichtig wandte sie sich um, aber es war niemand zu sehen, sodass sie erleichtert ihren Weg nach draußen fortsetzte. Obwohl es erst fünf Uhr morgens war, zeigte sich am Himmel das erste Blau und versprach bereits jetzt einen heißen Sommertag. Rasch vergewisserte sie sich, dass der Gärtner die frühe Morgenstunde nicht nutzte, um sich um die Vielfalt von Blumen zu kümmern, deren schwerer Duft in der Luft hing und ihr fast den Atem raubte. Zügig eilte sie den Kiesweg entlang zum Pavillon, klopfte leise an, ehe sie eintrat und zog die Tür hinter sich ins Schloss.

Überrascht runzelte das junge Dienstmädchen Ella ihre Stirn, nachdem die Gräfin auf leisen Sohlen aus dem Haus geschlichen war und sie dies von ihrem Fenster aus hatte beobachten können. An diesem Morgen hatte Ella nicht mehr einschlafen können und war aufgestanden, um den Tag ruhig und mit einer schönen Tasse heißen Kaffees und einem Liebesschmöker zu beginnen. Nun fragte sie sich, warum die Hausherrin offensichtlich so darum bemüht gewesen war, dass niemand sie bemerkte und warum sie einen Stapel Bettwäsche bei sich getragen hatte. Natürlich ging es sie nichts an, trotzdem fand sie das Benehmen merkwürdig, zumal die Gräfin nicht einmal angekleidet gewesen war und es die Aufgabe einer Bediensteten war, die Bettwäsche in den Pavillon zu bringen. Nachdenklich schlüpfte sie in ihre flachen Sandalen, schlenderte die Stufen hinunter und stellte die Kaffeemaschine an, um sich ihren ersten Kaffee zu gönnen und sich mit ihrem Buch an den Tisch zu setzen. Dabei versank sie so in der Liebesgeschichte, dass sie erst aufschreckte, als die Hauswirtschafterin die Küche betrat und sie tadelte, weil das Frühstück noch nicht vorbereitet war.

„Tut… tut mir… leid“, stotterte Ella, klappte rasch ihr Buch zu und legte es zur Seite.

„Ja, schon gut“, beruhigte sie Margret und tätschelte ihr den Arm. „Sei so lieb, und schneide eine von den Lieblingsrosen der Gräfin ab, ja?“ Sie lächelte Ella freundlich zu, ehe sie sich abwandte und das Tablett abwischte, um anschließend das Geschirr darauf zu verteilen.

Hastig sprang Ella von ihrem Stuhl auf, nahm die Schere und eilte hinaus in den Garten, blieb aber mitten in der Bewegung stehen, weil sie die Gräfin zum zweiten Mal an diesem Morgen auf den Weg zum Pavillon beobachtete. Wieder schien sie etwas in ihrer Hand zu haben, und sie trug noch immer ihren Seidenmorgenmantel, der in der mittlerweile aufgegangenen Sonne wie Gold schimmerte. Um ihre Herrin nicht in Verlegenheit zu bringen, zog sich Ella in die Küche zurück, schloss die Tür und stellte sich dem bohrenden Blick der Wirtschafterin.

„Und? Wo ist die Rose?“ verlangte diese tadelnd zu wissen.

„Ich… ich… das geht jetzt nicht… ich kann… kann nicht raus… nicht jetzt“, stammelte Ella und legte die Schere in die Schublade zurück.

„Und wann wäre es dir möglich, hinauszugehen und die Rose zu schneiden?“ fragte Margret sarkastisch. Eigentlich mochte sie Ella, sie war immer hilfsbereit und freundlich. Nur ab und zu schien es, als ob sie etwas begriffsstutzig war, und dann musste Margret all ihre Geduld aufbringen, die sie besaß, denn sie wollte Anweisungen nicht zweimal sagen müssen.

Verlegen blickte Ella auf den Boden, und Margret bemerkte, dass das junge Mädchen errötete und den Tränen nahe war. Seufzend stellte sie die Kaffeekanne auf das Tablett, wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab und trat auf sie zu. „Du musst keine Angst haben“, versicherte sie sanft. „Sag mir einfach, was los ist und dann holst du die Rose.“

Eine halbe Stunde später trug Margret das Tablett hinüber ins Esszimmer, deckte den Frühstückstisch und begrüßte den Grafen freundlich, der ihren Gruß erwiderte, ehe er sich setzte und sich die erste Tasse Kaffee einschenkte.

„Auf ein Wort“, begann Margret zögernd, als der Graf sie jedoch aufmunternd anlächelte, trat sie an ihn heran und flüsterte ihm etwas ins Ohr.

„Danke“, sagte er und entließ sie mit einer leichten Handbewegung. Nachdenklich nahm er einen Schluck von seinem Kaffee und dachte an seine junge Frau. Madeleine war mit ihren 25 Jahren zwanzig Jahre jünger als er und sah mit ihren langen dunklen Haaren und Augen sowie ihrem edlen Gesicht wie ein Gemälde aus. Er hatte sich vom ersten Moment an in sie verliebt. Nachdem er fast zwei Jahre um sie geworben hatte, hatten sie vor drei Jahren geheiratet, und er liebte seine Frau noch immer so sehr wie an dem Tag, an dem er sie das erste Mal gesehen hatte. Sie hatte ihm einmal gestanden, dass er ihr mit seinem tadellosen Benehmen und seinem Werben um sie beeindruckt habe, und dass er ein ansehnlicher Mann war, den sie sofort gemocht hatte. Nur die Liebe war nicht sofort bei ihr da gewesen, hatte sich jedoch eingestellt, je mehr Zeit sie miteinander verbracht hatten. Bisher hatte es noch nie ein lautes Wort zwischen ihnen gegeben, das war gar nicht nötig, denn sie verstanden sich in allen Bereichen des Lebens und ließen sich gegenseitig viele Freiräume. Er liebte ihre junge Unbekümmertheit und war stolz auf sie. In der gestrigen Nacht hatte Madeleine mit ein paar Freundinnen die Stadt unsicher gemacht und war tanzen gewesen. Er wusste, dass sie nie mehr als einen ungefährlichen Flirt zuließ, wenn sie alleine unterwegs war und vertraute ihr vollkommen. Dass sie nach einer solchen Nacht in ihrem eigenen Zimmer übernachtete, war nichts ungewöhnliches, denn sie wollte ihn nicht stören und unnötig aufwecken, wenn sie erst gegen Morgen nach Hause kam.

Nun meldete sich zum ersten Mal Misstrauen in seinem Herzen, und er fühlte sich mit der Situation überfordert. Fast wünschte er sich, Margret hätte ihm nichts erzählt, sodass er jetzt nicht lauter Gedanken im Kopf hätte, die in ihm Unbehagen auslösten.

Rechtschaffen müde betrat Madeleine einige Minuten nach Margret das Esszimmer, beugte sich zu ihrem Mann hinunter und küsste ihn liebevoll auf die Wange.

„Guten Morgen, Madeleine“, murmelte er ein wenig mürrisch.

„Guten Morgen, mein Herz“, erwiderte sie amüsiert, denn sie erlebte ihren Mann fast nie mit schlechter Laune. Da sie wusste, dass sich seine Laune stets besserte, wenn sie ihm eine lustige Begebenheit erzählte, wollte sie gerade ansetzen und ihm etwas über den gestrigen Tanzabend berichten, als sie einen fast schon als zornig zu bezeichnenden Zug auf seinem Gesicht bemerkte. Heute war offensichtlich kein guter Tag für eine entsprechende Geschichte. Madeleine biss ich auf die Lippe, setzte sich an ihren Platz und zog es vor, erst einmal still zu sein und zu frühstücken.

Schweigend beendete Julius sein Frühstück, stellte die leere Tasse auf die Untertasse, faltete die Serviette umständlich zusammen und warf seiner Frau einen kurzen prüfenden Blick zu. „Ich muss noch etwas arbeiten, bitte stör mich nicht“, brummte er und verließ das Esszimmer, ohne Madeleine zärtlich zu küssen oder ihr sein strahlendes Lächeln zu schenken, wie er es sonst tat, eher er sie allein zurückließ.

Nachdenklich schaute sie ihm nach, lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und fragte sich besorgt, was geschehen sein mochte. In so einem angespannten Zustand und extrem kurz angebunden hatte sie ihren Ehemann in all den Jahren noch nicht erlebt. Wenn sich sein Verhalten nicht veränderte, so würde sie ihn daran erinnern müssen, dass sie sich einmal geschworen hatten, einander alles zu erzählen und nichts zu verheimlichen. Sollte er also Schwierigkeiten oder Probleme haben, sollte er mit ihr darüber reden und sie nicht totschweigen.

„Darf ich abräumen?“ fragte Ella schüchtern und holte Madeleine damit aus ihren Gedanken.

„Ja, natürlich“, erlaubte die junge Gräfin und beobachtete Ella, die akribisch das Geschirr auf das Tablett stellte und dabei zwischendurch immer wieder kurze Blicke auf Madeleine warf, die diese nicht zu deuten wusste.

Ehe sie Ella jedoch fragen konnte, ob etwas nicht in Ordnung sei, hob das Mädchen das Tablett an und eilte hinaus, als ob es genau diese Frage befürchtete.

Was war hier los, und warum herrschte eine so unangenehme Stimmung? Ob sie darauf im Laufe des Tages noch eine Antwort erhielt? Zuversichtlich, dass sich alles klärte, stand auch sie auf, schlenderte hinüber in die Bibliothek und suchte sich ein Buch heraus, welches sie draußen im Garten lesen wollte.

Heiteres und Düsteres

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