Читать книгу Perry Rhodan 3081: Horror - Susan Schwartz - Страница 7
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Kurz vor dem Start
Mittlicht war längst untergegangen, und Klatrass wickelte sich dichter in den Schlaffarn. Trauernd blickte er zum Himmel, im Bewusstsein, dass es womöglich seine letzte Nacht auf Gorssgaden sein würde.
Der Aufbruch der TOSSRAG stand kurz bevor.
Zur Gruftwelt.
*
Ein Windhauch, der durch Luftverdrängung erzeugt wurde. Der Ast erzitterte, als ein mächtiger Körper aufkam, und bog sich ächzend, als ein schwergewichtiger Sagarsse sich mühsam in den Gastkorb quetschte.
Klatrass wickelte sich wieder aus dem Farn und krümmte sich über den Rand seines Schlafkorbs.
»Darf ich dir behilflich sein, Usspor?«
Sein alter Mentor gluckste. »Die Frage ist eher, ob ich dir behilflich sein kann, Klatrass, mein gutes Kind.«
»Es ist alles in Ordnung, danke.«
»Gar nichts ist in Ordnung. Oder würdest du es als in Ordnung bezeichnen, einfach aus der wichtigsten Besprechung des Hauptkorbs davonzuspringen?«
»Ich ... ich bin nicht davongesprungen. Ich musste nur ... nachdenken.«
Über das, was an diesem Tag geschehen war.
*
Es hatte sehr lange gedauert, überhaupt das Magnetoplasmatriebwerk zu entwickeln. Einfach sollte es sein, aber funktional: Mit elektrischer Energie wurde Plasma erzeugt, dann erhitzt und beschleunigt. Der Treibstoff wurde zuerst ionisiert, anschließend erhitzt – und das Plasma wurde letztlich durch eine magnetische Düse entspannt. Damit waren Variationen des Verhältnisses zwischen spezifischem Impuls und Schub möglich.
»Damit kommen wir aber nicht sehr weit«, unkten die Sternbeobachter.
»Für das System genügt es!«, versicherten die Tüftler. »Von Gorssgaden nach Perazess, das liegt ja gleich nebenan, und weiter wollen wir doch gar nicht.«
»Und was ist mit der kosmischen Strahlung?«
»Wir arbeiten an einem elektromagnetischen Schutzschirm. Eines nach dem anderen!«
Unterdessen liefen die Fabriken auf Hochtouren und Tausende Sagarssen waren damit beschäftigt, ein Gerüst für die Antriebsaggregate, Steuerung, Lebenserhaltung sowie einen Korpus für das Wohnrad herzustellen und zu bauen.
Metalllegierung und Hüllendicke stellten eine weitere Herausforderung dar. Das Projekt würde Jahre in Anspruch nehmen.
»Warum tut ihr das?«, insistierten die Mitglieder des Hochkorbs – nicht zum ersten Mal. Der Rat Aller Körbe hatte sich durchgesetzt, dennoch gaben sie nicht so schnell auf.
»Weil die Sternbeobachter es so gesagt haben«, antworteten die Leiter des Entwicklungskorbs.
»Das haben wir nicht!«, wehrten sich die Sternbeobachter. »Wir haben lediglich beunruhigende Vorgänge auf Perazess festgestellt.«
»Sagarssen interessieren sich nicht für die Kälte zwischen den Planeten«, beharrte der Hochkorb. »Dort draußen ist alles eisig, luftleer und tot.«
»Genau wie Perazess«, antworteten alle anderen Körbe im Chor.
»Oh«, sagte der Hochkorb, besah sich die Analysen und sagte dann noch einmal: »Oh.«
Der Hochkorb stellte sich nun nicht mehr quer und beschied die zahlreichen Anfragen von allen Seiten des Volkes bezüglich der Unsinnigkeit dieses gewaltigen Vorhabens negativ.
Die Schlussfolgerung war dem Hochkorb endlich bewusst geworden: Falls Perazess starb, woran mittlerweile kein Zweifel mehr bestehen konnte, tat Gorssgaden, der gleich nebenan lag, das vielleicht in näherer Zukunft auch. Also musste man nachsehen, was dort geschah, um Ähnliches auf der Heimatwelt zu verhindern.
Noch gab es keine Veränderungen, aber so war es zunächst auch seit Beginn der Sternbeobachtung auf Perazess gewesen. Es hatte schleichend angefangen, und nun war der Prozess unübersehbar und sogar fast abgeschlossen.
*
Klatrass war von Anfang an begeistert dabei gewesen. Nicht, dass ihm die Vorstellung gefiel, seine Heimat zu verlassen und in die eisige Schwärze aufzubrechen, aber die technischen Neuerungen hatten es ihm angetan. Er meldete sich für den Organisationskorb, denn dafür hatte er Talent.
Ein Bestandteil der Vorbereitungen auf die größte aller Reisen war allerdings, dass er – genau wie die künftigen Raumfahrer – ein intensives Training absolvieren musste, körperlich wie geistig. Dadurch fiel es leichter, festzulegen, worauf bei der Innenausstattung des Wohnrads geachtet werden musste. Was war angesichts der Fähigkeiten der Raumfahrer notwendig, was zumutbar, worauf sollte verzichtet werden? Je weniger Gewicht, desto geringer der Treibstoffverbrauch, desto größer die Chancen, wohlbehalten wieder zurückzukehren. Das auszutüfteln war Klatrass' Aufgabe, und die gefiel ihm sehr.
Das Training mochte er weniger, aber er fügte sich. Es schadete schließlich nicht. Denn wenn er so weitermachte, würde er schwergewichtig und schwerfällig wie sein Mentor Usspor werden, der ihm geholfen hatte, ein Mitglied des Organisationskorbs zu werden.
Und tatsächlich lernte er dadurch, worauf es ankam – funktional, aber doch ein Stück Heimat.
Die Zentrale würde im Hauptschiff angelegt werden, dort brauchte es keine künstliche Schwerkraft. Mit den speziell anzufertigenden Raumanzügen – das Nächste, was auf die Liste gesetzt werden musste – konnten Haftmagneten an verschiedenen Stellen angebracht werden, sodass die Fortbewegung nahezu uneingeschränkt möglich war.
Die Schwerelosigkeit konnten sie nicht vollends simulieren und daher auch nicht richtig trainieren, aber das würde schon gut gehen, dahin gehend zeigten sich alle zuversichtlich. Sagarssen waren genügsam und sehr anpassungs- und widerstandsfähig. Um Ausfällen vorzubeugen, würden eben ausreichend viele mitfliegen, damit am Ende keine Unterbesetzung den Rückflug unmöglich machte. Außerdem herrschte auf ihrer Heimatwelt selbst eine eher geringe Schwerkraft, und im Orbit war sie bereits nahezu aufgehoben.
Schließlich lag Perazess gleich nebenan, man konnte den Planeten mit bloßem Auge erkennen! Gewiss, sie würden eine Weile brauchen, weil der Antrieb nicht allzu kraftvoll war – oder vielmehr, weil sie nicht zu schnell sein durften, da sonst der Treibstoffvorrat in kürzester Zeit zur Neige ging, und schließlich wollte man wieder zurück nach Hause.
Diese Berechnungen wiederum nahmen andere vor.
Immer wieder gab es Rückschläge. Aber wenn Sagarssen sich einmal etwas in das kugelige Kopfsegment gesetzt hatten, zogen sie es durch.
Schließlich war es so weit: Die TOSSRAG stellte sich der großen Bewährungsprobe. Am nächsten Tag sollte es losgehen.
Und da wurde Klatrass zum Rat Aller Körbe zitiert. Man sagte ihm nicht, worum es ging.
Beunruhigt fand er sich am Hauptstamm ein, einem uralten Baumriesen, in dem die riesigen Körbe des Rats wie auch des Hochkorbs – jener weit oben, wie schon der Name sagte – hingen.
Die meisten Bäume erreichten eine Höhe von bis zu 220 Metern. In ihnen hingen die Körbe der Leibbündel und die vielen Gastkörbe. Der Hauptstamm aber war noch größer – wahrscheinlich der älteste Baum von allen.
Usspor war auch da und übernahm sogar das Reden. »Nun, Klatrass, der Start der TOSSRAG ist für morgen angesetzt.«
»Dem steht nichts entgegen«, bestätigte Klatrass eifrig. »Die Mannschaft steht, die Ausbildungen sind abgeschlossen, wir haben letzte Kontrollen vorgenommen. Die Systeme sind alle bereit, die Technik sollte reibungslos funktionieren. Der Computer reagiert auf Steuerung ebenso wie auf Sprachbefehle und antwortet auf Wunsch akustisch.«
»Du bist also zufrieden?«
»Sehr zufrieden. Die Ausstattung ist angemessen, es gibt genug Vorräte an Bord, und die Mannschaft ist wirklich exzellent.«
Zumindest jene, die übrig geblieben waren und zuletzt noch ihre Spezialausbildungen durchlaufen hatten: Astronavigation, Pilotierung, Funk und Ortung und dergleichen mehr. Insgesamt 24.
»Fehlt nur noch die Besetzung des Orderkorbs«, fügte Klatrass hinzu; das war Aufgabe der Körbe des Hauptstamms.
»Korrekte Feststellung. Kannst du dir denken, wer diesen Posten übernimmt?«, wollte Usspor wissen.
Klatrass zeigte sich ratlos. »Nein, ich habe zwar alles überwacht, aber diesbezüglich gab es nie eine besondere Aussage oder eine Anweisung an mich, jemanden vorzuschlagen.«
»Das ist auch nicht erforderlich.« Usspor zog seine kräftigen, knallrot gefärbten Lippen vergnügt in die Breite. »Das habe ich erledigt.«
»Oh, sehr gut!« Klatrass blickte neugierig in die Runde. Und sah sämtliche Blicke auf sich gerichtet.
Da erzitterte er. »Oh, nein!«
Er zog das Endteil seines Körpers zusammen und sprang.
*
»Nun sind wir hier«, sagte Usspor. »Und werden reden, Kindchen.«
»Ich kann das nicht, Mentor!«
»Was veranlasst dich zu dieser Meinung?«
»Na, ich ... verfüge nicht über besondere Fähigkeiten wie die vierundzwanzig anderen«, murmelte Klatrass.
Illustration: Swen Papenbrock
»Richtig. Du bist weder Pilot noch Navigator, aber du hast den großen Überblick«, erwiderte der Alte.
»Zugegeben, das macht mir Spaß, und ich kann gut organisieren. Aber das befähigt mich längst nicht, ein Raumschiff zu kommandieren!«
»Ich glaube, du schätzt dich selbst viel zu gering ein. In all der Zeit hast du dich als klug, umsichtig, ausgeglichen und verstandesbewusst gezeigt. Du hast nie den Kopf verloren, selbst damals nicht, als die Gefahr der Explosion bestand, die alles zunichtegemacht hätte – abgesehen von den vielen Leben, die sie gekostet hätte. Du bist damals als Einziger besonnen geblieben, während alle anderen in Panik gerieten. Du hast die Evakuierung eingeleitet, du hast das Programm des Computers abgefragt, bis du den Fehler gefunden hattest. Du warst bereit, für alle in den Tod zu gehen.«
Klatrass wurde nicht gerne daran erinnert. »Ich habe überhaupt nicht nachgedacht.«
»Doch, das hast du«, widersprach Usspor. »Du warst dir deiner Situation vollkommen bewusst und hast eine Menge Dinge gleichzeitig organisiert. Kein anderer hat getan, was du getan hast. Und nun sag mir, wieso du nicht im Orderkorb sitzen solltest! Überzeug mich, dass ein anderer besser wäre!«
Klatrass würde eine Menge dazu einfallen, aber er kannte seinen alten Mentor. Der war so stur wie alle anderen Sagarssen zusammen. »Warum hast du mich überhaupt vorgeschlagen?«
»Ich habe mich für dich verbürgt.«
Klatrass verschlug es kurz die Sprache. »Hast du das getan, weil ich genau wie du ein Geschlechtsloser bin, ein Einzelkörbler?«
Usspor wiegte seinen aufgerichteten Oberkörper hin und her. Seine Gliederringe verblassten langsam und wiesen dadurch auf sein Alter hin. »Das mag ein Grund sein.« Er zog die Lippen zusammen und gab ein schmatzendes Geräusch von sich. »Du und ich haben es weit gebracht, Klatrass, weiter als jeder andere Einzelkörbler. Du solltest diese große Chance nicht verspielen, nur weil du dich vor der Verantwortung fürchtest.«
»Na ja, ich verlasse meine Heimatwelt«, zirpte Klatrass. »Das ist etwas anderes, als dafür zu sorgen, dass nichts in die Luft fliegt.«
Usspor rieb seine mittleren Gliederringe aneinander, was ein rasselndes Geräusch ergab. Bei Klatrass gäbe es einen sanften, melodiösen Ton.
»Ebendeswegen«, wiederholte Usspor. »Dir geht es um das Wohl der anderen.«
»Aber sie werden mich nicht akzeptieren! Ich lebe nicht in einem Leibbündel. Und ... niemand wird mich verabschieden.«
Usspor drehte den Kopfstrang, bis er ihn kopfunter aus großen braunen Augen ansah. »Ich bin hier«, sagte er sanft.
Klatrass dachte eine Weile nach. Dann flüsterte er: »Und sie wollen wirklich mir die Befehlsgewalt anvertrauen, über die wichtigste aller Missionen jemals?«
»Ja. Selbst der Hochkorb ist überzeugt, nachdem er seine Vorbehalte wegen deiner Geschlechtslosigkeit abgelegt hatte. Man sieht es mittlerweile sogar als Vorteil: Du bist absolut neutral und wirst niemanden bevorzugen. Dir sind alle gleichermaßen wichtig.«
»Aber wird das auch die Mannschaft überzeugen?«
»Zeig es ihnen. Sei der Kommandant, den sie brauchen. Es ist alles genauso neu für sie wie für dich. Sie sind getrennt von ihren Leibbündeln und Sammelkörben, von allem, was sie bisher kannten. Keiner weiß, was euch da draußen erwartet. Sie werden Angst haben.
Also brauchen sie jemanden, der ihnen diese Angst nimmt und sie leitet. Der ihnen sagt, was sie zu tun haben und einen kühlen Kopf bewahrt. Sie brauchen Anleitung.«
»Motivierend gesprochen. Du gehst mit, Mentor!«
Sie lachten beide.