Читать книгу Döner für zwei - Susann Teoman - Страница 5
Knapp bei Kasse
Оглавление»Du hättest mir beinahe das Genick gebrochen!«
Na ja, so ganz unrecht hat er nicht. Nur kann ich jetzt gerade nichts dazu sagen. Ich bin nämlich noch immer fasziniert von Lukasʼ tollem Gesicht. Mir fällt auf, dass die Iris rund um seine Pupillen so hellblau ist, dass sie beinahe türkis wirkt, und dass seine Augen ganz außen tiefblau sind. Seine Wimpern sind eigentlich dunkelbraun, an den Spitzen aber sind sie sehr hell, beinahe blond. Im ersten Moment bin ich starr vor Staunen. Und dann bin ich schlagartig wütend. Vor allem auf mich selbst, weil ich kurz davor stehe, schon wieder auf einen Blender wie Hakan hereinzufallen.
»Du bist viel zu schnell um die Ecke gekommen und hattest ja nicht einmal ein Licht an, wie hätte ich dich denn da sehen sollen?«, motze ich zurück.
»Oh. Tut mir leid. Das habe ich wohl vergessen. Ich war ziemlich in Eile, weißt du. Ist alles okay mit dir?«
»Ja, schon gut.« Ich winke ab, obwohl mir vor Schreck noch immer die Beine zittern.
»Bist du ganz sicher?«, hakt er noch einmal nach.
»Ja ja, alles ist in Ordnung. Fahr ruhig weiter.«
»Steh erst einmal auf. Ich muss mich selbst davon überzeugen, dass es dir auch gut geht.« Er reicht mir seine Hand, die sich stark um meine schließt, und mit einem Ruck stehe ich wieder auf den Beinen.
Lukasʼ himmlische Augen bohren sich in meine. »Sag mal, kennen wir uns nicht?«
»Nein, nicht, dass ich wüsste.« Ich werde sehr zu meinem Ärger rot.
»Doch, doch, du gehst doch aufs Albert-Schweitzer-Gymnasium, oder?«
»Ja.«
»Du bist in meiner Jahrgangsstufe, glaube ich. Haben wir nicht Bio und Englisch zusammen?«, stellt er sachlich fest.
»Hm, kann sein.«
Lukas betrachtet mich aufmerksam. Ich kann seinem Gesicht nicht anmerken, was er denkt, aber schließlich sagt er: »Also, ich bin der Lukas.«
»Aleyna.«
»Aleyna. Ein schöner Name. Aber nicht deutsch?«
»Nein, türkisch.«
»Ah. Also, Aleyna, wenn du das nicht falsch verstehst, dann würde ich dich gerne auf ein Bier oder einen Kaffee oder so einladen, was auch immer du bevorzugst.«
Während ich noch selbst über meine Antwort nachdenke, fügt er hinzu: »Ich meine ja nur, weil du ja vielleicht keinen Alkohol trinkst.«
Jetzt hat er es echt vergeigt. »Nein, danke«, sage ich eisig und schwinge mich wieder auf mein Fahrrad.
»Warte doch, ich will mich bloß vergewissern, dass wirklich alles okay mit dir ist.« Er schneidet mir den Weg ab und um ein Haar wäre ich wieder hingefallen.
»Alles bestens und danke für die Einladung, aber für so etwas habe ich gerade wirklich keine Zeit. Machʼs gut!« Ich radele davon und als ich der Versuchung nicht widerstehen kann und zurückblicke, sehe ich, wie Lukas verständnislos seinen Kopf schüttelt.
»Blödmann!«, denke ich. Wie kommt dieser Trottel darauf, dass ich keinen Alkohol trinke? Als ob alle Türken Kopftücher tragen und den Koran in der Tasche mit sich herumschleppen würden! Pah! Baba hat mich in Sachen Alkohol gut erzogen. Ich kann einen Merlot von einem Cabernet Sauvignon oder einem Shiraz ohne Probleme unterscheiden. Ich kenne mich mit Weinen aus, jawoll! Was Bier angeht, weiß ich zumindest genug, dass nichts über ein frisch gezapftes Kölsch an einem heißen Sommertag geht. Und dieser bescheuerte Typ fragt mich doch tatsächlich, ob ich überhaupt Alkohol trinke! So ʼn Beckenrandschwimmer!
Heute ist Freitag und ich habe den Nachmittag damit verbracht, Tanja ein wenig Nachhilfeunterricht zu geben. Als ich zu Hause ankomme, fühle ich mich so unternehmungslustig wie selten. Dieser tolle Abend lockt einen förmlich auszugehen und Spaß zu haben! Natürlich würde Baba mir so etwas Anrüchiges wie Tanzen nie erlauben. Ich beschließe, spontan zu sein, und zücke mein Handy.
»Tanja? Bist du müde? Weißt du, ich habe unheimliche Lust auf ein schönes kaltes Kölsch. Wollen wir noch ins Früh?«
Tanja ist begeistert. »Klaro! Ich deichsle das mit deinen Eltern, okay?«
»Super!«
»Wir treffen uns in einer halben Stunde vor dem Früh.«
So machen wir das übrigens oft. Tanja ruft bei meinen Eltern an und bekniet sie, dass ich bei ihr übernachten darf, und dann gehen wir aus. Man muss sich eben zu helfen wissen!
Wenig später stehe ich vor dem Brauhaus und schlendere gemütlich ein paar Schritte hin und her, als Tanja auch schon ankommt. Lachend suchen wir uns draußen einen Tisch und bestellen Fritten und Bier. Ich lieeebe diese Kombination! Ein toller Sommerabend, meine beste Freundin, ein Kölsch und Pommes. Das Leben kann wirklich toll sein.
Wenn sich nur der blöde Ketchup endlich bequemen würde, aus der Flasche auf die Fritten zu fließen! Ich haue der Glasflasche zaghaft auf den Po, aber noch immer regt sich nichts.
Tanja wird ungeduldig. »Lass mich mal, du schwaches Mäuschen, du!« Sie will mir die Flasche aus der Hand reißen, doch ich halte sie davon ab.
»Ich bin hier der Profi, was solche Sachen angeht«, erkläre ich großspurig und schüttle die Flasche ein wenig.
Tanja prustet los.
Verärgert schlage ich abwechselnd auf die Unterseite der Ketchup-Flasche und schüttle sie heftig.
Leider ein wenig ZU heftig. Mit einem »Glups!« löst sich der der gesamte Inhalt und fliegt durch die Luft. Aber nur einen Tisch weiter. Auf das himmelblaue Adidas-T-Shirt eines Typen mit Haaren wie Nutella und Honig.
Seine Kumpels lachen laut auf, während er sich halb verblüfft und halb verärgert herumdreht.
»Oh Mist!« Ich werfe Tanja hastig die Flasche zu und rutsche so schnell ich kann unter den Tisch.
Lukas schaut sich nach dem Verursacher der Katastrophe um. Er hat eine kleine Schramme auf seiner braungebrannten Stirn, die wahrscheinlich von unserem Unfall stammt. Verdammt, sogar die steht ihm gut!
»Aleyna?« Tanja streckt ihren Kopf unter den Tisch. »Was um alles in der Welt tust du da bitte?«
»Ich habe ihn vorgestern schon mit meinem Fahrrad angefahren, bitte tu so, als wäre ich nicht da!«, flehe ich sie an.
»Tanja?«
Doppelmist. Lukas hat seine Nachbarin bemerkt und kommt mit hochrotem Kopf auf unseren Tisch zu.
»Warst du das eben mit dem Ketchup?«
»Ich? Quatsch, weiß gar nicht, wovon du da redest.«
»Wirklich nicht?«
»Nö.«
»Da sind aber überall rote Flecken auf dem Tisch. Und du hast auch welche im Gesicht. Und auf den Armen.«
»Das stammt wahrscheinlich von den Leuten, die vor mir an diesem Tisch gesessen haben. Bin da vielleicht mit den Ellbogen reingerutscht oder so.«
»Ach, tatsächlich? Du hast da ja eine ziemlich große Portion Pommes Frites vor dir.«
Tanjas Selbstsicherheit nimmt ab. »Oh, die? Äh ... Die gehören mir eigentlich gar nicht, die stehen da nur so ... äh ...«
»Du hast das Ketchup noch in der Hand.«
»Ach, so, tja, stimmt. Äh ...«
Tanja weiß nicht mehr weiter und verpasst mir einen wütenden Tritt. Ich stöhne leise.
»Was war das?«, fragt Lukas überrascht. »Ist da etwa jemand unter dem Tisch?«
»Unsinn! Warum sollte ich mich an einen Tisch setzen, unter dem sich jemand versteckt hat? Ein feiger, mieser Jemand womöglich. Ich bin doch kein Depp!«
Ich unterdrücke nur mühsam ein Kichern. Es wird ein paar Sekunden lang sehr still zwischen den beiden. Dann höre ich, wie Schritte sich nähern. Seine Hosenbeine befinden sich unmittelbar vor meinem Gesicht.
»Da versteckt sich hundertprozentig jemand! Würde nur zu gerne wissen, wer das ist!«
»Quatsch, Lukas!« Tanja verhaspelt sich und ich bekomme noch einen Tritt verpasst.
»Hallo?«
Sein dunkelblonder Schopf taucht gleich neben meinem Gesicht auf. Seine Augen funkeln belustigt. »Aleyna, richtig?«
Gooooottttt! Ist das peinlich!
Ich fühle, wie mir all mein Blut in den Kopf schießt. Sicher gibt es kein einziges rotes Blutkörperchen mehr, das sich nicht in meinem Gesicht breitgemacht hat.
»Hallo«, sage ich verlegen.
»Ist es gemütlich da unten?«
Was für eine blöde Frage.
»Nein«, antworte ich kleinlaut.
»Warum sitzt du dann da?«
»Ähh ...«
»Das mit dem Ketchup ist nicht so schlimm. Ich habe noch andere T-Shirts, weißt du.«
»Äh ...«
»Na dann, vielleicht sehen wir uns ja später irgendwann.«
»Äh ... ja.«
Er winkt mir zu und schlendert wieder an seinen Tisch, wo seine Freunde ihm grölend auf den Rücken schlagen.
»Was sollte das?«, zischt Tanja mir zu.
»Das habe ich dir doch eben erzählt. Ich habe ihn mit meinem Fahrrad gerammt und da wollte er mich auf ein Bier einladen und ...«
»Eeeecht?« Tanjas Wut ist im Nu verraucht.
»Ja, aber ich habe gesagt ...«
»Du bist die Erste, von der ich höre, dass er sie eingeladen hat«, stellt sie überrascht fest.
»Was denn, ist er geizig oder so?«
»Nein, genau genommen ist er nett und großzügig, nach allem, was man so hört. Aber er hat eigentlich keine Freundin oder geht mit einem Mädchen aus. Außer Anni natürlich.«
Ich runzele angestrengt die Stirn. »Anni, die Cheerleaderin?« Oh ja, die kenne ich, wie wohl jeder. Wenn man hüftlanges, weizenblondes Haar, grüne Katzenaugen und Beine bis an die Zähne hat, dann fällt man eben auf.
Tanja nickt bestätigend. »Anni ist total verschossen in ihn und er geht ab und zu mit ihr aus. Bin mir allerdings nicht sicher, ob sie zusammen sind.«
»Warum nicht?«, erkundige ich mich neugierig.
»Weil er manchmal einen etwas genervten Eindruck macht, wenn sie um ihn herumhoppelt. Aber ist ja auch egal. Jedenfalls kannst du dich wirklich geehrt fühlen.«
»Quatsch! Erstens hat er mich angefahren und wollte bloß sichergehen, dass ich ihm keine Anzeige wegen Körperverletzung anhänge, allein aus diesem Grund wollte er mich einladen. Und zweitens habe ich es dir schon einmal gesagt: Lukas interessiert mich nicht und damit basta!«
Ich kann nicht schlafen.
Ich liege auf Tanjas geräumiger Schlafcouch und höre, wie sie sich gegenüber in ihrem Bett herumdreht. Die hatʼs gut! Sie muss sich keine Gedanken um einen Kerl machen, der sie überhaupt nicht interessiert. Sie hat ja ihren Jonas. Den netten Jonas, mit dem sie schon seit drei Jahren zusammen ist.
Die beiden sind zusammengekommen, als unsere Jahrgangsstufe eine Studienfahrt in die Bretagne unternommen hat. Warum solche Klassenfahrten »Studienfahrt« heißen, weiß ich bis heute nicht. Im Grunde haben wir nicht viel mehr getan, als die Nächte durchzumachen und heimlich Cidre zu trinken, den wir nach den Surf- oder Kanustunden in den kleinen Läden des bretonischen Küstenörtchens von den Paukern unbemerkt gekauft haben. Nach zwei schlaflosen Nächten ist es dann passiert. Jonas hat Tanja buchstäblich das Leben gerettet. Tanja hat eine Windböe zu ihren Gunsten ausgenutzt und ist auf ihrem Surfbrett weit hinausgetrieben. Da drehte sich mit einem Mal der Wind und die übernächtigte Tanja konnte nicht schnell genug reagieren. Sie fiel vom Brett und tauchte nicht wieder auf.
Jonas, der ein hervorragender Schwimmer ist, ist sofort ins Wasser gehechtet und in einem Rekordtempo zu ihr geschwommen. Er hat Tanja aus dem Wasser gefischt. Tanja kann natürlich schwimmen, aber das große Segel des Surf brettes war ihr auf den Kopf geknallt und sie war bewusstlos, als Jonas sie aus dem Wasser gezogen hat. So haben sie sich ineinander verguckt.
Die beiden sind wie zwei Seiten einer Münze, sie sind grundverschieden, Tanja ist spontan und flippig, Jonas ausgeglichen und ruhig und man kann sich den einen ohne den anderen nicht vorstellen, so sehr gehören sie in meinen Augen zueinander.
In meinem Kopf spukt indes dieser blöde Typ herum, Lukas. Seine Augen, seine Haare, sein Lachen. Herrliche Zähne hat er übrigens. Blödmann! Warum war er nur so nett? Wollte sicher wieder nur einen weiteren Fan hinzugewinnen, Männer sind so! Je mehr, desto besser! Ich meine, das kenne ich doch bereits, das habe ich alles schon durchgekaut. Pah! Ich werde jedenfalls nicht wieder auf ein hübsches Gesicht reinfallen. Nein, diesmal nicht! Ich brauche solche Dinge nicht! Im Grunde sind Gefühle nur Karrierebremsen, habe ich recht? Guckt euch mal uns Frauen an: Wir alle haben Ziele, die wir verwirklichen wollen. Kommt aber Mr. Right vorbei, sind wir auch dem nicht abgeneigt. Und was passiert? Entweder wir vergucken uns und der Typ entpuppt sich als Vollidiot, wie bei mir. In diesem Fall sind wir im weiteren Vorankommen gelähmt, wir fühlen uns mies und verlieren zumindest vorübergehend das Ziel aus den Augen, was dazu führt, dass es auf unserem Weg zur Zielgeraden nur schleppend weitergeht. Oder Mr. Right ist DER Volltreffer. Wir heiraten, werden glücklich, bekommen ein Baby oder auch mehrere. Und? Was ist mit dem Ziel? Ja, ja, da gab es einmal etwas, fällt uns nach zwanzig Jahren auf, stimmt ja, ich wollte auch mal arbeiten, mich selbstständig machen oder mir eine Karriere aufbauen. Aber das kann man sich nach so langer Zeit in den allermeisten Fällen abschminken. Null Vorankommen zum Ziel.
Da geht es mir im Grunde ausgezeichnet. Ich habe mein Ziel, Staranwältin zu werden und die schwachen und unterdrückten Frauen dieser Welt zu befreien, fest im Visier. Und niemand kann mich davon abbringen oder mich auf meinem Weg dorthin bremsen.
Es ist seltsam, aber mit diesen Gedanken kann ich leichter einschlafen.
»Wach auf, du Schlafmütze!«
»Hä?«
Tanja steht aufgeregt vor meinem Bett. Sieht ganz so aus, als müsse sie mal Pipi, so, wie sie da herumzappelt.
»Was is ʼn los?« Bevor ich Kaffee getrunken habe, ist mit mir absolut nichts anzufangen.
»Gestern Nacht habe ich mir darüber das Hirn zermartert, wie wir einen lukrativen Nebenverdienst für dich ausgraben können, damit du Startkapital fürs Studium hast. Und als ich heute früh aufgewacht bin, hatte ich die zündende Idee!«
»Was?« Ich bin soooo müde!
»Ich bin darauf gekommen, als ich an Lukas dachte.«
»Lukas?« Mit einem Schlag bin ich hellwach.
»Hm. Sieht so aus, als würde er das Abi nicht schaffen, weißt du. Und Leute wie ihn gibt es doch haufenweise! Maggie beispielsweise hat nur zwei Punkte in Mathe bekommen, obwohl sie für die Klausur fünf Stunden gepaukt hat, Thomas aus der Elften hat eine Sechs in Chemie und Annette eine Fünf in Erdkunde. Berthe, die Freundin meiner kleinen Schwester Tamara, hat sich neulich bei ihr ausgeheult, weil sie wegen Geschichte und Deutsch sitzenzubleiben droht. Und es gibt noch mehr solcher Schüler!«
»Mehr was?« Ich habe Kopfschmerzen. Wir hatten leider mehr als nur ein Kölsch gestern. »Glaubst du, es gibt unten schon Kaffee?«, krächze ich schwach.
»Jetzt hör mir doch mal zu! Ich habe einen tollen Job für dich gefunden!« Tanja hüpft noch immer wie ein aufgescheuchtes Wildschwein um mein Bett herum.
»Was denn?«
»Mensch, so früh morgens biste echt schwer von Begriff. Du gibst Nachhilfe, Dummchen!«
»Nachhilfe?« Ich setze mich in meinem Bett auf und strecke mich ausgiebig. »Das geht nicht. Mein Vater würde das nie erlauben, weil auch Jungs unter meinen Nachhilfeschülern sein könnten.«
»Na und? Dann sagst du es ihnen eben nicht!« Tanjas Augen glänzen vor Eifer.
»Hm.« Eigentlich ist das mit der Nachhilfe gar keine so üble Idee. Wirklich. »Das könnte hinhauen. Aber jetzt will ich zuerst einen Kaffee.«
Beim Frühstück plappert Tanja aufgeregt auf mich ein und mit zunehmendem Kaffeekonsum begeistert sie mich schließlich immer mehr. »Bei wem fangen wir an?«, fragt sie.
»Hm?« Ich halte mitten in der Kaubewegung inne.
»Na, wen wollen wir als deinen ersten Nachhilfeschüler rekrutieren?«
»Ich hatte bisher noch gar keine Gelegenheit, darüber nachzudenken. Aber warum mache ich nicht einfach einen Aushang ans Schwarze Brett und gebe den Lehrern Bescheid?«
»Gute Idee! Und ich frage Berthe, die sucht händeringend nach Hilfe beim Lernen, das weiß ich.«
»Gut, sehen wir uns Montag in der Schule?«
»Du gehst schon?« Tanja zieht einen Schmollmund.
»Ich muss. Heute ist Samstag, da beginnt meine Schicht schon um zwölf. Huch, ich sollte mich beeilen, sonst komme ich noch zu spät und mit dem nächsten Kölsch ist es dann Essig.«
Ich springe auf, greife nach meiner Tasche und umarme Tanja.
»Du bist die beste Freundin der Welt. Tschüss!!«
»Selber!!«
»Aleyna!«
Ich stöhne. Das Gastronomiegewerbe ist nichts für mich. Nicht, dass ich je dem Irrtum verfallen wäre zu glauben, es sei anders. Seit sechs Stunden plage ich mich bei einer Rekordhitze hier herum. Meine Haare hängen in Strähnen herunter, meine Bluse ist durchgeschwitzt, meine Beine sind geschwollen und ich spüre, wie sich ein heftiger Muskelkater in den Armen bemerkbar macht.
»Aleyna!«, erschallt noch mal Babas Stimme.
»Bin ja schon unterwegs«, murmele ich verdrossen.
»Was du hast wieder gemacht mit die ...«
Ich kann mir schon denken, was er sagen will. »Mit dem Rotwein?«
»Du sie hast wieder in die Kühlzelle gestellt, ja?«
»Baba, hier ist es viel zu heiß, wir haben mindestens dreißig Grad und die Gäste wollen keinen Glühwein trinken. Deshalb habe ich ihn in die Kühlzelle gestellt, damit er wieder ein wenig abkühlt. Ich hätte ihn schon noch wieder rausgestellt, keine Sorge!«
»Du verderben die Geschmack von die Rotwein! Rote Wein man genießt bei Zimmertemperatur und er muss vorher ATMEN! Du nie werden lernen!«
Ich knirsche mit den Zähnen. Einer der Kellner stürmt herein und wirft mich beinahe zu Boden.
»Pass gefälligst auf, wo du hintrittst, du Blödmann!« Ich drohe ihm mit der Faust.
»Heee, ist ja schon gut, war keine Absicht.«
»Du nix so meckern mit die Kellner. Wie oft ich dir schon gesagt habe, dass wir alle eine große Familie sind?«
Ich schüttle den Kopf. Ich kann nicht mehr. Ich bin todmüde und wütend.
»Du nix mehr fummeln an die Wein, verstanden?«, fährt Baba in seinem Monolog fort.
Ich knüpfe meine Schürze auf und feure sie ihm vor die Füße.
»Was du tust da?« Baba wedelt mit meiner fleckigen Schürze vor meiner Nase herum, als hätte ich sie ins Klo und nicht auf den Boden fallen lassen.
»Mir reichtʼs! Andauernd meckerst du mich an, immer mache ich etwas falsch, egal, wie sehr ich mich bemühe, es ist nie richtig! Mich hat keiner von euch gefragt, ob ich diesen Scheißladen überhaupt möchte, ihr zwingt mich einfach, hier zu ackern, und was ich will, ist euch völlig gleich!«
»Aleyna ...« Babas Stimme klingt verletzt.
»Nein, nichts mehr mit Aleyna! Ich kann nicht mehr. Ich gehe!«
»Aleyna!«, ruft er mir noch einmal hinterher, aber ich stürme blind vor Tränen drauflos. Ohne so recht zu wissen wohin, hetze ich durch die Weidengasse. Der italienische Feinkostladen, das Blumengeschäft, der Drogeriemarkt, alles fliegt an mir vorbei. Ich bestehe nur noch aus rennenden Beinen und einem galoppierenden Puls. Weiter, über die Hauptstraße, zum Glück leuchtet die Ampel gerade grün, durch die Menschenmenge hindurch, die dem Dom entgegenpilgert.
Atemlos halte ich mitten in einer Gruppe Japaner inne, die mit neuesten Apparaten Bilder knipsen. Eine noch immer heiße Sommerbrise streift über mein tränennasses Gesicht. Ich stehe inmitten einer Menschenmenge unmittelbar vor dem Kölner Dom.
»Achtung, aus dem Weg!«
Ich drehe meinen Kopf in die Richtung, aus der die Stimme kommt, und sehe nur eine verschwommene Gestalt, die auf mich zurast, dann wird mir schwarz vor Augen.
Das Nächste, woran ich mich erinnere, ist harter, kalter Granit, weil ich nämlich der Länge nach darauf liege.
Eine warme Hand tätschelt meine Wange.
»Hallo! Alles klar?«
Benommen richte ich mich auf.
»Du schon wieder!« Ärger stobt in mir auf wie eine Staubwolke. »Wenn du mich umbringen willst, gibt es dafür auch sanftere Methoden, du musst mich weder überfahren noch sonst irgendwie gewalttätig werden!«, herrsche ich den besorgt aussehenden Lukas an.
»Oh, Gott sei Dank, es geht dir gut!«, ruft er erleichtert und drückt meinen Kopf gegen seine Brust. Sie ist heiß und sein Herz hämmert kräftig und laut gegen mein Ohr. Er riecht fantastisch. Nach Staub und »One« von Calvin Klein, nach Eiscreme und Waschpulver.
Benommen löse ich mich von ihm. »Lass mich in Ruhe!«, wehre ich ihn schroff ab.
»Sag mal, was habe ich dir eigentlich getan?«, fragt er verletzt.
»Du meinst, außer mein Rad zu rammen und mich mit deinem Skateboard umzufahren, noch dazu vor einer Kirche?«
»Aleyna, das ist die Domplatte. Sieh dich doch mal um!« Er weist mit dem Finger auf mehrere Grüppchen von Skatern. »Hier fährt jeder mit seinem Board entlang, der weiß, was gut ist. Kennst dich in Köln wohl nicht so gut aus, was?«
»Ich LEBE in der Innenstadt, damit das klar ist!«, fauche ich ihn an.
»Dann solltest du eigentlich Bescheid wissen.«
»Und du solltest wissen, dass man nicht gegen Passanten knallt, die ... die ...«
»Heulend und unvorsichtig vor dem Dom herumtapsen?«, hilft er mir freundlich weiter.
»Nein, nicht heulend. Ich habe nicht ...«
»Deine Augen sind aber ganz nass.«
»Das ... ist die Hitze.«
»Du transpirierst aus den Augen? Wenn das mal nicht interessant ist. Warum besprechen wir das nicht im Eiscafé da drüben?«
»Nein, mit dir habe ich GAR NICHTS zu besprechen. Und das ist mein letztes Wort!«
Ohne ihn weiter zu beachten, stolziere ich an ihm vorbei. Ich will nur noch nach Hause, duschen, mir eine Schnulze im Fernsehen ansehen und dann ins Bett gehen.
Am nächsten Morgen sitzen Anne, Baba und ich grimmig um den Frühstückstisch herum. Anne beobachtet Baba und mich, wie wir beide uns über den Rand unserer Teller hinweg anfunkeln.
»Ihr seid Sturköpfe, alle beide, jawohl! Aman Allah!Mein Gott, womit habe ich euch nur verdient?« Mit einer theatralischen Geste zur Zimmerdecke fährt sie in ihrem Monolog fort. »Wir sind eine Familie, wenn es einmal Streit gibt, dann muss man sich danach auch versöhnen, verstanden?«
Baba räuspert sich, sagt aber nichts. Er widmet sich seiner Zeitung, während ich mir noch einen Kaffee nachschenke, betont genüsslich in mein Brot beiße und ebenfalls schweige.
»Ich werde nicht tatenlos hier herumsitzen und mir euer Schweigen anhören. Du!« Anne piekst mir mit dem Zeigefinger schmerzvoll in die Brust. »Du warst gestern unverschämt und respektlos und hast deinen Vater mit deinen Worten sehr verletzt! Was er tut, tut er nur für dein Glück, verstanden?«
Ich setze zu einer Verteidigungsrede an, aber sie gebietet mir zu schweigen. »Und du! Du Stiernacken! Immer gegen die Wand mit deinem Kopf, was? Du musst auch mal die Klappe halten und zu deinem eigenen Fleisch und Blut freundlich sein, verstanden? Du bist netter zu den Kellnern als zu deiner Tochter!«
Baba holt tief Luft, aber noch bevor einer von uns etwas sagen kann, brüllt Anne: »Genug! Frieden!«
Baba und ich senken betreten die Köpfe.
»Gut. Nun küsst euch und alles ist vergessen.«
Baba und ich mustern einander misstrauisch.
»Also gut.« Ich stehe auf. »Es tut mir leid, dass ich dich angebrüllt habe und einfach abgehauen bin.«
Baba erhebt sich auch. Seine Miene ist noch immer grimmig. »Ich werde versuchen, freundlicher sein zu dir.«
»Küssen!«, wiederholt Anne streng. In Situationen wie dieser wird mir immer wieder klar, wer bei uns die Hosen anhat. Baba grinst plötzlich und öffnet die Arme. »Komm her, inci tanem, meine kleine Perle!«
So ist das eben bei uns. Wir sind temperamentvolle Leute, wir streiten laut, heulen bei günstigen Gelegenheiten inbrünstig und lachen unpassend laut, wenn wir uns danach fühlen. Und wenn wir uns gestritten haben, küssen wir uns und alles ist vergessen. Oberflächlich gesehen zumindest. Denn im Grunde will ich wirklich nicht für den Rest meines Lebens Kebap servieren und mich mit Baba streiten. Deshalb nutze ich den Moment der Versöhnung und sage deutlich: »Ich weiß, dass ihr das Restaurant auch für mich, für meine Zukunft aufgebaut habt. Ich weiß das wirklich zu schätzen. Aber was, wenn es nicht das Richtige für mich ist? Was ist, wenn ich den Laden in den Ruin führe?«
Baba winkt ab. »Bis du den Laden übernimmst, ich sein ja noch da, um zu helfen dir. Du bist tüchtig, Aleyna, du schaffst das schon. Du bist sehr intelligent, MEIN Mädchen!«
»Aber das ist es ja gerade! Wenn ich das Restaurant eh erst in hundert Jahren übernehme, wenn ihr euch zur Ruhe setzt, dann kann ich in der Zwischenzeit doch genauso gut studieren gehen!«
Anne verdreht die Augen und Baba brüllt: »Schon wieder! Siehst du, Gül, DEINE Tochter tut es schon wieder!«
Anne dreht sich ruhig zu mir. »Darüber haben wir doch schon oft genug diskutiert, Aleyna. Das Studieren ist nichts für dich. Du musst dir keinen Job suchen, du hast ja schon einen. Wozu da noch so viel Geld sinnlos für ein Studium aus dem Fenster werfen?«
»Sinnlos? Anne, das ist nicht dein Ernst! Ich will Anwältin werden, um vor allem Ausländern in Not zu helfen! Das ist doch gut, oder etwa nicht?«
»Nix gut sein das!« Baba steht auf, wirft dabei seinen Stuhl um und fuchtelt hektisch mit den Händen in der Luft herum. »Du wollen erst wegschmeißen all unsere Geld und dann du verteidigen Hungerleider und nix verdienen dabei! Unsinn!«
Anne nimmt meine Hand. »Was Baba dir sagen will, ist, dass das Restaurant einen guten Verdienst abwirft. Mehr, als du als Anwältin verdienen könntest. Du musst doch einsehen, dass es ziemlich dumm ist, vier Jahre lang in etwas zu investieren, das keinen Gewinn abwirft, oder?«
Ich seufze. Es hat ja so was von keinen Zweck, meinen Eltern meinen eigenen Standpunkt zu erklären. Sie denken wie Geschäftsleute und wenn sie es sagen, dann hört es sich ja auch plausibel an. Man investiert in ein Unternehmen, damit es Profit abwirft. So ist das. »Aber ich bin kein Unternehmen, sondern eine Person!«, denke ich laut. »Mir ist nicht wichtig, wie viel ich verdiene, sondern dass ich glücklich bin. Und ich dachte bisher immer, dass euch das auch wichtig ist, Anne und Baba!«
Sie tauschen einen halb mitleidigen und halb nachsichtigen Blick aus. »So denkst du jetzt, aber in ein paar Jahren wirst selbst du einsehen, dass ein leerer Magen und leere Taschen dich auch dann nicht glücklich machen, wenn du den tollsten Job der Welt hast«, erklärt Anne milde.
Es hat einfach keinen Sinn. In den vergangenen Monaten haben wir drei uns immer und immer wieder wegen meines Wunsches, zur Universität zu gehen, gestritten. Meine Eltern ändern ihre Meinung keinen Deut.
»Ich muss jetzt nach oben gehen und Schularbeiten machen.« Ich schlurfe lustlos die Treppen hoch in mein Zimmer. Es ist ausweglos. Hoffnungslos. Besser, ich konzentriere mich auf meine Hausaufgaben, das wird mich ein wenig ablenken.
»Heute gibt es sicher hitzefrei«, höre ich einen Mitschüler sagen. »Könnte sein«, denke ich. Es herrschen Rekordtemperaturen. Man sagt, es sei der heißeste Sommer seit fünfundzwanzig Jahren. Schon jetzt, um zehn vor acht, herrscht eine Gluthitze, die den Asphalt auf der Straße flirren und die Blätter der Bäume vor Trockenheit kraus und braun werden lässt. Ein heißer Wüstenwind fegt über den Schulhof und lässt meine Lippen austrocknen.
Ich laufe schnell zu meinem Spind hinüber, in dem ich meine Sporttasche verstauen will, damit ich sie nicht von Klassenzimmer zu Klassenzimmer schleppen muss. Gelegentlich finden alle Stunden im selben Raum statt, vor allem, wenn es sich um die geisteswissenschaftlichen Fächer handelt, wechseln wir höchstens in die benachbarten Räume desselben Stockwerkes. Dann könnte man seine Sachen theoretisch neben sich stellen, weil man sie nicht tragen muss. Aber heute steht eine Doppelstunde Mathe im Hauptgebäude an, dann gibt es Bio und nachher Chemie in den Wissenschaftsräumen und erst nach der einstündigen Mittagspause um zwanzig nach eins habe ich noch einmal eine Stunde Badminton drüben in den Sporthallen.
Tanja stürmt mir mit glühenden Wangen entgegen. »Ich habe schon drei Nachhilfeschüler für dich rekrutiert! Bin ich nun toll oder was?«
Ich strahle. »Super! Wer sind denn meine neuen Schützlinge?« Neugierig beäuge ich den Zettel, den sie mir vor die Nase hält. »Maggie braucht Nachhilfe in Mathe, Berthe in Englisch und Hannah in Geschichte und Deutsch! Ich habe allen deine Handynummer gegeben.«
»Glaubst du, sie rufen an?«
»Klaro! Die Ärmsten waren so froh, dass ihnen jemand aus der Patsche hilft, dass sie mir die Nummer förmlich aus der Hand gerissen haben. Und ich wette, es kommen noch einige dazu.«
»Meinst du wirklich?«
Tanja lacht. »Sicher!«
Meine Nachhilfeschüler und ich verstehen einander prächtig. Viermal die Woche bleibe ich nach der Schule noch da, setze mich in ein leeres Klassenzimmer oder die Bibliothek und versuche da Licht hineinzubringen, wo für meine Schützlinge völlige Finsternis herrscht. Nach ein paar Wochen werden Tests und Klassenarbeiten geschrieben. Maggie steigert sich von einer Fünf in Mathe auf eine Vier plus, Berthe und Thomas, der später auch noch dazugekommen ist, verbessern sich um eine halbe Note und Hannah kommt in Geschichte sogar von einer Sechs auf eine Drei. Ich bin mit meinen Schülern hochzufrieden und sie sind es auch. Während ich in den Fluren an ihnen vorbeigehe, höre ich, wie sie begeistert von der neuen Nachhilfe berichten. Das macht mich zwar verlegen, aber auch etwas stolz. Doch vor allem freue ich mich, dass ich anderen helfen und dazu noch ein wenig Geld verdienen kann.
Die Mundpropaganda verhilft mir zu sechs weiteren Schülern, dann wollen noch einmal fünf dazukommen. Mittlerweile haben wir Juli, die Sommerferien stehen vor der Tür und meine neuen Nachhilfeschüler wollen sich vor allem durch die letzten Klassenarbeiten vor der Zeugniskonferenz aus dem Dilemma ziehen.
»Das schaffe ich einfach nicht!«, beschwere ich mich eines Tages bei Tanja. »Ich meine, ist ja toll, dass mein Unterricht so großen Anklang findet, aber fünfzehn Nachhilfeschüler sind schon eine Menge!«
»Ach, was, Mäuschen, hör auf, dich zu beschweren! Sei lieber froh, dass es so gut läuft.«
»Das bin ich ja auch, aber wie soll ich so vielen Leuten Unterricht geben, meine eigenen Hausaufgaben nicht vernachlässigen und im Restaurant aushelfen, kannst du mir das mal sagen?«
Tanja legt einen Moment den Kopf schief. Dann lächelt sie. »Ich bin in Chemie und Mathe gut. Wenn du willst, übernehme ich diese Fächer für dich.«
Ich werfe ihr einen zögerlichen Blick zu. Sie knufft mich scherzhaft in die Seite. »Unentgeltlich natürlich. Betrachte mich einfach als deine Wohltäterin. Bei Gelegenheit kannst du dich revanchieren.«
Ich falle ihr um den Hals. »Du bist die allerbeste Freundin, die ich mir vorstellen kann!«
»Na, na, da werden sie wieder mal sentimental!«, neckt uns eine Stimme.
Tanja dreht sich um und ein breites Lächeln lässt ihr Gesicht strahlen. »Hallo, Schatz!« Sie küsst ihren Freund hingebungsvoll.
Ich räuspere mich verlegen. »Hallo, Jonas.«
Er grinst. »Hallo, Aleyna. Habe gehört, das mit deinen Nachhilfestunden läuft gut?«
»Ja, danke. Ich komme kaum hinterher mit dem Unterricht.«
»Das freut mich. Hättest du eventuell noch Zeit für einen besonderen Fall?«
Ich seufze. »Tut mir echt leid, Jonas, aber da geht nichts mehr. Habe gerade ein paar meiner Schüler an Tanja abgetreten, ich denke nicht, dass ich noch mehr schaffe.«
Jonas wird ernst. »Bitte, Aleyna.«
»Geht es um dich? Wenn ja, helfe ich dir natürlich, kein Problem!«
Er schüttelt den Kopf. »Nein, es geht um jemanden aus unserem Fußballteam. Seine Versetzung ist gefährdet, weil er Deutsch und Mathe nicht packt. Kannst du ihm nicht helfen?«
Ich will gerade protestieren, als Jonas hinzufügt: »Er ist der beste Spieler von uns. Abgesehen von mir natürlich.« Stolz streckt er die Brust vor, was ihm eine Kitzelattacke von Tanja einbringt.
Ich will wieder etwas sagen, als Jonas lachend meint: »Seine Eltern wollen ihn aus dem Team nehmen, wenn er durchrasselt. Das können wir auf keinen Fall verkraften. Komm schon, tuʼs für mich!«
Ich verdrehe entnervt die Augen.
»Hey, so ein Zufall! Da ist er ja!«
»Wer?«, frage ich verständnislos.
»Na, dein neuer Schüler.«
»Ich habe doch noch gar nicht zugesagt«, wende ich ein.
»Bitte, bitte!«
»Aleyna, das ist mein Gefallen«, meint Tanja plötzlich.
»Was meinst du?«
»Ich habe dir doch eben gesagt, dass du dich bei Gelegenheit revanchieren kannst. Die Gelegenheit ist jetzt da. Sag ja!«
Ich hole tief Luft. Dann atme ich laut wieder aus. »Okay, ihr Nervensägen. Ich tuʼs. Aber nur, weil ihr es seid.«
Jonas und Tanja grinsen einander vielsagend an. »Zeit, dich mit deinem neuen Nachhilfeschüler bekannt zu machen, Aleyna.«
»Wird sich wohl nicht vermeiden lassen.«
Jonas winkt heftig und ruft: »Lukas!«
Wie vom Donner gerührt fahre ich auf. Aus der Menge der Oberstufenschüler taucht ein nutellafarbener, goldglänzender Haarschopf auf.