Читать книгу Cappuccino Amore - Susanne Fülscher - Страница 7
frauenversteher trifft männermordendes mädchen
ОглавлениеEs wurden vier zähe, freudlose Tage.
Da die Aushilfe Ben krank geworden war, blieb Antonio nichts anderes übrig, als Doppelschichten zu schieben; seine Chefin Anka blaffte ihn an, weil er Karl angeblich vom Arbeiten abhielt, und seine sonstige Lieblingsbeschäftigung, Mädchen anzuflirten, verkniff er sich besser vor dem Tag X. Die Vergangenheit hatte ihn gelehrt, dass man lieber nicht auf mehreren Hochzeiten gleichzeitig tanzte. Das stiftete nur Chaos, schlimmstenfalls ging es komplett nach hinten los. Wie damals, als er mit Karls Mitbewohnerinnen Ebbi und Helen gleichzeitig etwas angefangen hatte ... oje, und dann war da auch noch die blonde Karina mit im (Liebes-)Spiel gewesen ... Nicht ganz die feine Art, das wusste er ja selbst, aber er war ja auch gebührend dafür bestraft worden. Sein lieber Kollege Karl hatte in seiner Mutter-Teresa-Art nämlich dafür gesorgt, dass die Viererkiste aufgeflogen war, und er ... Ach, Schwamm drüber. Besser, er dachte einfach nicht mehr daran, dass ihm irgendjemand (insgeheim tippte er auf die alte Peschke aus dem Gartenhaus) lauter alte Weiber auf den Hals gehetzt hatte ... Gleichwohl war es ihm eine Lehre gewesen, und er hatte in den letzten Monaten – wenn überhaupt – jeweils bloß ein Mädchen beglückt.
Dann war endlich Samstag, und Antonio sprintete sofort nach der Arbeit in den Supermarkt, um für den Abend einzukaufen. Fertigravioli, Salat aus der Tüte, Wein und Sekt; außerdem besorgte er beim thailändischen Blumenstand eine Straße weiter Tulpen. Aus Erfahrung wusste er, dass sich die Investition lohnen würde. Mädchen liebten Blumen. Sie liebten sie besonders in Jungs-Behausungen. Vielleicht, weil sie Lotterhöhlen erwarteten – versifft/verdreckt/verkommen – und dann umso überraschter waren, dass da jemand in ihr Leben getreten war, der nicht nur wohnte, sondern lebte. Männliche Wesen, die Wert auf die Gestaltung ihrer Wohnung legten (so dachten sie bestimmt), konnten nur sensibel und einfühlsam sein, bestenfalls waren sie Frauenversteher und überdies die besseren Liebhaber. Also hatte Antonio meistens Blumen in der Wohnung, wenn er Mädchenbesuch (mit Option auf ein Schäferstündchen) erwartete.
Wenig später zu Hause brach Hektik aus. Er hatte gerade noch eine Dreiviertelstunde bis zu seiner Verabredung, eigentlich viel zu wenig Zeit, um die Wohnung aufzuräumen, Amore zu füttern, die Fertigravioli aufzuwärmen und die Verpackung verschwinden zu lassen, den Tisch zu decken und zu duschen. Also gab er ordentlich Gas: Er hastete, tat und machte und sah sich schon im Endspurt, als er Viertel vor sieben eingeseift in der Dusche stand – das Aufwärmen der Ravioli würde ratzfatz gehen –; doch dann klingelte es plötzlich an der Tür. Das konnte nur Tran Hang sein!
„Vengo subito!“, rief Antonio und wusste doch, dass das Mädchen ihn unmöglich hören konnte. Fluchend stolperte er aus der Wanne, stieß sich dabei das Schienbein, und als er es endlich geschafft hatte, sich das Handtuch umzuwickeln, klingelte es erneut. Diesmal Sturm.
„Ja, ich komm ja schon!“ Unter dem andauernden Gebimmel der Türglocke hastete er über den Flur, wobei sich sein Blick für den Bruchteil einer Sekunde in dem goldumrandeten Spiegel neben der Eingangstür verfing. Das, was er sah, fand er gar nicht mal so übel. Die Haare hingen ihm nass und wirr ins Gesicht, Wassertropfen perlten in seinen Wimpern, und seine Brustbehaarung – hey –, die war sowieso der Knüller.
Schwungvoll riss er die Tür auf. „Hi! Hallo!“
„Hi, hallo“, echote Tran Hang. Wie sonst auch waren ihre Lippen leuchtend rot geschminkt, doch statt ihm entflammt in die Arme zu sinken, taumelte sie rückwärts. „Bin ich zu früh?“
„Nein, nein!“ Gentlemanlike griff Antonio nach seiner Jeansjacke an der Garderobe und bedeckte seinen famos gebauten Oberkörper. Gleichzeitig kam Amore angewackelt und begrüßte Tran Hang freudig kläffend. „Ich war nur gerade noch unter der Dusche. Aber komm doch erst mal rein.“
Zögerlich, als würde sich Tran Hang in die Höhle des Löwen wagen, kam sie näher. Wenn Antonio nicht alles täuschte, war sie eben bei seinem Anblick ein wenig rot geworden.
„Da vorne rechts ist die Küche. Bin gleich bei dir.“
Als er kurz darauf angezogen und mit einer verschwenderischen Ladung Rasierwasser im Gesicht in die Küche kam, saß Tran Hang mit halber Pobacke auf einem der Küchenstühle – Amore lag unter dem Tisch – und streichelte die Tulpen. Volltreffer. Sie schien auf seine Blumen zu stehen.
„Möchtest du was trinken?“
„Gerne.“
„Darf’s auch ein paar Prozente haben?“
Statt sich dazu zu äußern, sagte Tran Hang: „Schöne Wohnung. Wie viele Zimmer hast du noch?“
„Im Grunde bloß eins. Aber es ist groß. Und mit der Wohnküche zusammen völlig ausreichend. Schlossführung machen wir gleich, okay?“
Tran Hang nickte den Blumen zu.
„Also. Wie wär’s mit Sekt?“
Antonio nahm jetzt einfach eine Flasche aus dem Kühlschrank. Normalerweise konnte man bei weiblichen Wesen mit Sekt nichts falsch machen (im Gegensatz zu Bier). Bei den meisten Mädchen in seiner Laufbahn als begnadeter Liebhaber hatte das Getränk zumindest Wunder bewirkt, und auch Tran Hang lächelte schon voller Vorfreude.
„Wieso hast du das neue T-Shirt nicht an?“, beschwerte er sich beim Öffnen der Flasche. „Zu kalt draußen?“
Tran Hang schüttelte den Kopf. „Ich hab’s gar nicht gekauft.“ Sie tippte sich gegen die Stirn. „35 Euro für so einen Fetzen! Bin ich irre?“
Sie hatte recht. 35 Euro für ein T-Shirt auszugeben war irre. Umso mehr, wenn man kein eigenes Geld verdiente. Bei ihrem ersten gemeinsamen Kaffeetrinken in einem amerikanischen Coffeeshop in der Friedrichstraße hatte sie Antonio erzählt, dass sie in Würzburg keinen Ferienjob bekommen hätte und deswegen auf das Angebot ihres Vaters zurückgekommen wäre, im Imbiss mitzuhelfen. Sie verabscheute die Selbstverständlichkeit, mit der manche ihrer Kommilitonen jahrelang ihre Eltern anzapften und ihnen auf der Tasche lagen. Antonio war beeindruckt – vermutlich hätte er seine Eltern liebend gern angezapft –, gleichzeitig flößte Tran Hang ihm auch Respekt ein. Intelligenzbestien studierten Physik, jedoch nicht Mädchen, die Miniröcke trugen, wie Mona Lisa lächelten und taillenlange Haare hatten – kurzum: einfach sexy waren. Kaum vorstellbar, dass sich Tran Hangs Gedankenwelt zu einem nicht unerheblichen Teil um Elementarteilchen, Quarkwellen und hadronische Materie drehte.
Großzügig reichte Antonio ihr das vollere der beiden Gläser und prostete ihr zu, dann breitete sich eine plötzlich unangenehme Stille aus. Was sollte er auch mit ihr reden, wo er in seiner Fantasie schon mit ihr im Bett lag und sie auszog? Zumal sie so grundverschieden waren. Er verstand nichts von Physik, vom angeblich lustigen Studentenleben schon gar nicht, und Tran Hang schien sich im Gegenzug auch nicht besonders für seinen Job als Kellner zu interessieren. Also blieben nur Smalltalkthemen. Wetter, Reisen, Clubs ...
„Vieni“, sagte Antonio kurz entschlossen und stellte sein Glas ab.
Er lotste Tran Hang aus der Küche, doch als er die Tür zu seinem Zimmer aufdrückte, blieb sie wie ein störrischer Esel stehen. Vielleicht befürchtete sie ja, er wolle das Essen ausfallen lassen und sie sofort flachlegen, also beeilte er sich zu sagen: „Meine Schuhobjekte stehen da drüben auf der Fensterbank. Guck sie dir einfach in Ruhe an.“ Er zwinkerte ihr zu. „Chefkoch Antonio muss jetzt nämlich das Festmahl zubereiten.“
Insgeheim lobte er sich für seinen genialen Schachzug. Während sich Tran Hang schon mit seinem Schlafzimmer vertraut machte (räusper, räusper), würde er inzwischen unbeobachtet die Ravioli aufwärmen und die Verpackung des Fertiggerichtes entsorgen können.
„Soll ich dir nicht helfen?“ Tran Hang stand wie festgenagelt da und ließ ihren Blick durchs Zimmer wandern. Für einen kurzen Moment scannten ihre Augen auch sein Eisenbett ein. Wie es sich für einen perfekten Liebhaber gehörte, hatte er extra frische Bettwäsche aufgezogen und sogar den Blümchenüberwurf gewaschen.
„Nicht nötig“, sagte er und drängte sich an ihr vorbei auf den Flur. „Ach, wenn du uns eine schöne Musik raussuchen könntest ... Die neuesten CDs liegen auf dem Schreibtisch.“
Mit forschen Schritten wechselte er den Raum; Amore lag immer noch unter dem Küchentisch und öffnete nicht mal ein müdes Auge.
Aus seinem Zimmer drangen jetzt undefinierbare Geräusche (seufzen/murren/stöhnen), dann hörte er Tran Hang rufen: „Unglaublich, Antonio! Du bist ja ein richtiger Künstler!“
„Danke!“, rief er zurück und klopfte sich in Gedanken auf die Schulter. Ja, er war schon ein kleines Genie. Zu begnadet für diese Welt! In Windeseile zerrte er die Ravioli aus dem Tiefkühlfach und stellte den Topf auf den Herd, doch gerade als er die Nudeln in den Topf geschüttet hatte, kam Tran Hang überraschend zurück. Erwischt.
„Ich kenne die Sorte“, sagte sie und grinste so breit, als könne sie Porree quer essen. „Es wimmelt zwar von Geschmacksverstärkern, aber notfalls lässt sich das Zeug runterkriegen.“
Antonio nickte beschämt dem Topf zu, in dem vereiste Klumpen lagen.
„Du kannst gar nicht kochen, oder?“
Tran Hang trat so dicht an ihn heran, dass er ihren Atem in seinem Nacken spürte. Wenn sie ihn in diesem Moment berührt hätte, hätte er auf den ganzen Schnickschnack wie Sekttrinken und Essen verzichtet, er hätte sie an die Hand genommen, zu seinem Bett geführt, und dort wäre es dann zu einer wunderbaren chemischen Kettenreaktion mit abschließendem Feuerwerk gekommen. Stattdessen reichte sie ihm bloß eine CD mit italienischen Schmusestücken und ging sofort wieder auf Abstand.
„Nein, nicht wirklich“, gab er ehrlicherweise zu. „Also manchmal gelingen mir schon ein paar Gerichte.“ Er drehte sich nach ihr um und strich wie beiläufig (und dabei ziemlich absichtlich) über ihre Hüfte. „Spiegeleier zum Beispiel.“
Tran Hang lachte, doch als Antonio sie enger zu sich heranziehen wollte, wand sie sich wie ein Aal aus seinen Armen. „Die Schuhe sind wirklich beeindruckend“, sagte sie. „War das deine Idee?“
„Ja.“ Er lächelte geheimnisvoll und schob die CD in den CD-Player, der auf der alten Anrichte stand. Im Zweifelsfall hatte er ja kein Problem damit, die Wahrheit ein wenig zu verdrehen, aber diesmal stimmte es tatsächlich. Er erinnerte sich sogar noch an den Nachmittag, als ihm der Blitzeinfall gekommen war. Damals in diesem Omacafe am Ku’damm, wo ihm das Schuhwerk einer älteren Dame ins Auge gefallen war ...
„Warum studierst du eigentlich nicht Kunst? Du bist doch wirklich begabt.“
„Und wenn schon“, wiegelte er ab. „Begabt sind viele.“
Im Topf fing es bedrohlich an zu zischen. Mit einem Handgriff hatte Antonio das Gas runtergedreht, dann rührte er hektisch die Nudeln durch. Fertigpasta war schon schlimm genug – verbrannte Fertigpasta der Supergau.
„Du hast es nicht mal versucht?“
„Mein Leben ist eben anders verlaufen.“ Es ging Tran Hang nichts an, dass er kein Abitur hatte und sich somit nicht mal an der einen oder anderen Kunsthochschule hätte bewerben können. Bis auf seine Einserfächer Kunst und Englisch war er immer ein hundsmiserabler Schüler gewesen. Zum Glück bohrte Tran Hang nicht weiter nach und versprach, morgen als Erstes ihren Vater zu fragen.
„Aber das musst du nicht.“
„Doch, doch! Nur nicht so bescheiden!“ Ihre Wimpern flatterten. „Deine Schuhe müssen unbedingt ans Licht der Öffentlichkeit. Viel zu schade, wenn sie bloß auf deiner Fensterbank verstauben.“
„Falls er kein Interesse hat, ist es aber auch okay.“ Immer noch gruselte Antonio die Vorstellung, seine Schuhe für einen Imbiss hergeben zu müssen. Zumal er eigentlich nur eins von Tran Hang wollte: ihren Körper.
„Ich garantiere dir, er wird begeistert sein! Er ist ein großer Kunst- und Musik-Fan.“ In Windeseile zog sie ihre Lippen nach. „Was meinst du, wie unglücklich er ist, dass ich Physik studiere und meine ältere Schwester in einer Röntgenpraxis arbeitet. Er sähe uns lieber in irgendeinem Orchester oder in einem Museum. Bach, Mozart, Matisse, Picasso – das ist seine Welt.“
Antonio wollte das leidige Thema beenden und sagte: „Ich mach uns noch einen Salat, in Ordnung?“ Ohne Tran Hangs Antwort abzuwarten, ging er zum Kühlschrank und zog die Tüte mit einem bereits vorgewaschenen Salatmix hervor.
„Oh, das scheint ja ein richtiges Mahl de luxe zu werden“, stichelte sie, und Antonio konnte es ihr nicht mal verübeln. Erst sein ungewollt halbnackter Auftritt, dann das Fertigfutter, obwohl er bei seiner Einladung eine bella pasta angekündigt hatte. Mit hoher Kunst der Verführung hatte das alles jedenfalls nicht viel zu tun.
Aber es sollte noch schlimmer kommen: Obwohl Antonio sonst als erprobter Ravioli-Aufwärmer durchs Leben ging, war die Pasta nun doch angebrannt (und damit ungenießbar); der Salat, den er huschhusch würzte, schmeckte wie in Essig getränkt. Tran Hang probierte zwar todesmutig, konnte es sich jedoch nicht verkneifen, das Gesicht zu verziehen. Sie spuckte in ihre Serviette aus, kicherte dabei schrill, dann stand sie plötzlich auf und ging einfach aus der Küche. Antonio war so perplex, dass er sich nicht mal zu fragen traute, ob sie wegen des missratenen Essens das Weite suchte.
Erst als er ihr bis zur Haustür nachgestolpert war – Amore bequemte sich auch endlich und folgte ihm –, hatte sie die Güte sich umzudrehen: „Wartest du kurz? Ich hole uns was aus dem Imbiss. Magst du Tintenfisch?“
Schon war sie weg, und Antonio fühlte sich wie ein Loser der Extraklasse. Er hatte es vermasselt – und sich mit seinen miesen Kochkünsten um eine vielleicht gute Nummer gebracht. Schlecht gelaunt warf er die Ravioli und den Salat in den Müll, bevor er das Ich-bin-ein-Versager-Programm einleitete. Jogginghose an, Bierdose aus dem Kühlschrank, Fernseher an. Tran Hang würde nicht wieder auftauchen – so viel war sicher. Und er war der Letzte, der das nicht hätte nachvollziehen können.
Geraume zwanzig Minuten später klingelte es erneut. Amore sprang hoch, flitzte in einem Affenzahn über den Flur und kläffte die Tür an.
War sie etwa doch zurückgekommen? Auf leisen Sohlen schlich Antonio zur Haustür, da hörte er sie schon rufen: „Na los, du Superheld! Mach auf!“
Amore kläffte immer lauter, sein Schwanz wedelte freudig hin und her, doch Antonio konnte sich nicht dazu durchringen, die Tür zu öffnen. Er hatte Tran Hang nicht vertraut und sich zudem in die widerlichste Jogginghose jenseits der Mecklenburgischen Seenplatte geworfen.
„Einen Moment!“ Ohne weiter nachzudenken, entledigte er sich des ausgeleierten Ungetüms.
Klopfen, Pochen, Hämmern. „Nein, sofort! Ich verbrenn mir hier gleich die Finger.“
„Ich komm ja schon!“
Ihr in Unterhose zu öffnen war ausgeschlossen. Also noch einmal das Jeansmodell – diesmal um seine Hüften geschlungen. Tran Hang erging sich derweil bereits in Schimpftiraden, da drückte Antonio endlich die Klinke runter und lächelte schon mal vorab entschuldigend. Sie starrte ihn entsetzt an.
„Aber sonst bist du nicht irgendwie pervers, oder?“ Sie deutete auf die Jeansjacke, die um seine haarigen Beine schlackerte.
„Nein!“
„Und was soll das?“
„Das ... Ach, das ist nichts. Gar nichts.“
„Stimmt. Eine Jeansjacke ist gar nichts. Das nenn ich mal logisch.“
Mit ausgefahrenen Ellbogen schob sie sich an ihm vorbei und huschte in die Küche, wo sie die Alupäckchen auf die Spüle schmetterte. Als sie sich umdrehte, war ihr Gesicht der fleischgewordene Vorwurf.
„Hast du etwa ein Problem damit, ganz normal angezogen herumzulaufen?“, schimpfte sie.
„Quatsch!“
„Warum hast du dann deine Hose ausgezogen?“
„Ich dachte ...“
„Dass du mich so schneller ins Bett kriegst?“
Antonio stellte sich vor, sie wäre Lehrerin an einem Internat, die ihren ungehorsamen Schüler maßregelte, und gab einen glucksenden Lacher von sich. „Ich hab eben nicht mehr damit gerechnet, dass du noch mal zurückkommst“, erklärte er wahrheitsgemäß.
„Wieso nicht?“ Ihre Lippen blieben leicht geöffnet, während in ihrem Gesicht ein Tornado aufzog. „Wenn ich etwas sage, meine ich es auch so. Du etwa nicht?“
„Doch. Klar.“ Er schielte auf die Alupäckchen, aus denen es lecker duftete. „Aber ich war ein total miserabler Gastgeber. Ich hätte verstehen können, wenn du dich einfach verdünnisierst.“
Tran Hang schüttelte bloß den Kopf und fragte: „Hunger?“
„Und wie.“
„Ich auch.“
„Dann essen wir jetzt?“
Doch statt zu nicken oder irgendetwas zu sagen, blickte sie ihn einfach nur an. Ein paar Sekunden verstrichen, in denen Antonio sich das Hirn darüber zermarterte, was Tran Hang eigentlich von ihm wollte beziehungsweise nicht wollte, aber bevor er zu einem Schluss gekommen war, machte sie einen Schritt auf ihn zu und sagte: „Wie wär’s, wenn du mich endlich küsst, du Depp.“ Sie hielt ihm ihre geschminkten Lippen hin und schloss gleichzeitig die Augen.
Befehl war Befehl. Es war Antonio egal, dass die Jeansjacke von seinen Hüften rutschte, während er Tran Hang zu sich heranzog und küsste. Erst nur ganz leicht auf die Lippen (der Lippenstift schmeckte irgendwie komisch), doch dann bretterte er richtig los – wie ein LKW auf einer Autobahn ohne Geschwindigkeitsbegrenzung.
Der erste Moment war immer himmlisch; alles, was danach kam, bloß noch ein öder Abklatsch dieser ersten Sekunden. Der erste Kuss ... die erste Knutscherei ... der erste richtige Sex – warum gab es das bitte schön nicht im Dauerabo?
Karls Freundin Jolka war süß, keine Frage, trotzdem konnte Antonio nicht begreifen, dass seinem Kollegen nicht langweilig wurde. Tagein, tagaus dasselbe Mädchen, alles immer gleich. Vorspeise, Hauptspeise, Nachtisch, niemals gab es irgendetwas, das das Allerlei auf den Kopf stellte. Antonio liebte Überraschungen. Sie waren die Würze des Lebens, daher lag es auch außerhalb seiner Vorstellungskraft, eine feste Freundin zu haben und sich an die Kette legen zu lassen. Die Affäre mit Tran Hang kam eigentlich wie gerufen. Wenn das Semester erst wieder anfing, würde sich die Sache ganz von selbst erledigen.
Tran Hang küsste verdammt gut, und dass sich ihre Hand ganz nebenbei bis zu seinem Po vorarbeitete, gefiel Antonio ausgesprochen. Eine ganze Weile ging das so, mal standen sie eingequetscht zwischen Spüle und Tisch, mal lehnten sie sich gegen den Kühlschrank; es war fast wie in einem Film, wo die Schauspieler kurz davor waren, auf dem Küchentisch übereinander herzufallen.
„Vieni“, sagte Antonio, um endlich Phase zwei einzuläuten, die da Knutschen in der Horizontalen hieß.
Er schob Tran Hang wie einen mobilen Kleiderständer über den Flur in sein Zimmer, dort ließen sie sich nebeneinander auf sein Bett sinken. Die Liegestühle hatte Antonio diesmal übersprungen. Sie eigneten sich in hartnäckigen Fällen bestens, um ersten Körperkontakt herzustellen, ohne gleich den Eindruck zu erwecken, alles sofort zu wollen.
Ganz der erfahrene Liebhaber, machte Antonio dort nahtlos weiter, wo sie eben aufgehört hatten. Mädchen liebten lange Knutschanlaufphasen, das war ja hinlänglich bekannt. Erst einige Streicheleinheiten später schob er ihren Pulli hoch und arbeitete sich stückweise bis zu ihrem BH vor. Tran Hang trug einen gepolsterten BH, kirschrot und in Form von Puddingschalen. Ihre Brust darunter war gerade mal zu erahnen, nicht jedoch zu ertasten. Antonio verstand nicht, warum Mädchen sich solche Ungetüme umschnallten. Er liebte zarte Dessous, durch die man alles sehen und fühlen konnte, oder am besten gar keine. Er war zwar ein erprobter BH-Öffner, aber mit dem Modell Puddingschalen tat selbst er sich schwer, und am Ende musste Tran Hang ihm sogar dabei helfen. Dafür kam er ihr schon mal entgegen, indem er sein T-Shirt selbst auszog; die Jeansjacke war ihm bereits in der Küche abhandengekommen.
Tran Hang hatte kleine Apfelbrüste mit dunklen Warzenvorhöfen. Kaum hatte er ihr ein Kompliment ins Ohr gesäuselt (so was kam immer gut), rollte sie sich auf die Seite, musterte ihn und sagte mit vollkommen neutralem Gesichtsausdruck: „Du bist aber ganz schön behaart.“
„Stört dich das?“, fragte Antonio irritiert. Bisher hatte er immer angenommen, alle Mädchen würden darauf abfahren.
„Nein ...“ Es klang, als wolle sie ein anfügen, sich jedoch nicht traute.
„Komm, sag die Wahrheit.“ Antonio legte schützend seine Hand auf die Brust. „Ich kann’s vertragen.“
„Hm ...“ Tran Hang lächelte verlegen. „So was ist mir bisher eben noch nicht untergekommen.“ Sie streckte ihre Hand aus, tastete probehalber seine Brust ab, dann zuckte ihre Hand wieder weg, als könne sie sich verbrennen.
„So schlimm?“ Antonio war jetzt tatsächlich verstört.
„Nicht schlimm. Eher ... vielleicht ... gewöhnungsbedürftig.“
Sie wiederholte ihr Spiel, strich über seine Brustwarzen, dann über seine ganze Brust, und als ihre Hand auf seinem Bauch landete, nutzte Antonio die Gelegenheit, Tran Hang näher an sich heranzuziehen. Phase drei stand auf dem Programm, sprich, gezieltes Streicheln unterhalb der Gürtellinie. Um ja nicht zu schnell vorzupreschen, kümmerte er sich vorerst bloß um ihren Po, der sich wunderbar rund und fest anfühlte, erst nach einer Weile wanderte seine rechte Hand in ihren Slip.
Mhm ... Himmelreich! Wie immer in solchen Momenten hoffte Antonio darauf, dass die Gegenseite sich entsprechend revanchieren würde, doch Tran Hang ließ ihn schmoren und bedeckte bloß seine Wangen mit kleinen Küsschen. Das fühlte sich zwar ganz nett an, war in diesem Moment allerdings ein klarer Rückschritt. Also musste er sein ganzes Können darauf verwenden, ihre Hand in die richtige Richtung zu bugsieren. Nicht gerade ein Kinderspiel, aber irgendwann hatte er sie so weit, dass ihre Finger unter das Gummi seiner Unterhose gekrabbelt kamen. Ja! Jetzt würde sie ihn anfassen, endlich!, nur genau in diesem Moment kam Amore ins Zimmer gestürmt und kläffte wie Lassie, der sein Herrchen laut Drehbuch an einen anderen Ort locken musste. Tran Hang fuhr erschrocken hoch.
„Amore, va te ne!“, schrie Antonio. Es gab selten Momente, in denen er seinen Hund nicht ausstehen konnte, nun war so ein Moment gekommen. Am liebsten hätte er ihm das Fell abgezogen und auf dem Flur aufgehängt.
Doch das struppige Hundevieh dachte gar nicht daran, den Rückzug anzutreten. Es war ja auch viel zu gemütlich mit seinem Herrchen und Tran Hang im Bett. Nur hatte er nicht damit gerechnet, dass Antonio keine Gnade kannte. Er packte das kläffende Bündel, transportierte es nach draußen und schloss es kurzerhand im Bad ein. Zugegeben, es war ein bisschen gemein, aber hier konnte er wenigstens keinen Unsinn verzapfen.
Als Antonio zurückkam, wirkte Tran Hang abgekühlt. Sie saß im Schneidersitz – den Blümchenüberwurf hatte sie um ihren Körper gehüllt – und betrachtete ihre Zehennägel, als würde sie meditieren.
„Tut mir leid.“ Antonio robbte auf Knien zu ihr ins Bett und entschuldigte sich mit einem Schmatzer auf ihr Schlüsselbein.
„Nicht so schlimm. Wahrscheinlich ist er eifersüchtig.“
„Hat er denn Grund?“ Antonio zog ihr die Decke weg und liebkoste ihre Brüste. Erst die linke, dann die rechte und schließlich wieder die linke.
„Vielleicht ein bisschen?“ Sie kicherte, dann beugte sie sich vor und begann ihn von Neuem zu küssen.
Küssen schien ohnehin ihre Spezialität zu sein. Sie küsste so gut, dass Antonio auf der Stelle wieder scharf wurde und sofort mit seiner Lieblingsbeschäftigung aus Phase drei – Streicheln unterhalb der Gürtellinie – weitermachte. Es schien ihr zu gefallen, zumindest lächelte sie wie gerade im Paradies angekommen. Und dann schob sie endlich das Gummi seiner Shorts runter und streichelte sein bestes Stück. Zwar ein wenig zu sanft, aber in Anbetracht des großen Finales, das ja hoffentlich noch bevorstand, war es schon okay. Pflichtbewusst wie ein Beamter fuhr Antonio mit seinen Streicheleinheiten fort, so lange, bis kleine Seufzer aus Tran Hangs Mund drangen. Das war das Startsignal. Der richtige Moment, um Phase vier einzuläuten, die letzte Phase, die ihn schon so einige Male auf direktem Weg auf Wolke sieben katapultiert hatte. Vorsichtig ließ er von Tran Hang ab, um eine ganze Weile zärtlich an ihrem Ohrläppchen zu knabbern, bevor er mit der entscheidenden Frage rausrückte: „Nimmst du eigentlich die Pille?“
„Pille?“, schnaubte Tran Hang, als hätte Antonio von ihr verlangt, für den Sex mit ihm eine ganze Chemiefabrik zu schlucken. „Du willst doch nicht etwa ohne ...!“
„Nein, natürlich nicht.“ Eine glatte Lüge. Liebend gerne hätte er ohne, auch wenn ihm sein Verstand etwas anderes zuflüsterte. Aber bisher war er doch noch immer im allerletzten Moment zur Vernunft gekommen. Der Gedanke, ein Kind in die Welt zu setzen, war nämlich die reinste Horrorvorstellung. Dass darüber hinaus Gefahren wie HIV lauerten, erschien ihm dabei fast zweitrangig.
Aber er war ja bestens vorbereitet. Das Kondom oder vielmehr die Kondome lagen griffbereit unter seinem Kopfkissen, er brauchte also nur die Hand auszustrecken und ein wenig herumzugraben, um mit Phase vier loszulegen. Phase vier war das Nonplusultra, viel besser als das ganze Gebagger, Geknutsche und Gefummel zuvor. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte man sich den einleitenden Firlefanz auch schenken und gleich zur Sache kommen können, doch er vermutete, dass die Mädchen da abspringen würden. Mädchen liebten Gesäusel, Getue und Komplimente. Mädchen liebten romantische Bootsfahrten, Picknicks im Freien und Tanzabende, an denen man sie bis zum Overkill anschmachten durfte. Mädchen liebten auch Sex, ein paar von ihnen zumindest, doch die meisten standen eben mehr auf die Anlaufphasen, im Zweifelsfall ein Leben lang. Ersten Sex im Altenheim – darauf stand Antonio jedoch nicht. Also war er zumeist derjenige, der es drauf anlegte, ein bisschen Tempo in die Sache zu bringen.
Tran Hang schien allerdings nichts dagegen zu haben, dass sich seine Hand jetzt unter das Kopfkissen schob und er kurz darauf ein golden verpacktes Gummi hervorzog.
„Soll ich? Darf ich? Muss ich?“, fragte er anstandshalber.
Tran Hang nickte. Oder hatte sie bloß mit den Wimpern geklimpert? Egal. Er war schon dabei, das Kondom aufzureißen, und sie sah ihm äußerst interessiert dabei zu. Vielleicht hatte sie ja noch nie erlebt, dass jemand so professionell mit einem Gummi umging, und war jetzt mächtig beeindruckt.
Dann ging alles ziemlich schnell. Viel zu schnell? Tran Hang wimmerte leise, als er in sie eindrang (hoffentlich tat es ihr nicht weh), doch dann verstummte sie und bewegte ihr Becken in homöopathischer Dosierung. Antonio dachte an seinen letzten Tausendmeterlauf, den er noch zu Schulzeiten hinter sich gebracht hatte, er grübelte über italienische Zeitenfolgen und rekapitulierte die Preise auf der Speisekarte im kitchen – alles bloß, damit er nicht zu schnell fertig wurde. Einmal wechselte er die Position, immer Tran Hangs Augen im Blick (es schien ihr zumindest nicht zu missfallen), und als sie plötzlich zu seufzen begann, deutete Antonio dies als Zeichen, sich nicht länger zurückhalten zu müssen. Er stieß schneller zu, drei-, viermal, dann explodierte das Feuerwerk in ihm, und er sackte wie ein gestrandeter Wal auf dem Mädchen zusammen.
„Hallo, hallo!“, klang Tran Hangs erstickte Stimme wie von Ferne.
Auch wenn Antonio gewollt hätte, er konnte sich beim besten Willen nicht rühren. Erst als sie mit den Armen zu rudern begann und lauter nach Luft japste, wälzte er sich von ihr runter.
„Sorry, ich ...“
„Pscht“, machte Tran Hang.
Mit dem Gedanken im Hinterkopf, wie er wohl gewesen sein mochte, musterte Antonio sie verstohlen von der Seite. Ihre Wimperntusche hatte unter den Augen Spuren hinterlassen, aber ihr liefen nicht gerade Tränen des Glücks über die Wangen. Enttäuscht oder unglücklich schien sie allerdings auch nicht zu sein. Bestimmt war es auch für sie schön gewesen.
Oder etwa doch nicht?
„Hat es dir gefallen?“, hörte er sich im selben Moment sagen.
Autsch! Normalerweise verbot er es sich, die schlimmste aller Fragen zu stellen – was sollte ein Mädchen auch darauf erwidern? –, aber im Moment gierte er viel zu sehr nach Bestätigung. Er wollte, dass Tran Hang ihm sagte, er wäre der beste, der größte, der schönste Lover der Welt – ein männliches Exemplar von absolutem Seltenheitswert.
Doch Tran Hang meinte nur knapp: „Ja, war schön.“ Schwups drehte sie sich auf den Bauch. Ende der Durchsage. Aber wahrscheinlich, so redete er sich ein, war sie einfach nur erschöpft und wollte einen Moment durchatmen.
Später holte Antonio die Alupackungen aus der Küche, dann aßen sie, Schulter an Schulter, Glasnudelsalat. Gegen Antonios Fertigpasta schmeckte es wie gebratene Tauben aus dem Paradies.
„Bleibst du über Nacht?“, fragte Antonio, während er sich verzweifelt mit den Stäbchen abmühte.
Tran Hang sah ihn mit gerunzelter Stirn an. „Also, ich weiß ja nicht ...“
„Was weißt du nicht?“
„Ob das so gut ist ... und wie mein Vater das finden wird.“
„Wie dein Vater das finden wird? Du bist volljährig!“ Er küsste Tran Hang auf die Nasenspitze. „Außerdem – was soll nicht gut daran sein?“
„Ich weiß nicht.“
Antonio musste lachen. „Gibt es vielleicht irgendetwas, das du weißt?“
„Ja.“ Tran Hang legte die Stäbchen gekreuzt in ihrer Aluschale ab. „Dass ich aufpassen muss, mich nicht in dich zu verlieben.“
Dass ich aufpassen muss, mich nicht zu verlieben, hallte es dumpf in Antonios Kopf wider. Wieso sagte sie das jetzt? Wieso mussten Mädchen immer alles kompliziert machen? Probleme aufwerfen, wo es eigentlich keine gab? Sie hatten Sex miteinander gehabt, schön und gut, aber wer wusste schon, was morgen sein würde? War das Leben denn ein Strickmuster, jede Masche genau geplant?
„He“, sagte sie mit erstickter Stimme. „Was denkst du?“
Dass dich keiner zwingt, dich in mich zu verlieben. Dass wir besser erst mal nur Spaß haben und alles Weitere dem Zufall überlassen. Doch Antonio wusste natürlich, dass die weibliche Liga nun mal anders tickte. Mädchen wollten Liebesschwüre, am besten noch, bevor man das erste Mal miteinander ausging. Allerspätestens jedoch, wenn man die Schwelle namens Bettkante überschritten hatte.
„Antonio?“ Tran Hangs Fingernägel gruben sich jetzt fordernd in seine Schulter.
„Sorry, ich muss mal eben aufs Klo“, sagte Antonio ausweichend, stellte den Essbehälter neben sich auf dem Bett ab und flüchtete aus dem Zimmer.
Kaum hatte er die Badtür geöffnet, sprang Amore freudig an seinem Bein hoch. Als wäre er nie so fies gewesen, ihn einzusperren. „Ja, ist ja gut, ich hab dich auch lieb“, flüsterte Antonio ihm zärtlich ins Ohr und kraulte ihn ausgiebig. Natürlich hatte er wegen Tran Hang auch ein schlechtes Gewissen, andererseits war sie alt genug zu wissen, worauf sie sich einließ.
Er pinkelte, wusch sich das Gesicht, dann kehrte er in sein Zimmer zurück. Amore durfte diesmal mitkommen – sozusagen als sein Bodyguard, sein Psychobeistand. Nur schade, dass der sein Herrchen nicht mit Worten verteidigen konnte.
Tran Hang hatte ihre Sitzposition nicht verändert, bloß ihre Gesichtsfarbe ähnelte jetzt der Wand hinter ihr. Sprich, sie war kalkweiß.
„Warum haust du einfach ab?“ Ihre Stimme zitterte. „Wieso tust du so was?“
„Ich musste mal. Musst du nie auf die Toilette?“
Statt zu antworten, bedeckte Tran Hang ihre Brüste mit dem Blümchenüberwurf. „Aber ich hab dir eben was gesagt. Was ziemlich Wichtiges. Da rennt man nicht einfach aufs Klo!“
„Hör zu, Tran Hang ...“ Zur Besänftigung gab er ihr ein Küsschen auf die Stirn. „Ich finde, wir sollten nichts problematisieren, wo es nichts zu problematisieren gibt. Amore! Hau ab! Aber subito!“ Er wedelte mit der Hand, der Hund sprang runter und verzog sich beleidigt hinter die Gardine.
„Für mich ist das aber nicht alles so völlig ...“ Sie hob ihre Hände und ließ sie wieder fallen. „ ... problemlos.“
„Was meinst du genau?“, fragte Antonio und wusste doch genau, wo der Hase im Pfeffer lag.
„In zwei, drei Wochen bin ich wieder weg – und was dann?“
„Zwei, drei Wochen ... Hör mal, das ist doch eine halbe Ewigkeit! Möchtest du noch Sekt?“
„Nein, ich will keinen Sekt!“ Tran Hangs Augen verengten sich, und eine kratertiefe Falte tauchte zwischen ihren Brauen auf. „Ich verstehe dich nicht. Wir haben gerade erst miteinander geschlafen.“
„Ja, und es war schön. Sehr schön sogar.“
„Aber für dich ist das noch lange kein Grund, dem Ganzen irgendeine Bedeutung beizumessen, oder?“
Tran Hang klang vorwurfsvoll. Mädchen klangen bei dieser Art von Gesprächen immer irgendwie vorwurfsvoll, und das war das Letzte, worauf Antonio Lust hatte. Vorwürfe statt Lust und Liebe und einfach mal abwarten, was noch so passieren würde.
„Ich hab dich was gefragt!“
Antonio wich ihrem Blick aus. Warum musste sie nur alles verderben? „Was soll ich denn sagen?“ Hilflos zuckte er mit den Achseln.
„Also gut, wenn du es nicht weißt ...“
Sie sprang vom Bett und schlüpfte in ihren Slip, bloß ein paar Sekunden später schloss sie mit geübtem Handgriff ihren Puddingschalen-BH.
„Bitte, Tran Hang. Nun mach doch kein Drama aus der ganzen Sache. Es war total schön mit dir.“
„Eben. Wir hatten tollen Sex miteinander. Eigentlich könnte man einem Mädchen da auch sagen, dass man in sie verliebt ist, oder? Zumindest ein bisschen. Aber bei dir sind wohl überhaupt keine Gefühle im Spiel!“
„Das stimmt nicht“, widersprach Antonio. „Nur wozu die Dinge überstürzen?“ Er kam sich wie ein Schwein vor, ein richtig mieses Charakterschwein.
Tran Hang stieg in ihre Jeans und zog sie hoch, indem sie auf und ab hüpfte. „Okay. Verstehe. Du kannst es mir nicht sagen.“ Ratsch – ging der Reißverschluss, dann zog sie den Pulli über den Kopf, nahm ihre Sneakers in die Hand und spazierte einfach aus dem Raum. Sie schien es tatsächlich ernst zu meinen.
„Warte!“, rief Antonio und beeilte sich, ihr hinterherzulaufen. „Geh noch nicht! Bitte!“
Aber Tran Hang hatte schon die Türklinke in der Hand und lächelte ihn müde an. „Am besten überlegst du dir erst, was du willst beziehungsweise nicht willst, bevor wir uns Wiedersehen.“ Sie öffnete die Tür.
Dann ging sie – ohne Küsschen, ohne Tschüss zu sagen –, und Antonio wusste nicht, ob er traurig oder erleichtert sein sollte.