Читать книгу Antibiotika-Fibel 2021/22 - Susanne Huggett - Страница 8

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Hinweise zur Antibiotikatherapie

Antibiotika sind keine Antipyretika! Nur bei infektiöser Ursache verordnen. Fieber ohne weitere Entzündungsparameter (Leukozytose oder -penie, Linksverschiebung, CRP-, PCT-Erhöhung etc.) ist keine Indikation zur Therapie!

Gezielte Therapie anstreben, vor Beginn der antimikrobiellen Therapie Erregernachweis durchführen, z.B. Wundabstriche, Blutkulturen bei V.a. Endokarditis, Sepsis oder Pneumonie. Mikroskopie erlaubt oft schnellen Rückschluss auf Erreger.

Vor Beginn der Antibiotikatherapie Allergien erfragen.

Aktuelle Resistenzsituation in der Region bzw. Klinik bei der Therapieentscheidung berücksichtigen.

Kalkulierte (initiale) Antibiotikatherapie bis zum Eintreffen des Ergebnisses des Erregernachweises und der Resistenzbestimmung.

Welcher Erreger kommt infrage?

Wurde der Erreger innerhalb oder außerhalb des Krankenhauses erworben?

Anamnese: Auslandsaufenthalt, stationäre Behandlung, Dauer des Klinikaufenthalts, Verlegung aus einem Pflegeheim?

Nachweis von Wunden?

Besonderheiten des Patienten: Nieren-, Leberfunktion, Schwangerschaft?

Meist ist bei den heute verfügbaren Präparaten eine Antibiotika-Monotherapie ausreichend.

Nach Erhalt der Resistenzbestimmung Umsetzen der Antibiotika auf wirksame Substanzen bzw. Präparate mit einem schmaleren Spektrum.

Das Vorliegen eines Antibiogramms stellt keine Indikation zur Antibiotikatherapie dar.

Gleichzeitige Anwendung mehrerer nephro- bzw. ototoxischer Substanzen vermeiden.

Bei der Gabe von Aminoglykosiden und Glykopeptiden ab Tag 3 regelmäßige Serumspiegelkontrollen (Toxizität, ausreichende Wirkspiegel). In der Regel ist eine Aminoglykosidgabe über 3–5 Tage ausreichend (und dann auch sicher). Ausnahme: Endokarditis!

Therapiedauer: Antibiotika so lange wie nötig und so kurz wie möglich! In der Regel können Antibiotika 3 Tage nach Entfieberung abgesetzt werden (Ausnahme z.B. Tonsillitis, Endokarditis).

Frühzeitige Umstellung von i.v.- auf p.o.-Applikation (s. SEQ, Sequenztherapie).

Falls der Patient 2–3 Tage nach Beginn der antibiotischen Therapie nicht entfiebert und ein Erregernachweis nicht gelingt: Alle Ursachen eines Therapieversagens (s.u.) erwägen. Gegebenenfalls wirkungslose Antibiotikatherapie absetzen und, falls der Zustand des Patienten dies erlaubt, nach mehrtägiger Antibiotikapause erneute Diagnostik durchführen!

Reserveantibiotika sind mit einem § gekennzeichnet. Diese sollten als Sonderanforderung (Freigabe durch Chef- oder Oberarzt) bestellt werden.


Zu Beginn der Antibiotikatherapie Indikation und voraussichtliche Therapiedauer festlegen und dokumentieren.

Therapieversagen

Häufige Gründe für den Misserfolg einer Behandlung von Infektionskrankheiten:

Falsches Antibiotikum (primäre oder erworbene Resistenz des Erregers).

Falsche Dosierung mit unzureichender Konzentration am Ort der Infektion (Pharmakokinetik der eingesetzten Arzneimittel, abszedierende Infektionen, Fremdkörperinfektionen).

Antibiotikum trotz nachgewiesener In-vitro-Empfindlichkeit in-vivo unwirksam.

Resistenzentwicklung unter laufender Therapie (z.B. gegen 3. Generations-Cephalosporine bei Enterobacter cloacae).

Schweres Immundefizit.

Schwer oder nicht anzüchtbarer Erreger (z.B. M. tuberculosis, Chlamydien).

Virus- oder Pilzinfektion.

Keine mikrobiologische Ursache eines infektionsähnlichen Bildes (z.B. SIRS, drug-fever, sonstige Ursachen eines Fiebers).

Unzureichende supportive oder organprotektive Therapie (Beatmung, Flüssigkeitssubstitution, Ausgleich von Elektrolytstörungen, Kreislaufstabilisierung).

Bei fortbestehendem Fieber 2–3 Tage nach Therapiebeginn muss die eingeleitete Antibiotikatherapie überprüft werden. Ggf. sollte ein infektiologisches Konsil veranlasst werden bzw. das ABS-Team eingeschaltet werden.

Antibiotic Stewardship (ABS) – ein Instrument zur Reduktion der Resistenzentwicklung

Antibiotika sind für die Behandlung von Infektionskrankheiten (über-)lebenswichtig. Mit der Einführung von Antibiotika entwickelte sich weltweit die inzwischen bedrohlich zunehmende Resistenz von Bakterien gegenüber Antibiotika. Neben dem Einsatz von Antibiotika in der Humanmedizin fördert die Antibiotikagabe in der Veterinärmedizin die Resistenzentwicklung. Auch in der Umwelt sind bereits relevante Mengen von Resistenzgenen festgestellt worden.

Die WHO sieht die Resistenzentwicklung als globale Bedrohung und hat insbesondere durch den Mangel an neuen wirksamen antiinfektiven Wirkstoffe die postantibiotische Ära ausgerufen. Sie hat den Erhalt der Wirksamkeit antimikrobieller Wirkstoffe zur größten Herausforderung der Medizin im 21. Jahrhundert erklärt.

Die Resistenzentwicklung ist ein multifaktorielles, globales Problem, das nur durch gemeinsame Aktivitäten der Human- und Tiermedizin sowie der Umwelt im Sinne einer One-Health-Strategie gelöst werden kann.

Alexander Fleming entdeckte 1928 das Penicillin, eine der bedeutendsten Entdeckungen des 20. Jahrhunderts. Bereits in seiner Nobelpreisrede machte er darauf aufmerksam, welche Gefahr im zu niedrigen Einsatz eines Antibiotikums liegt: Die Entstehung einer Resistenz und damit die Unwirksamkeit des Medikaments mit möglicher Todesfolge.

Nach Vorhersagen des englischen Ökonomen Jim O‘Neil (2014 und 2016) müssen wir im Jahr 2050 weltweit mit 10 Millionen Todesfällen durch multiresistente Erreger rechnen, mehr als durch Krebserkrankungen (8,2 Millionen). Dabei sind die Risiken auf der Welt unterschiedlich verteilt. Besonders von der großen Zahl von Todesfällen betroffen werden Länder mit instabilen Gesundheitssystemen sein, vor allem in Asien mit ca. 4,7 Millionen Todesfällen und 4,1 Millionen in Afrika. Eine enorme ökonomische Auswirkung ist hierdurch zu erwarten.

Aktuell sterben weltweit ca. 700.000 Menschen an Infektionen, die durch resistente Bakterien ausgelöst werden, in Europa sind es schätzungsweise jährlich 25.000 Todesfälle.

Nationale Programme zur Eindämmung der Resistenz: DART

Die Bundesregierung hat das Problem der zunehmenden Resistenz bereits vor Jahren erkannt und mit der Deutschen Antibiotikaresistenzstrategie DART 2008 ein Konzept zur Eindämmung der weiteren Resistenzbildung entwickelt. 2015 wurde die aktualisierte Version „DART 2020“ veröffentlicht.

In der Humanmedizin werden 85 % aller Antibiotika im ambulanten Bereich verordnet. Seit 2007 ist die Menge des Antibiotikaverbrauchs in Deutschland im ambulanten Bereich stabil, der Anteil an Breitspektrumantibiotika wie Cephalosporine und Fluorchinolone am Gesamtverbrauch steigt jedoch.

In der Mehrzahl der Verschreibungen von Antibiotika wird auf vorherige mikrobiologische Untersuchungen verzichtet.

Eine Ursache der dramatisch steigenden Resistenzen und der dadurch schlechter beherrschbaren bakteriellen Infektionen ist unzweifelhaft der breite und z.T. ungezielte Einsatz von Antibiotika.

Die mikrobiologische Diagnostik ist der Standard für einen Erregernachweis. Bakterienkulturen und Resistenzbestimmungen benötigen allerdings Zeit – in der Regel 48 Stunden. Schnellere, molekulare Bestimmungsmethoden gibt es seit einigen Jahren für den Nachweis von MRSA. Für die Diagnostik (multiresistenter) gramnegativer Erreger stehen „Schnelltests“ zur Screeninguntersuchung bisher noch nicht für die Routine zur Verfügung!! Die rechtzeitige Erkennung auch dieser resistenten Erreger ist wichtig, damit bakterielle Infektionen gezielt behandelt werden können. Deshalb ist die Weiterentwicklung praxistauglicher molekularer Testverfahren notwendig.

Die Verbreitung von (resistenten) Erregern kann durch entsprechende Hygienemaßnahmen reduziert werden.

MEDILYS hat einen Antibiotikaausweis entwickelt, der dem Arzt und dem Patienten einen guten Überblick über bisherige Antibiotikabehandlungen, Infektionen, Erreger und Resistenzen gibt. Den Antibiotkaausweis können Sie unter www.medilys.com herunterladen.


ABS – Maßnahmen zur Eindämmung der Resistenzentwicklung

„Antibiotic Stewardship“ (ABS) steht für ein Bündel von Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität der Antibiotikaverordnungen. Strukturierte ABS-Aktivitäten sind sowohl im stationären Bereich als auch im ambulanten Bereich notwendig, um die Resistenzentwicklung als globale Herausforderung bewältigen zu können.

Dazu gehören z.B.

die strenge Indikationsstellung für eine Antibiotikatherapie auf der Basis von Leitlinien

die gezielte Auswahl des Präparats

die korrekte Dosierung und die Anwendungsdauer des Antibiotikums

die Festlegung der Indikation zu einer Antibiotikaprophylaxe

Mit strukturierten Therapiekonzepten auf der Basis von Leitlinien der Fachgesellschaften kann die Resistenzentwicklung im Zusammenhang mit dem reduzierten Verbrauch und damit auch verminderten Kosten günstig beeinflusst werden.

Die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie hat in Zusammenarbeit mit anderen Fachgesellschaften die S3-Leitlinie „Strategien zur Sicherung rationaler Antibiotika-Anwendung im Krankenhaus“ erarbeitet. Sie beschreibt die Koordinierung diverser Maßnahmen mit dem Ziel der Optimierung der Antibiotikaverordnungen.

Die Kommission ART (Antiinfektiva, Resistenz und Therapie) hat im Mai 2020 das Positionspapier „Strukturelle und personelle Voraussetzungen für die Sicherung einer rationalen Antiinfektivaverordnung in Krankenhäusern” veröffentlicht. Hier werden die erforderlichen Voraussetzungen insbesondere für die personelle Ausstattung in Krankenhäusern dargestellt, um die Ziele von ABS erreichen zu können. ABS-Teams arbeiten interdisziplinär. Die ABS-Beauftragten Ärzte berücksichtigen die speziellen Belange ihrer Abteilung.

In Krankenhäusern sind interdisziplinäre infektiologische Visiten, insbesondere auf Intensivstationen wichtig. Es gibt in den Asklepios Kliniken gute Erfahrungen mit gemeinsamen Visiten an denen Mikrobiologen, Infektiologen, Hygieniker und Apotheker teilnehmen, die Kliniker auf den Stationen auf der Basis der eigenen, lokalen Antibiotikaleitlinien beraten. Im ABS-Team können die Strategien für die Therapie im Haus festgelegt werden. Eine wichtige Entscheidung ist, Antibiotika nicht zu verordnen.

In der ambulanten Patientenversorgung sind Antibiotika-Therapieempfehlungen für den niedergelassenen Arzt, infektiologische Fortbildungsveranstaltungen und (lokale) Netzwerke eine gute Informationsquelle. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung gibt Informationsmaterial für Niedergelassene und Patienten – auch in Fremdsprachen heraus.

Denn neben einem infektiologisch qualifizierten behandelnden Arzt ist auch die Compliance des Patienten ein wichtiger Faktor in der qualitätsgesicherten Antibiotikatherapie. Wir müssen den Patienten deshalb durch Aufklärung und Information ebenfalls einbinden.

Antibiotika-Führerschein

Zur Unterstützung der behandelnden Ärzte für die rationale Antibiotikatherapie, die Detailkenntnisse auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft über Erreger, ihre Resistenzentwicklung und antiinfektive Wirkstoffe voraussetzt, hat MEDILYS in Kooperation mit der Asklepios Ärzteakademie einen Antibiotika-Führerschein entwickelt, der aus E-Learning-Modulen besteht. Er bietet allen Ärzten, Apothekern und Assistenzpersonal in kurzen übersichtlichen Kapiteln aktuelle Informationen zu infektiologisch wichtigen Themen und trägt somit zur verantwortlichen Verordnung von Antibiotika bei.

Mit der Beantwortung von Fragen kann ein Modul erfolgreich abgeschlossen werden, und der Teilnehmer kann sich eine entsprechende Bescheinigung ausdrucken.

Nach der Absolvierung von 10 Fortbildungen wird der Asklepios Antibiotika-Führerschein ausgestellt. Unter diesem Link können Sie sich anmelden: https://asklepios.academymaker.de/academies/enterActionCodeStep1.do?kundennummer=asklepios&actionCode=medilys&browserLanguage=de

Die Teilnahme ist für Mitarbeiter der Asklepios Kliniken kostenlos. Auch Mitarbeiter medizinischer Einrichtungen, die nicht in den Asklepios Kliniken tätig sind, können sich (kostenpflichtig) für den Antibiotika-Führerschein unter dem gleichen Link anmelden.

Antibiotika-Fibel 2021/22

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