Читать книгу Das Flammensiegel - Susanne Krauß - Страница 6
1. Tag
Оглавление»Des Nachts auf meinem Lager suchte ich, den meine Seele liebt. Ich suchte; aber ich fand ihn nicht.« Das Hohelied Salomos 3, 1
Seit mehr als einem Jahr trug ich den Schleier einer verheirateten Frau, aber mein Bett war einsam wie das Nachtlager einer Nonne. Mit meinem Ehegatten verbanden mich nur noch die Erinnerung an die wenigen gemeinsam verbrachten Stunden und ein kleiner Stapel Briefe. Den letzten hatte er mir am Weihnachtsfest geschrieben, das er am Hof des Kaisers in Alba feiern musste. Und jetzt war Erntezeit, falls es in diesem von Barbarossas Truppen zerstörten Land überhaupt noch irgendetwas zu ernten gab. Seit genau 221 Tagen war ich ohne jede Nachricht von meinem Mann. Wo steckte er bloß?
Als Kammerzofe der Kaiserin war ich mit meiner Herrin ins Kriegsgebiet gereist und hatte meine ganze Hoffnung darauf gesetzt, ihn hier in der Lombardei wiederzusehen. Aber gleichgültig, an wen ich mich wandte, niemand kannte Trushard von Köln. So sehr ich auch suchte, ich fand keine Spur von ihm.
Den letzten Rest Zuversicht hatte ich verloren, als der Kaiser am Morgen mit einem kleinen Gefolge in den Burghof eingeritten war. Er hatte das Lager vor der feindlichen Stadt Crema, die er mit seinen Truppen abriegelte, verlassen, um seiner lang entbehrten Gemahlin in San Bassano einen Besuch abzustatten. Der Marktflecken lag nicht weit von Crema entfernt. Inständig hatte ich gehofft, dass er Trushard mitbringen würde, aber ich wurde bitter enttäuscht. Die Tränen schossen mir in die Augen, als ich sah, wie die Kaiserin ihrem Gatten mit wehendem Schleier entgegeneilte und er sie freudestrahlend in die Arme schloss.
Den Rest des Tages verkroch ich mich in den Weinkeller. Das war der einzige Ort in dieser mit Menschen voll gestopften Burg, an dem ich mich ungestört ausheulen konnte. Erst am Abend raffte ich mich auf, meine Zufluchtsstätte zu verlassen, denn bald würden die Mägde kommen, um Wein für das Festmahl zu holen.
Widerwillig schleppte ich mich zu der Halle, in der das ach so glückliche Wiedersehen des kaiserlichen Paares mit einem üppigen Schmaus gefeiert werden sollte. Als Kammerzofe konnte ich nicht einfach wegbleiben.
Und so hockte ich neben meiner Freundin Gisla wie ein Trauerkloß inmitten der lärmenden Festgesellschaft. Überall an den langen Bänken und Tafeln wurde gegessen, gelacht und geplaudert. Nur ich brachte keinen Bissen herunter.
Die wenigen Männer, die der Kaiser mit in die Burg genommen hatte, bildeten einen bunt zusammengewürfelten Haufen: ein stiller Ritter, ein ausgesprochen kostbar gewandeter Adeliger, ein fetter Zisterziensermönch und ein südländisch aussehender Mann, den ich überhaupt nicht einordnen konnte. Sein brauner Leinenrock war abgetragen und geflickt, aber seine Bewegungen kündeten von der Eleganz und dem Selbstbewusstsein lombardischer Kaufleute. Die vier saßen an der Tafel, die an der Fensterseite der schmucklosen Halle aufgebaut worden war, der Mönch und der Südländer ganz in der Nähe des kaiserlichen Paares, das auf einem Podest am Kopfende des Saales thronte. Der Adelige hatte seinen Platz ein Stück weiter entfernt, in der Mitte der Tafel, und der stille Ritter brütete ganz am Ende vor sich hin.
Ich beneidete sie um ihre Plätze, denn sie bekamen wenigstens ein bisschen frische Luft ab. Die halbkreisförmigen Fenster waren zu klein für die vielen Menschen in der Halle, aber da sie zum Serio hinausführten, durften sie nicht größer sein, weil sie sonst ein allzu leichtes Angriffsziel für feindliche Pfeile und Geschosse gewesen wären. Schließlich bildete der Fluss die Grenze zwischen dem kaisertreuen Cremona und dem kaiserfeindlichen Crema. Doch die abgestandene Luft, in die sich der stechende Gestank schwitzender Körper und der Geruch dampfender Fleischspeisen mischten, war unerträglich. Unter meinem Schleier quollen Schweißtropfen hervor und rannen mir über die Wangen. Die Öffnung des Steinkamins kam mir vor wie ein riesiges Maul, das meinen verschwitzten Körper verspottete. Wenn es nicht so rußgeschwärzt gewesen wäre, hätte ich nie geglaubt, dass es in diesem heißen Land jemals Feuer gespuckt hatte.
Mit der rechten Hand fächelte ich mir Luft zu und versuchte, den jämmerlichen Vortrag des Minnesängers Guillaume zu ignorieren. Der selbst ernannte Künstler mühte sich redlich, seinem Rebec so etwas wie eine Melodie zu entlocken, aber er brachte nur ein Kratzen hervor, und seine Stimme schepperte wie Blech. Dazu warf er seine mit einem Brenneisen gekräuselten Locken dann und wann theatralisch nach hinten.
Guillaumes Darbietung, die sich eher durch Mut als durch Wohlklang auszeichnete, weckte in mir das Verlangen nach dem vollendeten Gesang meines Mannes. Auch Trushard war ein fahrender Spielmann gewesen, bevor er widerwillig in die Dienste des Kaisers getreten war. Wann würde ich endlich wieder seine samtweiche Stimme hören und ihm dabei zusehen können, wie er mit bunten Bällen jonglierte und mit Messern auf eine Holzscheibe zielte? Die Sehnsucht nach meinem Mann war eine nagende Ratte tief in mir, und ich spürte, wie sie von Tag zu Tag wuchs und gedieh. Ich beschloss, das verdammte Vieh in lombardischem Rotwein zu ersäufen, hob den Becher an meine Lippen und trank ihn in einem Zug leer.
Doch es half nichts. Die Ratte wühlte immer heftiger. Würde ich meinen Mann überhaupt noch einmal wiedersehen, oder war er umgekommen bei einem der gefährlichen Aufträge, die er als Bote für Barbarossa mitten im Kriegsgebiet erledigen musste?
»Wisst Ihr etwa nicht, wer ich bin?« Die donnernde Stimme, die sich mühelos über Guillaumes Gekrächze hinwegsetzte, riss mich aus meinen Gedanken. Erschrocken sah ich hoch. Nur wenige Schritte von mir entfernt stand der kostbar gewandete Adelige, den Barbarossa mitgebracht hatte, und stritt mit dem Truchsess. Dabei reckte er die Brust so weit nach vorne, dass es aussah, als müsste er jeden Augenblick das Gleichgewicht verlieren, und plusterte sich auf wie ein Gockel.
»Graf Wichtig«, wie ich ihn unwillkürlich im Stillen nannte, trug einen mit reich bestickten Borten verzierten dunkelblauen Seidenrock. An jedem Finger glänzte ein Goldring. Sein weizenblondes, kinnlanges Haar war so akkurat geschnitten, als habe man ihm einen Kessel über den Kopf gestülpt. Das bartlose Kinn war sorgfältig rasiert. Die Spitze seiner langen Nase bog sich nach unten. Eine feuerrote Narbe auf der linken Wange verriet, dass er erst vor kurzem in ein heftiges Gefecht verwickelt worden war.
»Seit Karl dem Großen gehören wir zu den mächtigsten Adelsgeschlechtern des Reiches«, schnaubte der Wichtigtuer. »Ich bin einer der engsten Vertrauten von Herzog Heinrich von Bayern und Sachsen und verlange, dass man mich meinem Rang entsprechend ganz vorne beim Kaiserpaar platziert!«
Auch meine Freundin Gisla beobachtete die Auseinandersetzung und rückte ein Stück näher. »Graf Otto hat sich wirklich kein bisschen geändert, seit ich ihn das letzte Mal sah«, flüsterte sie mir zu. »Da war er hinter mir her wie der Leibhaftige, aber ich habe ihm natürlich einen Korb gegeben.«
Wieder einer von Gislas Verehrern, dachte ich seufzend. Welcher Mann – abgesehen von meinem Trushard natürlich – war eigentlich nicht völlig vernarrt in sie? Sie sah ja auch wirklich gut aus: fein geschnittene Gesichtszüge, große graue Augen, volle Lippen und ein perfekt geformter, überaus weiblicher Körper, den sie mit eng geschnittenen Seidenkleidern gekonnt zur Geltung brachte. Am meisten aber beneidete ich sie um ihre Haare: üppige Wellen, die wie Blütenhonig schimmerten. Ich selbst war mit störrischen Locken geschlagen, deren Farbe an ganz gewöhnliche Erde erinnerte. Und erst meine Augen! Erbsengrün! Nichts in meinem viereckigen Gesicht war zart und weiblich, wie es die Männer so gerne mochten: weder die gerade Nase noch der energische Mund. Wenn ich wenigstens eine hinreißende Figur gehabt hätte – aber nein! Früher war ich klein und dick gewesen, heute war ich klein und mager, denn die Sorge um meinen Mann raubte mir jeglichen Appetit.
»Weißt du, was Otto damals zu mir sagte?« Gisla dämpfte ihre Stimme noch mehr. »Es sei doch eine große Ehre für mich, dass seine Wahl auf mich gefallen wäre. Und überhaupt würde ich eine Liebelei mit ihm gewiss nicht bedauern, denn er trüge seinen Beinamen – der Stier – völlig zu Recht. Und dann deutete er stolz auf seine lange Nase. Na, du weißt ja, was man sich über lange Nasen erzählt …« Sie kicherte.
Ich warf noch einmal einen Blick zu dem Grafen. Die Antwort des Truchsesses konnte ich leider nicht verstehen, da Guillaume nun an einer besonders dramatischen und lauten Stelle des schier unendlichen Liedes angelangt war, aber die Bewegungen des Truchsesses sahen beschwichtigend aus. Otto musste so um die dreißig sein, schätzte ich. »Ist der Graf etwa noch nicht verheiratet?«, fragte ich verwundert. »Immerhin ist er nicht mehr der Jüngste.«
Gisla schnaubte. »Du bist schon so lange am Hof und hast immer noch nichts über die Männer gelernt! Mädchen, in deinem hinterwäldlerischen kleinen Lautern mögen die Kerle ja noch einigermaßen treu sein, weil sie das Geschwätz der Nachbarn fürchten, die jeden Seitensprung mitbekommen. Aber die Adeligen kümmert es nicht, was andere von ihnen denken. Sie heiraten irgendeine standesgemäße Weibsperson, die möglichst viel Besitz mit in die Ehe bringt, und dann suchen sie sich ihr Vergnügen bei einer anderen, während die arme Gattin den Rest ihres Lebens nur mit diesem schrecklichen Kerl verbringen darf. Was glaubst du, warum ich noch nicht verheiratet bin? Als Hofdame der Kaiserin hätte es mir an Auswahl wahrlich nicht gemangelt, aber ich lasse mich nicht wie eine Sklavin behandeln. Einmal hätte ich fast geglaubt, den Richtigen gefunden zu haben, aber dann …« Gislas Blick verlor sich.
»Und ich habe den Richtigen gefunden und muss doch wie eine Witwe dahinsiechen«, sagte ich bitter. »Dabei bin ich noch so jung!« Halt suchend umklammerte ich das Holzamulett, das mein Mann für mich geschnitzt hatte und das ich Tag und Nacht an einem Lederband um den Hals trug. Meine Fingerspitzen fuhren über das wohl vertraute Spiralmuster.
Tröstend strich Gisla über meinen Arm. »Rotrud, hast du eigentlich daran gedacht, dass der Kaiser die meisten Männer aus seinem Gefolge im Marktflecken untergebracht hat? Hier in der Burg war kein Platz für sie. Vielleicht ist Trushard ja in San Bassano?«
Bei den Worten meiner Freundin wurde mir leichter ums Herz. Wie hatte ich Schaf bloß glauben können, dass der Kaiser nur von ein paar Männern hierher begleitet worden war! Das wäre viel zu gefährlich gewesen. Es mochte also durchaus sein, dass mein Mann heute nach mir gesucht und mich nicht gefunden hatte.
»Ich werde die Männer aus Barbarossas Gefolge befragen. Selbst wenn Trushard nicht mitgekommen ist, wissen sie vielleicht, wo er sich aufhält.« Von neuer Hoffnung erfüllt, stand ich auf.
Vorsichtig schlängelte ich mich zwischen den Bänken hindurch, bis ich zum hinteren Ende des Saales gelangte. Als ich zur Fensterseite ging, achtete ich darauf, mit dem weiten Rock nicht an den Speeren, Streitäxten und Schilden hängen zu bleiben, die an der Wand lehnten.
Der Truchsess hatte anscheinend klein beigegeben, um einen Riesenkrach zu vermeiden, denn er geleitete Graf Otto zu einem Ehrenplatz ganz nach vorne, gegenüber von dem fetten Mönch, den Barbarossa mitgebracht hatte. In den Augen des Grafen blitzte es triumphierend. Ich entschied, Otto den Stier erst dann zu befragen, wenn mir die anderen Männer nicht weiterhelfen konnten. Ich hatte weiß Gott Kummer genug, da wollte ich mich nicht auch noch von diesem unangenehmen Zeitgenossen anraunzen lassen.
Der Ritter schien mir dagegen der geeignete Mann zu sein, um mit der Befragung zu beginnen, denn er sah genauso trübsinnig aus, wie ich mich fühlte. Er hatte sich ans hinterste Eck der Tafel verkrochen – weitab von den anderen kaiserlichen Männern. Auch seine Sitznachbarn aus dem Gefolge der Kaiserin hielten Abstand, als fürchteten sie, seine Traurigkeit könne ansteckend sein.
Er hatte den Kopf in beide Hände gestützt und starrte reglos auf den Zinnbecher, der vor ihm stand. Das Tischtuch an seinem Platz war so makellos, als hätte ich es gerade erst aus Beatrix’ Truhe geholt. Das ließ nur einen Schluss zu: Auch er hatte, genauso wie ich, keinen einzigen Bissen gegessen. Trotz meines eigenen Kummers regte sich Mitgefühl in mir, in das sich leider Gottes auch, wie ich mir beschämt eingestand, eine unziemliche Neugier mischte. Welche Sorgen ihn wohl plagen mochten?
Vom anderen Ende der Tafel drang lautes Lachen zu uns. Der fette Mönch aus Barbarossas Gefolge klatschte sich vor Vergnügen auf die Schenkel. Ruckartig hob der traurige Ritter den Kopf und blickte fassungslos zu dem Ordensbruder hinüber, als könne er nicht glauben, was er sah und hörte.
Und auch ich war erstaunt über das Bild, das sich meinen Augen bot. Ein Zisterzienser, der beim Essen anscheinend kein Maß kannte und außerdem auch noch zu Scherzen aufgelegt war! Angeregt plauderte er mit seinem Sitznachbarn und lachte immer wieder laut auf. Der Orden war für seine harte Askese bekannt, und ich wunderte mich, dass er einen solch lebenslustigen Bruder in seinen Reihen duldete. Oder war er als Spätbekehrter gerade erst aufgenommen worden und hatte noch Mühe, sich an die strenge Ordensregel zu gewöhnen? Der Mönch hatte die Mitte seines Lebens bereits überschritten, denn der dunkle Haarkranz, der seine Tonsur umgab, war von grauen Strähnen durchzogen.
Ich huschte näher zu dem traurigen Ritter, fasste mir ein Herz und tippte ihm leicht auf die Schulter. Erschrocken zuckte er zusammen und fuhr zu mir herum.
Gut sah er aus. Bronzefarbene Haut, halblange braune Locken und ebenmäßige Gesichtszüge. Aber unter den Augen, die die Farbe unreifer Oliven hatten, zeichneten sich dunkle Ringe ab. Er schien durch mich hindurchzusehen, als weilte er an einem anderen Ort.
Um ihn aus seinen Gedanken zu reißen, sprach ich lauter als üblich. »Entschuldigt bitte, aber kennt Ihr zufällig einen Boten, der in Barbarossas Diensten steht und Trushard von Köln heißt?«
»Trushard wer?« Er schien nur mühsam in die Wirklichkeit zurückzufinden.
Geduldig wiederholte ich meine Frage.
Allmählich löste sich seine Erstarrung. »Ach ja, dieser riesengroße Bote, der immerzu traurige Liebeslieder singt und Messerwerfen übt. Natürlich kenne ich den. Wenn auch nur flüchtig.«
Mein Herz hüpfte. »Könnt Ihr mir sagen, wo er sich gerade befindet und wie es ihm geht?«
»Warum wollt Ihr das wissen? Seid Ihr sein Eheweib?« Seine Aufmerksamkeit schien plötzlich geweckt zu sein. Der gedankenverlorene Ausdruck in seinen Augen war verschwunden. Interessiert und ohne eine Spur von zudringlicher Neugier musterte er mich.
Stumm nickte ich.
»Bitte setzt Euch doch.« Mit der Hand deutete er auf seine rechte Seite. Er wusste also etwas über Trushards Verbleib. Waren es gute oder schlechte Neuigkeiten? Rasch schlüpfte ich zu ihm auf die Bank, denn ich hatte das Gefühl, meine butterweichen Knie würden jeden Augenblick nachgeben.
»Entschuldigt, ich vergaß, mich vorzustellen«, fuhr der trübsinnige Ritter fort. »Ich bin Franz von Kesselheym.«
Das also war jener Ritter, dessen Name in aller Munde war, weil er sich im Kampf gegen die Mailänder und ihre Verbündeten so ausgezeichnet hatte. Er stammte aus einem uralten Geschlecht mit Sitz am Bodensee, das die besten Ritter des Reiches hervorgebracht hatte. Seiner edlen Abkunft machte er, den Erzählungen zufolge, wahrlich alle Ehre. Tapfer sei er, so hieß es, und außerdem freigebig, barmherzig und maßvoll im Essen und Trinken – kurzum: ein Vorbild für alle Knappen und Ritter. Unter anderen Umständen hätte ich mich geehrt gefühlt, ihn kennen zu lernen, aber jetzt wollte ich von ihm nur eines wissen: Wo steckte mein Mann?
Der Ritter räusperte sich. »Euren Gatten habe ich zum letzten Mal vor mehr als einem halben Jahr gesehen, als der Kaiser ihm auftrug, kreuz und quer durch Italien zu reisen, um die fälligen Abgaben einzutreiben.«
Ein lebensgefährlicher Auftrag, denn so mancher griff gewiss zur Waffe, um die Abgaben nicht herausrücken zu müssen. Mein Herz krampfte sich zusammen. »Habt Ihr eine Vermutung, wo er sich jetzt befinden könnte?«, bohrte ich verzweifelt nach.
Bedauernd schüttelte Franz den Kopf. »Mehr kann ich Euch auch nicht sagen.«
Gerade wollte ich ihm für seine Auskunft danken und mich erheben, um den fetten Mönch zu befragen, da brach Guillaumes Gekrächze unvermittelt ab. Sofort verstummten auch die Gespräche.
Ich sah mich um und bemerkte, dass sich der Kaiser von seinem Lehnstuhl erhoben hatte. O nein. Ausgerechnet jetzt, wo ich vor Ungeduld brannte, würde Barbarossa bestimmt eine unendlich lange Rede halten, um seinen Kriegern für ihre Treue zu danken und sie zu weiteren Taten anzustacheln.
Seit unserer letzten Begegnung in der Pfalz zu Lautern hatte sich Kaiser Friedrich kaum verändert. Nur seine milchweiße Haut war von der italienischen Sonne rötlich gefärbt worden. Trotz der Beschwerlichkeiten des Krieges pflegte sich der Kaiser so sorgfältig wie immer. Seine blonden Locken, die bis zu den Ohren reichten, der rötliche Backenbart und der Schnurrbart waren akkurat geschnitten. Ein eingesticktes Rundmedaillon mit einem Adler schmückte den purpurfarbenen Seidenrock, an dem sich keine einzige Knitterfalte erkennen ließ. Verbittert dachte ich, dass Barbarossa wenigstens einmal meinen Mann hätte aussuchen können, um seine Briefe an Beatrix überbringen zu lassen. Der Kaiser wusste sehr wohl, dass wir verheiratet waren, aber ein Bote und eine Zofe waren anscheinend zu unwichtig. Warum sollte er auch nur einen Gedanken an unser Wohlergehen verschwenden!
»Von Gottes Gnaden bin ich zum Kaiser gekrönt worden.« Barbarossas Stimme war klar und hoch. »Mir steht es zu, in Italien Abgaben einzuziehen und die Rechtsprechung auszuüben. Dennoch weigern sich Mailand und einige andere lombardische Städte, meine Oberhoheit anzuerkennen. Die Aufrührer widersetzen sich damit der göttlichen Ordnung. Wer sich mir nicht unterwirft, versündigt sich.«
Mit unterdrückter Wut hatte ich zugehört. Von wegen Sünde und göttliche Ordnung! Sünde war es, wenn man den heiligen Namen des Herrn für irdische Zwecke missbrauchte und tausende von unschuldigen Menschen in den Kampf schickte! Am liebsten wäre ich schreiend aufgesprungen. Nur wegen dieses sinnlosen Krieges befand sich mein Mann in Gefahr. Und nicht nur meiner. So viele Frauen warteten schon seit über einem Jahr in Deutschland auf die Rückkehr ihrer lang entbehrten Gatten. Gewiss, auch der Kaiser riskierte sein Leben im Krieg, aber er tat es wenigstens für seine Ehre und sein Geld, während die meisten seiner Männer alles zu verlieren, aber nichts zu gewinnen hatten. Ich biss mir auf die Lippen, um meine Wut hinunterzuschlucken.
»Einige von Euch haben sich in den Kämpfen um Mailand tapfer geschlagen«, fuhr der Kaiser fort. »Im letzten Jahr haben sich die Mailänder unterworfen, doch dann haben sie den Friedensschwur gebrochen. Der Krieg muss weitergehen. Eine kleine Stadt wie Crema wagt es, sich den kaiserlichen Befehlen zu widersetzen.« In seinen hellen Adleraugen blitzte es. »Das ist unerhört! Was werden erst die großen Städte tun, wenn sie sehen, dass ein solches Verhalten nicht bestraft wird? Uns bleibt nichts anderes übrig, als ein Beispiel unserer Entschlossenheit zu geben. Wir können und dürfen nicht länger hinnehmen, dass die Rebellen die Ehre des Reiches mit Füßen treten.«
Bis auf Franz hieben alle Männer begeistert auf die Tischplatten. Es war einer dieser Augenblicke, in denen ich ausnahmsweise froh darüber war, eine Frau zu sein. Wenigstens musste ich mich nicht verstellen und Zustimmung heucheln. Als ob es dem Kaiser um die Ehre des Reiches ginge! In Wahrheit wurde dieser Krieg um des schnöden Mammons willen geführt. Die fünfzehntausend Mark Silber, die das kaisertreue Cremona für die Zerstörung von Crema zahlte, waren ein – im wahrsten Sinne des Wortes – gewichtiges Argument. Und die Erträge aus den Abgaben und Hoheitsrechten, die jährlich in Reichsitalien eingezogen wurden und die der Kaiser den lombardischen Städten abnehmen wollte, betrugen dreißigtausend Pfund Silber. Das war viereinhalb Mal so viel, wie alle deutschen Städte zusammen jedes Jahr an den Kaiser zahlten.
Barbarossa wartete, bis sich das Raunen und Klopfen gelegt hatte, dann räusperte er sich. »Obwohl Crema zur Grafschaft und zur Diözese von Cremona gehört, hat es sich einfach von seiner Mutterstadt losgesagt und mit dem feindlichen Mailand verbündet«, fuhr er fort. »Ich habe die Rebellen vor mein Gericht geladen. Aber trotz der Geiseln, die die Cremasken schon im vergangenen Herbst auf dem Reichstag in Roncaglia stellen mussten, sind die Bürger nicht erschienen. Die Cremasken widersetzen sich meinem Befehl, ihre Befestigungen zu schleifen. Dann haben sie auch noch zusammen mit den Mailändern die Stadt Lodi, die sich unserem kaiserlichen Schutz unterstellt hatte, angegriffen. Uns blieb daher nichts anderes übrig, als die Cremasken zu Reichsfeinden zu erklären und zu belagern.«
Der Kaiser ließ in seiner Rede wirklich nichts aus. Nie würde ich mich daran gewöhnen, dass die ausführliche Darlegung all dessen, was ohnehin jeder Zuhörer längst wusste, zu solch festlichen Anlässen gehörte. Ungeduldig zupfte ich an meinen Tütenärmeln herum. Ich wollte endlich mit der Befragung weitermachen.
Der Kaiser wandte sich zu seiner Gemahlin. Beatrix war ohnehin eine Augenweide, aber heute Abend übertrumpfte sie sogar Venus an Schönheit, wie ich neidvoll feststellte. Vor Wiedersehensfreude leuchteten ihre blauen Augen wie funkelnde Saphire, die Wangen waren zart gerötet, und ihr Kirschmund schien immerfort zu lächeln. Für ihren Gatten hatte sie sich herausgeputzt und ihr prachtvollstes Seidengewand aus entstielten Pfauenfedern angezogen, das im Licht der Abendsonne blaugrün schillerte wie die Oberfläche eines Sees. Über das Haar hatte sie einen fast durchsichtigen Schleier gelegt, sodass der Kaiser durch das hauchdünne Stück Stoff hindurch ihre goldenen Flechten bewundern konnte.
»Seit Wochen trotzen die Cremasken unserer Belagerung«, fuhr Barbarossa fort. »Aber die Kaiserin hat die Gefahr nicht gescheut und Nachschubtruppen über die Alpen gebracht. Mit dieser Verstärkung und Gottes Hilfe werden wir die Cremasken in kürzester Zeit besiegt haben. Wir dürfen nicht vergessen: Hier in der Lombardei herrschte schon Krieg, bevor unsere Truppen eintrafen. Da sie keinen Herrn über sich haben, der für Ordnung sorgt, bekämpfen sich die Städte untereinander. Viel unschuldiges Blut wird in diesen erbitterten Auseinandersetzungen vergossen. Daher gibt es auch lombardische Städte, die treu zu uns halten. Ich bin sicher: Bald wird ein goldenes Zeitalter des Friedens und des Rechts anbrechen. Dafür kämpfen wir, und dafür wagen wir unser Leben!« Unter lauten Beifallsrufen ließ sich der Kaiser wieder auf seinem erhöhten Sitz nieder. Ich atmete auf. Endlich war er fertig mit seiner Rede.
Vom Gang ertönte das rasche Klacken von Stiefeln. Franz zuckte zusammen, griff sich achtlos ein Stück Fladenbrot und umschloss es mit der Faust. Warum war er so schreckhaft?
Ein kräftiger Mann in Kettenhemd und Helm stürzte herein, rutschte über die Fliesen bis ans Kopfende des Tisches, fiel auf die Knie und riss sich den Helm vom Kopf. »Majestät, die Cremasken haben einen Ausfall gewagt!«
Die Gespräche verstummten schlagartig. Ein pickeliger Jüngling ließ die Fleischplatte fallen, die er gerade hereintrug. In der plötzlichen Stille klirrte das zerspringende Geschirr so laut, dass alle zusammenfuhren.
Hoffentlich war Trushard nicht ausgerechnet jetzt im Lager vor Crema eingetroffen, nachdem er monatelang unterwegs gewesen war. Unmöglich war es nicht. Das Lager war sehr groß, und es mochte gut sein, dass Franz ihn dort nicht gesehen hatte. Die Angst fuhr mir wie ein glühender Schürhaken in den Unterleib.
Der Kaiser sprang auf. »Was ist passiert? Berichtet!«
Der Bote war noch außer Atem. »Ihr wart heute Morgen gerade fortgeritten … Auf einmal schrecklicher Lärm hinter dem Tor von Ombriano, das Eure Ministerialen bewachen … Und dann stürmten Massen von Reitern daraus hervor! Mit Feuer und Waffen!«
»Wie viele waren es genau?«, forschte der Kaiser.
Der Bote überlegte kurz. »Mehrere hundert in jedem Fall, ich schätze zwischen vierhundert und sechshundert.«
Barbarossa wurde blass. »Mein Gott, so viele! Und unsere Leute? Nun sagt schon!« Seine Stimme war schrill vor Erregung.
Der Bote senkte den Kopf. »Überaus tapfer haben sie Widerstand geleistet, aber die Cremasken schafften es trotzdem, in unser Lager zu gelangen. Euer Bruder, Pfalzgraf Otto, Graf Robert von Bassavilla und andere Edle, die sich mit ihren Rittern in der Nähe befanden, sind den Ministerialen zu Hilfe gekommen. Gemeinsam haben sie nach erbitterten Kämpfen mehrere Cremasken getötet und die restlichen so erbarmungslos verfolgt, dass sie sich in Todesangst in den Wassergraben vor der Stadt geworfen haben und ertrunken sind.« Der Bote schluckte und fügte mit leiser Stimme hinzu: »Es gibt viele Tote, auch auf unserer Seite.«
Heilige Margarete, schütze meinen Mann, wo immer er sich befinden mag, betete ich in Gedanken, während ich das Amulett mit beiden Händen umschloss.
Nachdem der Bote seinen Bericht beendet hatte, brach ein Sturm der Empörung los. Die Männer sprangen von den Bänken und schrien wild durcheinander.
»Diese lombardischen Schweine!«
»Wartet nur, das zahlen wir euch heim!«
»An den Galgen mit ihnen! Tod den Cremasken!«
Barbarossa bedeutete dem Boten, sich zurückzuziehen.
Ich warf einen Blick in die Runde. Der pickelige Bursche, der die Fleischplatte hatte fallen lassen, stand wie vom Blitz getroffen und machte keine Anstalten, die Scherben zusammenzukehren. Außer den Hofdamen waren nur Franz und der fette Zisterziensermönch sitzen geblieben. Die beiden wechselten einen langen Blick. Die kleinen dunklen Augen des Mönchs, die mich an unsere boshafte Sau daheim auf der Burg Beilstein erinnerten, funkelten Franz verärgert an.
Der Ritter senkte den Kopf. »Unsere armen Leute. Der Herr sei ihren Seelen gnädig«, murmelte er vor sich hin, dann öffnete er langsam die Faust. Brotkrümel rieselten auf die Tischplatte.
Nachdem sich der Mönch hastig bekreuzigt hatte, griff er nach einem dicken Stück Schinken und biss herzhaft hinein.
Barbarossas kräftiger Hals lief rot an. Ich kannte dieses Anzeichen nur allzu gut. Gleich würde ein Zornesausbruch folgen.
Der Kaiser ballte die Fäuste. Seine Stimme brachte das Durcheinander im Saal zum Verstummen. Die Männer setzten sich wieder.
»Anstatt in Demut um Gnade zu bitten, wie es solch elenden Rebellen zustünde, wagen sie es noch, uns anzugreifen! Aber niemand fordert ungestraft den Kaiser heraus. Wer sich durch Sanftmut nicht auf den rechten Weg zurückbringen lässt, wird die gerechte Strafe erhalten. Mit der Nachsicht ist jetzt Schluss. Wir werden nicht eher ruhen, bis wir alle ihre Söhne und Enkel ausgerottet und jeden Stein ihrer verdorbenen Stadt zertrümmert haben!«
Zustimmende Rufe wurden laut. Der feiste Mönch brummelte halbherzig etwas vor sich hin, dann widmete er sich wieder seinem Schinken. Franz wischte sich den Schweiß von der Stirn und lockerte die Schnüre am Kragen seines hellgrünen Rocks. Seine Augen glänzten fiebrig.
Trotz – oder gerade wegen – meines eigenen Kummers regte sich mein Mitgefühl. »Ist Euch nicht wohl?«, fragte ich ihn. »Kann ich Euch helfen?«
Ohne mich eines Blickes zu würdigen, stand Franz auf und verließ den Saal. Der dicke Mönch warf einen bedauernden Blick auf den Schinken, wischte sich seufzend die Hände am Tischtuch ab und lief dem Ritter hinterher.
Barbarossa wartete, bis sich der Lärm wieder gelegt hatte, dann fuhr er fort: »Morgen kehren wir ins Lager zurück, und dann werden uns die Cremasken von einer anderen Seite kennen lernen. Wehe den Besiegten!«
Die Männer trommelten so heftig auf die Tische, dass die Weinkrüge ins Wanken gerieten. Einige stürzten um, und blutrote Bäche schlängelten sich um die Speiseplatten. Hoch aufgerichtet und mit blitzenden Augen wie ein Racheengel stand Barbarossa an seinem Platz. Beatrix erhob sich und legte zum Zeichen der Zustimmung ihre kleine Hand auf seinen Arm.
Mich hielt es nicht mehr länger in der Bank. Über Trushards Verbleib musste ich mir Gewissheit verschaffen. Er war ein Bote des Kaisers, genau wie der Mann, der die schlechte Nachricht überbracht hatte. Er würde vielleicht am ehesten wissen, wo sein Leidensgenosse steckte. Hastig sprang ich auf und lief zur benachbarten Tafel, an der sich der Bote erschöpft niedergelassen hatte. »Ihr kennt doch bestimmt Trushard von Köln?« Meine Stimme zitterte. »Wisst Ihr zufällig, wo er ist und wie es ihm geht?«
Der Bote sah mich betroffen an. »Er war bei den Kämpfen im Lager dabei. Als ich ihn das letzte Mal sah, war er von mehreren Cremasken eingeschlossen. Trushard hatte schon eine klaffende Wunde am linken Oberarm, und seine Kraft ließ nach.« Er zögerte kurz, dann setzte er hinzu: »Ich habe gesehen, wie ein Cremaske mit dem Schwert ausholte und auf Trushards ungeschützten Kopf zielte.«
***
Auf seinen ungeschützten Kopf, mein Gott! Dann hatte es keine Rettung für Trushard gegeben. Mein Mann, der wegen seiner extremen Magerkeit den Spitznamen »Knochenpoet« erhalten hatte, alleine im Kampf gegen mehrere Krieger! Im Handumdrehen mussten sie ihn überwältigt haben, zumal ihm die Wunde auch noch am linken Arm zugefügt worden war. Und Trushard war Linkshänder …
In stummem Entsetzen presste ich die Hand vor den Mund. Abrupt drehte ich mich um, schleppte mich kraftlos zu meinem Platz und ließ mich auf die Bank sinken. Ich presste die Beine zusammen, ballte die rechte Hand zu einer Faust und biss auf die Fingerknöchel, um zu verhindern, dass ich meinen Schmerz hinausbrüllte. Mit der linken Hand drückte ich den rechten Arm ganz fest an den Körper. Ich kauerte mich zusammen wie ein Kind, das Schutz sucht.
»Was ist passiert?«, fragte Gisla erschrocken.
Ich bekam kein Wort heraus. Die Tränen strömten mir über das Gesicht, aber ich hatte noch nicht einmal mehr die Kraft, mein Taschentuch aus dem Ärmel zu ziehen und sie abzuwischen. Vor meinem inneren Auge tauchte ein entsetzliches Bild auf: ein Cremaske, der meinen Mann erschlug. Unwillkürlich zog ich den Kopf ein, so wie Trushard es in seinen letzten Augenblicken getan haben mochte. Ich sah das Schwert, das auf seinen Kopf niedersauste, und … Mein Verstand weigerte sich zu begreifen, was danach geschehen war.
Gisla tupfte mir die Tränen ab. Taktvoll, wie sie war, schwieg sie.
Wenn wir nicht im vergangenen Jahr in die Dienste von Beatrix und Barbarossa getreten wären, würde mein Mann noch leben, und wir würden als freie Spielleute durch die Lande ziehen. Aber das Angebot des Kaisers, Trushard als Boten zu beschäftigen, war einem Befehl gleichgekommen. Wir hatten nicht den Mut gefunden, uns zu widersetzen.
»Kann ich dir helfen?« Wie von ferne drang Elisabeths leicht quietschende Stimme an mein Ohr. Gewiss war die klatschsüchtige Hofdame nicht gekommen, weil sie sich Gedanken um mich machte, sondern weil sie darauf brannte zu erfahren, was passiert war, damit sie es unter dem Siegel der Verschwiegenheit noch heute Abend überall herumerzählen konnte.
Es gab niemanden am Hof, den ich mehr hasste als dieses heuchlerische Weibsbild. Obwohl Elisabeth genauso wie ich erst neunzehn Lenze zählte, hatte sie schon das Gehabe einer alten Jungfer. Ich verstand nur zu gut, warum kein Mann sie zur Gattin nehmen wollte, denn sie war nicht nur boshaft, sondern auch ausgesprochen hässlich mit ihrem käsebleichen Vollmondgesicht, den grauen Glotzaugen, den weit auseinander stehenden Vorderzähnen und der schwabbeligen Figur.
Meine Freundin ließ die Hand mit dem Taschentuch sinken. »Danke, wir kommen alleine zurecht«, erwiderte sie höflich, aber bestimmt.
Ohne sich von Gislas Antwort beeindrucken zu lassen, plumpste Elisabeth neben mir auf die Bank. »Die Kaiserin schickt mich. Sie möchte wissen, wie es ihrer Kammerzofe geht.«
Durch meinen Tränenschleier hindurch blinzelte ich zum kaiserlichen Paar. Angeregt plauderten die beiden miteinander und schienen niemanden sonst im Saal wahrzunehmen. Ich bezweifelte, dass Beatrix heute Abend an irgendjemand anderen als an ihren Gatten dachte. Elisabeth log. Wie so oft. Obwohl sie stets behauptete, sie wäre lieber in ein Kloster gegangen als an den kaiserlichen Hof mit seinen ach so liederlichen Sitten, gab es bis auf die Wollust keine Todsünde, die Elisabeth nicht schon begangen hatte. Aber die Kaiserin schätzte die Hofdame, weil sie aus einem ehrwürdigen Ministerialengeschlecht stammte. Ich durfte es mir mit ihr nicht verderben. Außerdem würde sowieso bald jeder wissen, dass ich Witwe war.
Ich schluckte die Tränen hinunter, die sich in meiner Kehle sammelten, und brachte mühsam hervor: »Mein Mann … Er … Er war bei dem Überfall dabei. Er wurde zuletzt gesehen, als er gegen mehrere Cremasken kämpfte. Sie hatten ihm schon eine schwere Wunde zugefügt. Und dann … dann …« Meine Stimme versagte. Ich brachte es nicht über mich, die Wahrheit auszusprechen.
»Alllmächtiger!« Elisabeths Nasenflügel blähten sich auf wie bei einem Jagdhund, der die Fährte verfolgte. Wahrscheinlich witterte sie eine hoch interessante Klatschgeschichte. »Das ist ja schrecklich.« Aber es klang eher erfreut.
Hastig rutschte sie näher, bis ihre zuckende Nasenspitze ganz dicht vor meinem Gesicht war. »Und was ist dann passiert?« Aufgeregt fingerte sie an ihrem schweren Goldkreuz herum, das von zwölf Perlen und einem Amethyst geschmückt wurde. Die Edelsteine seien Symbole für das himmlische Jerusalem, hatte sie mir einmal erklärt. Aber der kostbare Schmuck passte so gar nicht zu ihrem schlichten, ungefärbten Leinengewand, mit dem sie offensichtlich den Eindruck von Demut hervorrufen wollte.
Beim besten Willen konnte ich nicht weitersprechen. Um Elisabeth nicht vor den Kopf zu stoßen, zog ich mein Taschentuch heraus und heulte hinein.
»Rotrud braucht Ruhe«, sagte Gisla energisch. »Wir ziehen uns jetzt zurück. Komm.« Sie griff nach meinem linken Arm.
Elisabeth langte nach meinem anderen Arm und krallte ihre Fingerspitzen hinein. »In der Burgkapelle wirst du die nötige Ruhe finden. Ich begleite dich gerne dorthin. Gemeinsam können wir für deinen Mann beten.« Ich bezweifelte, dass ihre Gebete im Himmel Gehör fanden, aber ich hütete mich, das zu sagen.
Resigniert ließ ich mich von Gisla und Elisabeth hochzerren und fortschleppen. Als wir die Tür erreicht hatten, stürzte mir Guillaume entgegen. »Rotrud, ein Mönch hat nach Euch verlangt«, stieß er hervor. »Ihr sollt sofort in die Schmiede kommen.«
Verwundert starrte ich den Minnesänger an. »Schickt Euch der Zisterzienser, den der Kaiser mitgebracht hat?«
Affektiert schüttelte er seine künstlichen Locken. »Nein, dieser fette Kerl war es nicht. Der Mönch kommt gerade aus dem Lager vor Crema.«
Eine schreckliche Ahnung stieg in mir auf. Ein Geistlicher aus dem Lager! Bestimmt war er geschickt worden, um mir die Nachricht vom Tode meines Mannes zu überbringen. Warum sonst hatte er als Treffpunkt ausgerechnet die Schmiede ausgesucht, den einzigen Ort, an dem sich bei dieser Hitze und um diese Tageszeit bestimmt niemand aufhielt? Wahrscheinlich hatte der Mönch Trushard mit den Sterbesakramenten versehen und war gekommen, um mir einen letzten Gruß von meinem Mann auszurichten.
»Wie hieß der Mönch denn?«, fragte Gisla.
Guillaume schnaufte verächtlich. »Es ist nicht meine Aufgabe, mich um derlei zu kümmern. Ich muss mich jetzt auf meinen nächsten Auftritt vorbereiten, um das kaiserliche Paar mit meiner Kunst zu erfreuen. Das erfordert meine ganze Konzentration.« In seinen lächerlichen Schnabelschuhen stolzierte er davon.
Elisabeth verstärkte den Druck auf meinen Arm. »Ich komme gerne mit dir.«
Bloß das nicht! Die schreckliche Nachricht wollte ich lieber alleine entgegennehmen. »Ich weiß eure Anteilnahme sehr zu schätzen. Doch es geht mir schon wieder viel besser.« Sanft, aber bestimmt befreite ich mich aus dem Zugriff von Gisla und Elisabeth, steckte mein Taschentuch in den Ärmel zurück und gab mir einen Ruck.
Mit durchgedrücktem Kreuz verließ ich den Palas. Erst jetzt nahm ich wahr, dass es inzwischen dunkel geworden war. Durch die Nacht, die meine Seele umfing, hatte ich das Schwinden des Tageslichtes gar nicht bemerkt.
Wie eine Schlafwandlerin überquerte ich den quadratischen Burghof, der von zahlreichen Fackeln erleuchtet wurde, und ging an dem mächtigen Wachturm vorbei. Wer nicht zum Festschmaus eingeladen war oder im großen Saal bedienen musste, hatte es sich im Freien gemütlich gemacht. Wegen der unerträglichen Schwüle war an Schlaf ohnehin nicht zu denken, und so hatten sich größere und kleinere Runden in allen Ecken des Hofes zusammengefunden, um zu erzählen, zu singen und Wein zu trinken. Um mich herum genossen die Menschen ihr Leben, während ich gleich den Todesstoß entgegennehmen musste.
Die Gemäuer atmeten eine dumpfe Hitze aus. Die Luft schien stillzustehen. In diesem Land kühlte sie selbst in der Dunkelheit nicht ab. Nur mit Mühe setzte ich einen Fuß vor den anderen. Es kam mir vor, als ginge ich zu meiner eigenen Hinrichtung. Der Weg zog sich schier endlos hin, dabei musste ich nur den Burghof überqueren. Die Schmiede war wegen der Brandgefahr weit entfernt vom Palas errichtet worden, an der schräg gegenüberliegenden Hofecke, zwischen den Ställen und dem Burgtor.
Je näher ich dem Treffpunkt kam, desto langsamer wurden meine Schritte, als könnte ich das Unausweichliche dadurch wenigstens noch ein bisschen hinausschieben. Zögernd blieb ich vor dem offenen Fachwerkverschlag, der an die Burgmauer gebaut war, stehen.
In dem schwachen Mondlicht, das in den vorderen Teil der Schmiede fiel, konnte ich nur die Umrisse einer hohen, schwarzen Gestalt erkennen, die ihr Gesicht in einer Kapuze verbarg und so düster wie ein Abgesandter aus dem Reich des Todes wirkte. Das musste der Mönch sein, obwohl er für einen frommen Bruder erstaunlich kräftig war. Seine Figur erinnerte mich eher an einen Ritter, der es gewohnt war, mit dem Schwert zu kämpfen. Reglos und stumm wie eine Eiche stand er da. Warum sagte er nichts? Gewiss fiel es ihm schwer, die richtigen Worte zu finden, um mir die Nachricht vom Tod meines Gatten zu überbringen.
Ich würgte den Kloß hinunter, der sich in meinem Hals zusammengeballt hatte, und räusperte mich. »Seid gegrüßt, Ehrwürdiger Vater. Ihr hattet nach mir verlangt.«
Das Schweigen dehnte sich und verstärkte meine schlimmsten Befürchtungen.
»Es geht um meinen Mann, nicht wahr?«, setzte ich hinzu, während sich meine Finger um das Holzamulett krallten. »Ich … ich weiß schon, was Ihr mir sagen müsst. Er wurde im Kampf gegen mehrere Cremasken schwer verwundet und ist seinen Verletzungen erlegen.«
Der Mönch trat zögernd einen Schritt vor, aber noch immer konnte ich sein Gesicht nicht erkennen.
»So sprecht doch, ich bitte Euch!«, rief ich verzweifelt aus. »Ist er wenigstens im Frieden mit Gott gestorben? Hat er seine Sünden bereut? Denkt Ihr, er wird ins Himmelreich gelangen, obwohl er jahrelang als Spielmann durch die Lande gezogen ist?«
»Du glaubst auch jeden Mist, den die Pfaffen erzählen«, quoll es undeutlich unter der Kapuze hervor.
Eine Geisterstimme! Vor Schreck schrie ich auf. Hatte ich schon solche Wahnvorstellungen, dass ich meinte, die Stimme meines verblichenen Gatten zu hören? Ich raffte meinen Rock und wollte davonstolpern, aber auf einmal kam Leben in den Mönch. Mit einem Satz war er bei mir und zog mich in den Verschlag hinein. »Sei still«, zischte die Geisterstimme. »Oder willst du, dass der ganze Hof bei unserem Wiedersehen dabei ist?«
Ich hob den Kopf und blinzelte. Mit der freien Hand riss sich der Mönch die Kapuze vom Kopf. Ein Schwall dunkler Locken quoll daraus hervor. Nachthimmelschwarze Augen lachten mich an. Frech und putzmunter wie eh und je. Allmächtiger! Er war es wirklich! Und so kräftig! Aus dem Knochenpoeten war ein Muskelpoet geworden. Mit einem Knall zerplatzte das elende Rattenvieh in mir, und ich fühlte mich beschwingt wie eine Feder, die durch die Luft segelt.
Mit der rechten Hand umfing Trushard meine Taille und küsste mich. Er musste sich tief zu mir herabbeugen, denn ich war schrecklich klein, und er war schrecklich groß. Längst hatte ich vergessen, wie warm und zart sich ein Kuss anfühlte. Unsere Lippen öffneten sich so gierig, als wären wir Ausgehungerte, die nach einem Stück Brot schnappten.
Meine Hand ertastete den rauen Wollstoff der Kutte, schlich sich an Trushards rechtem Arm hoch und verfing sich in seinem weichen Lockengewirr. Mein Liebster gab ein sanftes Schnurren von sich, dann spürte ich seine Hände im Nacken. Ein Schauer lief meine Wirbelsäule hinunter. Ich konnte mein Glück noch gar nicht fassen. Er war tatsächlich hier, bei mir!
Nur widerwillig ließen wir voneinander ab. Ich drehte sein Gesicht zur Öffnung des Verschlags und musterte es im Mondlicht: die hohe Stirn, die breiten Wangenknochen, die nach unten hin schmaler wurden, die feine Nase, die sich am Ende keck nach oben bog, den viel zu großen Mund mit den schön geschwungenen Lippen – dem Herrn sei Dank, kein einziger Kratzer!
Ich fuhr mit meiner Nase dicht an seinem Hals entlang und labte mich an dem balsamischen Geruch seiner Haut, der mich immer an Sandelholz erinnerte.
Trushard presste sich fest an mich und seufzte wohlig auf. »Ich habe dich so vermisst«, wisperte er. »Noch nicht einmal schreiben konnte ich dir, denn ich habe keinen Boten gefunden, der dir meine Briefe hätte bringen können.«
Den Klang seiner samtweichen Stimme hätte ich am liebsten in einem Kästchen eingeschlossen, um mich immer an ihm erfreuen zu können. »Wie hast du es geschafft, den Cremasken zu entkommen?«, fragte ich.
Er grinste. »Wie du siehst, bin ich mittlerweile wieder so stark wie früher, bevor wir uns kennen lernten. Als Bote kann ich mir wenigstens gutes Essen leisten. Gegen die Cremasken habe ich mich ganz tapfer zur Wehr gesetzt. Aber als der eine auf meinen Kopf zielte, wusste ich, dass ich keine Chance mehr hatte, und habe mich ergeben. Zum Glück beherrsche ich die lombardische Sprache perfekt. Ich habe ihnen weisgemacht, ich wäre ein edler Ritter, und sie bekämen für mich ein hohes Lösegeld.«
Mein Mann als Ritter von vornehmer Herkunft! »Und das haben sie dir abgenommen?«, fragte ich erstaunt.
»Warum nicht?« Trushard grinste noch breiter. »Immerhin hielt ich ein Schwert in der Hand. Das war zwar nicht mein eigenes, sondern eines aus dem Nachbarzelt, das ich mir einfach gegriffen hatte, aber du kannst mir glauben, ich sah damit ganz imposant aus.«
Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und wuschelte mit beiden Händen durch seine Locken. Wie oft hatte ich im vergangenen Jahr davon geträumt, die seidige Pracht zu berühren! »Und dann?«, hakte ich nach.
»Weit sind sie mit mir nicht gekommen.« Trushard lachte laut auf. »Sie waren so dumm, mich nicht zu fesseln, weil ich ihnen mein großes Ritterehrenwort gegeben hatte, nicht fortzulaufen. Mit gezückten Schwertern trieben sie mich vor das Lager. Aber dann tat sich eine Lücke zwischen ihnen auf. Ich habe die Stimme eines der Cremasken nachgeahmt und in der lombardischen Sprache ›Achtung Falle!‹ geschrien. Sie waren kurz abgelenkt, und das habe ich mir zu Nutze gemacht. Mit meinen langen Beinen war ich ihnen im Nu entwischt.«
Einen wahrhaft schlauen Kerl hatte ich da geheiratet. Trushard war mit vielen wundersamen Fähigkeiten gesegnet. Eine davon war das Bauchreden. »Und was soll die Maskerade mit der Kutte?«, fragte ich weiter.
Trushard spielte mit den Zöpfen, die unter meinem Schleier hervorlugten. »Auf dem Weg hierher habe ich in einer Kirche meine Wunde versorgen lassen. Der Priester hat mir die Kutte geliehen und gemeint, einen besseren Schutz gebe es in diesen Zeiten nicht. Selbst die rohesten Krieger würden es nicht wagen, einen frommen Mann anzugreifen.«
Frommer Mann, pah! Ich wusste es besser. »Warum hast du Guillaume nicht gesagt, wer du bist?« In meine Wiedersehensfreude mischte sich ein leiser Ärger. »Das hätte mir eine Menge Ängste erspart.«
»Meinst du diesen Kerl mit den künstlichen Locken und den Schnabelschuhen? Der sah einfach zu schmierig aus. Ich wollte nicht, dass er dir die Nachricht von meiner Ankunft mit einem anzüglichen Grinsen überbringt und am ganzen Hof herumtratscht, dass sich heute Nacht in der Schmiede ein Liebespaar vergnügt. Schließlich habe ich dieses wenig lauschige Plätzchen ja ausgesucht, weil man hier ungestört ist.« Trushard löste das Haarband, das meinen linken Zopf zusammenhielt.
»Das war eine gute Idee«, lobte ich ihn. »Wo den ganzen Tag über das Feuer glüht, wird sich bei der Hitze niemand freiwillig aufhalten. Wir müssen nur aufpassen, dass unsere Kleidung nicht dreckig wird bei all dem Ruß, der hier herumfliegt.«
»Meine ist sicher eingepackt.« Trushard deutete auf ein Bündel, das neben dem Schleifstein lag. »Sobald ich kann, werde ich die hässliche Kutte wieder ablegen.«
»Mit dem Ausziehen können wir gleich beginnen.« Ich knotete seinen Gürtel auf und legte ihn neben das Bündel.
»Als ich dich vor der Schmiede stehen sah, hat es mir die Sprache verschlagen«, sagte Trushard leise. »Ein ganzes Jahr lang habe ich nur für diesen Augenblick gelebt, und ich konnte kaum glauben, dass er endlich gekommen war.«
Trushard entfernte das Haarband des zweiten Zopfes, nahm mir den Schleier vom Kopf und löste die Flechten. »Wenn ich dich doch nur im Licht sehen könnte«, raunte er mir ins Ohr. »Ich liebe das leuchtende Grün deiner Augen.« Er nahm meine Hand und zog mich tiefer in die Dunkelheit hinein. »Komm. Heute Nacht haben wir ein ganzes Jahr nachzuholen.«
Ich folgte ihm. Ganz hinten, in der Mitte der Schmiede, befand sich die wuchtige Esse. Rechts und links davon standen zwei große Tische, die mit Kettenhemden, Schwertern, Pfeilspitzen und allerlei Werkzeug übersät waren. Dahinter waren wir für den Rest der Welt so gut wie unsichtbar. Trushard führte mich zum linken Tisch hin, vorbei an einem Amboss und einem Wasserbottich.
Mit jedem Schritt wurde es dunkler, denn das Mondlicht reichte nur aus, um den vorderen Teil der Schmiede notdürftig zu erhellen. Fußbreit für Fußbreit tasteten wir uns vorwärts. Der Gestank nach Feuer und heißem Metall schlug sich auf meine Lunge. Beim Atemholen drang mir ein widerlich brenzliger Geschmack in den Mund.
Als wir hinter dem Tisch angekommen waren, wurde mir plötzlich schwindlig. Die Hitze, der Gestank, die Aufregungen – es war wohl mehr gewesen, als ich verkraften konnte. Ich ließ Trushards Hand abrupt los, um mich an der Tischplatte abzustützen – und griff in einen Haufen spitzer Nägel.
»Autsch!« Erschrocken zog ich die Hände zurück. Dabei streifte meine Rechte einen Holzstiel, an dem ein dickes Stück Eisen hing – ein Hammer! Er fiel vom Tisch. Auch das noch!
Ich bückte mich, um ihn aufzuheben. Da mit dem Schmied nicht gut Kirschen essen war, wollte ich, dass er sein Reich am nächsten Morgen genauso vorfand, wie er es verlassen hatte. Vorsichtig tastete ich mit den Händen den Boden ab.
»Was machst du denn da?«, fragte mein Gatte ungewohnt begriffsstutzig.
Meine Finger erfühlten einen harten, runden Knochen, der von feinstem Wollstoff umhüllt war – eine Kniescheibe! Ich zuckte zurück. Da lag jemand und schlief! Oh Gott, hoffentlich hatte ich ihn nicht mit dem Hammer getroffen!
»Pscht!« Mit rasendem Herzen horchte ich in die Schwärze hinein, konnte aber nichts hören. Wer auch immer hier lag – falls ich ihn verletzt hatte, musste er doch wach geworden sein! Oder war er so betrunken, dass er gar nichts mehr mitbekam?
»Hier liegt jemand. Ich bin gegen den Tisch gestoßen. Da ist ein Hammer hinuntergefallen und hat den Schlafenden wahrscheinlich getroffen«, sagte ich verzweifelt.
»Ach, du dickes Ei!«, kam es wenig hilfreich von Trushard zurück.
Ich nahm allen Mut zusammen und tastete erneut nach dem Menschen. Mit beiden Händen erfühlte ich einen kräftigen Männerschenkel und wunderte mich über den feinen Wollstoff, aus dem die Beinlinge gemacht waren. Der Schmied konnte sich solch teure Kleidung nicht leisten. Womöglich hatte ich einen Ritter verletzt. Ich spürte, wie mir noch mehr Schweiß aus allen Poren brach. Aber welcher vornehme Herr legte sich zum Schlafen in diesen stinkenden Verschlag?
Meine Finger fanden den Hammer. Tatsächlich, er war auf den Oberschenkeln des Schlafenden gelandet. Mein Herzschlag setzte aus. Ich legte den Hammer zur Seite und umkreiste mit den Fingerspitzen vorsichtig die Stelle, an der ich ihn gefunden hatte. Blut konnte ich nicht erspüren. Der Stoff war trocken.
Ich musste den Schlafenden wecken, um mich zu vergewissern, dass mit ihm alles in Ordnung war. »Aufwachen!«, rief ich. Mit der rechten Hand fuhr ich an der Seite des Körpers entlang, bis ich eine Männerschulter erreichte, und rüttelte kräftig daran.
»So wacht doch auf!« Ich war den Tränen nahe.
Keine Reaktion. Immer noch diese unnatürliche Stille.
»Rotrud, hast du ihn etwa getötet?« Trushards Stimme klang heiser.
»Der Hammer ist auf den Beinen aufgeschlagen. Davon stirbt man doch nicht.« Ich beugte mich hinunter und näherte mein Ohr dem Oberkörper, weil ich seinen Herzschlag hören wollte. Ein harter Stiel streifte meine Wange. Erschrocken griff ich danach. Meine Hände fuhren in die Höhe, konnten aber keine Spitze erspüren. Du liebe Güte, wie lang war denn der Stiel? Es musste ein Jagdspieß oder eine Lanze sein.
Erst jetzt begriff ich, was das bedeutete. Hastig rutschten meine schweißnassen Hände den Stiel wieder hinunter – und griffen in eine klebrige Flüssigkeit hinein, die den Stoff durchtränkt hatte. Blut! Wer auch immer hier lag – er war tot. Ermordet. Der Schreck durchzuckte mich von Kopf bis Fuß.
Lauerte der Täter hier etwa noch in der Dunkelheit? Die Erinnerung an den Mörder, der mich im vergangenen Jahr bei der Leiche angetroffen und anschließend gejagt hatte, überfiel mich wie ein wildes Tier. Voller Panik erhob ich mich und stolperte hinaus.
»Nun sag schon, was ist mit ihm?«, rief Trushard. Als er keine Antwort bekam, hechtete er hinter mir her.
Erst in der Mitte des Burghofs blieb ich stehen und sah meinem Mann in die Augen, während ich nach Luft rang. »Kaum bist du zurück, gibt es wieder Ärger«, stieß ich hervor. »Du ziehst das Unglück nahezu magisch an. Ich hoffe nur, dass wir ausnahmsweise einmal nicht im Kerker landen.«
***
Wir hatten Glück. Diesmal wurden wir nicht ins Verlies geworfen, obwohl in Barbarossas Blick Misstrauen glomm. Ich konnte es ihm nicht verdenken. Der Kaiser war für sein ausgezeichnetes Gedächtnis bekannt und erinnerte sich mit Sicherheit daran, dass Trushard und ich im vergangenen Jahr als Angeklagte vor seinem Gericht gestanden hatten.
»Ist doch seltsam, findet Ihr nicht?«, fragte der Kaiser gedehnt, während er neben Trushard zur Schmiede schritt. Mein Mann hatte ihn unter dem Vorwand, er habe eine dringende Nachricht für ihn, aus dem Saal geholt. »Wieso seid ausgerechnet Ihr immer in irgendwelche Mordfälle verwickelt?«
Auf diese Frage hätte auch ich gerne eine Antwort gewusst.
»Wer ist der Tote eigentlich?«, forschte Barbarossa weiter.
»Keine Ahnung«, erwiderte mein Mann. »Es war stockfinster, und er hat sich nicht vorgestellt.«
Ich trottete hinter den beiden her, wie es sich für ein braves Weib geziemte, und bemerkte mit einer gewissen Befriedigung, dass sich der Kaiser, der nur von mittlerer Größe war, neben meinem baumlangen Mann wie ein Zwerg ausnahm.
Schweigend gingen wir vorbei an laut schwatzenden, ausgelassenen Grüppchen. Der Wein tat offenbar seine Wirkung. Alle waren so sehr in die Gespräche vertieft, dass niemand dem Kaiser Beachtung schenkte.
»Hier entlang!« Trushard schritt als Erster in den Verschlag und beleuchtete mit einer Fackel den Weg. Ohne zu zögern, folgte Barbarossa ihm in die Schmiede.
Abwartend blieb ich draußen stehen. Obwohl ich das klebrige Blut am Brunnen abgewaschen hatte, spürte ich es immer noch an den Fingerspitzen. Ich hoffte inständig, dass mir der Anblick der grausig zugerichteten Leiche erspart blieb.
Plötzlich hielt der Kaiser inne und straffte die Schultern.
»Mein Gott, das ist ja Franz!«
»Doch nicht etwa Franz von Kesselheym?« Die Frage war mir herausgerutscht, ehe ich sie zurückhalten konnte. Ich würde es nie lernen, in Anwesenheit hochgestellter Persönlichkeiten nur dann zu sprechen, wenn ich gefragt wurde. Es fehlte nicht an gutem Willen, aber meine Zunge war schlüpfriger als ein Stück Seife. In gespieltem Entsetzen verdrehte Trushard die Augen.
Barbarossa schnellte herum und musterte mich mit gerunzelter Stirn, als habe er meine Anwesenheit völlig vergessen. »Genau der ist es. Kommt her!« Gebieterisch winkte er mich heran.
Folgsam näherte ich mich, geziert den Rock hebend, wie ich es bei einigen Hofdamen beobachtet hatte. Ich hoffte, mit dieser anmutigen Geste meinen Ausrutscher wettmachen zu können.
Der Kaiser hob die Augenbrauen. »Rotrud von Saulheim, ich kann mich noch gut an Euren Auftritt vor meinem Gericht erinnern. Dank Eurer grünen Augen und Eures eigenwilligen Benehmens vergisst man Euch nicht so leicht. Ihr seid doch inzwischen das Eheweib von Trushard, oder?«
Ich nickte, dann schlug ich die Augen nieder, wie es sich für eine Frau in Gegenwart des Kaisers schickte.
»Also Rotrud, wenn Ihr schon ein so undamenhaftes Interesse an dem Mord zeigt, könnt Ihr den Toten auch untersuchen«, forderte er mich auf. Klar, dass der Kaiser versuchte, diese unangenehme Aufgabe abzuwälzen. Das hatte ich nun davon, dass ich so vorlaut gewesen war.
Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch ging ich rechts um den Amboss herum, wobei ich mich aufmerksam nach allen Seiten umsah. Der Boden war voller Ruß, aber ich konnte nirgendwo Schleifspuren entdecken, sondern nur verwischte Fußabdrücke, die zum Tatort führten. Der Tote musste allem Anschein nach an der Stelle, an der wir ihn gefunden hatten, ermordet worden sein. Er lag zwischen Tisch und Wand, die Füße nur etwa einen Schritt entfernt von der hinteren linken Ecke, in der mehrere Jagdspieße lehnten. Der Kopf zeigte schräg nach vorne, zur Öffnung des Verschlags.
Gefühle konnte ich mir im Beisein des Kaisers nicht leisten. Ich biss die Zähne zusammen, um den aufkommenden Ekel zu unterdrücken, und ging in die Hocke.
Der Jagdspieß steckte in der Brust, dort, wo sich das Herz befand, und ragte eine Manneslänge in die Höhe. Ein großer Blutfleck breitete sich um die Tatwaffe herum aus. Die Arme lagen ausgestreckt neben dem Körper. Das Gesicht von Franz war wie mit einer wächsernen Maske überzogen. Es sah aus, als habe jemand den Lebensatem aus seinem Körper gesogen und nur eine leere Hülle zurückgelassen. Die Augen waren starr und gebrochen wie bei einem wilden Tier, das Jäger getötet hatten. Aber wer hatte Franz, das Vorbild aller Ritter und Knappen, so bestialisch zur Strecke gebracht?
Sachte schloss ich die Augen des Toten. Der Kaiser sprach ein kurzes Gebet.
»Unfassbar«, murmelte er. »Ein unersetzlicher Mann, vor allem jetzt, bei der Belagerung. Er konnte besser kämpfen als zehn Ritter zusammen. Ich verstehe es nicht. Wer hätte denn einen Grund gehabt, ausgerechnet ihn zu ermorden?«
»Oft sind es gerade die Besten, die Hass und Neid auf sich ziehen«, gab Trushard zu bedenken. »Es muss jemand aus unseren eigenen Reihen gewesen sein. Die Burg ist zu stark bewacht, als dass sich jemand von außen hätte einschleichen können.«
»Wir müssen den Feind bekriegen, nicht uns.« Der Kaiser klang erregt. Sein Hals war wieder rot angelaufen. »Wenn wir Schwäche zeigen, werden die Cremasken sie ausnutzen. Im eigenen Lager darf keine Unruhe entstehen, sonst werden wir die Stadt niemals einnehmen. Wir müssen den Mörder finden, und zwar so schnell wie möglich!«
Ich hob den Kopf des Toten und befühlte ihn sorgsam. Aber ich fand nichts, außer einer kleinen Beule am Hinterkopf, wo er bei seinem Sturz aufgeprallt war.
»Trushard, leuchte doch bitte mal hierher«, forderte ich. »Habt Ihr etwas entdeckt?« Gespannt beugte sich der Kaiser zu mir herunter.
Erst im Schein der Fackel konnte ich die rötlich blauen Totenflecken am Hals erkennen. Ich drehte den Oberkörper der Leiche zur Seite. »Vorne auf der Kleidung findet sich kein Ruß, dafür aber auf dem Rücken. Nach der Tat ist Franz sofort nach hinten gefallen, das heißt, er stand seinem Mörder gegenüber.« Stirnrunzelnd besah ich die blutverschmierten Hände, die Franz auf die Wunde gepresst haben musste. Alle Fingernägel waren unversehrt, und ich fand weder Haare noch Stoffreste, auch an dem scharfkantigen Siegelring nicht. Die Handgelenke waren frei von Hautabschürfungen oder blauen Flecken. »Es gibt keine Kampfspuren und auch keine Zeichen von Gegenwehr«, stellte ich fest. »Der Mörder muss Franz also überrascht haben.«
Am Gürtel des Toten hing ein kleiner Lederbeutel. Ich öffnete ihn. Er enthielt ein paar Münzen, einen Holzkamm und ein Siegel mit hölzernem Knauf. Ich hielt es ins Licht, um es genauer zu betrachten. Die kreisrunde Platte wurde durch eine merkwürdige Gravur geschmückt: lauter senkrecht verlaufende Wellen, unten viele und oben ganz wenige, sodass sie ein Dreieck bildeten. In den Zwischenräumen hingen noch Reste von hartem roten Wachs. Darunter stand eine Inschrift: Flammae irae.
Trushard beugte sich zu mir herunter. »Die Flammen des Zorns«, übersetzte er. Diese merkwürdigen Gebilde sollten also Flammen darstellen – ein hoch aufloderndes Feuer.
»Was für ein ungewöhnliches Siegel«, sagte ich stirnrunzelnd, während ich es hin und her drehte. »Vor allem frage ich mich, wem es gehört, denn Franz trägt seinen Siegelring an der rechten Hand.« Ich legte das Flammensiegel zur Seite, drehte die Hand um und musterte den Ring erneut. »Er zeigt ein Wappen mit einem Eber.«
»Das ist das Wappen des Geschlechtes der Ritter von Kesselheym«, bestätigte Trushard. »Und mit diesem Ring siegelte Franz auch seine Briefe. Im Herbst letzten Jahres habe ich einige Schreiben von ihm mitgenommen, als ich ohnehin auf dem Weg zum Bodensee war. Wo hat Franz bloß das zweite Siegel her?« Eingehend betrachtete er es. »Üblicherweise wählt man als Bild ein Porträt oder ein Wappen. Ich komme im ganzen Reich herum, aber ich kenne niemanden, der ein solch ungewöhnliches Flammensiegel benutzt, weder ein Geschlecht noch eine Stadt oder einen Bischof.«
»Und niedrig geborene Personen benutzen keine Siegel«, ergänzte ich. »Wozu auch? Wer nicht lesen und schreiben kann, muss keine Briefe verschließen. Und wer nichts zu verschenken hat und keine Rechte verleihen kann, hat auch keinen Grund, eine Urkunde auszustellen.«
Erwartungsvoll sah ich den Kaiser an. Wenn es irgendjemanden gab, der dieses Siegel kennen musste, dann er. Schließlich erhielt er viele Briefe, auch ausländische. Sogar aus den entferntesten Reichen im Orient. Aber Barbarossa wich meinem Blick aus.
Nachdem ich beim Kaiser sowieso schon unangenehm aufgefallen war, brauchte ich mir keine damenhafte Zurückhaltung mehr aufzuerlegen. »Selbst Ihr kennt das Siegel nicht, Majestät?«, hakte ich nach.
Barbarossa zögerte kurz. »Ich denke, es hat nichts mit dem Mord zu tun.« Dann sah er Trushard und mich durchdringend an. »Was hattet Ihr beiden eigentlich in der Schmiede zu suchen?«
Diese Frage hatte ich befürchtet. Ich beugte mich tief über die Leiche und tastete sinnloserweise den Oberkörper ab.
Aber mein wortgewandter Trushard war nicht um eine Ausrede verlegen. »Ich wollte mich hier umziehen.« Er deutete auf das Bündel, das noch unberührt neben dem Schleifstein lag. »Beim Überfall im Lager hatte ich einen heftigen Kampf mit einigen Cremasken. Nur mit größter Anstrengung konnte ich ihnen entkommen und als Mönch verkleidet hierher flüchten. Aber in dieser abgetragenen Kutte wollte ich Euch nicht unter die Augen treten. Außerdem war meine Wunde wieder aufgebrochen und musste versorgt werden.«
Barbarossa verzog spöttisch den Mund. »Ihr wolltet Euch umziehen, so so. Und ganz zufällig trefft Ihr hier auf Euer Weib und auf eine Leiche.«
»Ich habe nach Rotrud schicken lassen, damit sie mir behilflich ist.« Trushard log, ohne rot zu werden. »Schließlich kann ich die Wunde mit einer Hand schlecht verbinden.«
»Und das ging nur mit offenem Haar?« Der Kaiser musterte erst mich und dann meinen Schleier, den Trushard neben seinem Bündel abgelegt hatte.
Um von dem unseligen Thema abzulenken, mischte ich mich hastig ein: »Noch etwas ist merkwürdig. Franz war den ganzen Abend über sehr bedrückt. Wenn wir herausfinden könnten, warum, würde uns das vielleicht einen wichtigen Hinweis auf den Mörder liefern.«
Barbarossa wandte sich an Trushard. »Dann findet es heraus«, befahl er. Entsetzt sah ich zum Kaiser auf. Meinte er allen Ernstes damit, dass mein Gatte die gefährliche Aufgabe übernehmen sollte, einen Mörder zur Strecke zu bringen?
»Wie Ihr wünscht, Majestät«, erwiderte Trushard. Hörte ich da etwa ein leises Zähneknirschen?
»Damit keine Unklarheiten entstehen: Ich beauftrage Euch hiermit offiziell, den Mord an Franz von Kesselheym aufzuklären. Ihr habt die Gelegenheit zu zeigen, was in Euch steckt. Bringt mir den Verbrecher, und ich werde Euch großzügig entlohnen. Vier Tage gebe ich Euch Zeit, nicht länger! Wir müssen den Mörder finden, bevor sich Angst und Misstrauen im Lager ausbreiten. Untersucht zuerst die Schmiede und zieht Euch um. Ich warte, bis Ihr wieder im Saal seid, dann werde ich den Mord bekannt geben, während Ihr darauf achtet, ob jemand merkwürdig reagiert.« Ohne Trushards Entgegnung abzuwarten, drehte sich Barbarossa um und ging gemessenen Schrittes davon.
Als die Dunkelheit den Kaiser verschluckt hatte, war es mit Trushards Selbstbeherrschung vorbei: »Immer bin ich derjenige, der die gefährlichen Aufträge erhält! Mörder haben die fatale Neigung, denjenigen, der ihnen auf die Schliche kommt, umzubringen, bevor er sie verraten kann. Dabei bin ich gerade erst dem Tod entkommen!«
Und auch ich fürchtete, Fortunas Gunst allmählich zu stark in Anspruch zu nehmen. Aber ich ließ mir nichts anmerken, um Trushard nicht zu entmutigen. »Du wirst sehen, zu zweit schaffen wir das schon«, redete ich ihm gut zu. »Mit deiner Klugheit und deinen wundersamen Fähigkeiten nimmst du es mit hundert Mördern auf.« Ich glaubte meine Worte selber nicht, doch ein verzagter Trushard hatte schon halb verloren, und deshalb durfte ich nicht den geringsten Zweifel zeigen.
An Trushards schiefem Lächeln erkannte ich, dass ich ihn nicht ganz überzeugt hatte. »Heute Nacht hatte ich eigentlich Besseres vor, als einen Mörder zu suchen«, erwiderte er seufzend.
Im Geiste ging ich noch einmal durch, was beim Festessen im Saal passiert war. Mir fiel der Blick ein, den Franz mit dem fetten Zisterziensermönch ausgetauscht hatte. Kurz darauf war der Ordensbruder dem Ritter hinterhergelaufen – vielleicht sogar bis in die Schmiede? »Ich habe schon einen Ansatzpunkt für die Suche gefunden.« In kurzen Worten schilderte ich Trushard meine Beobachtungen.
»Ein fetter Zisterzienser … Davon gibt es wirklich nur einen: Zäsarius«, meinte Trushard nachdenklich. »Er ist mit seinem Abt in den Krieg gezogen, aber nach einigen Monaten hatte der gute Abt offenkundig keine Lust mehr auf Waffengeklirr und Todesnähe und ist wieder in sein Kloster zurückgekehrt. Jetzt befehligt Bruder Zäsarius die Mannen, die das Kloster stellen musste. Seit sein strenger Abt nicht mehr im kaiserlichen Heer ist, blüht Zäsarius auf. Im Krieg schert sich niemand um die Ordensregel, und das nutzt er aus. Er schlägt sich den Wanst voll, wo immer er kann.«
»Aber wo hat er das viele Essen her?«, fragte ich. »Ich dachte, im Krieg wäre die Versorgung nicht so gut.«
Trushard grinste. »Wenn man die richtigen Leute kennt, hat man immer genug zu essen. Und als Beichtvater ist er sehr beliebt, weil er eingedenk seiner eigenen Schwächen mit den Sündern so nachsichtig ist. Ja, ich glaube, wir haben wirklich einen guten Ansatzpunkt für unsere Ermittlungen.« Trushard klang schon viel zuversichtlicher. Mit neuem Schwung machte er sich daran, die Kleidung zu wechseln.
Da es zu lange gedauert hätte, Zöpfe zu flechten, legte ich den Schleier einfach über das offene Haar. Während Trushard noch mit Umziehen beschäftigt war, nutzte ich die Zeit, um den Tatort zu untersuchen. »Die Schmiede ist ein idealer Ort, um jemanden umzubringen«, sagte ich nachdenklich, während ich mit der Fackel umherwanderte und in die Ecken leuchtete. »Hier konnte der Mörder sicher sein, nicht gestört zu werden, und er konnte fest damit rechnen, dass die Leiche erst bei Sonnenaufgang gefunden wird. Durch die Totenstarre wäre es dann unmöglich gewesen, den genauen Zeitpunkt der Tat festzustellen.«
»Außerdem gibt es hier zahlreiche Waffen«, ergänzte Trushard und schlüpfte in einen eleganten, krapproten Bliaut, dessen linker Ärmel zerrissen war und einen großen Blutfleck aufwies. »Der Mörder brauchte bloß zuzugreifen.«
»Schau mal her.« Ich deutete auf eine Stelle an der Wand, direkt neben den Jagdspießen. Dort war der Ruß leicht verschmiert.
Trushard trat näher. »Es sieht aus, als habe hier jemand gesessen. Aber warum?«
Ich zuckte die Achseln. »Vielleicht zum Nachdenken?«, schlug ich vor. »Oder es waren zwei, die sich hier verkrochen haben, weil sie etwas zu besprechen hatten. Einer setzte sich vor die Wand, und der andere kauerte vor ihm.«
Ich drückte Trushard die Fackel in die Hand und schnürte seinen Bliaut zu. »Mit etwas Glück finden wir Rußspuren an einem Kleidungsstück. Dann haben wir den Mörder.«
»Dein Wort in Gottes Ohr«, brummte er skeptisch.
Bevor wir zum Palas gingen, machte ich meinen Mann noch auf etwas aufmerksam: »Ist dir aufgefallen, dass der Kaiser ausweichend reagierte, als ich ihn nach dem Flammensiegel fragte?«
Trushard nickte. »Ich fand es auch merkwürdig. Gerade der Kaiser hat doch das größte Interesse daran, dass der Mörder entlarvt wird. Und um das zu schaffen, sind wir auf jeden Hinweis angewiesen, vor allem, was dieses ungewöhnliche Siegel betrifft. Im Gegensatz zu Barbarossa glaube ich, dass es der Schlüssel zur Lösung des Falles ist.«
***
Eine schwere Alkoholwolke drang uns entgegen, als wir die Tür zum Festsaal öffneten. Mit hängenden Köpfen saßen die Männer über ihren Weinbechern. Wut und Schock waren der bitteren Erkenntnis gewichen, dass die Cremasken mit dem Ausfall ihre Stärke gezeigt hatten und nicht ans Aufgeben dachten. Die Belagerung würde sich hinziehen – Gott allein wusste, wie lange noch – und auch viele unserer Leute das Leben kosten. Die Nachricht vom Mord würde den Männern wohl den Rest geben.
Kaum hatten wir den Saal betreten, da erhob sich auch schon der Kaiser. Augenblicklich wurde es mucksmäuschenstill.
»Ich habe eine traurige Mitteilung zu machen«, erklärte er. »Einer unserer tapfersten und besten Ritter, Franz von Kesselheym, ist ermordet worden.«
Sofort nickten die Köpfe hoch. Mein Blick glitt zu unserem Verdächtigen. Zäsarius hielt mitten in der Bewegung inne. Er hatte die Hand um ein Hühnerbein gekrallt, um es zum Mund zu führen, drehte dann aber den Kopf zum anderen Ende der Tafel, zu dem Platz, auf dem Franz gesessen hatte. Nur der Weinbecher und die Krümel von dem zerdrückten Fladenbrot erinnerten an den Mann, der noch vor wenigen Stunden geatmet hatte.
In der Mitte der Tafel, an der auch der Mönch saß, waren zwei Plätze frei. Wie günstig. Die Männer auf der Bank rutschten geistesabwesend zur Seite und ließen uns hineinschlüpfen.
Prüfend glitt mein Blick über die Gäste. Die klatschsüchtige Elisabeth kam heute voll auf ihre Kosten. Sie saß wieder an ihrem Platz und fingerte freudig erregt an dem dicken Goldkreuz herum. Ihre Augen leuchteten so erwartungsvoll wie bei einem Kind, das ein kostbares Geschenk bekommt.
»Franz wurde mit einem Jagdspieß umgebracht. In der Schmiede.« So wortkarg hatte ich den Kaiser noch nie erlebt. Er rang sichtlich um die passenden Worte. »Mit den Ermittlungen habe ich den Reichsministerialen Trushard beauftragt.« Mit einer Geste deutete er auf meinen Mann. Bedächtig richtete Trushard sich auf.
»Wer heute Abend etwas beobachtet hat oder etwas Wichtiges weiß, das im Zusammenhang mit dem Mord stehen könnte, muss es Trushard mitteilen. Wir dürfen nicht eher ruhen, bis wir den Mörder gefasst haben.« Allmählich lockerte sich Barbarossas Zunge doch. Sein Blick war hart und kalt. »Wir werden ihn der verdienten Strafe zuführen. Der Galgen ist noch viel zu gut für diesen Verbrecher.«
Trushard setzte sich wieder und tastete unter dem Tisch verstohlen nach meiner Hand. Während der Kaiser an die Taten von Franz erinnerte und seine ritterlichen Tugenden lobte, sah ich mich wieder um. In fast allen Gesichtern las ich dasselbe: eine Mischung aus Betroffenheit, Entsetzen, Angst und Trauer.
Nur die Männer, die der Kaiser mit auf die Burg gebracht hatte, verhielten sich anders. Zäsarius hatte das Hühnerbein zur Seite gelegt. Anscheinend war ihm zum ersten Mal an diesem Abend der Appetit vergangen. Unruhig rutschte er auf der Bank hin und her, wobei er sich wiederholt auf die Lippen biss. Ihm gegenüber thronte Graf Otto, dessen Miene gleichmütig wie die eines Schachspielers war. Ich hatte den Eindruck, dass ihn der Tod von Franz völlig kalt ließ. Sein Sitznachbar, der südländische Mann aus Barbarossas Gefolge, der mir schon beim Essen aufgefallen war, weil seine abgewetzte Kleidung nicht zu seiner stolzen Haltung passte, verschränkte die Arme vor der Brust und starrte zur Decke. Spöttisch verzog er die Mundwinkel.
Mein Interesse war geweckt, und ich betrachtete ihn näher. Seine schulterlangen Haare, üblicherweise das Vorrecht von Ministerialen, reichen Bürgern und Adeligen, verrieten, dass er trotz seiner armseligen Kleidung kein einfacher Knecht sein konnte. Außerdem säße er dann nicht ganz vorne an der Tafel, so dicht beim Kaiser, sondern im Hof beim Gesinde. Mit seiner gebräunten Haut, der geraden Nase und dem langen, schmalen Antlitz sah er gut aus. Aber aus den dunklen Augen blitzte der Fanatismus – wie bei einem Menschen, der nur ein Lebensziel hat und alles dafür tun würde, um es zu erreichen. Ich zupfte Trushard am Ärmel und deutete mit einem fragenden Nicken auf den Südländer.
»Das ist Arnaldus aus Lodi«, flüsterte mein Mann mir zu. »Die Mailänder und ihre Verbündeten haben die Lodesen im vergangenen Jahr gewaltsam aus ihrer Stadt vertrieben. Dabei ist die Familie von Arnaldus gestorben, und er hat seine ganze Habe verloren. Um sich zu rächen, hat er eine große Schar von armen Kriegsopfern um sich gesammelt. Sie werden ›die Söhne des Arnaldus‹ genannt. Waffen besitzen sie nicht, aber sie kämpfen mit ihren Händen. Tag und Nacht setzen sie den Cremasken mit Geschossen und Steinen zu und haben schon viele Feinde verletzt. Als Anerkennung für seine Verdienste hat der Kaiser ihn im Lager aufgenommen und versorgt ihn seitdem.«
Mein Blick wanderte wieder zu Zäsarius zurück. Der Mönch war auffallend blass. Mit zitternden Händen goss er sich einen Becher Rotwein ein. Über der ungefärbten Kutte trug er ein schwarzes Skapulier, an dem wir sicherlich keine Rußflecken finden würden. Er trank einen tiefen Schluck, dann blickte er sich suchend um und winkte einen pickeligen Burschen, der bescheiden mit gefalteten Händen in einer Ecke stand, zu sich heran. Das war doch der Jüngling, der die Fleischplatte zerdeppert hatte, als die Nachricht von dem Ausfall gekommen war!
Zögernd stolperte das schmächtige Kerlchen näher. Als er den Mönch erreicht hatte, sah ich, dass Tränen über seine Wangen liefen. Demonstrativ blieb er vor der Tafel stehen, aber Zäsarius streckte den rechten Arm aus und zog ihn neben sich auf das Ende der Bank. Der Jüngling blieb auf der äußersten Ecke sitzen und legte beide Hände auf die Tafel. Arnaldus, der auf der anderen Seite von Zäsarius saß, blieb reglos, aber sein Blick bekam etwas Lauerndes.
»Oh Enno, es tut mir so Leid«, sagte Zäsarius, doch der Angesprochene drehte den Kopf zur Seite.
»Kennst du diesen pickeligen Jüngling?«, fragte ich Trushard leise.
»Das ist der Knappe von Franz«, flüsterte er zurück. »Ich werde mir ihre Überraschung zu Nutze machen und die Männer des Kaisers jetzt gleich befragen, bevor sie sich fangen können. Vielleicht geben sie dann ungewollt etwas preis.«
Während Trushard aufstand und nach vorne ging, beugte sich Graf Otto zur anderen Seite der Tafel und legte seine kräftige Hand Besitz ergreifend auf Ennos Händchen. »Sorge dich nicht«, sagte er zu ihm. »Ich nehme dich in mein Gefolge auf. Du hast dich vor Mailand wacker geschlagen. Solch einen tapferen Knappen kann ich gut gebrauchen.«
»Danke, Herr«, presste Enno hervor.
Als Trushard die vier erreicht hatte, beugte er sich ein Stück zu ihnen hinunter und räusperte sich. Ich spitzte die Ohren. Zum Glück waren die Männer links und rechts neben mir so niedergeschlagen, dass sie keinen Mucks von sich gaben. »Entschuldigt die Störung«, sagte Trushard ehrerbietig. »Ich würde Euch gerne im Auftrag des Kaisers ein paar Fragen zu Franz stellen.«
Graf Otto knurrte unwillig, und der junge Bursche sah Trushard aus seinen tränennassen Augen erschrocken an. Mit einem falschen Lächeln auf den Lippen rutschte der Mönch zur Seite und machte meinem Mann Platz. Der Graf hielt Ennos Hand fest umklammert. Wie ein Adler, der seine Beute nicht loslässt, schoss es mir durch den Kopf.
Verstohlen musterte ich Enno. Er mochte etwa fünfzehn oder sechzehn Lenze alt sein. Ohne die Pickel wäre er durchaus nicht unansehnlich. Die Gesichtszüge waren regelmäßig, die Nase gerade und die Lippen wohlgeformt. Seine braunen Locken waren gepflegt, und an dem dunkelbraunen Rock konnte ich keinen Flecken erkennen. Mit etwas Glück mochten die Pickel von selbst wieder verschwinden, denn unter einem solchen Ausschlag litten viele heranwachsende Jungen, obgleich es Enno besonders schlimm getroffen hatte. Da und dort hingen Blutstropfen an den Pickeln, und über das schmale Kinn verliefen frische Kratzspuren. Enno hatte furchtsame kleine Augen wie eine Maus. Immer noch rannen die Tränen über seine Wangen. Er tupfte sie mit dem Ärmel ab, sehr darauf bedacht, mit der Hand nicht die Pickel zu berühren.
»Kanntet Ihr Franz von Kesselheym gut?«, begann Trushard das Gespräch.
Der Mönch raffte sich als Erster zu einer Antwort auf. »Er kam ein paarmal zu mir, um geistlichen Beistand einzuholen.«
»Was wollte er genau?«, hakte Trushard nach.
»Das unterliegt dem Beichtgeheimnis«, erklärte Zäsarius. »Aber ich kann Euch so viel verraten, dass wir lange Gespräche darüber geführt haben, wie ein wahrhaft frommer Lebenswandel aussieht. Wir waren uns darin einig, dass es zuallererst darauf ankommt, ein reines Herz zu behalten und sich nicht von der Schlechtigkeit der Welt beflecken zu lassen.«
Ein unerschöpfliches Thema, das mir aber so gar nicht zu einem verfressenen Mönch zu passen schien. War die Völlerei nicht eine Todsünde? Welch heilige Belehrung sollte ein Mönch erteilen können, der selbst allzu sehr von irdischen Begierden geplagt war?
Trushard wandte sich zu Arnaldus. »Und Ihr? Kanntet Ihr Franz von Kesselheym?«
Arnaldus’ Gesicht sah aus wie eine Maske. »Nur vom Sehen. Im Lager haben wir uns ein paarmal kurz zugenickt, wenn wir uns zufällig begegnet sind. Das war alles. Auf dem Ritt hierher hat Franz kein Wort gesprochen.« Das Deutsch von Arnaldus war fast akzentfrei. Nur das R rollte er sehr stark.
»Und Ihr?« Trushards Frage galt Graf Otto. Der Adelige sah meinen Mann von oben herab an, als wäre er es nicht wert, dass er seine Aufmerksamkeit an ihn verschwendete. Widerwillig öffnete er den Mund. »Ich schließe mich der Antwort meines Vorredners an. Auch ich kannte Franz nur vom Sehen.« Das wunderte mich nicht. Ein vornehmer Herr wie »Graf Wichtig« legte bestimmt keinerlei Wert darauf, sich mit Personen abzugeben, die unter seinem Stand waren, mochten sie auch noch so viele Verdienste gesammelt haben.
»Hatte Franz Feinde?«, erkundigte sich Trushard.
Der Mönch schüttelte den Kopf. »Er war ein vorbildlicher Ritter. Niemand hatte einen Grund, ihn umzubringen.« Zäsarius zögerte kurz. »Allerdings hat ein gewisser Dietrich, der Knappe von Wolfhart dem Bären, Franz oft belästigt. Dieser Dietrich neigt dazu, Streit nicht mit Worten, sondern mit Gewalt auszutragen.« Ich horchte auf. Noch ein Verdächtiger! Oder wollte der Mönch nur von sich ablenken?
»Worum ging es bei diesen Belästigungen?«, bohrte Trushard weiter.
Zäsarius faltete die dicken Hände über seinem Wanst zusammen. »Dietrichs Vater Wilhelm ist ein ähnlich wilder Raufbold wie sein Sohn. Als Wilhelm widerrechtlich das benachbarte Kloster überfiel, wurde der Kaiser sehr zornig und befahl ihn vor sein Hofgericht, um ihn für diese Schandtat zu bestrafen. Der Termin ist für Michaeli anberaumt. Dietrich will dem Kaiser vorher den Standpunkt seines Vaters erläutern, um die Angelegenheit gütlich und ohne Gericht zu regeln. Daher hat er Franz gebeten, ihm als Fürsprecher beim Kaiser zu dienen und ihm eine Audienz zu verschaffen. Aber Franz hat Dietrichs Bitte abgelehnt, weil er einem Schurken nicht helfen wollte.«
»Franz schien sehr verstört zu sein heute Abend«, stellte Trushard fest. »Wisst Ihr, was mit ihm los war?«
Der Mönch zuckte die Achseln. »Wahrscheinlich plagte ihn wieder einmal die Sehnsucht nach seiner Familie«, erwiderte er seufzend. »Je länger der Krieg dauerte, desto trauriger wurde er. Ihr müsst wissen, Franz hatte drei reizende Kinder und eine wunderbare Frau.«
Enno gab ein unwirsches Knurren von sich, aber der Mönch beachtete es nicht.
Trushard sah Zäsarius bohrend an. »Ihr seid Franz hinterhergelaufen, als er den Saal verließ.«
Gelassen erwiderte der Mönch den Blick. »Ich wollte ihn fragen, ob ihn etwas bedrücke, und ihm Trost zusprechen. Aber vor dem Palas hat ihn Dietrich abgefangen und belästigt. Deshalb bin ich in den Saal zurückgegangen.«
»Und Ihr, wart Ihr die ganze Zeit über an Eurem Platz, oder habt Ihr den Saal zwischendurch verlassen?«, fragte Trushard in die Runde.
»Ich habe das heimliche Gemach aufgesucht«, erwiderte Arnaldus, ohne zu zögern.
Enno tupfte sich die letzten Tränen von den Wangen und schniefte. »Ich habe beim Auftragen der Speisen geholfen, obwohl das eigentlich die Aufgabe der Pagen ist. Aber heute Abend wurde jede Hand gebraucht. Bei der Hitze habe ich zwischendurch immer mal wieder eine Pause gemacht.«
Graf Otto antwortete erst, als Trushard ihn bohrend ansah. »Mir war heiß«, ließ er meinen Gemahl von oben herab wissen. »In diesem kleinen Raum« – abfällig schürzte er die Lippen, um zu demonstrieren, dass er weitaus größere und prächtigere Hallen gewohnt war – »wurde es mir zu stickig. Ich wollte im Burghof frische Luft schnappen.«
Trushard zog das Flammensiegel aus dem Beutel. »Kennt Ihr dieses Siegel?« Trushard hielt es hoch, sodass die vier es gut sehen konnten. Aber alle schüttelten einträchtig den Kopf.
Zäsarius’ Miene verriet keine Regung. »Wem soll es gehören?«
»Kennt Ihr das Siegel?«, wiederholte Trushard seine Frage. Graf Otto ließ Ennos Hand los und verschränkte die Arme vor der Brust. »Nein.« Seine Stimme klang fest.
Mein Mann sah seine Sitznachbarn der Reihe nach an. »Wir haben dieses merkwürdige Siegel bei der Leiche von Franz gefunden. Könnt Ihr Euch erklären, wie es dorthin kam?«
Enno krallte die Finger in das Tischtuch. Zäsarius starrte auf seine gefalteten Hände, und um Arnaldus’ Mundwinkel zuckte es, als ob er sich heimlich über etwas amüsierte.
Es war Otto, der sich schließlich zu einer Erklärung aufraffte: »Bestimmt hat Franz das Siegel irgendwo gefunden und wurde getötet, bevor er es dem Besitzer zurückgeben konnte. Im Krieg gehen oft Dinge verloren.« Ich glaubte ihm kein Wort. Warum bloß verhielten sich alle Personen, die wir nach dem Siegel befragten, so merkwürdig? Welches Geheimnis steckte dahinter?
Trushard wandte sich an den Knappen. »Ihr habt Glück, dass Ihr so schnell einen neuen Herrn gefunden habt.«
»Enno ist ein junger Mann, für den die Treue die vornehmste aller Tugenden ist«, antwortete der Graf an Stelle des Knappen. »Sie paart sich bei ihm mit Tapferkeit und Aufrichtigkeit.« Er seufzte. »Was ihm an körperlicher Kraft fehlt, lässt sich mit gezielten Übungen und einer guten Ernährung aufbauen.«
Trushard packte das Siegel wieder in seinen Beutel. »Habt Dank für Eure Auskünfte.« Er erhob sich, kam gemessenen Schrittes auf mich zu, reichte mir die Hand und zog mich vorsichtig hoch.
»Die lügen uns was vor«, raunte ich Trushard zu, während ich mich in seinen unverletzten Arm hängte. »Vor allem Zäsarius.«
Er nickte grimmig. »Aber was kann ein frommer Mönch zu verbergen haben?«
***
Die Befragung war mühsam. Niemand von denen, die im Burghof saßen, erinnerte sich mit Bestimmtheit daran, jemanden gesehen zu haben, der zur Schmiede gegangen war. Angesichts der vielen leeren Weinkrüge wunderte mich das auch nicht. Die einen konnten gar nicht mehr reden, die anderen nur unzusammenhängendes Zeug lallen, und der Rest zuckte die Achseln. Entmutigt gingen wir auf das letzte Grüppchen zu, das sich gegenüber dem Eingang zum Palas niedergelassen hatte. Mir fiel auf, dass sich Elisabeth seit geraumer Zeit im Hof herumdrückte und da und dort ein Schwätzchen hielt. Bestimmt hoffte sie, etwas Interessantes aufschnappen zu können, das sie weitertratschen konnte.
»Ja, glaubt Ihr denn, ich hätte an so einem schönen Abend nichts Besseres zu tun, als mir zu merken, wer wann wohin ging?«, ereiferte sich eine dicke Magd.
Trushard beugte sich zu ihr hinab und zwinkerte ihr verschwörerisch zu. »Ich bin sicher, Euren scharfen Augen entgeht nichts, selbst wenn Ihr Euch amüsiert.«
Die Magd plusterte sich auf. »Nun ja, mir ist wirklich etwas aufgefallen«, räumte sie zögernd ein. »Da war so ein kräftiger Bursche mit eingedrückter Nase, der ist hinter dem gut aussehenden Ritter, der aufgespießt wurde – wie hieß er doch gleich …?«
»Franz«, half Trushard bereitwillig aus. Elisabeth wanderte zur nächsten Magd, die ein Stück näher bei uns saß, und drehte ihren Kopf in unsere Richtung.
»Also, der ist hinter dem Franz hergerannt, als er den Palas verließ, und hat heftig auf ihn eingeredet. Aber dieser Franz wurde immer ärgerlicher, bis der junge Kerl ihm mit triumphierendem Gesichtsausdruck etwas gesagt hat. Daraufhin wurde Franz ganz blass. Wortlos hat er sich umgedreht und ist weg.«
»Und wo ist Franz dann hin?« Ich bewunderte Trushards Gelassenheit im Umgang mit der Magd, die es sichtlich genoss, ihn zappeln zu lassen.
»Dahin.« Die Dicke zeigte mit dem Daumen in die Richtung, in der die Schmiede lag.
»Ist ihm jemand gefolgt?« Trushards Stimme war immer noch erstaunlich sanft.
»Der hässliche Bursche ist ihm ein paar Schritte hinterhergelaufen. Dann blieb er stehen, so als ob er nicht recht wüsste, ob er dem Franz weiter folgen oder lieber umkehren sollte.« Die Magd hob die Schultern. »Was er dann letzten Endes gemacht hat, weiß ich nicht. Der Hans hat ein Lied angestimmt, und dann haben wir alle mitgesungen. Wie ich schon sagte, ich hatte Besseres zu tun, als den ganzen Abend über aufzupassen. Bin ja schließlich keine Torwächterin.«
Trushard zauberte ein Lächeln auf sein Gesicht. »Ihr habt uns sehr geholfen. Allerbesten Dank.«
Elisabeth verabschiedete sich unvermittelt von ihrer Gesprächspartnerin und schielte zu uns herüber.
»Wer ist denn dieser junge Mann mit der eingedrückten Nase?«, forschte ich, als wir zurück zum Palas liefen, um dem Kaiser Bericht zu erstatten.
»Dietrich, der Knappe, den Zäsarius erwähnt hat«, erwiderte Trushard. »Ich kenne die Geschichte leider nur zu gut. Ich habe es mir eben in der Halle nicht anmerken lassen, weil ich hoffte, jemand würde etwas Interessantes ausplaudern. Natürlich war ich derjenige, der von Barbarossa mit der Vorladung zu Wilhelm geschickt wurde. Ein lebensgefährlicher Auftrag – wie immer.« Trushard starrte missmutig auf seine Fußspitzen. »Ich wollte den Brief nur schnell abgeben, aber wie die meisten Ritter kann auch Wilhelm nicht lesen und hat mir befohlen, ihm den Inhalt vorzutragen. Kaum war ich fertig, bin ich aus dem Saal gestürmt, Richtung Ställe. Wilhelm brüllte mir hinterher, dann liefen ein paar Burgmannen mit gezückten Schwertern auf mich zu, aber Gott sei Dank war ich schneller. Wie der Blitz saß ich auf meinem Pferd und ritt davon. Ich hatte nur Glück, dass mich der mitleidige Torwächter sofort hinausließ. Er wusste wohl, was mir blühte. Ich war bestimmt nicht der erste Bote, der auf dieser Burg als Überbringer einer schlechten Nachricht umgebracht werden sollte.«
»Dietrich hatte also einen guten Grund, Franz zu ermorden«, stellte ich fest. »Und er hatte die Gelegenheit.«
»Es wird nicht mehr lange dauern, dann ist er noch gewalttätiger als sein Vater. Schon im zarten Alter von vier Jahren hat er seine Fäuste entdeckt. Die platte Nase stammt von einem schlecht verheilten Bruch, den er sich damals bei seiner ersten Prügelei geholt hat.« Trushard seufzte. »Wir sollten Dietrich mal genauer befragen, auch wenn ich nicht glaube, dass es uns weiterbringt. Wenn er wirklich der Täter ist, wird er es wohl kaum zugeben. Und wie sollen wir nachweisen, dass er es war, der in der Einsamkeit der Schmiede zugestoßen hat?«
***
Wir mussten nicht lange nach ihm suchen. Er kam uns entgegen, in der Hand einen Krug. Gewiss war er auf dem Weg zur Burgküche, um Wein zu holen.
Der Kampf, den er als vierjähriger Knirps angezettelt hatte, musste ziemlich heftig gewesen sein. Unterhalb des Nasenbeins knickte die Nase schroff nach unten ab. Sie war an das viereckige Gesicht gedrückt, als habe man ein Stück Teig platt geklopft. Wie ein Büschel Stroh wuchs das Haar aus der niedrigen Stirn empor. Aus Dietrich würde eher ein Raubritter werden als ein ehrenhafter Vertreter seines Standes. Aber genau deshalb konnte ich nicht glauben, dass er Franz umgebracht hatte. Ein starker Knappe wie Dietrich war es gewohnt, die Fäuste zu gebrauchen. Er hatte es gar nicht nötig, eine Waffe zu benutzen. Nur Feiglinge – oder Frauen? – griffen zu einem Spieß.
Trushard stellte sich ihm mitten in den Weg. Dietrich knurrte unwirsch und wollte sich an ihm vorbeischieben, aber Trushard packte ihn am Rock. »Hier geblieben. Wann hast du Franz zum letzten Mal gesehen?«
Der Knappe drückte Trushards Hand beiseite und baute sich breitbeinig auf. Graue Augen, hart wie Kieselsteine, musterten meinen Mann argwöhnisch. »Beim Essen«, stieß er hervor. Die wulstigen Lippen stülpte er beim Sprechen vor wie ein Karpfen, der nach Luft schnappte.
Elisabeth setzte sich, einige Schritte von uns entfernt, auf eine Steinbank vor dem Wehrgang, breitete ihre Röcke aus und sah mit unverhohlener Neugier zu uns herüber.
Ich drückte mich ein Stück zur Seite und dann an Dietrich vorbei, um zu sehen, ob sich auf seinem Rücken Rußspuren fanden. Aber auf dem rostroten Wollstoff ließ sich nichts erkennen. Ich blinzelte Trushard zu und schüttelte andeutungsweise den Kopf.
Dietrich drehte sich zu mir um, den platten Schädel vorgeschoben wie ein angreifender Widder. »Was schleichst du so um mich herum?«
Ich bückte mich. »Irgendwo hier muss mein Taschentuch liegen. Ah, da ist es ja.« Unauffällig zauberte ich es aus meinem Flügelärmel und tat so, als würde ich es vom Boden aufheben. Rasch schob ich es an seinen Platz zurück und stellte mich wieder neben meinen Mann.
Trushard zog die Augenbrauen hoch. »Dietrich, du lügst. Man hat dich beobachtet, wie du Franz abgepasst hast, als er aus dem Palas kam.«
Durch eine Zahnlücke spuckte Dietrich auf den Boden. »Wir hatten einen kleinen Streit, na und? Den hatten wir oft.« Die Finger fest um den Henkel des Kruges geklammert, schob er sich an meinem Mann vorbei.
Mit seinen langen Beinen machte Trushard einen Satz und baute sich vor ihm auf. »Unser Gespräch war noch nicht beendet. Immerhin warst du der Letzte, der Franz lebend gesehen hat.«
Dietrich reckte den Kopf hoch. »Habe schon gehört, dass der Franz tot ist. Aber was geht dich das an?«
»Der Kaiser hat mich beauftragt, den Mörder zu finden«, gab Trushard zurück.
Dietrich ließ seinen Blick über den Burghof schweifen. Die Treppe, die zum Wehrgang führte, betrachtete er ein wenig länger, dann musterte er Elisabeth, die genau daneben saß. Schließlich wandte er sich wieder Trushard zu. »Ich bin immer für ein offenes Wort zu haben. Nur zu! Du willst doch wohl sagen, dass du mich verdächtigst, oder?«
»Ich stelle nur Tatsachen fest, nichts weiter«, erwiderte mein Mann betont ruhig. »Bisher bist du der Einzige, der gesehen wurde, wie er Franz in Richtung Schmiede nachlief. Pech für dich, dass du auch der Einzige bist, der einen Grund hatte, ihn umzubringen. Ich finde, wir sollten uns mal gemeinsam mit dem Kaiser unterhalten über das, was du heute Abend so getrieben hast. Das könnte ein sehr aufschlussreiches Gespräch werden.«
Mit einem Mal schleuderte Dietrich meinem Mann den Krug entgegen und hechtete los, auf die Treppe zu, die zum Wehrgang führte.
Trushard war so verblüfft, dass er gar nicht erst versuchte, den Krug aufzufangen, und ihn einfach an sich abprallen ließ. Dann riss er sich aus seiner Erstarrung und rannte Dietrich hinterher. Elisabeth schnellte von der Bank hoch und verfolgte das Geschehen mit weit aufgerissenen Augen.
Noch ehe ich meinen Rock raffen konnte, hatte Trushard den Knappen bereits eingeholt und krallte sich mit der unverletzten Rechten in seinen Arm. Mit angehaltenem Atem verfolgte ich, wie Dietrich meinem Mann einen heftigen Schlag auf den Verband versetzte und sich von ihm losriss.
»Autsch!« Trushard verzog das Gesicht und hielt sich den verwundeten Arm, vor Schmerz unfähig, sich zu rühren.
»Hilfe!«, schrie ich, so laut ich konnte, während ich auf Dietrich zustürzte. Ich verwünschte den viel zu langen Rock des Gewandes, den ich umständlich mit beiden Händen hochheben musste, damit er mich nicht beim Laufen behinderte.
Elisabeth stand wie angewurzelt vor der Bank, das schwere Goldkreuz mit beiden Händen umklammernd. Dietrich hastete auf sie zu, packte sie und hielt sie dicht vor seinen Körper. Mit Entsetzen sah ich, dass an ihrem Hals ein Dolch aufblitzte. »Wenn ihr näher kommt, steche ich zu«, drohte Dietrich.
Sofort blieb ich stehen. Trushard rührte sich nach wie vor nicht.
Jetzt erfährt Elisabeth mal am eigenen Leib, wie es ist, wenn man in Not gerät, schoss es mir durch den Kopf. Ihr verzückter Blick fiel mir wieder ein, als sie von Trushards scheinbar aussichtslosem Kampf gegen die Cremasken erfahren hatte. Ich hatte geweint – und sie hatte sich daran ergötzt! Das Leid anderer Menschen war ihre höchste Freude, jetzt konnte sie selber diese Freude auskosten. Und hätte sie sich nicht so neugierig im Hof herumgetrieben, wäre sie Dietrich gar nicht erst in die Hände gefallen. Doch dann tadelte ich mich für meine unchristlichen Gedanken. Den Tod verdiente niemand, selbst Elisabeth nicht.
Inzwischen hatte sich um uns ein kleiner Kreis von Gaffern gebildet.
»Was’ n los?«, lallte eine Frau und hickste.
»Zwei Männer haben sich um ein Weibsbild gestritten.« Einer der Bogenschützen aus dem Gefolge der Kaiserin rülpste. »Jetzt ist der eine mit ihr abgehauen.«
»Glaub ich nich! Hicks.« Das war wieder die betrunkene Frau. »Die war doch hässlich. Hicks.«
»Im Krieg muss man nehmen, was man kriegen kann«, stellte der Bogenschütze fest. »Gibt ja nicht viele Weiber hier.«
Immer mehr Neugierige versammelten sich um uns. Vorn Tor torkelten mehrere Bogenschützen herbei.
»Lass mich los«, flehte Elisabeth ihren Peiniger an. »Ich habe dir doch gar nichts getan.«
»Halt’s Maul!« Dietrich drückte die Spitze des Dolches ein wenig fester an ihren Hals. Elisabeth quiekte erschrocken auf.
»Gib die Dame frei! Du machst damit alles noch schlimmer. Wenn du ihr auch nur ein Härchen krümmst, wird die Kaiserin vor Zorn außer sich geraten. Und dann gnade dir Gott.« Trushard hatte den verletzten Arm vor den Oberkörper gepresst.
Dietrich schüttelte den Kopf. »Ich gebe meine Geisel nicht frei. Es liegt an euch, ob ihr sie wohlbehalten zurückbekommt.« Er warf einen prüfenden Blick in den Burghof, als schätzte er ab, ob es nicht vielleicht doch möglich war, mit Elisabeth ungehindert zum Tor zu gelangen. Aber mittlerweile hatten sich dort zu viele Neugierige versammelt. Der Weg war ihm versperrt. Er wandte den Kopf hoch zum Wehrgang. Dort war niemand zu sehen. Ich ahnte, was der Knappe vorhatte: Er wollte von der Brustwehr aus in die Tiefe springen. Genau unter der Burg floss der Serio entlang. Mit Schaudern dachte ich daran, dass der Fluss breit und tief war.
»Ich werde jetzt mit der Dame verschwinden, und niemand von euch wird mich daran hindern«, erklärte Dietrich. »Wagt es nicht, die Burg zu umstellen. Sobald ich das Knarren des Tores höre, schneide ich meiner Geisel die Kehle durch. Verstanden?«
Trushard nickte. »Bleibt stehen!«, rief er den Bogenschützen und Gaffern zu.
Fieberhaft überlegte ich, wie ich Trushard helfen konnte, Dietrich dingfest zu machen und Elisabeth zu retten. Wenn ihr etwas zustieß, würde man meinen Mann dafür verantwortlich machen. Trushard selber konnte nichts unternehmen, denn jede seiner Bewegungen wurde von dem Knappen misstrauisch beobachtet.
Ich wog ab: Wenn ich nichts tat, würde Dietrich mit Elisabeth verschwinden. Bis unsere Männer die Burg umrundet hatten und auf der anderen Seite des Serio ankamen, war er längst auf und davon. Elisabeth würde den Sturz bestimmt nicht überleben, denn sie konnte nicht schwimmen. Wenn ich mich einmischte, bestand die Gefahr, dass Dietrich seine Drohung wahr machen und ihr die Kehle durchschneiden würde. So oder so war sie in höchster Gefahr, aber vielleicht konnte ich sie retten, wenn ich schneller war als er.
Mit angehaltenem Atem beobachtete ich, wie Dietrich mit seiner Geisel rückwärts die Treppe zum Wehrgang hochstieg, vorsichtig Stufe um Stufe erklimmend. Die Bogenschützen hatte er fest im Blick.
Und genau das war meine Chance. Der Knappe achtete zwar auf die Männer – aber nicht auf die Frauen. »Warte noch ein kleines Weilchen, und dann lenk Dietrich ab«, raunte ich meinem Mann zu. Er nickte.
Unauffällig bahnte ich mir einen Weg durch die Menge, hin zum Tor, das von zwei Knechten bewacht wurde, einem Lombarden und einem schwabbelbäuchigen Deutschen, der erst vor kurzem zu Beatrix’ Gefolge gestoßen war.
»Gebt mir Pfeil und Bogen«, zischte ich dem Deutschen zu.
Ungläubig starrte er mich an. »Was wollt Ihr denn damit?«
»Schießen, was sonst?«, gab ich ungeduldig zurück, während ich auf die Waffe und den Köcher schielte, die in einer Ecke des Tores lehnten.
»Ihr seid ja betrunken.« Der Wachmann machte eine abfällige Handbewegung.
Jetzt reichte es mir. »Ich bin stocknüchtern. Und den Umgang mit Pfeil und Bogen habe ich schon als Mädchen gelernt. Ich lade Euch gerne zu einem Wettschießen ein. Aber jetzt gebt mir endlich die Waffe!«
Der Lombarde sah verständnislos drein. Der Deutsche verschränkte die Arme vor der Brust. »Frauen dürfen keine Waffen tragen.«
Mit der linken Hand raffte ich den Rock. »Ich schon. Die Kaiserin höchstpersönlich hat mir erlaubt, regelmäßig mit Pfeil und Bogen zu üben.« Da er sich immer noch nicht rührte, stieß ich meinen rechten Arm blitzartig vor, langte nach dem Bogen und dem Köcher und sauste davon.
»Was soll das?«, protestierte der Wachmann, aber ehe er nach mir greifen konnte, war ich in der lebhaft schwatzenden Menge untergetaucht. Ich hielt die Waffe und den Köcher hinter meinem Rücken versteckt und schob mich langsam vorwärts, zur anderen Seite der Treppe, dorthin, wo Dietrich mich nicht sehen würde, wenn Trushard ihn ablenkte.
Als ich endlich vorne angekommen war, galt mein erster Blick Dietrich. Mittlerweile hatte er die Brustwehr erreicht. Elisabeth hielt er immer noch wie einen Schutzschild vor sich.
»Weit wirst du mit deiner Geisel nicht kommen!«, rief Trushard zum Wehrgang hoch. »Sie behindert dich nur, also gib sie frei!« Trushards klangvolle Stimme brachte die Menge zum Verstummen. Im Hof wurde es so still wie in einer Kirche.
»Ich werde ihr schon Beine machen.« Dietrich stand jetzt genau zwischen zwei Zinnen.
»Wir sollten noch einmal in Ruhe über alles reden. Ich habe doch gar nicht behauptet, dass du der Mörder bist.« Während Trushard sprach, hatte ich Pfeil und Bogen gespannt. Zum Glück war der Burghof hell erleuchtet, und wir hatten fast Vollmond. Daher konnte ich mein Ziel – Dietrichs rechte Schulter – gut erkennen. Ich wollte den Entführer nur so schwer verletzen, dass er Elisabeth loslassen musste und sie flüchten konnte; töten wollte ich ihn nicht.
»Von wegen reden!« Dietrich spuckte auf den Boden. »Ich soll dein Sündenbock sein, weil du zu dumm bist, den wahren Mörder zu finden. Und wenn ich erst einmal im Kerker bin, komme ich nur noch zur Hinrichtung wieder heraus.« Er trat ein Stück zur Seite, drehte Elisabeth um und drückte sie an die Brustwehr, den Dolch immer noch an ihrer Kehle. »Hochklettern!«
Laut aufheulend, zog sie sich an der Mauer hoch, während er darauf achtete, dass er seine Waffe dicht an ihren Körper hielt.
Es war anscheinend genau so, wie ich es vermutet hatte: Dietrich wollte gemeinsam mit ihr in den Fluss springen. Das musste ich um jeden Preis verhindern. Mit klopfendem Herzen wartete ich auf den richtigen Augenblick, um den Pfeil abzuschießen. Der Schweiß lief mir über den Rücken. Mein Untergewand klebte an der Haut fest.
Elisabeth lag jetzt vornübergebeugt zwischen den beiden Zinnen und strampelte mit den Beinen wie ein hilfloser Säugling. Dietrich stand neben ihr, den Dolch an ihrem Hintern.
»Eine letzte Warnung: Lass die Dame los!«, schrie Trushard. Dietrich blickte ihn spöttisch an und griff nach Elisabeths Beinen. Jeden Augenblick konnte er sie hinunterschubsen. Jetzt oder nie!
Ich schoss ab. Mein Herz vollführte einen rasanten Trommelwirbel, als sich der Pfeil seinem Ziel näherte. Dietrich wirbelte herum und duckte sich. Mist, er hatte wohl das leise Surren gehört. Der Pfeil prallte gegen die Brustwehr und fiel zu Boden. Dietrich schubste Elisabeth hinunter. Sie schrie so grell, dass ich meinte, meine Ohren müssten platzen.
Während ich fieberhaft den nächsten Pfeil einlegte, kletterte Dietrich auf die Brustwehr.
Plötzlich brach Elisabeths Schrei ab. Gleichzeitig ertönte ein mächtiges Platschen.
»Der Bogenschütze hat sich zur Täuschung als Frau verkleidet. Wie raffiniert«, hörte ich eine Magd in meinem Rücken.
Vom Fluss drang das Klatschen von Händen, die im Wasser um sich schlugen, herauf. »Ich ertrinke!«, kreischte Elisabeth immer wieder.
Ich hob den Bogen und zielte. Dietrich hockte auf der Brustwehr, bereit zum Sprung. Sein heller Schopf zeichnete sich vor dem dunklen Himmel deutlich ab. Ich peilte die Schulter an und schoss.
Doch ehe der Pfeil sein Ziel traf, hatte sich Dietrich schon von der Brustwehr abgestoßen und segelte in die Tiefe. »Dreimal verfluchter Bockmist!«, brach es aus mir heraus, dann sprang ich los wie eine Wildkatze. Von der anderen Seite der Treppe hechtete Trushard zu mir. Gemeinsam rannten wir die Stufen hoch.
Auf einmal kam Bewegung in die Menge. Alle strömten zum Wehrgang. Als uns die Meute folgte, klang es, als donnerte eine Kuhherde die Stufen hoch. Ich beschleunigte den Schritt, denn ich hatte Angst, eingeholt und niedergetrampelt oder von der Treppe gestoßen zu werden.
Nach Luft ringend, erreichte ich den Wehrgang und flüchtete mich neben Trushard zur Brustwehr. Ich hatte sie kaum erreicht, als uns die Meute auch schon umzingelte und gegen die Mauer drückte. Rasch stellte ich mich auf die Zehenspitzen, um einen Blick nach unten zu werfen, doch die Brustwehr reichte mir bis zum Hals.
Da ich sowieso nichts sehen konnte, wollte ich zurück in den Hof, aber auf dem Wehrgang drängten sich die Gaffer dicht an dicht. Mit schmerzverzerrtem Gesicht kletterte Trushard auf die Brustwehr und setzte sich mit dem Rücken zu mir darauf. »Höher als ein Kirchturm«, murmelte er. »Aber es muss sein. Sonst ist sie verloren.«
Er wollte doch wohl nicht sein Leben riskieren, um eine boshafte Hofdame zu retten, die an ihrem Schicksal selbst schuld war? Ich ließ die Waffe fallen und griff nach seiner Hüfte. »Um Gottes willen, du wirst dir sämtliche Knochen brechen!«
Trushard befreite sich aus meiner Umklammerung und beugte sich nach vorne. »Unsinn, das ist nur Wasser.«
Nur Wasser! Nichts auf der Welt verabscheute ich mehr als eiskaltes Wasser. Es schmerzte wie Feuer, wenn man darin eintauchte, und es war genauso tödlich. Zumindest für mich, denn ich konnte nicht schwimmen. »Tu’s nicht!«, rief ich in panischer Angst und langte nach seinem Bliaut.
Aber ehe meine Hände ihn erreichen konnten, war Trushard schon gesprungen. Wenige Augenblicke später verriet mir ein lautes Platschen, dass er eingetaucht war. Ich musste wissen, ob er den Sturz unbeschadet überstanden hatte.
»Helft mir hoch«, schrie ich den hinter mir stehenden Mann an. Verdutzt umfasste er meine Taille und hob mich in die Höhe, bis mir die Brustwehr nur noch bis zu den Oberschenkeln reichte. Ich lehnte mich weit nach vorne. In der Tiefe erblickte ich nichts als finsterste Schwärze, aus der ein schwaches Quieken zu uns hochdrang. Nur mit Mühe machte ich im Fluss drei Köpfe aus, die von hier oben nicht größer schienen als Äpfel.
Erschrocken bekreuzigte ich mich. »Das ist ja tiefer als der Höllenschlund«, entsetzte ich mich.
In diesem Augenblick wurde der Mann, der mich hochhielt, wohl von hinten gestoßen, denn er kippte nach vorne und ließ mich los. Ich ruderte wild mit den Armen, doch meine Hände griffen ins Leere – und ich fiel kopfüber in die Tiefe.
Die Schwärze raste auf mich zu. Ich überschlug mich. Die Eingeweide wirbelten wild durcheinander, und in meinen Ohren brauste ein Orkan.
Ich holte noch einmal tief Luft und schloss die Augen. Es klatschte donnernd laut, als ich mit den Füßen voran eintauchte. Ein Schmerz durchfuhr mich, als würde ich auseinander gerissen. Die Wucht des Aufpralls fegte mir den Schleier vom Kopf. Wie ein Peitschenschlag traf mich die Eiseskälte des Wassers. Über mir brachen die Wogen zusammen. Ich sauste immer weiter hinab, als würde mich der Grund ansaugen.
Ein unerträglicher Druck schien meinen Kopf von innen her zu sprengen. Langsam atmete ich aus und versuchte, noch einen Rest Luft zu behalten. Eine innere Stimme befahl mir, ruhig zu bleiben, doch mein Herz galoppierte schneller als ein wild gewordener Gaul. Das Gewand hing wie ein nasser Sack an mir und zog mich unerbittlich in die Tiefe. Ich strampelte hysterisch, aber der Rock schlang sich immer enger um meine Beine, bis ich sie gar nicht mehr bewegen konnte. Das letzte bisschen Luft entrang sich meiner Brust.
Panisch ruderte ich mit den Armen. Ich erstickte. Luft, nur Luft! Unwillkürlich öffnete ich den Mund und schluckte brackiges Wasser. Ein widerlicher Geschmack nach Schlamm und vergammeltem Fisch füllte meinen Mund. In meiner Lunge brannte es wie Feuer. Gleich würde sie platzen. Ich hatte nur noch einen Gedanken: Luft, Luft, Luft….!
Irgendetwas krallte sich in meinem Brustkorb fest. Ein Ungeheuer? Mein Hals schien wie mit Blei ausgegossen zu sein. Ich würgte, aber jetzt wurde die Lunge hart wie ein Stein. Oh Gott, mach dem Schmerz ein Ende!
Der Schwung, der mich in die Tiefe zog, ließ nach. Nur noch langsam trudelte ich weiter hinab. Ich konnte mich nicht mehr bewegen, denn ich brauchte alle Kraft, um dem Ungeheuer standzuhalten, das meine Lunge zerquetschte. Irgendwo in meinem Oberkörper schien sich eine Faust zu ballen, gegen den Brustkorb zu stoßen und sich zu öffnen. Ballen, stoßen, öffnen. Schnell und immer schneller. Ich hielt es nicht mehr aus. Warum dauerte es so lange, bis man ertrunken war?
Plötzlich ging es aufwärts. Zu spät, dachte ich. Wenn ich nicht in wenigen Augenblicken Luft bekam, war es aus.
Zwei starke Arme griffen mir unter die Achseln und zogen mich hoch. Mein Kopf durchbrach die Oberfläche. Gerettet! Ich spie das Wasser aus, verschluckte mich, rang nach Luft und hustete.
»Alles in Ordnung?« Trushard!
Ich konnte nur nicken. Wieder und wieder sog ich die köstliche Luft ein. Langsam flaute der Schmerz in meiner Lunge ab.
Ächzend zog Trushard mich zum rettenden Ufer und stellte mich auf die Beine.
Ich konnte gar nicht richtig gehen, sondern in den schmatzenden Schuhen nur vorwärts wackeln, so flau und zittrig war mir zumute. Dort, wo ich lief, hinterließ ich Pfützen. Alles an mir klebte fest: Die Haare schienen an den Rücken gewachsen zu sein, der Rock schmiegte sich an die Beine, und die Tütenärmel hingen traurig herunter. Am liebsten hätte ich mich geschüttelt wie ein nasser Hund, aber selbst dazu fehlte mir die Kraft. Mir war so schwindlig, als hätte ich mich hundertmal im Kreis gedreht. Jeden Augenblick konnte ich in Ohnmacht fallen.
Aber Trushard war ja da. Gewiss würde er sich nun aufopferungsvoll um mich kümmern und mich zärtlich in seinem unverletzten rechten Arm halten. So hielten es die Ritter in den Epen, die Trushard als Spielmann vortrug. Aber Trushard, der Ministeriale, ließ mich abrupt los, lief erregt umher und spähte in jedes Gebüsch. Währenddessen stand ich so verloren am Ufer wie ein Hund ohne Herrchen und bemühte mich, nicht umzufallen.
»Verflucht, sie sind weg!« Trushard stampfte mit dem Fuß auf. »Hoffentlich passiert der Dame nichts.« Seine Stimme klang besorgt.
Ich wäre fast ertrunken – und Trushards Gedanken galten einer hässlichen, boshaften Hofdame! In den eiskalten Fluten des Serio war auch der letzte kümmerliche Rest an Mitgefühl für Elisabeth, den ich noch gehegt hatte, untergegangen. Stattdessen spürte ich eine ungeheure Wut. Um ein Haar wäre ich gestorben, weil die elende Schnüffelnase neugierig im Hof herumgelungert hatte! Wäre ich an ihrer Stelle in die Fänge von Dietrich geraten – Elisabeth hätte keinen Finger gekrümmt, um mir zu helfen. Stattdessen hätte sie das Spektakel freudig erregt verfolgt.
»Du solltest dich lieber um mich kümmern«, erwiderte ich vorwurfsvoll. »Ich glaube, ich bekomme gleich einen Schwächeanfall.«
Trushard drückte seine Locken aus, dann schüttelte er kräftig den Kopf. Tropfen spritzten mir ins Gesicht. »Stell dich nicht an wegen des bisschen Wassers. Du bist so robust wie ein Ackergaul. Auch die Geisel hat den Sturz Gott sei Dank überlebt. Als ich auftauchte, sah ich, wie Dietrich sie ans Ufer schleppte, während sie ihn kräftig beschimpfte. Wenn ich dich nicht hätte retten müssen, hätte ich noch eine Chance gehabt, die beiden zu erwischen.« Trushard verzog vorwurfsvoll das Gesicht, als wäre ich freiwillig in den Fluss gesprungen.
»Aber nach wie vor ist die Geisel in Lebensgefahr«, fuhr er fort. »Und ich bin daran schuld. Wenn ich Dietrich gegenüber meinen Verdacht nicht geäußert hätte, wäre er nicht geflohen, und die Ärmste wäre jetzt nicht in seiner Gewalt.«
Ich stand da wie eine römische Statue, trotz größter Anstrengung unfähig, mich in meinen wasserschweren Gewändern zu rühren. Aber zumindest meine Zunge war beweglich. »Der Ärmsten tut es mal ganz gut, wenn sie die Tugend der Zurückhaltung lernt. Das ist für ihr Seelenheil gewiss sehr förderlich.«
»Weit werden sie ohne Pferd nicht kommen«, überlegte Trushard, während er mit der rechten Hand in seinen Bliaut griff und ihn zu einer Wurst drehte, um das Wasser herauszupressen. »Glaubst du, dass Dietrich der Mörder ist? Seine Flucht ist ja fast ein Schuldgeständnis.«
Allmählich ebbte der Schwindel ab. Fast bedauerte ich es. Nur zu gerne wäre ich in Ohnmacht gefallen, um Trushard zu beweisen, dass ich kein Ackergaul, sondern eine zarte Dame war. Probeweise hob ich den rechten Arm. Es ging. Mit zitternder Hand streifte ich ein paar Tropfen von der Spitze des linken Flügelärmels ab. »Warum sollte er Franz umbringen?«, entgegnete ich. »Er war seine letzte Hoffnung, beim Kaiser Gehör zu finden. Ich halte eher Zäsarius für den Täter. Er verheimlicht uns etwas. Warum eigentlich? Wenn wir nur wüssten, woher dieses merkwürdige Siegel stammt, wären wir ein gutes Stück weiter. Wer Flammen des Zorns als Inschrift wählt, ist gewiss auch zornig genug, jemanden umzubringen.«
»Ein Mönch besitzt kein Siegel, und das Siegel von Graf Otto zeigt einen Stier«, stellte Trushard fest. »Es muss also noch ein unbekannter Dritter im Spiel sein.«
Mit hängenden Schultern starrte er auf seine aufgeweichten Schuhe. »Ich kann verstehen, dass Dietrich davongerannt ist. Zu Recht hat er Angst um sein Leben. Offen gestanden, habe ich auch Angst. Der Rotbart wird seine Wut an mir auslassen, wenn ich es nicht schaffe, den Fall aufzuklären und die Hofdame wohlbehalten zurückzubringen. Ich will mir lieber nicht ausmalen, was er dann mit mir anstellt. Du weißt ja, wenn es um seine Ehre geht, ist Barbarossa hart wie Stahl. Und mich kann er sowieso nicht ausstehen. Er wartet nur darauf, dass ich einen Fehler mache.«
In der Regel war der Kaiser umgänglich und um Ausgleich bemüht, aber wenn er zu sehr gereizt wurde oder jemand seine Ehre verletzte, war es mit seiner Nachsicht vorbei. Dann neigte er zu ausgesprochen harten Reaktionen, die weit über das übliche Maß hinausgehen konnten. Und derzeit war er alles andere als ausgeglichen. Der Trotz der lombardischen Rebellen zerrte an seinen Nerven. Vor wenigen Tagen war die Nachricht zu uns durchgesickert, der Papst habe sich gar mit den Mailändern gegen den Kaiser verbündet und sich verpflichtet, Barbarossa binnen vierzig Tagen zu exkommunizieren, weil er sich an den Rechten des Heiligen Stuhles vergriffen hatte. Für Friedrich ging es nun um alles oder nichts. Vor Crema stand nicht weniger als die Zukunft des Reiches auf dem Spiel. Ein nicht aufgeklärter Mord würde den Kaiser zum Gespött seiner Feinde machen. Und wenn dann auch noch einer entführten Hofdame etwas zustieß … Ich verstand die Sorge meines Mannes.
Die Kette der Zugbrücke rasselte. Die ersten Männer schwärmten aus, um Dietrich und Elisabeth zu suchen. »Da kommt schon die Unterstützung«, sagte ich, um Trushard aufzumuntern. »Unsere Leute werden die Flüchtigen im Handumdrehen aufspüren. Sie müssen noch in der Nähe sein.«
Trushard gab ein resigniertes Grunzen von sich. »Bei meiner Ankunft habe ich ein Stück weiter flussabwärts mehrere Boote am Ufer gesehen. Damit können Dietrich und die Hofdame im Nu verschwinden.«
»Wir beide können jetzt nichts mehr für Elisabeth tun. Dietrich wird ihr schon kein Härchen krümmen, dafür ist sie als Faustpfand viel zu wertvoll.« Mir fiel eine Möglichkeit ein, Trushard wirkungsvoll zu trösten. »Du einfühlsamster aller Ehemänner, singende Sonne des Abendlandes, unerschrockener Bezwinger der lombardischen Landstraßen …«
Amüsiert zog Trushard die Augenbrauen hoch. »Komm zur Sache!«
Ich zauberte ein Lächeln in mein Gesicht. »Wir sind alleine.« Mein Mann legte die Hand an das rechte Ohr. In der Ferne war Pferdegetrappel zu hören. »Nicht mehr lange«, stellte er fest.
Mein Schwindel war verflogen. Ich zog Trushard ins Gebüsch. »Noch lange genug.«