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Ankunft

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Die Lodge war in den zurück liegenden Jahren ein Jagd-Camp gewesen, bevor sie zu einer Busch-Lodge umgebaut wurde. Die wenigen Hütten für die Jäger waren aus Schilfrohren gebaut und mit Spitzdächern aus getrocknetem Gras bedeckt. Sie bestanden aus einem großen Raum sowie einem kleinen Badezimmer mit Dusche, Waschbecken, Toilette. Durch vier kleine Fenster drang spärliches Licht in das Hausinnere.

Diese Hütten dienten nun ausschließlich als Unterkünfte für alle, die hier vorübergehend arbeiteten sowie für ReiseleiterInnen.

Wenige Meter hinter diesen Häusern endete das Gelände der Lodge, das mit einem hoch gespannten Elektrodraht eingezäunt war, ein Schutz gegen die Elefanten. Andere Wildtiere hatten freien Zugang. Ob und wie viele Löwen oder Schakale, auch Leoparden uns nachts besuchten, wussten wir nie. Sicherheit über ihren nächtlichen Besuch gaben uns nur ihre Fußspuren im Sand.

Statt für irgendwelche Papiere am Computer zu sitzen, wurde ich nun dringend für Arbeiten in der Lodge benötigt, wie mir gleich bei meiner Ankunft mitgeteilt wurde. Ich widersprach nicht, hatte ich doch eh keine andere Wahl. Ich war froh, hier leben zu können in der wilden Natur unter einem strahlend blauen Himmel.

Da ich auf der Basis von Kost und Logis arbeitete, konnte ich mir viel freie Zeit gönnen, zum Swimmingpool gehen, weitab von den Gästen kleine Spaziergänge außerhalb des Geländes unternehmen oder am Flussufer sitzen.

Nach meiner Ankunft sollte ich mich drei Tage eingewöhnen, das Gelände erkunden, die angestellten Frauen und Männer kennenlernen, die mir nacheinander vorgestellt wurden, sowie den Tagesablauf miterleben. Ich schlenderte viel herum und blieb immer wieder stehen, um den vervet monkeys, den kleinen hellgrauen Meerkatzen mit ihrem schwarzen Gesicht und beeindruckend langem Schwanz zuzusehen. Wendig wie eine Schlange umgriff dieser auch den schmalsten Ast oder brachte den Körper ins Gleichgewicht, wenn die Tiere von Ast zu Ast tobten.

Vom Deck aus, das am Ufer des Flusses aus einheimischem Holz gebaut war, beobachtete ich die Flusspferde. Ihre unverkennbare Sprache, eine Mischung aus Brüllen und Bellen, gefolgt von meist fünf weniger kräftigen Rufen, begleitete mich täglich. Sie standen oder liefen im Wasser, in das sie immer wieder abtauchten. Wenn ihre schweren breiten Köpfe nach wenigen Minuten wieder an die Oberfläche kamen, wackelten die kleinen Ohren. Die großen Augen, die unter dicken Geschwülsten mehr auf dem Kopf saßen als an dessen Seiten, beobachteten alles, was sich ihnen näherte. Das Wasser war ihr Revier, in das sie sich während der vielen Sonnenstunden zurückzogen. Es wurde um jeden Preis verteidigt.

Ich ließ meinen Blick schweifen. Gegenüber am Ufer jenseits des Flusses, der hier schmal verlief, lag schon Botswana. Später erlebte ich immer wieder die Bootspatrouillen botswanischer Grenzsoldaten – die kleinen Motorboote waren schon von weitem zu hören. Sowie die Männer stehend an der Lodge vorbeifuhren, winkten sie uns zu. Irgendwann winkte auch ich zurück, zusammen mit den Angestellten der Lodge.

Bereits am Nachmittag wurden die Tische für den Abend eingedeckt. Marie war damit beschäftigt, sie mit den Frauen zu gruppieren. Je nach Anzahl der Gäste wurden die Tische als gerade Tafel, zu einer T- oder einer U-Form zusammengeschoben. Es wurde großer Wert darauf gelegt, dass alle miteinander kommunizieren konnten.

Die Touristen bekamen abends ihre Plätz zugewiesen. Marie kannte alle beim Namen, hatte beobachtet, wer mit wem schon länger geredet hatte oder wer gut zusammen passen könnte. Sie plante die Sitzverteilung, während sie die Tische hin und her dirigierte. Die Gäste akzeptierten das, und nach den angeregten Unterhaltungen zu urteilen, hatte Marie meistens die richtigen Entscheidungen getroffen.

Später diskutierte sie die Sitzordnung mit mir. Allerdings war ich keine wirkliche Hilfe. Ich konnte mir nur selten die Namen all der Menschen merken, die fast täglich wechselten. Entweder wollte ich ein Paar neben einem anderen platzieren, das am Morgen schon abgereist war. Oder ich brachte die Eheleute nicht mehr zusammen.

Am ersten Abend entschied ich mich für einen frühen Schlaf. Mit meiner kleinen Maglite – Taschenlampe suchte ich behutsam meinen Rückweg durch das Gelände. So ganz wohl war mir nicht dabei. Die nächtliche Stille war irgendwie unheimlich. Zum Glück hingen Paraffinlampen in einigen Bäumen, die mir am Anfang meines Weges halfen, solange, wie er auch zu den Gasthütten führte. Danach tappte ich hinter dem Lichtkegel meiner Taschenlampe her. Bei jedem Knacken oder Knistern zuckte ich zusammen und phantasierte wilde Tiere, die nur auf mich warteten.

Wie erleichtert war ich später jedes Mal, wenn ich das Licht, das ich vorher in meiner Hütte angezündet hatte, schwach durch die Nacht blinzeln sah. Die Furcht nahm allmählich ab, zumal ich die Geräusche des nächtlichen Busches langsam kennenlernte. Aber meine Wachsamkeit erhielt ich mir.

Oft hörte ich nightjars, Nachtschwalben, die das Ausmaß einer Taube hatten, große Augen, kurze schwache Beine. Bei Nachtfahrten sah ich sie immer wieder mitten auf den Sandwegen hocken. Eine Weiterfahrt wurde vorübergehend verhindert. Manchmal drang der Ruf einer Eule, der african wood owl, zu mir, eine Art Hupen, das mit einem höheren ‚who-uuu‘ endete. Dann blieb ich stehen und hoffte auf eine Wiederholung. Hatte sie mich gewarnt oder andere Lebewesen vor mir?

Nach drei Tagen begann der Ernst meines neuen Lebens. Ich hatte den Wecker auf sechs Uhr gestellt, um pünktlich noch vor sieben Uhr im Hauptgebäude zu sein. Es war kühl an diesem Morgen, sodass ich in langen Hosen, einer khakifarbenen Bluse unter dem neuen Sweatshirt mit dem Logo der Lodge und geschlossenen Schuhen über den feuchten Rasen ging. Der Himmel war bereits blau, der Pulli bald überflüssig. Ich begrüßte Marie in ihrem kleinen Büro, bevor ich in die Küche ging. Einmal tief durchatmen und drin war ich. Drei Köpfe wandten sich mir zu, während die Vorbereitungen für das Frühstück kurz unterbrochen wurden.

„Lumela.“

Ich blieb stehen, hörte ein Kichern – das war´s. Was war falsch? Ich hatte mir den Gruß doch eingeprägt.

Marie stürmte rein.

„Ich hatte euch Susanne ja schon vorgestellt. Heute fängt sie nun an zu arbeiten.“

Die darauf folgenden Kommentare in „Lozi“ verstand ich nicht.

Ich sah den Frauen zu, die routiniert ihre Arbeit machten: Obst schneiden, Teig zu Brötchen formen, Milchkännchen füllen usw. Dabei redeten sie ununterbrochen, und ich hatte den Eindruck, dass sie mich mindestens ebenso beobachteten wie ich sie.

Ich ging in die Offensive.

„Sorry, what´s your name?“

„Faustina“, flüsterte die Angesprochene und warf der am nächsten stehenden Kollegin einen Blick zu.

Deren Antwort kam, ohne mich anzusehen.

„Emeldah.“

Die Antwort der nächsten Frau verstand ich nicht.

„Say it again?“

„Lydiah“, kam etwas deutlicher von einem gesenkten Kopf.

Die Tür flog auf. Marie rief die erste Bestellung früher Gäste in den Raum, „Two times two fried eggs, sunny side up, bacon and tomatoes!“

Ich folgte ihr. Nur raus aus der Küche. Doch da gab es nichts für mich zu tun, also ging ich zurück.

Wie hieß noch die, die die Eier briet? Und die andere, die in den Ofen nach den kleinen Mohnbrötchen sah? Nur Faustina erinnerte ich und sah ihr zu, wie sie einen großen Korb mit Obst auf das weiße Tuch, das ihre Haare umwickelte, setzte. Außerdem hielt sie in der rechten Hand einen Krug mit Milch und balancierte auf der linken Hand eine Bastschale mit Brötchen.

„May I help you?“

Ich stieß die Schwingtür auf, der sie sich näherte. Erhobenen Hauptes schritt sie hindurch zum Deck.

Ich konnte nicht erinnern, mich schon mal so fehl am Platz gefühlt zu haben. Ich vergaß Alter, Beruf und Studienabschlüsse, während ich mit hängenden Armen an einen Küchentisch lehnte.

Ich schau mir erst mal alles an. Und wenn mir das zu blöd wird, verlasse ich diesen Ort wieder, tröstete ich mich.

Ein kühner Gedanke – ohne Auto 150 km vom nächsten Ort entfernt, von dem es auch kein Entrinnen geben würde – es sei denn vom Flughafen. Aber wohin? Ich straffte meine Körperhaltung und ging mutig durch die Küche. Einfach mit den Frauen reden, dann wird es schon klappen, und so stellte ich Emeldah, oder war es Lydiah, die schlichte Frage, ob sie jeden Tag die Brötchen frisch zubereiten würden. Ihren Blick konnte ich nicht interpretieren.

„They smell nice“, fügte ich noch hinzu.

Als eindeutige Fehlbesetzung verließ ich wieder diesen Ort.

Draußen sah ich den klaren Himmel, roch und fühlte die wärmer gewordene Luft, sah die Vögel sich in einer Futterschale streiten und atmete tief durch. Ich dachte an die vielen Elefanten, die ich bei meinem ersten Aufenthalt hier beobachtet hatte, während sie langsam den Fluss überquerten. Bei meiner Ankunft hatte ich erfahren, dass eine Herde von ungefähr vierzig Tieren sich im näheren Umkreis aufhielt.

Meine Fluchtgedanken verblassten.

Allmählich kamen alle Gäste zum Frühstück, bei Nummer zwanzig hörte ich auf zu zählen. Der Lärmpegel stieg, und durch ihn hindurch schnappte ich die Bestellungen auf: Two fried eggs, sunny side up, one poached egg medium, two scrambled eggs, mushrooms, three scrambled eggs, tomatoes.

Die Schwingtür flog vor und zurück. Meine Augen entdeckten vor einem Gast einen leeren Milchkrug. Ich griff nach ihm, ging zur Küche und stieß die Tür auf. Stolz, den Kühlschrank gefunden zu haben, wollte ich nach einer Milchtüte sehen. Aber da plätscherte schon Milch in meinen Krug. Ich sah auf und in Faustinas Gesicht, bedankte mich. Sie hatte keine Ahnung, was das für mich bedeutete.

Mit jedem Tag bekam ich etwas mehr Routine. Ich lernte nicht nur die Frauen näher kennen, sondern auch zu mögen. Sie hatten alle einen ausgeprägten Humor. Bald lachten wir immer wieder zusammen, wenn ich so manche Geschichte erzählte, die ich mit den Gästen erlebt hatte. Wie oft floh ich später zu ihnen, wenn mir die vielen fremden Menschen nicht behagten.

Mein Arbeitsfeld erweiterte sich, es kamen die Abrechnung und Auszahlung der Gehälter dazu sowie die Fahrten nach Katima, um einzukaufen.

Ich nahm mir ausreichend Pausen. Ich fühlte mich zunehmend wohl.

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