Читать книгу Cathelinje - In sündigem Besitz - Swantje van Leeuwen - Страница 5
ОглавлениеKapitel 2
Cathelinjes Treffen war für zehn Uhr vereinbart worden, und sie hatte sich fest vorgenommen pünktlich zu sein. Mit gemischten Gefühlen betrat sie den Lift im dritten Stock, wo sie arbeitete, und drückte den Knopf, um in die fünfte Etage zu fahren. Dort erwartete sie Mathijs van Steenderen von der Personalabteilung. Sie nutzte den Moment des Alleinseins im Aufzug, um ihr Kleid zu glätten. Ein kurzer Blick hinter sich, bestätigte ihr, dass die Nähte ihrer schwarzen Strümpfe perfekt ausgerichtet waren. Dann lupfte sie ihren Rock so zurecht, dass sie dem Betrachter eine gewisse Andeutung der Abschlüsse bot. Lächelnd nickte sie sich zustimmend zu. Abschließend löste sie den obersten Knopf ihrer enganliegenden, weißen Bluse und enthüllte geringfügig mehr von ihrem Dekolleté – gerade so, dass man es noch für anständig halten konnte. Sie betrachtete sich in der verspiegelten Wand der Kabine. Wellenförmig fielen ihre langen roten Haare über ihre Schultern und umrahmten Gesicht und Brust. Ihr Make-Up war heute weniger dezent und hatte nichts Subtiles – leuchtend rote Lippen, die jede Aufmerksamkeit forderten. Ich sehe heute aus wie eine verdammte Schlampe!, stellte sie, zufrieden mit sich selbst, fest.
*
Als sich die Tür des Aufzugs wieder öffnete, trat sie in den Korridor und wandte sich nach links auf van Steenderens Büro zu. Eine gewisse Nervosität kam auf, denn heute stand ihre alljährliche Leistungsbeurteilung an, und sie beabsichtigte, sich zu verbessern. Sie arbeitete jetzt als Versicherungskauffrau in ihrem fünften Jahr für die ›Bakker & Kuiper Centraal Verkeringen‹, und es war das fünfte Treffen mit dem Leiter der Personalabteilung. Sie hatte schnell verstanden, dass van Steenderen ein trauriger alter Mann war, geschieden, einsam und auf der verzweifelten Suche nach Aufmerksamkeit – was sie, wie sie sich grinsend eingestand, direkt für sich zu nutzen gewusst hatte. Ihre Arbeitsleistung, auch da war sie ehrlich zu sich selbst, war im besten Fall als mittelmäßig zu bewerten, im schlimmsten sogar als ausgesprochen fahrlässig. Ihre Zeiteinteilung und Arbeitsplanung war miserabel und ihre Berichte von drittklassiger Qualität. Auch schaffte sie es nicht ausreichend Geduld für die Klienten und den in ihren Augen ›dusselig-dummen Problemchen‹ aufzubringen. Aber was für sie sprach und sie gezielt einzusetzen verstand, war ihr mörderisch heißer Körper. Mit ihren langen, roten Haaren, ihrer grandiosen Oberweite und ihren endlosen Beinen hatte sie bald herausgefunden, dass sie keinerlei moralische Skrupel verspürte, ihre Arbeitskollegen so zu manipulieren, genau das zu tun, was sie von ihnen erwartete und dazu gebracht, ihr aus der Hand zu fressen.
Für diejenigen mit denen sie arbeitete, war sie auf unerklärliche Weise die Karriereleiter hinaufgestiegen, war befördert worden und hatte Gehaltserhöhungen erfahren, bis sie sich in einer Position befand, die andere Qualitäten und Fähigkeiten erforderte – und über das hinausging, was sie anzubieten hatte. Diesen Aufstieg hatte sie nicht zuletzt van Steenderens Beurteilungen zu verdanken. Für ihn hatte sie sich eine besondere Art der Manipulation einfallen lassen. Bei ihm gab sie sich als kleines trauriges Mädchen, das ihm schöne Augen machte und sich in tränenreichen Reden verlor, die sein Herz rührten und seine väterlichen Instinkte ansprachen. Gleichzeitig benahm sie sich wie die dreckigste Hure, die man sich vorstellen konnte. Sie kreuzte und spreizte ihre langen Beine, reckte verführerisch seufzend ihre straffe Oberweite vor und sorgte dafür, dass seine Augen, von ihr kontrolliert, zu den gewünschten Stellen wanderten. Einmal hatte sie absichtlich einen Stift fallen lassen, um sich vorbeugen zu können, damit sie ihn wie beiläufig aufheben konnte. Dabei hatte sie ihren kurzen Rock wie unabsichtlich über ihre Schenkel gleiten lassen und ihn wissen lassen, dass sie kein Höschen trug. Als sie zum Ende des Gesprächs aufgestanden war, hatte sie still in sich hineingelächelt, weil er sich schwer keuchend mit seinem Taschentuch die Stirn wischte. Ihr Einsatz hatte sich gelohnt und ihr ein beruflich erfolgreiches Jahr beschert.
Cathelinje hatte ein gewisses Mitleid mit dem alten van Steenderen, aber sie unterstellte, dass ihre Treffen für beide Seiten eine ›Win-Win‹-Situation waren. Sie bekam ihre Gehaltserhöhung und schenkte sich ihm quasi als lebendige Wichsvorlage. Dennoch hatte sie das Gefühl, dass sie ihm diesmal etwas mehr schuldig war als das und hatte beschlossen, einen Schritt weiterzugehen: Sie würde ihn diesmal mit dem Mund verwöhnen. Als ihr dieser Gedanke gekommen war, hatte sie sich für ihre Gutherzigkeit applaudierend auf die Schulter geklopft. Und wer weiß, vielleicht werde ich ihm nächstes Jahr sogar die Rosette lecken, hatte sie anschließend in sich hingegrinst, und einen der schicken Dienstwagen für mich herausholen.
Nach wenigen Metern erreichte sie die Tür zu van Steenderens Büro. Sie blieb kurz stehen, holte tief Luft und zupfte noch einmal ihren Rock zurecht, ehe sie anklopfte. Zu ihrer Überraschung kam keine sofortige Antwort. Sie war verwundert, denn soweit sie es beurteilen konnte, verließ er sein Büro so gut wie nie, und schon gleich gar nicht, wenn es einen Termin gab. Sie zuckte die Achseln, legte ihre Hand beherzt auf den Türdrücker und wagte es dennoch einzutreten.
Das Büro sah aus wie in den letzten fünf Jahren und würde das vermutlich auch weiterhin – unzählige Aktendeckel stapelten sich auf jeder Oberfläche. Fachzeitschriften und Bücher füllten die bis zur Decke reichenden Regale, teils sogar auf dem Boden davor.
Und wie immer riecht es muffig und abgestanden, dachte sie. Der traurige Gestank eines einsamen alten Mannes. Ihr Blick richtete sich auf van Steenderens Schreibtisch – ein schäbiges antikes Artefakt in der Mitte des Raumes – und den Stuhl dahinter. Leer. Van Steenderen war nirgends auszumachen. Na ja, dann werde ich wohl warten müssen, entschied sie und nahm Platz.
*
Zehn Minuten vergingen und sie überlegte zu gehen. Vielleicht hat er mir ja eine E-Mail geschrieben, die ich übersehen habe und die Besprechung abgesagt, dachte sie und ärgerte sich über sich selbst, weil sie es an diesem Morgen versäumt hatte in ihr Postfach zu schauen. Tatsächlich aber hatte sie es die ganze Woche nicht getan, was sie jetzt nachdenklich stimmte. Ich denke, ich sollte gehen. Immerhin bin ich ja hier gewesen, traf sie ihre Entscheidung nach weiteren fünf Minuten und wollte sich gerade erheben, als sich die Tür zum Büro öffnete. Also setzte sie sich wieder.
Als sie sich leicht herumdrehte bemerkte sie, dass es nicht der alte van Steenderen war, der jetzt hereinkam. Stattdessen war es eine ältere Frau, die zügig in das Arbeitszimmer schritt. Sie trug eine Mappe bei sich, die sie sich fest vor die Brust drückte. Cathelinje erkannte sie auf Anhieb: Es war Juliana van der Heijden, eine der Führungskräfte aus der siebten Etage. Ihr eilte der Ruf voraus, ein wahrer Kotzbrocken zu sein, eine Lesbe, die keinerlei Spaß verstand und alle Männer niedermachte, die ihr über den Weg liefen, wenn die nicht richtig spurten. Sie war wohl an die zehn Jahre älter als Cathelinje, so Mitte dreißig. Wie immer war sie elegant gekleidet: dunkelgrauer Hosenanzug und flache Schuhe. Ihr Haar war zu einem strengen Pferdeschwanz gebunden und ihr Make-Up hob ihre hohen Wangenknochen und stechenden Augen auf natürliche Weise hervor.
Cathelinje rutschte das Herz in die Hose. Um Gottes Willen, haben die den Alten ersetzt?
Juliana van der Heijden trat zielstrebig auf den Schreibtisch zu, ohne sie auch nur eines einzigen Blickes oder Wortes zu würdigen. Nachdem sie sich die Jacke ausgezogen und ordentlich über der Stuhllehne drapiert hatte, setzte sie sich und begann den Inhalt der Akte zu überfliegen.
Um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, räusperte sich Cathelinje einmal. Aber sie schien darin nicht recht überzeugend zu sein, denn ihr Gegenüber reagierte nicht darauf.
Nach einigen Minuten blickte sie dann aber doch auf und ihr eiskalter Blick ließ Cathelinje leicht zusammenzucken. Sie sagte nichts und betrachtete sie unverwandt.
»Ich habe einen Termin mit Herrn van Steenderen«, erklärte Cathelinje ihre Anwesenheit.
»Mit ist bekannt, warum Sie hier sind«, erwiderte Juliana van der Heijden kurz angebunden, »und es tut mir leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass er nicht mehr für die Versicherung arbeitet. Es gab unter anderem gewisse Unregelmäßigkeiten in seinen Unterlagen, sodass eine Vertragskündigung unvermeidbar war.«
Verdammter Mist!, fluchte Cathelinje in sich hinein. Ihre Stimmung verschlechterte sich schlagartig. Jetzt werde ich wohl mit einem anderen traurigen alten Mann reden müssen. »Das ist sehr bedauerlich. Soll ich später wiederkommen, wenn ein Ersatz gefunden wurde?«, fragte sie, mit einem charmanten, unschuldigen Klang in der Stimme.
»Das wird nicht nötig sein, denn ich habe mich entschlossen, Ihre Akte persönlich zu verwalten, Cathelinje.«
»Oh, ...«, erwiderte sie und spürte, wie ihr Herz sank.
»Nun, ich will ehrlich zu Ihnen sein, Cathelinje und Klartext sprechen«, kam es darauf. »Ich denke, Sie sind die reinste Fehlbesetzung. Jeder in der Firma weiß, dass Sie in ihrer Position nicht wirklich etwas leisten, und wie Sie es zu dieser unverständlich hohen Stellung im Unternehmen gebracht haben. Natürlich habe auch ich diesbezüglich eine Vorstellung, wenngleich keine Details. Aber mir ist es letztlich auch völlig gleichgültig, ob Sie van Steenderens Schwanz geblasen oder sich von ihm auf alle erdenklichen Weisen haben ficken lassen!«
Cathelinje war erschrocken und verblüfft zugleich, über den knallharten Ton, den die Frau anschlug. Sie ließ sich auf dem Stuhl zurücksinken und glaubte unter deren hartem Blick förmlich zu verdorren. Mit einem Mal fühlte sie sich extrem exponiert, mit ihren nach vorn gedrückten Brüsten und wie bei einer Nutte gespreizten Beinen – und sie wünschte sich, sie hätte es irgendwie vertuschen können.
»Um es auf den Punkt zu bringen, Cathelinje, Ihre Karriere bei ›Bakker & Kuiper Centraal Verkeringen‹ ist Geschichte! Ich werde Ihre sofort Entlassung empfehlen«, fuhr Juliana van der Heijden fort. »Sie werden in Kürze vom Sicherheitsdienst aus den Räumlichkeiten begleitet.«
Ihr Herz raste. Sie sackte zwischen ihren Schultern zusammen und tiefer auf den Stuhl. Das kann einfach nicht wahr sein, schoss es ihr durch den Kopf. Das sollte doch eigentlich ein Heimspiel werden, eine todsichere Beförderung ... und jetzt werde ich plötzlich gefeuert? Sie hatte das Gefühl, jemand hatte ihr mit einer Eisenstange auf den Kopf geschlagen. »Bitte, Vrouw van der Heijden, ich brauche diesen Job. Ich habe eine laufende Hypothek! Kreditkarten!«, flehte sie und lehnte sich auf ihrem Stuhl nach vorne, worauf ihre Brüste instinktiv nach Aufmerksamkeit verlangten. In diesem Moment wurde die Sache mit dem kleinen, traurigen Mädchen real, und sie erkannte, dass sie keine wirklichen Fähigkeiten und keine Ersparnisse angehäuft hatte, und dass sie nicht auf eine anständige Referenz der Firma zu hoffen brauchte.
»Es tut mit leid, Cathelinje, aber Sie haben mir keine andere Wahl gelassen. Sie haben sich wie eine Schlampe, eine billige Hure, benommen und den guten Ruf der Versicherungsgesellschaft besudelt ... Das ist mein letztes Wort in dieser Angelegenheit. Bitte, gehen Sie jetzt.« Juliana van der Heijden wandte sich wieder ihren Papieren zu und griff nach einem Stift, um ein Formular zu unterschreiben und zeigte ihr die kalte Schulter.
Cathelinje war fassungslos, sie öffnete den Mund, um noch einmal zu betteln, erkannte aber, dass es sinnlos war. Sie stand auf, um zu gehen und zog dabei ihren Rock auf ein anständiges Maß herunter.
»Natürlich könnten wir vielleicht zu einer Einigung kommen ...«, sprach Juliana van der Heijden sie erneut an, kaum das Cathelinje die Tür öffnen wollte und sah sie mit einem ironischen Schmunzeln an.
Sofort hielt sie inne. Sie verspürte eine gewisse Erleichterung. Vielleicht kann ich meinen Charme ja doch noch nutzen, um sie auf meine Seite zu bekommen? Sie wandte sich ihr wieder zu. »Graag, mevrouw van der Heijden, wat u ook voorstelt. Ik zal er alles aan doen om mijn baan te behouden.[2]«
Sie sah zu ihr auf. »Ich ben bang dat het is te laat darvoor, Cathelinje.[3] Wie gesagt, Sie wurden bereits entlassen. Ihre Karriere ist vorbei und das Unternehmen wird dafür sorgen, dass Sie nie wieder in dieser Branche arbeiten.«
Cathelinjes Stimmung rutschte auf den Nullpunkt.
»Ich habe wegen deiner offensichtlichen ... Talente etwas drastischeres im Sinn«, entgegnete sie. Dabei gestikulierte Juliana van der Heijden mit ihrer Hand über Cathelinjes Körper auf und ab.
Unwillkürlich wurde sie wieder selbstbewusster.
»Ich möchte, dass Sie zu mir kommen und für mich arbeiten«, fuhr ihr Gegenüber fort.
Verwirrt runzelte Cathelinje die Stirn. »Ich verstehe nicht ganz. Arbeiten als was?« Ihre Stimmung sank wieder.
»Nun, Sie kommen und arbeiten in meinem Haus als mein Dienstmädchen. Sie werden es nicht nur in Ordnung halten, sondern auch bestimmte Dienstleistungen verrichten, die eindeutig Ihren Fähigkeiten entsprechen. Natürlich werde ich Sie entsprechend gut bezahlen, weitaus besser als das was Sie derzeit erhalten. Im Gegenzug verlange ich dafür absolute Loyalität und Gehorsam.«
»Aber ich bin kein Dienstmädchen!«, reagierte Cathelinje heftiger als gewollt und angewidert von der Vorstellung. »Ich habe was gelernt, habe eine Karriere und bin ganz sicher keine ... Putzfrau!«
Juliana van der Heijden lächelte süffisant. Es war offensichtlich, dass sie Cathelinjes Dilemma sehr genoss. »Eigentlich sind Sie nichts, Cathelinje! Sie haben keine Karriere mehr ... Sagen Sie mir, Cathelinje: Welche Form hat Wasser?«, fragte sie hinzufügend.
Cathelinje starrte sie perplex an. »Keine«, kam es ihr über die Lippen.
»Falsch, Cathelinje, ganz falsch!« Juliana van der Heijden lächelte eines der Lächeln, das die Augen nicht erreichte. »Wasser hat die Form, die man ihm gibt! Im Augenblick sind Sie nichts weiter als eine billige Hure, die in der Firma zu nichts nütze ist und der das Geld fehlt. Ich tue Ihnen einen großen Gefallen, indem ich Ihnen dieses mehr als großzügige Angebot unterbreite.« Sie stand auf, ordnete ihre Papiere und kritzelte noch schnell etwas auf einen ›Post-It‹-Zettel. »Aber ich verstehe natürlich, dass Sie vielleicht etwas Zeit brauchen, um über meinen Vorschlag nachzudenken ... Hier haben Sie meine Adresse. Bis zu dem notierten Datum gebe ich Ihnen Zeit, sich zu entscheiden, ihn anzunehmen. Ich erwarte, dass Sie pünktlich erscheinen. Kommen Sie gern in bequemer Kleidung, und wer weiß, vielleicht schaffe ich es ja, dem Wasser die richtige Form zu geben, nicht wahr?« Sie grinste diabolisch, indessen sie ihr die Notiz reichte. »Wenn Sie sich dafür entscheiden, dass mein Angebot nichts für Sie ist, dann wünsche ich Ihnen viel Glück für Ihren weiteren Lebensweg ... Goede dag, Cathelinje![4]« Damit schritt sie aus dem Büro, zog die Tür hinter sich zu und ließ Cathelinje mit offenem Mund und geschockt allein.
***