Читать книгу Eine Kreuzfahrt, die ist lustig - Sylvi S. - Страница 3
1. Kapitel
ОглавлениеJubel drang durch die klare Sommerluft, als das schneeweiße Kreuzfahrtschiff mit einem lauten Signal auf See stach. Zwischen all den fröhlichen Gesichtern auf der “Seekönigin” fiel nur ein junges Pärchen auf, das jetzt schon eine seekranke Miene zog, obwohl das Wasser noch so ruhig wie in der Badewanne hin und herschwappte.
„Mist, Sondra! Wie konnte ich mich nur überreden lassen, mit dir diese dämliche Kahnfahrt zu machen. Das ist doch nur was für alte Knacker, die sich über Krankheiten, Gebissreinigung und Grabpflege austauschen wollen.” Frustriert starrte Christian auf einen alten Mann, der sich kaum auf seinen Krückstock halten konnte.
Leider bildete dieser Tattergreis keine Ausnahme. Sämtliche Schiffspassagiere schienen im selben Alter zu sein. Christian war sicher, dass ihm der Kapitän bereits einen mitleidigen Blick zugeworfen hatte, weil er sich hierher verirrt hatte. Schnell drehte sich der junge braunhaarige Mann um. Das Schiff hatte gerade erst abgelegt. Wenn er sich beeilte, musste er nicht einmal viel schwimmen…
Er wollte nur noch weg. Er konnte sich wirklich nicht erklären, wie er auf dieses Geisterschiff geraten war. Der bunt-fröhliche Katalog, der eines Morgens auf seinem Schreibtisch gelegen hatte, hatte nur junge und schöne Menschen gezeigt. Angeblich waren Kreuzfahrten zurzeit stark bei Partyurlaubern und Singles angesagt. Aber davon war in der Realität ganz und gar keine Spur. Konnten Kataloge wirklich so gnadenlos lügen?
Christian seufzte tief auf. Nur gut, dass es sich um eine Schnupperkreuzfahrt von Miami zur mexikanischen Insel Cozumel handelte. In knapp einer Woche würden sie es überstanden haben und konnten zurück nach Boston fliegen.
„Meine Güte, Chris! Die Kreuzfahrt hat noch nicht mal richtig angefangen, und du machst schon so ein Theater. Lass doch erst mal alles auf uns zukommen. Ich bin sicher, es wird fantastisch”, unterbrach Sondra seine Fluchtgedanken. „Ich verspreche dir, dass du dich nicht langweilen wirst.”
Die kleine dunkelhaarige Frau lächelte zuckersüß, während sie im Stillen dachte: „Und da du bei den ganzen alten Schachteln und Hüten keinen Spaß haben wirst und auch nicht einfach so vom Schiff verschwinden kannst, werde ich dafür sorgen, dass du dich mit mir unterhältst, vorzugsweise im Kabinenbett.“
Sie war schon lange scharf auf Christian, und mittlerweile war eine läufige Hündin harmlos gegenüber ihrem Hormonhaushalt. Diese Kreuzfahrt schien das einzige Mittel zu sein, um ihrem besten Freund endlich näherzukommen, sein Herz zu erobern, den sexuellen Notstand zu beenden und die eigene Verlobung einzuleiten.
Sondra hatte keine Ahnung, warum es ihr bislang noch nicht gelungen war, Chris in ihr Bett zu locken. Sie war doch eine attraktive Frau mit schönen großen Hundeaugen, wallendem Haar und einer rundlichen Figur, die zum Zupacken einlud. Klar, sie hätte noch 2, 3 Gramm weniger wiegen können, aber Christian war doch noch nie auf dürre Kleiderständer abgefahren. Da er zwei gesunde Augen hatte, hätte er sie eigentlich schon längst in seine Arme reißen müssen. Aber vielleicht war die vertraute Umgebung daheim mit all ihren Nebenwirkungen zu abschreckend für ihn gewesen.
Da waren die ganzen Tratschen in der Nachbarschaft und ihre liebe Mutti, die Christian ständig versuchten einzutrichtern, dass er nicht zu ihr passen würde. Bah, was wussten die, was gut für sie war! Noch weniger Ahnung hatten sie von ihrer Lebensplanung. Mutti würde dumm aus der Wäsche gucken, wenn ihr die Einladung zu ihrer Hochzeit mit Christian ins Haus flatterte. Darauf freute sich Sondra heute schon.
Sie rieb sich die Hände. Ja, sie hatte jetzt 14 Tage Zeit, um auch Chris davon zu überzeugen, dass sie seine absolute Traumfrau war, mit der er die nächsten 70 Jahre Bett und Herd teilen wollte. Das Schöne war, dass weit und breit keine Nervensägen lauerten, die ihr bei ihrem Plan dazwischenfunken konnten. Was sollte da noch schiefgehen?
Dass Christians Begeisterung beim Betreten der Kabine praktisch bis unter die Fußsohle gerutscht war, ignorierte Sondra gekonnt. Ungerührt ließ sie sein Gejammer über sich ergehen, dass die Kabine zu eng und kalt wäre, das Bett zu hart und klamm sei und im Bad genügend Ablagen für seine Schönheitsprodukte fehlen würden. Ja, er war ein echtes Nervenbündel und überzeugt, die nächsten zwei Wochen nicht überleben zu können.
Sondra spulte daraufhin nur ihre Standartansprache herunter, dass er auch ohne Anti-Aging-Creme noch jung und frisch wie ein Neugeborenes wirkte. Sie hörte sich schon selbst nicht mehr zu, während sie ihren Koffer auspackte. Heute Abend war ein glanzvolles Captain’s Dinner angesagt, bei dem sich die gesamte Crew den Gästen vorstellen wollte. Und da musste man schließlich besonders schick aussehen. Also musste sie ihr ultra-teures Kleid hervorkramen, das natürlich wieder ganz unten lag.
Christian machte sich dagegen gar nicht erst die Mühe, sich in Schale zu werfen. Er wollte mit seiner abgewetzten Jeans und einem simplen T-Shirt negativ auffallen. Seiner Meinung nach musste er für den Rentnerclub wirklich nicht schön aussehen. Davon konnte ihn auch Sondra nicht abbringen.
„Na, dann schaue ich wenigstens zur Abwechslung mal besser aus als er“, gab sie sich schließlich geschlagen.
Das Dinner fing so an, wie Christian befürchtet hatte. Die Fraktion der Vorruheständler und Pensionäre kämpfte mit Sektgläsern bewaffnet um die besten Plätze im Speisesaal. Gegen die kampferprobten Vielreisenden hatten die beiden jungen Leute keine Chance. So kriegten sie nur einen Tisch genau neben dem klimpernden Bordmusiker Iwan ab. Und der spielte vor allem laut.
Christian wünschte, er könnte die Ohren wie ein Hamster zusammenklappen und die grässliche Musik ausblenden. Er war jetzt schon völlig entnervt, und der Kapitän hatte noch nicht einmal den Saal betreten.
„Sehe ich nicht todschick aus?” Sondra, die nichts von der miesen Laune ihres Freundes mitkriegte, betrachtete sich selbstverliebt. Hm, sah sie toll aus in diesem sündhaft teuren Kleid, wie eine Frau von Welt. Alle Blicke der Omis und Opis ruhten auf ihr. Die Männer bekamen trotz ihres Alters noch Stielaugen und von ihren Frauen eine Backpfeife. Sondra fühlte sich rundherum wohl.
In diesen Moment hatte der Kapitän mit der Crew im Schlepptau seinen Auftritt. Tosender Applaus erklang, als hätte ein Popstar die Bühne betreten. Christian schenkte dem Schiffspersonal nur einen müden Blick. Der ganze Trupp war altersmäßig wohl den Gästen angepasst worden. Neben dem Kapitän sahen auch die Stewardessen und Köche so aus, als hätten sie nur noch wenige Monate bis zur Pensionierung. Lediglich der Barkeeper machte einen jüngeren Eindruck, hatte aber ein grobschlächtiges Gesicht und grauenhafte Glubschaugen. Man hätte ihn zur Dekoration glatt in die Geisterbahn stellen können.
Na Prost Mahlzeit! Da brauchte Christian erst mal einen kräftigen Schluck Alkohol, und wenn es eben nur Sekt war. Er hatte das Glas gerade ergriffen, als er SIE entdeckte. Eine süße JUNGE Blondine im eleganten blauen Kostüm, das ihre wundervollen Augen betonte.
„Sehr verehrte Gäste. Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Susanna Martin und ich bin Ihre Reiseführerin hier an Bord. Wenn Sie Fragen zu unserem Landausflug, zu Land und Leuten oder unserem Unterhaltungsprogramm auf dem Schiff haben, wenden Sie sich vertrauensvoll an mich.” Als die junge Frau sich vorgestellt hatte, schenkte sie den Passagieren ein umwerfendes Lächeln, was Christian völlig aus der Fassung brachte. Wie vom Blitz getroffen, klatschte ihm das Sektglas aus der Hand.
„IIIIIIIIIIIIE IGITT, IGITT!” Sondras Gekreische holte ihn wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Der gesamte Sekt war in ihren Schoß geflossen und hatte einen dunklen klebrigen Fleck auf dem teuren Kleid hinterlassen. Oh Mist! Das gab Ärger.
„Was für eine Katastrophe! Das ist nicht wieder gutzumachen.” Sondra war einem Nervenzusammenbruch nahe. Ihr Kleid war ruiniert, und der Abend sowieso. “Gott Christian, bist du nicht mal in der Lage, ein Sektglas fest im Griff zu haben?”
„Das tut mir ja auch leid.” Christian hatte eine Serviette gegriffen und tupfte damit in Sondras klitschnassem Schoß herum.
„Meine Dame, haben Sie ein Problem? Kann ich helfen?” Ausgerechnet der Auslöser von Christians Missgeschick hatte sich zu ihnen gesellt und schenkte Sondra ein bedauerndes Lächeln, was diese erst recht auf die Palme brachte. „Ich brauche Ihre Hilfe nicht! Mein Freund kümmert sich schon darum. Oder wollen Sie mir etwa zwischen die Beine greifen?”, blaffte sie.
Die Nähe der bezaubernden Reiseleiterin ließ Christians Verstand komplett auf Wanderschaft gehen. Selbstvergessen starrte er die Blondine an, während seine Hand immer noch Sondras Schoß rieb.
Wie viele Nächte hatte sie in diesem Jahr schon allein verbracht? Kein Wunder, dass diese streichelnde Hand ihre Körpersäfte fließen ließ. Sie konnte gar nicht anders reagieren als ihre Beine ein bisschen weiter auseinander zu schieben und unanständig zu keuchen anzufangen.
Es war selbst für eine Jungfrau nicht schwer zu erkennen, was in ihr vorging. Susanna spürte ein wenig Enttäuschung in sich aufsteigen. Die beiden waren ganz offensichtlich ein frisch verliebtes Paar, das die Finger nicht voneinander lassen konnte.
Schade eigentlich. Aber auch wieder gut auf der anderen Seite. So kam sie wenigstens nicht in Versuchung.
Unter anderen Umständen hätte ihr der Mann gefallen können. Er war trotz seiner schäbigen Jeans und den unpassenden T-Shirt ausgesprochen attraktiv. Doch Susanna hatte sich noch nie mit einem ihrer Reisegäste eingelassen. Gut, die meiste Zeit waren ohnehin nur Männer an Bord, die entweder verheiratet, zu alt, zu jung, am falschen Ufer beheimatet, fünf Kinder oder einen anderen Schönheitsfehler hatten. Aber manchmal kamen auch Gruppen von Reisenden, die das ein oder andere Sahneschnittchen hervorzauberten. Für Susanna hatte jedoch immer der Grundsatz gegolten, die Arbeit nicht mit dem Vergnügen zu mischen. Denn ihren Job wollte sie auf keinen Fall riskieren. Immerhin musste sie noch ein paar Brötchen verdienen, bevor sie ihr Studium der Veterinärmedizin antreten konnte. Dann konnte sie sich wenigstens komplett auf ihre Ausbildung konzentrieren und musste nicht zwischen den Lesungen darüber nachdenken, wie sie über die Runden kam. Sondra merkte, dass Christians Blick etwas Verklärtes, geradezu Lüsternes angenommen hatte. Nur leider heftete dieser geile Blick nicht auf ihr, sondern auf der blonden Püppi, die aussah, als wäre sie gerade erst den Windeln entstiegen. So eine Frechheit! Das schlug dem Fass doch den Boden aus! In Sondras Gehirn tobte ein regelrechtes Gewitter. Sie hatte kaum noch die Kontrolle über ihren bebenden Körper. Am liebsten hätte sie jetzt zum Rundumschlag ausgeholt. Erst wollte sie dieser lästigen Tussi kräftig auf die Nase boxen. Dann würde diese wenigstens farblich zu ihren rougebedeckten Wangen passen. Christian hatte ebenfalls eine erschütternde Ohrfeige verdient. Vielleicht würde so wieder etwas Verstand in sein umnebeltes Gehirn gelangen. Ein Bernhardiner sabberte garantiert weniger als ihr bester Freund im Moment. Sondra traten vor Wut die Tränen in die Augen, was der glubschäugige Barkeeper Arnie bemerkte. Er zog sofort die falschen Schlussfolgerungen daraus. Natürlich weinte die arme Frau, weil sie nun ihren edlen Haussekt nicht genießen konnte. Dieses sündhaft teure Gesöff konnte man sich als Normalsterblicher kaum leisen, es sei denn, man wollte sein Urlaubsbudget schon am ersten Tag überziehen, oder man hatte einfach zu viel Geld auf dem Konto. Aber so sah die Dame mit dem billigen Kleid nun wirklich nicht aus. Kein Wunder also, dass sie jetzt der verpassten Gelegenheit nachtrauerte, das edle Getränk zu schlürfen. Das konnte Arnie nicht zulassen. Er war schließlich für das Wohl der Passagiere zuständig! Zum Glück konnte er in diesem Fall schnell Abhilfe schaffen.
Da Christian keine Anstalten machte, seinen Blick von der Reiseleiterin loszureißen, erhob Sondra schließlich die Hand. Aber anstatt Susannas Nase, hielt sie plötzlich ein volles Sektglas in der Hand, das ihr der aufmerksame Barkeeper hineingedrückt hatte.
“Fräulein, Sie brauchen nicht untröstlich zu sein. Hier haben Sie ein neues Glas unseres köstlichen Empfangssekts. Wohl bekommt`s.”
Sondra hätte beinahe zu schreien angefangen. Was sollte sie denn mit diesem dämlichen Sekt? Davon hatte ihr Körper doch schon genug abbekommen.
Sie musste hier weg, und zwar schnellstmöglich und mit Christian! Dieses Dinner hatte sich zum kompletten Reinfall entwickelt. Aber vielleicht konnte sie den Abend noch retten. Denn in ihrem leidgeplagten Gehirn hatte sich plötzlich eine Idee festgesetzt.
Sie musste sofort in ihre Kabine und sich von ihren klebrig-nassen Klamotten befreien, und das betraf natürlich auch ihre eingeweichte Unterwäsche. Dann hatte sie die perfekte Gelegenheit, sich Christian in ihrer ganzen nackten Prächtigkeit zu präsentieren. Na, wenn dann mal nicht die Hormone mit ihm durchgehen würden…
Momentan schien er allerdings spitzer auf die kleine Blonde zu sein, aber das war sicherlich nur eine geistige Umnachtung. Wenn er erst mal eine richtige Frau vor Augen hatte, würde die minderjährige Reiseleiterin mit Sicherheit vergessen sein! Es durfte nicht sein, dass ausgerechnet dieses Püppchen alles zunichtemachen würde. Immerhin hätte es Sondra beinahe die letzte Gehirnzelle gekostet, sich diesen genialen Plan auszutüfteln und Christian auf dieses Schiff zu locken. Sie hatte sich doch vorher erkundigt und herausgefunden, dass nur der “Club der Volksolidarität” an Bord sein würde. Also nichts, was das Blut ihres Freundes in leidenschaftliche Wallung bringen konnte.
Bei ihrer Schnüffelei hatte sie ihr schauspielerisches Talent aufblitzen lassen und die Angestellte im Reisebüro dermaßen belogen, dass sie sich schon selbst wunderte, keine lange Nase bekommen zu haben. Sondra hatte behauptet, dass ihre Oma zum ersten Mal eine Kreuzfahrt machen wollte, aber Angst hätte, lediglich auf wilde Partygänger oder lärmende Kinder zu treffen. An diesem Punkt hatte die hilfsbereite Mitarbeiterin freudestrahlend eine spezielle Seniorenreise herausgesucht. Bei dieser Kreuzfahrt sollten ausschließlich ältere Herrschaften an Bord sein. Da konnte nichts schiefgehen. Sondra hatte daraufhin versprochen, ihrer Oma die Reise schmackhaft zu machen und sich selbstverständlich nie wieder im Reisebüro blickenlassen. Stattdessen hatte sie die Seniorenfahrt für sich und Christian im Internet gebucht. Hier war sie wenigstens vor dummen Fragen sicher gewesen.
Es hatte ja auch alles soweit perfekt geklappt. Keiner hatte ihr versucht, die Buchung auszureden. Christian hatte sich auf das Schiff locken lassen, und die Passagiere entsprachen ihrer Vorstellung von alt und unattraktiv.
Dass die Reiseleiterin dermaßen jung und blond war, hatte sie allerdings nicht erwartet. Aber gut, davon ließ sich eine Frau mit einer Mission nicht aus der Ruhe bringen. Sondra hielt entschlossen ihre Nase hoch. Dieses kleine Hindernis würde sie bald aus dem Weg geräumt haben.
Allerdings gab es im Moment leider keinen Grund, die Nase allzu weit nach oben zu recken, denn das Objekt der Begierde hörte ihr gar nicht zu.
„Christian. Christian. CHRISTIAN!!! Ich glaube, wir sollten uns erst mal umziehen gehen!” Genervt zupfte Sondra an dem T-Shirt ihres Freundes herum, bis sie einige Fäden in der Hand hielt.
Jetzt erwachte der dunkelhaarige Mann endlich aus seiner Erstarrung und stellte mit Schrecken fest, dass er in seiner lausigen Kleidung aussah wie einer der Penner, die den ganzen Tag am Kiosk herumlungerten. Verdammt! So konnte er die süße Blondine nun wirklich nicht beeindrucken. Vielleicht sollte er tatsächlich erst einmal mit Sondra auf die Kabine gehen und sich dort nach etwas umsehen, das seine Eleganz und geballte Männlichkeit ein bisschen besser zur Geltung brachte. Ursprünglich hatte er ja glücklicherweise geglaubt, dass so eine Karibikkreuzfahrt Luxus pur bedeutete. Dementsprechend eifrig hatte er auch Designeranzüge, Krawatten und teure Ledertreter in den Koffer gesteckt.
„Wir kommen gleich wieder”, informierte er die Reiseleiterin und hoffte, dass diese sich darüber freuen würde.
Die Freude war auf jeden Fall erst einmal auf Sondras Seite. Sie kippte schnell ihren Sekt hinunter, damit sie dieses Getränk nicht nur von außen “genießen” konnte und sprang von ihrem Stuhl auf. Blitzschnell ergriff sie Christians Hand und zog ihn hinter sich her, bevor sich der Mann überhaupt besinnen konnte.
Susanna schaute ihnen versonnen hinterher. Ach, schade, dass der Typ schon vergeben war. Er war irgendwie süß in seiner verpeilten Art. Außerdem hatte er wirklich schöne große Augen. Augen, in denen man versinken konnte…
„Susanna, es wäre schön, wenn du ihm nicht ganz so wie eine verliebte Gazelle hinterher starren würdest. Ich glaube, der Kapitän wird schon misstrauisch.” Barkeeper Arnie zupfte der träumenden Reiseleiterin neckisch am Ohr.
„Oh, ich habe doch gar nicht…” Erschrocken schnappte Susanna aus ihren Gedanken. „Ich habe nur… Also, ich habe mich gewundert, wie man denn nur in so einer Jeans zum Captain’s Dinner antanzen kann? Hast du gesehen, die hatte sogar ein Loch am Hintern.”
„Nein, das habe ich nicht bemerkt. Ich habe ihm aber auch nicht so aufmerksam auf den Po gestarrt wie du. Mensch Susanna, selbst ein Blinder mit Sonnenbrille hätte merken können, dass du dem Typen am liebsten das Loch noch vergrößert hättest, um mehr von diesem Hintern sehen zu können.“ Arnie schüttelte den Kopf. „Du weißt, dass es mir egal ist, ob du eine Affäre mit den Passagieren anfängst. Aber wenn der Kapitän es rausfinden sollte, würde er dich eigenhändig über Bord werfen, und zwar auf hoher See, ohne Rettungsring, bei stürmischem Wellengang, im Haifischgebiet, am…”
„Ja, ja, ich hab’s kapiert!”, unterbrach Susanna gereizt. Wie hatte ihr das nur passieren können! Glotzte einem Gast hinterher wie ein liebeskrankes Dromedar. Zum Glück schien nur Arnie ihren Aussetzer mitgekriegt zu haben. Er und Alleinunterhalter Iwan waren ihre einzigen Freunde an Bord. Diese wussten nicht nur, eine Frau respektvoll zu behandeln, sondern hatten auch große Achtung vor ihrer Arbeit. Wenn das so bleiben sollte und sie sich vor den gefährlichen Griffeln des Kapitäns schützen wollte, musste sie sich zusammenreißen. Sie durfte sich nicht noch einmal so gehen lassen. Ihr Chef war alles andere als eine Führungskraft, die an positiver Motivation festhielt. Vielmehr glaubte er, mit einem strengen Reglement der Welt zu beweisen, dass sie ein absolutes Vorzeigeschiff waren. Dabei liebten alle ihren Job und würden ihn auch ohne Drangsal mit Leidenschaft erledigen. Wahrscheinlich würde es ihnen dann sogar noch leichter fallen.
Susanna schüttelte den Kopf. Dieses Problem würde sich nicht lösen, und noch ein weiteres dazu konnte sie wirklich nicht gebrauchen. Daher war es keine gute Idee, einem vergebenen Mann hinterher zu sabbern. Außerdem würde ihr dieses kleine hysterische Frauenzimmer, mit dem er zusammen war, garantiert gleich an die Gurgel springen, wenn sie es wagen würde... Nein, diesen Ärger wollte sie sich ersparen, vor allem, da sie in erster Linie zum Wohle der Gäste angestellt war und sie immer im Recht lassen musste, auch wenn sie nicht Recht hatten. Alles andere würde nur ihren Job in Gefahr bringen. Und an ihre Gehaltsschecks hing sie nun mal enorm. Bloß gut, dass sie Arnie und nicht ihr frauenfeindlicher Macho-Kapitän erwischt hatte.
„Sagen Sie mal, junge Frau, haben Sie auch Gebissreiniger an Bord? Ihr Gulasch war ja köstlich, aber es hat sich jetzt zwischen meinen Zähnen verfangen”, sprach sie plötzlich eine Oma an und erinnerte sie daran, dass ihr Dienst heute Abend noch lange nicht beendet war.
„Natürlich. Unsere Borddrogerie hat alles.” Susanna versuchte, tapfer zu bleiben, als die alte Dame freudestrahlend ihre Zähne aus dem Mund nahm.
„Ach, tut das gut.” Sondra hatte sich endlich aus ihrem klitschnassen Kleid gepellt und tänzelte ungeniert, ohne einen Fetzen Stoff am Leib, vor Christian herum, was diesem mächtig irritierte. Das letzte Mal, als er Sondra so ganz ohne gesehen hatte, waren sie beide noch in der Pubertät gewesen. Seitdem hatte sich bei Sondra so einiges verändert. Ob nun gerade zum Vorteil, würde Christian jetzt nicht unbedingt behaupten wollen.
„Ach weißt du, Chris. Ich finde gar nichts Gescheites mehr zum Anziehen. Lassen wir das dumme Dinner einfach sausen und machen es uns in der Kabine gemütlich”, schlug seine Freundin allen Ernstes vor. Aber da konnte er sich etwas Besseres vorstellen, nämlich, in seinen maßgeschneiderten Anzug zu schlüpfen, in den Speisesaal zurück zu stolzieren und Susanna mit seiner Eleganz zu verzaubern.
Er hatte sich bereits das Shirt ausgezogen, als es plötzlich an der Kabinentür klopfte. Ohne einen Gedanken darüber zu verschwenden, dass sein freizügiges Erscheinungsbild nicht bei jedem Begeisterungsstürme auslösen würde, öffnete der braunhaarige Mann.
Dieses Mal hatte er Glück und traf den Geschmack der Besucherin. Susanna kippte bewundernd die Kinnlade nach unten, als sie ihn oben ohne vor sich stehen sah.
„Oh, ich wollte nur fragen, ob ich das ruinierte Kleid in die Wäscherei bringen soll”, murmelte sie mit hochrotem Kopf.
Als ob ihre Verlegenheit nicht schon groß genug wäre, musste nun auch noch Sondra zeigen, was sie hatte. Diese schämte sich kein bisschen. Immerhin konnte sie Vorzüge präsentieren, von denen die blonde Bohnenschote nur träumen konnte.
„Oh Gott, oh, ich wollte nichts unterbrechen”, stotterte die junge Reiseleiterin mit hochrotem Kopf. „Sie können mir ja später Bescheid sagen, falls Sie das Kleid doch noch gereinigt haben möchten.” Ziemlich neben der Spur drehte sich Susanna um und flitzte den Gang zurück.
„Was denn unterbrechen? Warten Sie, Susanna!” Christian wollte der jungen Frau hinterher rennen. Aber er kam nur ein paar Schritte weit. Locker und schnell in ein Handtuch gewickelt, hatte Sondra sofort die Verfolgung aufgenommen.
„Wo willst du denn hin, Christian? Bleib gefälligst hier und kümmere dich nicht um irgendwelche popelige Angestellten!” Ihren Freund hatte Sondra noch stoppen können, die nächste Blamage allerdings nicht.
Ihre Notbekleidung rutschte ihr ausgerechnet in dem Moment vom Körper, als der 69-jährige Moralapostel Albert Humperdinck vom Dinner zurückkam und in den Kabinengang einbog.
„OH GOTT! Was müssen meine Augen hier ertragen!”, schimpfte er außer sich, als ihm Sondra in all ihrer Pracht ins Blickfeld geriet. Und der Lautstärke seiner Stimme nach zu beurteilen, musste man es bis hinauf zum Sonnendeck gehört haben. „Das ist doch mal eine Meldung an den Kapitän wert. Mal sehen, was der zu dem Sittenverfall auf seinem Schiff zu sagen hat. Ich habe übrigens Kabine 711, falls ihnen etwas dazu einfällt.“
Oh Graus, Sondra wurde es schlecht. Das war nun schon das nächste Problem! Langsam konnte sie damit handeln gehen. So hatte sie sich ihre „Kreuzfahrt ins Glück“ nun wirklich nicht vorgestellt!