Читать книгу INGRATUS - Das Unerwünschte in uns - Tabea Thomson - Страница 7
Kapitel 3
ОглавлениеFünf Tage vor Akyms Ankunft
In allen echten Notfallstationen an Bord der Concordia herrschte wie immer Hochbetrieb.
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Heiler Ralph McSalmer, er beging vor zwei Wochen seinen hundertzwanzigsten Geburtstag, stand kurz vorm Dienstschluss auf einem Korridor von Deck fünf. Der späte Teenager, seine Spezies wird über tausend Jahre, schaute durch eine ab Hüfthöhe durchsichtige Wand ins Innere einer Gatten Notfallabteilung. Sein erschöpfter Blick verfolgte sehr emotional berührt das routinierte Treiben der Heiler sowie Ärzte.
Einer von denen fühlte es, woraufhin er für einen flüchtigen Moment zum beobachtenden Heiler schaute und lächelnd winkte.
Müde nickend erwiderte Ralph den Gruß. Gleich darauf setzte er den Weg, auf dem in Dämmerlicht getauchten Korridor fort. Sein Gang spiegelte das wieder, wie er sich nach über elf Tagen Dienst fühlt, fix und fertig. Selbst die zartgrüne Jacke lungerte ausgelaugt über seiner Schulter. Zum Glück hatte Ralph jetzt zehn Tage Dienst in der beruhigten Zone. Doch sofort das erlebte Vergessen ging wie immer nicht so ohne Weiteres. Dazu beschäftigten dem Schlürfer noch zu sehr die geschundenen Personen, die heute durch das Dimensionstor an Bord gelangten. Mit dem Gedanken im Hinterkopf ist er an einer Korridor Gabelung nach links abgebogen. Seine Füße, angetrieben vom nahenden Dienstschluss, trotteten fast von alleine in den Umkleideraum und von dort zu einem Waschbecken. Vorm Spiegel stehend betrachtete sich Ralph. Er erschrak über den ausgebrannten Anblick, sein hochgewachsener nicht ganz schlanker Körper, der stets gepflegt daher kam, wirkte mehr als verbraucht. Nicht mal seine peppig gestylten schwarzen Haare und die leicht braune Haut, die ihn sonst stets frisch und ausgeruht aussehen lassen, lenkten von der Müdigkeit ab.
Ohne den Blick vom Spiegelbild zu nehmen, drehte Ralph den Wasserhahn auf. Minutenlang floss abwechselnd eisiges Wasser über die Unterarme. Es blieb wirkungslos. Weil er noch keinen offiziellen Dienstschluss hatte, griff er nach härteren Munter-Mach-Mitteln. Ruckzuck riss er sich die Kleider vom Leib, und bevor er es sich anderes überlegte, flitzte er in die Ultraschalldusche. Unter den eisigen Strahlen grölte er die Müdigkeit heraus. … Fröstelnd griff er den wärmenden Pulli, dieser und ebenso die lässige Hose war privat, jedoch die weißen Stiefel gehörten zur Dienstkleidung. Sie symbolisierten so etwas wie eine Verbindung zwischen beiden Realitäten.
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»Zeige die aktuellen Biodaten vom Geschwisterpaar Sawon«, befahl er der Citraa.
Seitlich von ihm erschienen zwei frei schwebende virtuelle Displays mit Biowerten. Laut diesen ging es Melina prächtig. Adrians Befindlichkeit konnte im Moment als Beschwerde frei durchgehen. Für Ralph allerdings bedeuteten die Biodaten, dass es heute nur ein kurzer Abstecher in die beruhigte Zone wird. Zum einen war er darüber froh, und zum anderen ging er nach solcherlei langem Heiler-Diensten gern in jenen beruhigten Teil. Dort in der Stille konnte er sich »Akklimatisieren«, wie er es nannte. Und das brauchte er um all das Leid, was ihm in seiner Dienstzeit unterkam, gedanklich auszublenden. Doch bevor er diesmal auf die andere Seite wechselte, studierte er den virtuellen Dienstplan der beruhigten Zone. Laut diesem hatte er da Dienstschluss.
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Beim verlassen des Umkleideraumes sah man Ralph die Vorfreude auf einen frühen Feierabend an.
Kurz vor der nächsten Korridorkreuzung aktivierte er den Impulsgeber am Handgelenk. Augenblicklich wurde in der Wand, zu seiner Linken, ein internes Portal sichtbar. Ein aufleuchtendes grünes Symbol am Impulsgeber sagte ihm: Der Umkleideraum auf der anderen Seite ist leer.
*
In der beruhigten Weiber Krankenstation, empfing Ralph nächtliche Ruhe. Das Einzige was den Schritten begegnete, war lahmes, gedämpftes Schuhsohlen quietschen. Bloß gut, dass er die dienstlichen Leisetreter anbehielt.–
Ohne Eile lief er übern Korridor. An der nächsten Kreuzung bog er zu den Bereitschaftsräumen ab. Wie erhofft brannte im fünften Raum noch Licht. Der ist der Kollegin Melina Sawon vorbehalten. Bevor Ralph zu ihr ging, blieb er abseits noch einen Moment stehen. Sein Augenmerk widmete er alleinig dem wohlgeformten Gesicht seines Schützlings. Soviel, wie er vom Hören sagen kannte, sollte Adrians Antlitz, das seiner bildschönen Schwester Melina, noch um einiges übertrumpfen. Leider sah Ralph bisher, wie fast jeder an Bord, Adrians alles andere als Augen schmeichelndes Gesicht, das durch den Einsatz von "holographischer Technik"nach einem Menschen Gatten der Erde aussieht. Nicht einmal die Stimme konnte als lieblich eingestuft werden, die Tonlage quäkte ab und an wegen der Unreife. Insgeheim wünschte Ralph, dass er Adrians echte Shumerer Erscheinung alsbald zu Gesicht bekommt. Mit diesem Wunschgedanken trat er vor Melinas schmalen, lang gestreckten Bereitschaftsraum. Die vordere durchsichtige Wand gewährte ihn einen Einblick in das standardisierte Arbeitszimmer. Somit weiß selbst ein vertretender Heiler sofort, wo was zu finden ist.
Ralphs flüchtige Rundschau begann im Eingangsbereich. Unweit der Tür sind an der Wand zwei Reihen, mit je acht interaktiven Displays angebracht. Darunter stehen Kühlschränke für Medikamente.
Gegenüber der Wand mit den Displays ist ein klappbarer Wandtisch angebracht. Daneben hängen drei Klappstühle. Vor der Stirnwand stand eine Zweisitzer Ledercouch und davor steht eine kleine rollbare holografische Projektionseinheit.
Zurück zum Eingangsbereich.
Direkt vor der durchsichtigen Wand thront ein geräumiger Schreibtisch, davor stehen zwei braune, überaus bequeme lederne Bürosessel. Im linken saß Melina in entspannter Lesehaltung. Die Finger der einen Hand spielten mit einer schulterlangen kupferrot leuchtenden Locke. Mit der anderen Hand hielt sie ein dickes Lederbuch. Der Titel "Das Skylup Virus", sagte alles.
Melinas Blick steckte ganz vertieft in der abgegriffenen Lektüre. Das sie beobachtet wurde, bemerkte sie nicht. Ralph nickte anerkennend. Der schwer verdauliche Lesestoff, er schleuste ihn persönlich ein, hatte den gewünschten Effekt gebracht.
Als sein Schützling eine Seite umblätterte, machte sich Ralph durch Klopfen an jener Wand bemerkbar.
Melina schaute kurz auf. Mit einer freundlichen Geste forderte sie den davor stehenden auf, zu ihr hereinzukommen. Ralph winkte dankend ab. Jedoch mit Handzeichen wünschte er der Kollegin eine gute Nacht.
* *
Nachdem Ralph aus Melinas Blickwinkel verschwand, legte sie das Buch beiseite und dabei stand sie ruckartig auf. Langsamen Schrittes lief sie zur interaktiven Displaywand – den Indy's. Zwei waren aktiv. Ihre Zeigefinger strebten dort auf je einen daumengroßen weißen Punkt zu. Sie symbolisieren deren Positionen. Ein Fingerzeig auf diese genügte und in den ausgewählten Belegzellen wurden die I P S – fliegenden Augen aktiv.
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(Die I P S sind lose im Raum schwebende bildgebende Sensoren. Sie übertragen das in "Echtzeit" geschehene aus den Belegzellen.)
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Auf dem Echtzeit Szenarium sah sie, das es den drei Patientinnen bestens ging. Es gab wiedermal nichts für sie zu tun. Betrübt aufstöhnend ging sie mit gelangweilter Mimik zum Schreibtisch zurück und in entspannter Lesehaltung verschlang sie noch weitere Seiten des Fachschmökers. Erst gegen dreiundzwanzig Uhr beendete sie die Lesung, und ohne Eile begab sie sich zu den Indy's.
Wie davor schenkte sie den Biowerten keine Aufmerksamkeit. Diese zeigten sowieso alles Mögliche an, nur nicht das, was wirklich ist. Mit der anderen Heiler-Technik verhielt es sich ähnlich. Folglich vertraut sie lieber ihren Augen, Ohren sowie abtastenden Händen. Und neuerdings kann sie sogar noch auf eine neue Gabe zugreifen. Sie erwachte quasi über Nacht, genauer gesagt geschah es am zwölften Tag, des elften Monats. Damit konnte Melina, von einem zum anderen Moment, fühlen wie es dem gegenüber geht. Inzwischen setzt sie diese Gabe ein, wann immer sie es benötigt. Es klappte prima, nur das Ausblenden von schmerzlichen Empfindungen, bereitete ihr noch ein wenig Probleme. Um das in den Griff zu bekommen, hatte sie hier ja mehr als genug Zeit.
So auch jetzt. Melina lauschte in sich hinein. Beruhigt stellte sie fest: »Meinen Patienten geht es gut.« Das Gefühlte verglich sie umgehend mit dem Echtzeit Szenarium. Es zeigte exakt das mental Vorhergesagte: der Vater und sein Neugeborenes schlafen. Nur der dritte Patient, ihr Bruder Adrian, verspürte noch keine Müdigkeit. Seine Nervosität übertrug sich auf seine bloßen Füße, sie wippten oder schaukelten abwechselnd. Adrians Kleidung, er trug auf seinem muskulösen samtig glänzenden Leib keinen weißen Patientenoverall, sondern er hatte sich lediglich mit einem anschmiegsamen hauchzarten, knapp übers Gesäß reichenden Schurz umhüllt. Das bisschen Stoff raubt seinem unschuldigen Wesen noch mehr Ruhe.
»Na sieh mal an der Süße wird mutig«, flüsterte sich Melina zu. Sie kannte ihren Bruder bisher als ziemlich verklemmt, was solche anwerbende Umhüllungen in der Öffentlichkeit betraf. Belustigt schlussfolgerte sie: »Seit seiner Ankunft ist Adrian wie überdreht. Und wer es nicht besser weiß, könnte annehmen: Das Verhalten entspricht einem frisch verliebten Teenager, der auf einem gewaltigen Pheromon Trip ist. Dummerweise hat er keine Pheromon-Spenderin, und sein Körper setzt ihm zudem immerfort mit sporadisch auftretenden Koliken auf kalten Entzug. Wäre er gesund, suchte er sicher den Kontakt zu Weibern. Eine Prise seines zarten Duftes genügt und ihm klebt mindestens ein Dutzend, schmachtende Verehrerinnen an den muskulösen Armen. Nur so miserabel, wie es ihm zurzeit geht, verspürt er mit Sicherheit keinen Drang, eine kennenzulernen«, an der zweifelnden Mimik sah man, das Melina die letzte Feststellung sofort wieder strich. In dem Moment, wie sie das gedanklich machte, betrat eine Sartor (Pflegerin) die Belegzelle. Sie schien vom sehr ungewöhnlichen Verhalten, ihres zu betreuenden Patienten, nicht sonderlich angetan. Im Gegenteil die erfahrene Sartor tätschelte Adrians Hände geradezu aufmunternd.
Mit jeder weiteren verstrichenen Sekunde spürte Melina, wie Adrians innere Anspannung stieg. Damit sie nur ja nicht die Lösung verpasst, stierte sie auf das Indy. Doch was sie stattdessen erblickte, verschlug ihr schier den Atem. Im nunmehr weichem Zellenlicht kommt Adrians makelloses, charismatisches Profil als auch der geschmeidige und schlanke Corpus, erst so richtig zur Geltung. Alleinig sein fransiger, kupferrot leuchtender lockiger Bob gab dem ganzen was Solides. Jedoch Dutzende verzwirbelte Haarsträhnen, die wie feurige Hörner aussahen, behaupteten das Gegenteil. Und sein wiegender Gang, in seinen Hüften schwang pure animalische Lust, beschwören das übrige Herauf.
»Lediglich seine kratzige Stimme beweist, dass dieser schnuckelige, volljährige Teenager noch nicht gereift ist. Ansonsten ist das ein Prachtkerl, wäre er nicht mein Bruder, würde ich ihn nicht verschmähen«, raunte Melina voll Bewunderung. Je länger sie ihren Bruder beobachtet, um so mehr fand sie an ihrer zuvor gestrichenen Erkenntnis gefallen: »Sein verhalten entspricht doch einem erwartungsvollen bis hinter beide Ohren verliebten. … Wer ist das, und warum habe ich darüber keine Kenntnis.« Gleichlaufend zu ihrer Fragen wiegte Adrian sein anmutiges Wesen durchs Echtzeit Szenario. Sein Hüftschwung ähnelte dem geschmeidigen Gang eines Panthers. Der Anblick entriss Melina einen anerkennenden Pfiff.
Gleichlaufend mit ihrem Pfiff setzte sich Adrian wieder neben die Sartor. Sie hatte, während seiner letzten Runde, ihr PAD hervorgeholt. Bevor sie zu schreiben begann, lenkte sie ihren nachdenklichen Blick auf den Patienten. Im nächsten Moment bewegten sich ihre stummen Lippen. Melina wiederum fixierte ihre Münder. Ihr Mitgefühl machte es manchmal erforderlich, das sie von allzu geschwächten Patienten, Worte von den Lippen ablesen musste. Sie hatte daraus eine Passion gemacht. Nur die nutzte ihr jetzt nichts, denn sie hielten mittlerweile ihre Häupter zu dicht beieinander. Grummelig und ohne den Blick vom Indy zunehmen, führte sie eine Hand übern Touchscreen. Ohne hinzusehen, war es nicht so leicht einen Button der Lautstärkeregelung zutreffen. Mit jedem Vertipper wurde sie ungeduldiger. Dann endlich wagte sie einen flüchtigen Blick. Begleitend schnippte sie mürrisch auf den erforderlichen Button. Zu ihrem Ärgernis erfolgte die Lautstärkesteigerung etwas versetzt. Dadurch hörte sie von den Worten der Sartor nichts mehr. Melina lauschte trotzdem weiter. Nach etlichen Sekunden kam sie murrend zu dem Entschluss: »Es geht nur um belangloses Zeug.« Das wiederum missfiel ihr. Melina kannte ihren Bruder in derlei Hinsicht, und es wäre nicht das erste Mal, dass Adrian seine Schwester auf eine falsche Fährte lockt. Um vielleicht doch was zu erfahren, lauschte sie weiter.
Nichts ...! Enttäuscht wollte sie die I P S (bildgebenden Sensoren) Verbindung kappen. Kurz bevor eine Fingerspitze den Button berührte, bemerkte sie, Adrian kommuniziert mental mit irgendjemand. Das Gespräch erregte ihm so emotional, dass jetzt sogar seine eben noch farblosen Wangen gut durchblutet glühten. Die Sartor wollte ihm beruhigend über die Schulter streichen, jedoch Adrian entschlüpfte ihr. Ohne sich umzudrehen, lief er erneut zum Spiegel. Für Melina bestand nunmehr kein Zweifel, er erwartet ein Weib. Nur wer ist sie?
Von Adrians Unruhe angesteckt überlegte Melina, wem er alles an Bord kannte. Wie sie es auch betrachtete außer ihrem Ehegatten Erimo, einigen Studenten, ihre Sartor, Doc Eric und ihre Wenigkeit fiel ihr niemand ein. Kopfschüttelnd sortierte sie weiter aus. Zu guter Letzt blieb nur noch eine Studentin übrig. »Marte Blom. Nur die kann es sein!«, Melinas stimmliche Freude hielt sich in Grenzen. Gleichwohl die Studentin die Beste war, die sie jemals im praktischen Teil ausbildete. Aber! Das zuvorkommende und sehr gewissenhafte Weib hatte bereits jetzt, im ersten praktischen Teil, ein so umfangreiches Wissen intus, das Melina nicht Drumherum kam; sie als gleichgestellte Heilerin zu behandeln. Merkwürdigerweise wird Marte deswegen von Studenten nicht als Streberin verschrien. Im Gegenteil sie sahen in ihr eine Ausbilderin. Das machte Melina misstrauisch. Ja schlimmer noch, sie sah in Marte eine nicht zu unterschätzende Rivalin. Melina beschloss, das Weib besonders im Auge zu behalten. Ihre Observierung umfasste auch Marte's außerdienstliche Aktivitäten. Nur leider gibt’s dazu nicht viel zu sagen. »Obwohl Melina ganz brauchbar aussieht, bändelt niemand mit ihr an. Nun ja zuweilen ist sie recht unterkühlt und spröde.« So wie Melina das zu sich sprach, korrigierte sie den letzten Teil: »Das stimmt nicht ganz. Zu Adrian ist sie stets nett. Außerdem wuselt sie ziemlich oft bei ihm herum, und sie ist in einem fesselnden Duft gehüllt. Ein ahl pii kann es nicht sein, denn Marte ist ein Erden Weib. Außerdem ist meine taube Nase nicht imstande, einen Shumerer ahl pii zu riechen. Jedoch von gehaltvollen Menschen Deos und sonst dergleichen kann sie gerade noch die Duftrichtungen bestimmen. In ihrem Fall riecht es nach getrocknetem Gras und Sommer schweren Lavendel.« Melina musste sich eingestehen: »Das Riechwasser gefällt Adrian und mir. Es umschmeichelt auf angenehmerweise unsere Geruchszellen.«
Neugierig, ob es sich bei dem Besuch tatsächlich um Marte handelt, recherchierte sie im Dienstplan der Studenten. Laut diesem sollte Marte, ab null Uhr, im ruhenden Bereitschaftsstatus sein. Auf ihr baldiges Erscheinen hoffend stierte sie, in Lauerhaltung, auf das Echtzeit Szenario. Nach einigen Sekunden spöttelte sie in Gedanken: »Na wo bleibt sie denn? – Sie muss sich wohl noch extra hübsch machen ...« Ihr lästern beförderte einen lang ersehnten Wunsch herauf: »Ich müsste in Adrians Geist lesen können.«
Der Wunsch war noch nicht ganz zu Ende gedacht, da hörte sie ein Wispern. Es geschah so unverhofft, dass sie nicht mal imstande war Adrians Wörter zu verstehen. Er wiederum sperrte den ungebetenen Eindringling sofort aus. Im gleichen Gedankenzug schaute er auf die I P S. Die Empörung lag in seiner Mimik. Davon unbeirrt versuchte es Melina nochmals. Doch es blieb still. Zerknirscht blickend wandte sie sich vom Indy ab. Dabei sah sie, aus dem Augenwinkel heraus, wie die Belegzellen Tür auffuhr. Selbst im faden Korridor Gegenlicht erkannte sie auf Anhieb die eintretende Silhouette.
Melina klatschte Beifall und dazu gluckste sie: »Haha! Volltreffer!«
Die gefühlvollen Umarmungen zur Begrüßung bestätigten es.
»Na sieh mal an!«, gluckste Melina, »Die spröde Schwedin will ja doch einer haben ...« Ein Audiosignal vom Bereitschaftsraum Interface beendete ihren Anflug von Begeisterung. Wie bei jeden Nachtdienst wurde sie von einem nervenden Heiler Koordinator belästigt: »... nicht vergessen in fünf Minuten sollen die Heiler Aiws ihren Dienst übernehmen …«
Ohne den restlichen Satz abzuwarten, kappte Melina die Verbindung. »Verdammt ja, das werden sie«, blubberte sie genervt. In Gedanken sprach sie verärgert: »Ständig wird einem hinterhergeschnüffelt, das ist hier noch schlimmer als während meiner Studentenzeit. Sicherlich führen die Heiler-Techniker auch noch Strichlisten, worauf alles aufgeführt ist, was ich wann erledigte. Idioten die sollen sich mal lieber um die nicht funktionierende Technik kümmern. Aber nein!, stattdessen belästigen die mich mit einer Kontrollmitteilung. Die ist ja viel wichtiger ...«
Bei den ungehaltenen Worten aktivierte sie die Aiws Lab und Par. Sie werden wie immer ihren restlichen Nachtdienst übernehmen und die Heilerin soll in ihren Ruheraum schlafen gehen. Bevor sie diese Anweisung befolgt, übergab sie noch das PAD mit dem Dienstprotokoll an die Aiws.
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In dem zarten grün gehaltenen Ruheraum gab es neben einen Wandtisch mit Stuhl nur noch ein winziges Waschbecken sowie eine bequeme Liege. Die erinnerte sie an eine Relaxliege bei ihrer alten Arbeitsstätte, auf dem Planeten Polaris. Melina hatte dort ebenfalls an einer Sternen Kinder Universität als Ausbilderin für Gattenheiler gearbeitet. Die Erinnerungen an die abwechslungsreiche Arbeit ließen Melina sehnsuchtsvoll innehalten. Mit Wehmut dachte sie an die fünf Tage Arbeitswoche. Ihr Dienst begann stets acht Uhr früh und endete um vier am Nachmittag. Langeweile kannte sie an der Universität nicht. Die ganze Sache hatte nur einen entscheidenden Nachteil, sie wurde mehr als lausig bezahlt. Nun hatte sie hier den überaus gut bezahlten, aber öden Job auf der Concordia. Außer Bagatellfällen gab es kaum was für sie zu tun. Sie selber fragte sich oftmals: »Warum bezahlen sie mich so üppig fürs Nichts machen.«
Andere dachten ebenso. Sie berichteten bei geselligen Abenden: ›Die Concordia hängt mit Mann und Maus bereits seit vielen Jahren im Trockendock herum. Und alle schweren Reparaturarbeiten sowie Modernisierungen werden von Aiws ausgeführt.‹
Einige Crewman vertraten eine unumstößliche Meinung: ›Die Aufgaben der Aiws bestehen nur darin das Reparierte, sofort wieder kaputt zu reparieren.‹
Mit anderen Worten sie werden weiterhin nichts Spektakuläres erleben. So auch in dieser Nacht, außer einer chirurgischen Geburtshilfe und einem arg verstimmten Magen gab es nichts. Das es nur ein paar Meter von ihrem Ruheraum ganz anders aussah, ahnte sie nicht mal ansatzweise.
* *
Melina lehnte an der Wand neben dem Waschbecken und schwelgte in den Erinnerungen an jenem geselligen Abend. Unvermittelt gähnte sie und reflexhaft wischte sie mehrmals übers Gesicht. Es bewirkte nicht viel. An ihrer Mimik sah man, dass sie solch schläfrig machende Dienste ganz und gar nicht mochte. Zumal Melina sich zur Dienstübergabe stets wie gerädert fühlte. Schuld daran war: »Der lauschende Schlaf«, wie sie es nannte. Jedoch seitdem Adrian ebenfalls auf Station lag, dankte Melina für jede Minute, in der sie Einsatz frei blieb.
Gedankenversunken knüpfte sie die Dienstjacke auf. Als sie sich der Jacke entledigte, spürte sie mental, dass ihr Bruder von einem weiteren Anfall heimgesucht wurde. Seine heftigen Schmerzen vertrieben auf der Stelle ihre Müdigkeit. Die mentale Verbindung zu blockieren gelang ihr jedoch nur mühsam. Gerade als es erträglicher wurde, meldete das schrille Indy Signal einen Notfall. Synchron dazu erfuhr sie vom am Pulli Kragenrand angebrachten Hemdknopf großen Interfacechip, den Einsatzort. Die Belegzellennummer gehörte ihrem Bruder.
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Übereilt, noch im Jacke anziehen, verließ sie den Ruheraum. Ihr wachsames Unterbewusstsein schickte sie in den Medikamentenraum. Als sie dann im Kühlschrank nach Adrians Amphispray griff, war ihre Hand so unruhig wie die eines Alkoholikers.
»Süßer hoffentlich hilft dir das«, ihre Lippen sprachen unwillkürlich das aus, was sie dachte.
Zu ihren Worten überprüfte sie mit aufgeregten Händen, am Labor Terminal, den Inhalt der bereitgelegten Ampulle. Danach verließ sie mit schnellen Schritten den Raum. … Sekunden später erreichte sie Adrians Belegzelle. Erschöpft, wie nach einem langen Marathonlauf holte sie mehrmals kräftig Luft. Nur so gelang es ihr, Adrians mentale Schmerzübertragung abzublocken. Sein bemitleidenswertes Wimmern konnte sie jedoch nicht aus dem Kopf verbannen.
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Entgegen ihrer Art, sie klopfte sonst immer erst an, öffnete sie sofort die Tür. Beim Eintreten streifte ihr flüchtiger Blick die wachende Sartor. Am vorwurfsvollen Gesichtsausdruck der Pflegerin las Melina ab, dass ihr Adrians Schmerz nahe ging. Das Verhalten war für eine ihres Standes, sehr ungewöhnlich. Und dann!, während Melina sich um den Pati Passio – leidenden – kümmerte, stierte die Sartor verlegen auf ihre Schuhspitzen. Das taten diese Wesen nur, wenn sie versuchten, etwas zu vertuschen. Aber das entging Melinas Aufmerksamkeit, sie stellte in dem Moment mit entsetzen fest: »Adrian ist wieder im Wehen artigen Schmerz gefangen.«
Seine zierlichen Finger, sie krallten in den weichen Griffen des Biobettes, untermauerten ihre Worte.
Bekümmert blickend strich die Sartor über Adrians Hand.
Bei jeder Berührung spürte Melina, die beauftragte Sartor hat kein reines Gewissen.
Die folgende Geste, sie tupfte ohne Unterlass Tränen und Schweiß des Patienten ab, vertiefte noch ihren Verdacht.
Adrian fühlte sich nicht imstande, gegen dieses aufdringliche Gehabe vorzugehen. Er zog es stattdessen vor, all seine Pein ungefiltert über die fiebrigen Lippen zu entlassen.
Melina hingegen beschäftigte: »Was löste seine Kolik aus.« Adrians wehklagen vereitelte ein Hinterfragen.
Beherzt, aber dennoch sehr behutsam, drehte sie Adrian auf die Seite. Im nächsten Moment ertastete Melina zielgenau, an Adrians Nacken, einige neurologische Punkte. So wie sie diese aktivierte entspannte sich augenblicklich sein zerbrochen wirkender Leib. Für Sekunden blieb er zum Kraftschöpfen regungslos liegen, danach drehte er sich langsam um.
»Lass es nicht wieder kommen«, bat er mit flehender Stimme.
Wie gern hätte Melina das bestätigt, aber stattdessen konnte sie ihm nur mitfühlend über die Tränen nassen Wangen streichen.
Wenige Streicheleinheiten später zeigten Adrians zusammengepressten Lippen, dass jene Blockade aufbrach. Sofort verabreichte Melina den mitgebrachten Amphispray, mit einer Schmerz betäubenden Mixtur. Jedem Tropfen begleitete ein mentales Gebet: »Lass es ihm bitte diesmal annehmen.«
Als sie den Amphispray entfernte geriet das mürbe mit Tränen überflutete Antlitz des Bruders in den Fokus. Knall auf Fall wurde all ihre Zuversicht zerstört.
Adrians stummer Hilfeschrei galt hauptsächlich Melinas Medizin Experimenten. Denn sie lag meilenweit neben dem Volltreffer. Er wollte den trägen Verstand auf die Sprünge helfen, dazu setzte er sich hin und hechelte wie ein Gebärender. Die vor Schweiß triefenden Hände umklammerten ihren linken Arm und die spitzen Fingernägel bohrten ungebremst in die zarte weiße Haut. Selbst die Hinweise brachten der Schwester keine zündende Idee. Adrian hoffte dennoch sehnlichst auf ein gedankliches Wunder. Doch weit gefehlt, Melina litt stumm und blickte, wie sie dachte – von ihm nicht bemerkt –, unentwegt zum virtuellen Biodaten Display. Aber es erfolgte keine Mixtur Annahme und über Adrians Leib rutschte ein leises Knistern.
»Wieso aktiviert sich ständig sein körpereigenes Sicherheitssystem ...«, fragte sie kummervoll.
Ein Blick in ihre Kalab und sie hätte binnen Sekunden die Erklärung. Leider kam sie auch diesmal nicht auf die simple Idee. Hinzu kam noch: Melina war wie immer vollends davon überzeugt, dass sie für den Bruder keinerlei Bedrohung darstellt. Aber genau darin lag Melinas Irrtum. Ihre Medizin und Heil Experimente deutete Adrians Kalab als Angriff auf seine Gesundheit. Folglich fuhr sein Sicherheitssystem hoch. …
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(Kalab; in diesem Teil des Skylup – des Gehirns –, ist das Wissen ihrer Shumerer Vorfahren abgelegt.)
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… Da ...!
Für den Bruchteil eines Augenblicks zuckten drei Balken auf dem virtuellen Display. Melina verspürte einen winzigen Funken Hoffnung. Doch seine verkrampften Finger in Melinas Arm sagten, der Körper lehnt es komplett ab. Umgehend veranlasste sie auf dem virtuellen Biodisplay, das weitere Vorgehen. Aus dem Stand, einem Sturzbach gleich, schoss das Betäubungsmittel über die Infusionseinheit in seine Vene.
Als die Wirkung einsetzte, schaute er seine Schwester traurig an und ihre Worte: »Schlaf Süßer, Schlaf«, vernahm er bereits wie durch eine Nebelwand. Melinas zaghaften Kuss auf seiner Stirn spürte Adrian nicht mehr, er lag bereits in einen alles vergessen lassenden Beta-Phi Traum.
*
Wie sie ihn so daliegen sah, kam das ›warum bekam er diese Kolik‹, ins Bewusstsein zurück. »Seit wann hatte er erste Anzeichen?«, Melinas Stimme forderte eine rasche Aufklärung.
Anstatt sofort zu antworten, zupfte die Sartor nervös am Schürzenband. Erst ein ermahnender Blick von Melina veranlasste sie zu berichten: »Als Mister Sawons Besuch kam, ging es ihm gut. Damit ich nicht störe, habe ich die Belegzelle verlassen. Ich gestattete mir, in der nahen Messe eine Mahlzeit einzunehmen. Und als ich zurückkam, ging es ihrem Bruder immer noch gut«, so wie die Sartor das sagte, hörte es sich nach einer Verteidigung ihrer Handlung an, »Magister ich hatte seit dem frühen Mittag nichts mehr an Nahrung«, ihre Tiefe stimmliche Verbeugung verstärkte Melinas Empfindung.
»Ist in Ordnung. Ich mache ihnen deswegen keine Vorwürfe.« Den Worten zum Trotz sah sie die Sartor mit stechendem Blick an.
Es wirbelte ihr die Gedanken durcheinander. Sie starrte zum Boden. »Als ich zurückkam«, stammelte sie mit kleinlauter Stimme, lag Adrian entspannt auf dem Bett. Er führte via Interface ein Gespräch mit der Mom. Nichts deutete da auf eine beginnende Kolik hin. Erst Minuten später ging es ihm nicht mehr gut ...«
Unterdessen die Sartor sprach, setzte sich Melina mit nachdenklicher Mimik ans Fußende von Adrians Biobett, dabei verrutschte die Bettdecke. Zeitgleich stöhnte er matt. Melina wiederum strich ihm beruhigend über die Hand. Schlagartig spürte sie seinen nur betäubten Schmerz. In Gedanken fragte sie sich: »Wieso bekommst du nur aus heiterem Himmel Koliken? Wenn ich dich doch wenigstens abtastend untersuchen könnte ...«, mitten im Selbstgespräch entdeckte sie auf der blütenweißen Bettdecke ein langes, nachtblaues leicht lockiges Haar. Es lag wie bestellt da. Melina zupfte es ab, dabei schielte sie flüchtig zur Sartor. In Gedanken schlussfolgerte sie: »Von der Sartor kann es nicht sein. Ihr kurzes Haar ist fast weiß. Und Marte ist blond.« Am Ende ihrer Überlegung hielt sie der Pflegerin das Haar unter die Nase und dabei warf sie ihr einen misstrauischen Blick zu. Bevor die Sartor auch nur ansatzweise etwas zur Entlastung sagen konnte, quetschte sie Melina stimmgewaltig aus: »Wer besuchte meinen Bruder noch?«
In eine schüchterne Unschuldsmiene gehüllt antwortete die Sartor mit blecherner Stimme: »... als ich ihn verließ, weilte nur die Studentin bei ihm.«
Ohne weiter darauf einzugehen, verwies Melina die Sartor mit einer zornigen, wegweisenden Geste des Raumes. Schleunigst machte sie, was die Heilerin verlangt. Ihr unterwürfiges Verhalten verdoppelte nahezu Melinas argwöhnisches Gefühl. Grimmig zur Tür sehend zischte sie: »Da stimmt was nicht. Ohne Anweisung des behandelnden Heilers verlässt niemals eine Sartor den anvertrauten Patienten.«
Kopfschüttelnd dreht sie sich wieder zum schlafenden Bruder, die Finger veranlassten derweil, dass der lahmende Scanner ansprang. Ruckelnd tastete der Strahl über Adrians matten Leib.
Zähneknirschend verfluchte sie die unbrauchbare, nur sporadisch arbeitende Heiler-Technik. Ihre erzürnte Mimik zeigte, was im Inneren ablief. Sie glaubte nicht daran, dass sie mit diesen Scandaten etwas anfangen kann. Doch allen bösen Vorahnungen zum Trotz wartete sie auf das Ergebnis.
Bis es soweit war, dachte Melina über die letzten drei Jahre nach. Was nicht heißen soll; dass ihr Ehegatte Erimo und sie nicht zufrieden sind. Allerdings wächst seit neuesten das Gefühl heran, hier scheint irgendetwas nicht so zu sein, wie es ist. So zum Beispiel hört sie auf den Korridoren ab und an fremde Stimmen. Ebenso sah sie dort Personen, die, sowie sie um die Ecke bogen, verschwunden waren. Des Weiteren hörte sie auf dem Deck, wo ihr Quartier war, Respekt einflößende Kampfgeräusche von Pogna cor Klingen. … Und dann die Technik!, Schrott ist dazu noch zu gelinde ausgedrückt. … Nicht zu vergessen ihr Freund Amadou Baston. Sein Verhalten ist mehr als bedenklich. Kurzum sie will darüber Aufzeichnungen anlegen, vielleicht sind sie einmal nützlich. Weil der Scanner ohnehin noch einige Minuten braucht, beschloss sie, sofort damit zu beginnen. Hierzu nahm sie das handflächengroße PAD aus der Brusttasche der Dienstjacke. Währenddessen ihr Datenspeicher einige holografische Papierblätter erzeugte, rückte sie einen Stuhl beim Wandtisch zurecht. Als ihre üppig gebaute Statur lässig an der kühlen Wand lehnte, tauchte sie in alte Erinnerungen ein. Obgleich Melina wusste, dass sie auch diesmal in etliche Gedächtnislücken purzeln würde, begann sie zu diktieren: »... Einleitend noch einige Sätze vorweg. Mein Studium zur Gattenheilerin endete im Jahr zweiundzwanzig einundfünfzig mit dem Abschluss zum Macister. Wo ich in den Jahren bis Mitte neunundfünfzig überall gearbeitet habe, fällt mir im Moment nicht ein. – Egal. Jedenfalls habe ich seit Anfang des achten Erden Monat desselben Jahres als Heilerausbilderin gearbeitet. Mein Einsatzort als solcher befand sich an einer Sternen Kinder Universität auf dem Planeten Polaris in der Stadt Zkyl. Mein Betätigungsfeld umfasste ausschließlich den praktischen Ausbildungsteil in Umgebungs-Simulations-Räumen. … Wieso eigentlich nur da? … Hmm! … Unerheblich. … Wurde eh mies bezahlt! Alte Geschichte. Abgehackt und mit dem Schwamm drüber. Zum Glück erhielten wir Job Angebote auf dem privaten Rettungsraumschiff Concordia α U P. Man bot meinem Ehegatten Erimo dort eine Stelle als Lehrer an, und mir eine Stellung als leitende Heilerin sowie erster Heilerin in der Studentenausbildung.
Am zwanzigsten September zweiundzwanzig sechzig, exakt einen Monat nach dem Untergang vom Planeten Vulkan, Unterzeichneten wir die Arbeitsverträge. Und weil ich während meiner Studienzeit noch einige Semester in der Sparte Raumfahrt besuchte, erwarb ich den Status eines Freien Captains. Als solcher habe ich mich ebenfalls verpflichtet. Sodass ich, wenn das Raumschiff in besondere Situationen gerät, den kommandierenden Captain unterstützen oder im Notfall sogar ersetzen kann. –
Unsere Dienste begannen hier am vierundzwanzigsten Neunten.
Beim Quartiersbezug stellte ich mit Freude fest, dass Amadou Baston – mein Freund aus Kindertagen – gleich nebenan wohnt. Wir hatten uns unseligerweise vor Jahren aus den Augen verloren. Auslöser dessen war ein Anschlag auf Amadou. Bei diesem wurde er niedergeschlagen und ausgeraubt. Während er besinnungslos am Boden lag, verabreichten ihm die Gangster noch irgendwas, das seinen Geist auf Dauer vernebelte.
Sein Vater Akym Pors sagte mir mal unter vier Augen: ›Mein Sohn hat sich seitdem in seinem ganzen Wesen verändert.‹
Dem stimmte ich zu, aber ich konnte Amadou's blonden Gemütszustand nicht einfach so hinnehmen. Deshalb wollte ich sein Gedächtnis, mit einem selbst angerührten Mittelchen, wieder auf das gewohnte Niveau bringen. Nur da der damals mehr als wirr im Kopf war, musste ich einen passenden Moment abfangen. Der ergab sich wenige Tage nach Adrians achtzehntem Geburtstag, auf unseren Heimatplaneten Advenu in Amadou's Wohnturm ...«
So wie Melina an Adrians Geburtstag dachte, geriet sie ins Grübeln. Mit nachdenklicher Mimik fragte sie sich: »Wieso weilte er bereits bei Moms, Dads und meiner Ankunft im Pors Anwesen.« Ihre Frage war gerade zu Ende gedacht, da klatschte sie sich an die Stirn. »Na klar unserer Familien sind befreundet. Akym wird Adrian als Geistheiler konsultiert haben.« Mit diesem Gedanken knüpfte sie nahtlos an das Vorangegangene an: »Unter dem Vorwand, unsere geistigen Leistungen zu erhöhen, verabreichte ich uns eine Mixtur aus meiner Kräuterküche. Wenn Amadou und ich früher zusammen forschten, schluckten wir schon etliche Male dieses Zeug. Wir kannten die Wirkung, es brachte immer eine deutliche geistige Leistungssteigerung. Folglich schluckte er die Mixtur bedenkenlos. Nur, das Gebräu knockte uns diesmal für Tage aus. Als wir dann so einigermaßen wieder in die reale Welt zurückfanden, fehlten Amadou noch mehr Erinnerungen.
In meinem Gehirn ist gleichfalls etwas schiefgelaufen. So kann ich mich nicht mehr daran erinnern, was wir früher zusammen entwickelt haben. Ebenso vermag ich nicht zu sagen, als was Amadou vor dem Anschlag gearbeitet hat. O-oh man!, das Zeug hat bei uns bis heute Löschspuren hinterlassen. Dabei bin ich mir sicher, dass die Mixtur, nur unsere geistige Leistungsfähigkeit erhöhen konnte. … Das Dumme daran ist, ich vergaß die genaue Zusammensetzung. Somit kann ich nicht mal mehr überprüfen, inwiefern eine Verbindung zwischen der Mixtur und dem von den Anschlag Gangstern verabreichtem Zeug besteht. Fakt ist, meine geheime Kräuteressenz hat Amadou's Geist noch verworrener gemacht. Danach hatte er erst so richtig einen an der Waffel. –
Mit meinem Wissen, im Allgemeinen, stimmt fast alles wieder. Hin und wieder purzle ich zwar in mächtige Gedächtnislücken. Aber das betrifft vorwiegend nur meine privaten Angelegenheiten. Sodas ich uneingeschränkt als Heilerin arbeiten konnte. Jetzt habe ich mich an Bord der Concordia verpflichtet. Eingesetzt bin ich in der Gatten Abteilung ...« Mitten im Gedanken schaute sie zum Scanner, und wie befürchtet hatte der noch nicht mal ein Viertel geschafft. Kopfschüttelnd schloss Melina ihre Augenlider und sogleich versank sie in weitere Erinnerungen: »... Erst vor einigen Tagen, Adrian war noch nicht an Bord, machte ich rein zufällig in einer uralten Computerdatei eine Entdeckung. Daraus erfuhr ich, dass "mein" Raumschiff, weit über zehntausend Jahre im Dienst der alles unterjochenden UPC stand. ...« Unvermittelt schoss ihr eine Frage durch den Kopf: »Wieso ist dieser alte Seelenverkäufer jetzt noch im Dienst.« Weil ihr auf die Schnelle keine plausible Antwort einfiel, nahm sie den vorangegangenen Gedankenfaden wieder auf: »Die lange Dienstzeit und der Tatbestand, dass es nunmehr von uns Shumerer benutzt wird, weckte meine Neugier. Mit den Fragen; was war davor und was für ein Geheimnis wird es wohl haben, begab ich mich im Bordcomputer auf Spurensuche. Doch meine Bemühungen wurden zunächst nicht von Erfolg gekrönt. Erst als ich mit unseren Butler Aiws Prix darüber sprach, kam Bewegung in die Sache.
Prix, er ist ebenfalls der Butler meines Freundes Amadou, versprach: ›Ich werde mal im Quartier meines Dienstherren, in den Wänden und Fußböden, nach alten Bordbüchern suchen.‹
Überrascht fragte ich: »Warum nur dort?«
Als Prix das hörte, wandte er sich von mir ab. Unterdessen seine Hand langsam zum Türöffner zustrebte, geruhte er zu antworten: ›Weil die Suite schon immer die vom Captain oder Eigentümer war.‹
Spontan hielt ich ihm am Arm fest und bohrte noch mal nach: »Amadou's Dienstgrad entspricht keins von beiden. Wie kam er dann an das Quartier?«
Er schmiss mir einen verschmorten Blick zu und begleitend dazu donnerte an meine Lauscher: ›Weil die Suite, so verkommen wie sie war, keiner haben wollte. Da hat er die Gunst der Stunde genutzt. Mit viel Schweiß haben wir zwei die Suite nunmehr zu einem prächtigen Domizil hergerichtet.‹
Noch mehr fragen konnte ich leider nicht denn, Prix blickte mich genervt an und verließ übereilt unsere Unterkunft.
Sein gehetztes Verschwinden sowie meine Neugier ließ mich voller Ungeduld, auf die Benachrichtigung warten. … Mein Wissensdurst wurde etliche Stunden auf die Folter gespannt, dann endlich überreichte mir Prix ein großes wuchtiges, gut erhaltenes in dunkles Leder eingeschlagenes Bordbuch. Auf der Vorderseite war der Name Concordia eingeprägt.
Einige Uapas – Zentimeter – darunter befand sich ein drei Mal fünf Uapas großes Metall Wappenschild mit einer eingestanzten Anch-Hieroglyphe. Sie symbolisiert mehrere DNA Stränge, welche sich im unteren Teil zu einem neuen formatiert haben.
Unterhalb des Wappens steht stets der Clan Name. Nur bei dem hier klebte ein nicht entfernbares, undurchsichtiges Siegel. Somit weiß ich nicht, wem es einst gehörte. Auf eine baldige Rätsellösung hoffend, schlug ich es auf. Zu meiner Überraschung wurde es von handgeschrieben. Anfangs machten mir die akkuraten, eng aneinandergefügten Buchstaben das lesen schwer. Jedoch mit jeder weiteren Zeile gewöhnte ich mich an die altertümlichen Schriftzüge. Der Text selber wurde in alt Sumer geschrieben.
Zu meinem Erstaunen entdeckte ich in der Chronik, dass jenes vor mir liegende Exemplar, als vierhundertfünfzehntes Bordbuch bezeichnet wurde. Laut der eingetragenen Jahreszahl reichten die Aufzeichnungen über viertausend Dekaden zurück. Außerdem erfuhr ich, aber mit anderer Handschrift verfasst, dass die Concordia bei einem Hinterhalt geentert wurde. Die überflüssige Besatzung haben die vom UPC eliminiert. Sie wurde in die UPC Raumflotte eingegliedert und erhielt den Namen Viator.«
In Gedanken hielt Melina dazu fest: »Ich sollte mal bei Gelegenheit Prix bitten, dass er noch mal auf Suche geht. Vielleicht findet er noch frühere Aufzeichnungen.«
Am Satzende blickte sie zum Scanner. Der hatte noch nicht mal die Hälfte geschafft. Sie konnte somit gedanklich weiter im Bordbuch blättern. »Ich erfuhr unter anderem, dass die Concordia (vor der feindlichen UPC Übernahme) an einem Dimensionsportal fest vor Anker ging. Sie wurde dort als Notfallversorgungseinheit für die aus der UPC Knechtschaft befreiten sowie für verwundete Shumerer Freiheitskämpfer eingesetzt. – Daher das Wappen mit der Anch-Hieroglyphe. Das Anch steht schließlich für Leben und auf solch einem Rettungsraumschiff wird genau das gemacht.« Stirn reibend blubberte sie vor sich hin: »Der Viator war mir bis zu jenem Tag als billiges Massendomizil für Urlauber ein Begriff, dem sogar der Ruf vorauseilte, das Flaggschiff der UPC zu sein. Aber, wenn ich mich in meiner Krankenstation umsehe, ist hier davon nichts mehr übrig. Wenngleich so was total abgewracktes, entsprach den verschobenen Weltansichten der UPC. –
Nichtsdestotrotz ist das jetzige Besitzverhältnis der Concordia eine nicht minder merkwürdige Angelegenheit.
Unsere Arbeitsvermittlerin vom Shumerer Planeten Polaris sagte uns dazu: ›... Der Reeder ist ein Capac Shumerer. Er kaufte es bereits, als es dem Planeten Vulkan noch gab.‹ –
Nun ja die Capac sind geschäftstüchtig. Sie versuchen aus jeder greifbaren Gelegenheit ein lohnendes Geschäft zu machen. Dennoch frage ich mich, wie gelang es einem von Advenu, das Raumschiff von der UPC abzukaufen. Zumal die kontrollsüchtigen Diktaturen solcherlei Privatbesitz nicht mal den einheimischen höheren Untertanen erlaubten. Wie sollte da erst ein Außenweltler solchen Besitz erlangen. – Es sei denn! Der Käufer hatte eine führende Position in der regierenden Oberschicht vom Planeten Vulkan. Der "Jemand" musste gleichfalls noch für unsere Shumerer Regierung tätig gewesen sein.« Am Satzende lachte Melina dunkel. »In welch Doppel Diplomatie sind wir da nur geraten? Wie auch immer, der zweiseitige "Vermittler" ist nach dem Untergang von Vulkan fein raus. Dessen ungeachtet wüsste ich nur allzu gern, wer der Reeder und somit unser Boss ist. Leider erfuhr ich bis jetzt noch nicht den Namen. Somit werde ich nicht so schnell heraus bekommen, warum der Eigner dieses marode Raumschiff kaufte. Zumal die Modernisierung kostet mit ziemlicher Sicherheit enorme Summen. … Egal nicht meine Knete! … Dennoch wurmen mich seine teils enormen unüberlegten Anschaffungen. Ein schräges Beispiel dafür sind die Quartiere. Sie haben eine gehobene Ausstattung. Dahingegen bei der Technik geizt er, wo es nur geht. Somit wird es noch lange dauern, bis das Raumschiff wieder flugfähig wird. Wenn es nicht so ist, hingen wir nicht nur im Trockendock ab, es sei denn: Es ist eine dauerhafte Stationierung ... – Doch das kann nicht sein, weil meine Krankenstationen dafür gar nicht geeignet sind. Außerdem hatten wir von außerhalb noch nicht einen einzigen Notfallpatienten. Und laut den Berichten meines Freundes Amadou Baston, er ist hier der zweite Kommunikationsoffizier, besteht dieser Wartungsstatus bereits seit Ewigkeiten. Genauer gesagt, seitdem er zum Zweiten ernannt wurde. Und das geschah vor Jahren.
Zudem sagte er mir: ›Es kommt mir so vor, dass es ein Raumschiff im Raumschiff wird. Selbst die Kennung änderte sich von UPC Viator in Concordia α U P.‹ –«
Bei der letzten Erinnerung schaute Melina ungeduldig zum Scanstrahl, dazu murmelte sie: »Ich persönlich wüsste nur zu gern, wer sich als neuer Eigner hinter U P verbirgt. Nur an diese Information komme ich irgendwie nicht ran. Eins ist aber anhand der vielen Vulkan Technik klar: Es gehörte vor der Privatisierung eindeutig zur feindlich gesinnten Vereinten Planeten Gemeinschaft. Deshalb ist es verständlich, dass fast nichts an Bord von der Heiler-Technik funktioniert. Schließlich hatten wir minderwertigen blutsverwandten Mischlinge, im verdrehten Hirn der UPC Führungselite von Vulkan, keine Daseinsberechtigung.« Melina atmete einmal kräftig durch, dabei schaute sie zum unruhig schlafenden Bruder. »Nur gut das der Spuk vorbei ist. Oder doch nicht? Das U P, welches hinter dem Raumschiff Namen steht, konnte gut und gern für eine neue Gruppierung stehen. – Welche von einigen Überlebenden der Vulkan Elite gegründet wurde. … Was ist, wenn der neue Reeder und der damalige Vermittler ein und dieselbe Person sind. Aufgrund seiner alten Seilschaft Beziehungen könnte er sich damals rechtzeitig in Sicherheit gebracht haben. Und heutzutage hatte er mit weiteren Gesinnungsfreunden sein eigenes Machtzentrum gebildet. Somit hätte das mit dem hier im Trockendock "abhängen" eine makabere Erklärung.« Am Ende ihres Gedankens schielte Melina abermals zum Scanner. Von "habe fertig", war dieser noch immer weit entfernt. Stirn kratzend ging sie den Gedanken weiter nach. Dabei spülte es einige heftige Dispute mit ihrem Freund Amadou an die Oberfläche: »Eine besonders derbe – atypische Unterhaltung blieb mir im Geist erhalten. Wenn ich jetzt daran zurückdenke, läuft es mir herb-frisch am Rücken hinunter. Und beim Nachfolgenden stehen mir glattweg die Nackenhaare zu Berge. Jene Begebenheit ereignete sich nach einem Fitnesstraining. Wiedermal lamentierte Amadou: ›Mich kotzt das Nichtstun hier dermaßen an.‹
Ich erwiderte: »Suche dir doch einen neuen Arbeitgeber. Gute Kommunikationsoffiziere sind ja bekanntlich rar.«
Erbost schnaufend warf er mir mit scharfem Ton an den Kopf: ›Das ist für mich, ein unreiner Halbling von Vulkan, nicht so einfach möglich. Ich kann dir nicht mal sagen, wann und wo ich, den Abschluss als Offizier gemacht habe.‹
Ich entgegnete ihn mit ruhiger Stimme: »Geht doch nur bei einer Raumfahrt Akademie ...«, weiter kam ich mit dem Satz nicht, denn wie ich an seinem Gesichtsausdruck sah, brachten meine Worte sein bodenloses Gedankenfass zum Überlaufen. Im nächsten Augenblick brüllte er mich mit bulliger Stimme an: ›An keiner UPC Raumfahrt Akademie kennen die meinen Namen‹, seine Halsadern drohten dabei fast zu platzen, und mir sprengte es fast die Lauscher weg. So hatte ich meinen Freund überhaupt noch nicht erlebt. Ich kannte ihn bisher als äußerst friedfertige und sympathische Persönlichkeit. Zu weilen ist er vergesslich und geistig abwesend. Jedoch aggressiv hatte ich ihn überhaupt noch nie erlebt. Doch das sollte erst der Anfang sein! Nach der verbalen Attacke nervte er mich stets und ständig mit denselben Fragen: ›Weshalb ist die Concordia jetzt privat. So was darf es doch in der UPC nicht geben.‹
Wenngleich ich es überdrüssig war, habe ich stets geantwortet: »Das weiß ich nicht, aber bei uns sind, neben vielen anderen Sachen, auch solche Flugobjekte stets in privater Hand.«
So wie Amadou das vernahm, lösten sich meine Worte in seinem Geist, wie kalter Rauch auf. Seine Reaktion verwunderte mich schon sehr. Ich dachte zunächst, dass er kein Interesse an dem Thema hat. Allerdings!, was er dann zu mir sagte, machte mir große Sorgen.
›Ich bin wegen meiner Erden Menschen Mutter nur ein minderwertiger Bastard. So was dulden die vom Säuberungskomitee überhaupt nicht. Ich bin für die gesamte UPC Gemeinschaft nur eine Blut verunreinigende Schande. Genau aus diesem Grund haben die uns hier weggesperrt.‹ –
Ich frage mich, was ist, wenn er recht hat. Zumal bisher all unsere Anträge auf Heimaturlaub zwar genehmigt wurden, aber, stets kam was dazwischen. Mal waren die Portierplattformen außer Betrieb oder es gab dort schwere Störungen. Ein andermal waren alle Shuttle-Andockvorrichtungen defekt. Letztendlich verbrachten wir unsere freien Tage, ebenso die der halbjährigen vertraglichen Rotation an Bord ...«, für einige Wimpernschläge überlegte sie, »... warum eigentlich funktionierte bloß dann nichts, wenn wir runter vom Raumschiff wollten? Das sollte ich genauer analysieren ...«, es klang entschlossen.
Ungeachtet davon schüttelte es Melina und sogleich sprach sie den Grund dafür aus: »Als Amadou damals die Behauptung aussprach, fühlte ich seinen – an sich gerichteten Ekel. Dummerweise rutschte mir heraus: »Bastard? Quatsch ich weiß das du, ein astreiner Shumerer Mischling bist. Der zudem alle Kalab Weihen erhielt.«
Kaum das er das hörte, fauchte er mich gallig an: ›Wir! Shumerer? Was hast du dir fürn Zeug rein geworfen. Die unsaubere Brut ist doch bereits vor Urzeiten ausgestorben.‹
Um ihn nicht abermals bis zum Äußersten zu reizen, gab ich vor, da was verwechselt zu haben.
Amadou stimmte dem zu und erteilte mir sogleich eine astreine Geschichtsstunde. Je mehr er mir von den Disputen vorschwärmte, um so mehr kam es mir vor: Er betet was "Eingetrichtertes" herunter. Um eine Bestätigung zu erhalten, fragte ich ab und an scheinbar neugierig dazwischen. Mein Verdacht verhärtete sich. Und als ich irgendwas von den Shumerer erfahren wollte, löste das Wort schlagartig eine verpuffende Reaktion in seinen Geist aus. Nicht mal die Frage konnte er wiederholen.
Und dann der Hammer!, sobald wir uns nicht über privates Zeug unterhielten, tauchten weitere Begriffe und logische Zusammenhänge auf, welche die gleiche verpuffende Reaktion hervor riefen. Dem nicht genug! Es ging soweit, das Amadou sich selber ins Gesicht schlug, sobald ich ihm von den eigentlichen Machenschaften der UPC Diktatoren berichtete. Oder er stellte seine spitzen Ohren auf Durchgang, wenn ich ihm, was über die Freiheitskämpfer erzählte.
Damit er sich keine ernsthaften Verletzungen zufügt, zog ich meine Konsequenzen: Spaa Gen, Shumerer, Advenu, ebenso unsere Gaben …, streiche ich bei seiner Anwesenheit aus meinem Sprachgebrauch. Klappt bestens! Allerdings!; warum Amadou glaubt: Nur ein unreiner Halbling zu sein, ergründete ich noch nicht. Ebenso verhält es sich mit seinem Hauptwohnsitz. Er behauptet sogar, die Stadt Sinu i ist auf dem Planeten Anuna. Ich kenne nur eine Stadt, die so heißt, und die ist auf Advenu. Aber!, weil es besser für unsere Nerven ist, lasse ich ihm in diesen Irrglauben.
Mal abgesehen von diesen Marotten ist Amadou einer, auf dem man sich verlassen kann. Er ist, soweit ich es beurteilen kann, genauso intelligent wie ich. Nur wo und was genau er studierte, vermag ich mich nicht zu erinnern. Wobei, dass was er hier ausübt, studiert man nicht. … Ich sollte mal seinen Vater danach befragen. Doch bis ich dazu die Gelegenheit bekomme, heißt es für mich, bei unseren Unterhaltungen, weiterhin die Zunge im Zaum halten.
Bedauerlicherweise musste ich danach feststellen, dass im Kopf meines Freundes noch mehr quer läuft. So ist er davon überzeugt: ›Ich habe meinen Gemahlen verloren. Er ist mir irgendwie abhandengekommen. Das Einzige, was von ihm in mir zurückblieb, ist die Erinnerung an den köstlichen ahl pii. Jener schwirrt noch in meinem Geist herum. Der unstillbare Durst nach dem Sinn berauschenden Duftwogen zwingt mich, ihm unter allen Umständen wieder zu finden.‹ –
Den imaginären Gatten zu suchen … wieso eigentlich Gatten?! ... Seit wann steht der auf Kerle. … Während unserer Studienzeit hing der doch nur mit den schönsten Weibern herum. Sollte der etwa bisexuell sein? Hmm!, ist sein Liebesleben und nicht meins! … – Jedenfalls suchte Amadou das vermisste mehr als gründlich. Und sowie er Witterung von einem für seine Begriffe passenden und betörenden Nasenkitzel aufnahm, verfolgte er deren Fährte. Geradezu heißblütig umwarb er den Auserwählten. Nun ja Amadou ist schon eine Augenweide. Was nicht nur an seinem gut durchtrainierten Leib liegt. Außerdem beflügeln seine dunklen schulterlangen Haare geradezu die Fantasien. Seine sinnlichen Lippen sprachen auf charmante Art sein Anliegen aus. Blickten sie ihm dann in seine warmherzigen braunen Augen, sprangen sie auf der Stelle mit ihm ins Bett.
Unter den vielen undurchsichtigen Gestalten waren ein, zwei ganz passable schnuckelige Gatten dabei. Aber nein! Nach dem Gebrauch verschmähte er sie. Angeblich stanken sie am anderen Morgen. Weg damit. … Was Neues heran geflirtet. ... Flach gelegt. Abgewickelt … Dass der sich dabei nichts weggeholt hat, grenzt an ein Wunder. Damit sein "Hengst besteigen" berechtigt blieb, faselte er munter weiter: ›Ich will doch nur meinen Gemahlen wieder finden.‹
Etliche Male erwischte man das zügellose Treiben. Mich wundert es, dass der Raumschiff Eigner ihm deshalb nicht schon längst feuerte. Zumal man es mit diesen Kerlen so machte. –
Eines Tages tanzte ihm der Duft des schnuckeligen Weibes Jasin Syde vor die Nase und auf einer meiner Geburtstagsfeiern, stellte er sie als seine Gefährtin vor. – … Ein Weib! … Mal abgesehen von ihrem Geschlecht passte sie überhaupt nicht in Amadou's Beuteschema. Seine bisherigen hellhäutigen Kerle standen gut im Futter. Jasin hingegen ist dunkelhäutig und spindeldürr. Ihr großzügiger Busen ist nicht zu übersehen. Was mich noch an dem Weib verwirrt ist ihre gereifte persönliche Duftnote. Jene erinnert mich irgendwie an einen synthetischen ahl pii. –
Na ja!, … das mit meiner Nase ist so eine Sache. Sie vermag nicht mehr, wie gewöhnliche Menschen Nasen zu riechen. Folglich konnte sie mir etwas vorgaukeln. – Jedenfalls ist Amadou, nach Jasin's Aussage: ›Der treuste Gefährte, den sie sich vorstellen kann ...‹ –«
Vom Scanner erschallte ein Abschlusssignal, es lenkte ihre meergrünen Augen aufs virtuelle Display. Die angezeigten obskuren Biodaten genügten, dass in ihr ungezügelter Jähzorn emporstieg.
›Es liegen keine Organschäden vor‹, verkündete der Scanner.
Es klang wie Hohn in Melinas Ohren und brachte die Empörung zum Überkochen. Wutentbrannt rauften ihre Hände im Haar. »Nutzloses Ding«, brummte sie verärgert.
Sie, die sich sonst immer unter Kontrolle hatte, drehte bei diesem stets wiederkehrenden, unwahren Ergebnis fast durch. Die Empörung reagierte sie am virtuellen Display ab, und zu jedem patzig eingetippten Buchstaben klagte sie der Citraa mit ranziger Stimme ihr Leid: »… Fast alles an Bord entsprach mittlerweile bester Qualität von Advenu. Nur die Heiler Gerätschaften der Krankenstationen stammten noch aus der Zeit, wo das Raumschiff zum UPC gehörte.
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(Der Hass auf diesen erpresserischen "Verein" kam nicht von ungefähr. Die UPC Führungskräfte vereinnahmten nur allzu gern andere Planeten. Selbst die eigene Heimatwelt hatten sie fest in der ausquetschenden Hand. Und nur absolut Systemtreue Vulkan Firmen durften die zur Gemeinschaft gehörenden Raumschiffe mit Heiler-Technik ausstatten.
Bei allen Untertanen funktionierte die perfekt, bloß sobald sie einen von unseren Freien Shumerer Volk erkannten, verweigerten sie jedweden Einsatz.)
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Melina fragte sich nun: »Warum lässt der Eigner die Technik der Feinde weiterhin im Einsatz? Zumal es doch hinlänglich bekannt ist, dass deren einprogrammierter Leitsatz lautete: Verunreinigtes Shumerer Blut hat kein Anspruch auf Leben ...« Unvermittelt lachte Melina bitterböse. »... Haben die uns wirklich hier "Weggesperrt"? – Aber was ist; wenn Mal der "Saft" für die Technik wegbleibt. Soviel ich weiß, haben wir hier nicht mal einen echten Chirurgen an Bord. Wobei ich damit sagen will, der es noch versteht mit Skalpell, Nadel und Faden umzugehen. Ich könnte zwar mittels Schnitt eine Kindsfrucht ins Leben verhelfen, aber das wars …! Wegen der Probleme muss ich dringend mit dem Eigner sprechen. Schließlich brauchen wir zur Instandsetzung von humanoiden Leben neben einer exakt arbeitenden Technik noch eine handwerklich begabte Heilercrew. Wenn er dann nichts dagegen unternimmt, haben wir einen berechtigten Grund anzunehmen, dass er, doch einer von der UPC ist. Und alles nicht Funktionierende ist gewollt. Das wiederum erklärt, warum die Crew nicht vom Raumschiff herunterkam. Somit stimmt Amadou's Behauptung. Doch bevor wir das nicht beweisen können, gehen wir davon aus, dass die neue Technik und das Personal bloß wegen der hohen Kosten noch nicht angeschafft wurde. Folglich muss es weiterhin ohne Technik gehen. Vorsichtshalber werde ich mich mal näher mit dem Wissen eines Skalpell-Künstlers auseinandersetzen.« Beim letzten Satz schaute Melina nachdenklich auf die falschen Scandaten. »Es muss da aber etwas in Adrian sein, das diese Kolik-Anfälle verursacht. Nur was?«
Während sie angestrengt nachdachte, öffnete sie seine virtuelle Krankenakte. In den Aufzeichnungen fiel ihr etwas auf: »Die Koliken kommen fast ausschließlich im vier Stunden Rhythmus. Gelegentlich ist mal ein Ausrutscher von neun Stunden dabei. Wenn ich recht habe, bricht die nächste Kolik in knapp drei Stunden über Adrian herein.« Die Augen beschäftigten sich bereits mit den virtuellen Laborwerten. Diese sagten ihr klipp und klar, dass ihr Bruder ein kerngesunder und kräftiger Gatte ist. Er dürfte diese Krämpfe eigentlich nicht haben. »Da muss aber etwas sein«, jedes Wort begleitete ein unverständliches Kopfschütteln. Frustriert sprach sie zu sich: »Ich tappe völlig im Dunkeln. Nicht mal ansatzweise vermag ich zu sagen, um was für eine Erkrankung es sich handeln könnte. Zu meiner Schande muss ich mir eingestehen, dass ich vor einem Mysterium stehe.«
Die Hilflosigkeit stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben, als sie an Adrians Biobett herantrat. Mit entsetzen stellte Melina fest: »Sein Gesicht ist noch vom Krampf gezeichnet.« Sie streichelte Adrian mitfühlend übers Haar. »... Ich finde den Grund ...«, so wie sie das sprach, überwältigten sie urplötzlich starke Schmerzen. Melina wusste auch ohne einen Scan, diese entsprangen Adrians Erinnerungen und das aktive Sicherheitssystem verstärkt die Empfindung noch um ein Vielfaches. Und weil sie unmittelbar neben ihm stand, wurde es eins zu eins – durch das geschwisterliche Band – mental übermittelt. Sie wurde völlig unvorbereitet damit konfrontiert. Die mental aufschlagenden Gefühle waren so stark, dass sie nicht imstande war, diese abzublocken. Sie raubten ihr, von einem Lidschlag zum anderen, dass Jugendliche aus den sehr feinen Gesichtszügen und ihre robust gebaute Statur nahm eine ausgemergelte sowie gekrümmte Haltung einer Uralten an. Mit dieser abgelaufenen Erscheinung kauft ihr niemand ab, dass sie erst vor Kurzem ihren dreißigsten Geburtstag beging.
Schwer keuchend gab sie sich mit jedem weiteren Atemzug der imaginären Qual hin. Plötzlich spürte sie die mentale Anwesenheit ihres Ehegatten Erimo. Ihr Gatte schwelgte in Gedanken bei der letzten, sehr ausgelassenen Geburtstagsfeier von Amadou sowie von ihr. Erimo's Erinnerungen rissen Melina aus der Schmerzillusion. Desorientiert schaute sie sich in der Belegzelle um, als Adrian ins Blickfeld geriet, murmelte sie mit verzweifelter Stimme: »Du Mysterium, womit kann ich dir nur helfen.«
Um die Umstände seiner Erkrankung besser eingrenzen zu können, schrieb sie das dafür wichtige auf die vom PAD erzeugten holografischen Papierblätter, danach begann sie endlich, alles logisch zu analysieren. Im Endeffekt kam sie zu dem Ergebnis: »Die Koliken treten stets wie Anfälle auf. Sie verlaufen alle bis ins Detail gleich ...« Sie fuhr sich rau übers Gesicht, und die Lippen fluchten es ungehalten: »Verdammt und ich kenne immer noch nicht den Auslöser.« So sehr sie sich auch anstrengte ihr viel nicht ein, was einen brauchbaren Ansatz lieferte. Rein zufällig streifte ihr Blick die Uhr vom Bio-Daten-Display. Sie zeigte ihr, dass es noch eine Viertelstunde dauert, bis Adrian wieder gesund aus dem Beta-Phi erwacht. Im Blick abwenden sprach sie kampfentschlossen: »Da ist eine Ursache und die finde ich heraus.« Hierzu überprüfte sie am Bio-Daten-Display nochmals seine Laborwerte. Sie fand nichts Auffälliges.
Für einen flüchtigen Augenblick lauschte Melina den ruhigen Herzschlägen vom Bruder. Das Badomm … Badomm … Badomm … schickte ihr Bewusstsein weit in die Vergangenheit. Bei Adrians Studienzeit strandete sie: »… An welcher Universität war sie? … Hmm …!? War es auf der Erde in Saint Andrews bei den Sternen Kindern oder bei unseren Eltern im schottischen Perth, aber ebenso gut konnte es an einer Tempel Universität auf Advenu gewesen sein. … Hmm?«
Das Unvermögen, es genau zu benennen, ließ Melina betrübt Luft holen. Sie kannte diese unüberwindbaren Gedächtnislücken nur zu gut. Auch die dazugehörigen niederschmetternden Gefühle waren ihr sehr vertraut. Aber anstatt, wie sonst in trübselige Gemütsverfassung abzusacken, durchfuhren ihr diesmal blitzartige Empfindungen. Im Handumdrehen lichtete sich der geistige Nebel und ihr fielen immer mehr Details ein: »... vor vier Jahren, zweiundzwanzig achtundfünfzig muss er damit fertig geworden sein. Wo er die praktischen Ausbildungen machte, weiß ich nicht.
Mein Ehegatte Erimo teilte mir mal mit: ›Adrian will noch den Heiler Macister ablegen. Die Menschen sagen Doktor. Ebenso will er das Maccister Navis, das Captains Patent der großen Reise erwerben. Um beides anerkannt zu bekommen, muss er noch die praktische Arbeit dafür nachweisen. Das eine setzte er bereits in die Tat um.‹
Nun ja, mehr kann ich dazu nicht sagen. Nicht viel anders sieht es mit seinem privaten Kram aus. Von Erimo weiß ich: ›Adrian hat sein Glück in der Liebe gefunden ...‹, abrupt stöhnte Melina, »... Verdammt! … Der dumpf schmerzende Schädel bringt mich fast um. Es ist so massig, mir fällt sogar das Denken schwer.«
Für Minuten hielt Melina mit geschlossenen Augenlidern regungslos inne. Ihr Gesichtsausdruck zeigte, sie kommunizierte mit "Etwas". Das etwas war ihre Kalab. Seit über drei Jahren sucht sie dort endlich wieder im Heilwissen der Vorfahren. Auf Anhieb fand sie, was bei Kopfschmerzen hilft. Hierzu atmete sie, mehrmals kräftig in den Bauch, anschließend rieb sie die Handinnenflächen kräftig aneinander. Als sie ein angenehmes Wärmegefühl spürte, hielt sie die Hände dicht vors Gesicht. Ihre Gedanken konzentrierten sich auf die Stelle, wo der stechende Schmerz saß.
Innerhalb von Sekunden wirkte die Selbstheilung, woraufhin Melina mit frischem Elan sprach: »Der Vorname von Adrians Gefährtin fängt mit M an. Verflucht, ihren Namen kann ich mir einfach nicht merken. … Egal! Leider habe ich Marte, da wir bisher noch nie von Bord kamen, nicht kennengelernt.
Nach Erimo's Worten ist sie eine äußerst sympathische, ihre Wurzeln liegen im District Schweden. Das schlanke blonde Weib lebt allerdings seit vierzig Jahren in Nord Preton. Ebenso lange arbeitet sie für den Freiheitskampf.
Alles schien Perfekt zu laufen. Doch vor elf Tagen, da begannen übrigens meine quälenden Kopfschmerzen, teilte Adrian uns mit: ›Meine langjährige Beziehung hat unser Verhältnis grundlos für beendet erklärt.‹ In starken Tränenausbrüchen gehüllt schluchzte er: ›Ich will Abstand von hier haben. Daher habe ich mich nach einem neuen Arbeitgeber umgesehen. Auf der Concordia könnte ich sofort als Geistheiler anfangen. Das Ganze hängt allerdings von einem Quartier ab ...‹, zu guter Letzt bat er uns: ›Kann ich bitte in eurem Gastzimmer wohnen.‹
Das Adrian mit diesen Anliegen an mich herantrat, war mehr als wunderlich, denn zwischen uns Geschwistern bestand seit Jahren eine schlechte Funkverbindung. Erst nachdem Erimo und ich unsere feste Partnerschaft mit einer standesamtlichen Unterschrift bestätigt hatten, wurde unser gestörtes Geschwister Verhältnis ein Fünkchen besser. Das liegt bereits zweieinhalb Jahre zurück. Mir kommt es allerdings schon viel länger vor. Hmm!? –
Erstaunlicherweise pflegen Erimo und Adrian seit Anbeginn eine feste Gattenfreundschaft. Daher verwunderte es mich nicht, dass mein Gatte auf Anhieb dem überfallenden Anliegen zustimmte. Nicht ahnend, auf was für ein Mysterium ich mich da einließ, stimmte ich ebenfalls dem Einzug zu. Somit blieb nur noch die Frage, nach einer sicheren Reisemöglichkeit offen.
Das Problem nahm Adrian sofort in Angriff, und bereits wenige Minuten nach unserer Zusage meldete er sich erneut: ›Der Eigner hat mir mitgeteilt, dass ich von der Erde aus in einer Fracht Bark zur Concordia mitreisen kann. Die Bark Rückkehr erfolgt in den nächsten acht Tagen. Den genauen Termin erfahrt ihr noch ...‹ –«
Ein klapperndes Geräusch, das vor der Belegzelle zum Stehen kam, trennte Melina von dem zurückblickenden Gedanken. Bevor sie erkannte, um was es sich handelt, fuhr die Belegzellen Tür auf.
Gut gelaunt trat Heiler Studentin Marte Blom ein. In den Händen hielt sie ein Tablett. Das selbstsichere – lockere Weib hatte, wie immer, einen flotten Gruß auf den Lippen. Ihr strahlendes Lächeln verpasste der kühlen und sterilen Belegzelle eine dicke Portion an Wärme und Geborgenheit. Wie sie nun auf Melina zu lief, schwenkte sie lässig das Tablett hin und her. »Das schickt uns ihr Ehegatte.«
Melinas hungriger Blick musterte das Tablett. Es enthielt neben Suppenterrine, drei Teller, Besteck und Kelle noch ein kleines Körbchen mit aromatischen Erdbeeren. Auf diese süßen Früchte hatte sie keinen Appetit. Anders sah es da mit der dampfenden Terrine aus, ein Fingerzeig von ihr genügte und Marte hob kurz den Deckel an. Ein köstlicher Duft von aromatischem Gemüse und fein abgestimmten Gewürzen mit deftigem Fleisch wehte ihr entgegen.
»Hmmh! Bist du so nett und füllst die Teller.«
»Ja Sire.«
In Windeseile deckte die Studentin den drei Personen Wandtisch. Der oberste Teller war für die Ausbilderin bestimmt. Auf diesem wurde ein Schlafmittel aufgebracht.
Marte wählte den Sitzplatz so, dass sie Adrian im Blickfeld hatte.
»Sire es ist aufgetragen.«
Alsbald schlürften sie genüsslich ihre Suppen, und als Melina einen Nachschlag nehmen wollte, machte sich das Biodisplay bemerkbar. Wie sie am Klang des Signals hörten, ist es Adrians Beta Traum.
Melina nahm sich das Vorrecht der Chefin heraus und forderte: »Justiere ihn bitte nach.«
Die Aufforderung kam Marte gerade recht, denn sie musste an ihren Patienten eine Behandlung vornehmen. Damit ihre Ausbilderin nichts von ihrem Handeln mitbekam, bedurfte es einer kleinen Ablenkung. Jene hatte sie im Erdbeerkörbchen bereitgelegt. Als sie nun Aufstand und an Melina vorüberlief, griff sie ein wenig ungelenk nach dem Körbchen. Just in dem Moment fiel eine kleine Karte heraus. Melina hob sie auf und dabei geriet der nette Gruß in ihr Blickfeld.
Marte lächelte entwaffnend und dazu stibitzte sie eine Beere. Bevor sie die Frucht vernaschte, hielt sie kurz inne. »Die sind gut für Adrians angeschlagene Psyche.«
»Sooo ..., sooo ...!« Insgeheim dachte Melina: »Erdbeeren werden bevorzugt als Liebesgabe gereicht. Da läuft doch nicht etwa was Handfestes.« Zu ihrer Vorahnung betrachtete sie die Kandidatin von der Seite. Dabei fiel ihr auf: »Marte passt eigentlich ganz gut zu Adrian.« Gleichlaufend mit der Erkenntnis griff sie zum Löffel und verspeiste weltvergessen ihre Suppe.
Marte, die wiedermal ihre Chefin belauschte, griente in sich hinein. Jedoch als sie das Körbchen auf den Nachttisch abstellte, streifte ihr Blick Adrians Gesicht, auf der Stelle war ihre gute Laune verflogen. Tief bewegt sprach sie zu sich: »Seine anmutigen Gesichtszüge sehen grau und elendig aus. Die himmlischen Lippen, die ich an ihm so liebe, rissig und spröde.«
Bei ihren Gedanken berührte sie Adrians glühende Wangen. Wie befürchtet spürte sie augenblicklich seinen nur betäubten Schmerz. Ihre Hand brannte an der Kontaktstelle wie Feuer, innerlich schrie sie. Der erschrockener Blick schwenkte zur Ausbilderin. Die hatte nichts bemerkt. Ohne sie aus den Augen zu lassen, verabreichte Marte den Patienten den mitgebrachten Amphispray. Indessen die Mixtur sich über Adrians Haut am Unterleib verteilte, berührte sie noch einmal die Wangen. Der heftige Schmerz von eben war nicht mehr da. Sie lächelte zufrieden, dabei ging sie zum Tisch zurück.
»Wie sahen die anderen Werte aus.« fragte Melina, als Marte sich hinsetzte.
»Großartig!«
»Großartig?«, in Melinas Stimme lag Zweifel, und bevor die Studentin es aufklären konnte, hastete Melina zum Biodisplay. Die Studiosus folgte unaufgefordert.
Als Melina vorm Display stand lachte sie höhnisch. Das unnütze Ding gaukelte ihr doch tatsächlich vor, das Adrian in den Wehen lag und im Moment ruhten die Kontraktionen. Gereizt blickend kommentierte sie das Gesehene: »Eine Geburt ist das Einzige, was das nutzlose Ding von uns Shumerer Mischlingen richtig anzeigt. Und das nur, damit kein einziger der zukünftigen UPC Sklaven schon bei der Geburt verloren geht«, ihre Stimmenlage klang gallig. Als Zeichen der Technik Verachtung schnippte sie ans Display. »Hat sie vielleicht was bekommen, was die Kolik auflöst?«
»Was soll er bekommen haben, wo doch, wie Sie sagen, sein Körper alles ablehnt.« Am Satzende streichelte Melina liebevoll über Adrians Haare und dann hauchte sie zwei heiße Küsse auf seine Lippen.
Melina nahm es schmunzelnd hin. In Gedanken fragte sie sich jedoch: »Wie nah, steht sie Adrian. Ist das gar am Ende seine blonde Schweden Ex.« Ihre Vermutungen behielt sie vorerst für sich. Stattdessen antwortete sie, auf Marte's Feststellung, mit betrübter Stimme: »Das stimmt leider.« Zu den Worten forderte sie die Studentin mit einer Handbewegung auf, dass sie weiter essen. ...
»Woher kommt nur jedes Mal seine plötzliche Genesung«, fragte sich Melina.
Marte belauschte Melinas Gedanken, ihr gefiel das Grübeln überhaupt nicht. Es zögerte nur unnötig hinaus, dass die Ausbilderin schläfrig wird, und da die, bereits einen Nachschlag verputzte, sollte das Schlafmittel eigentlich schon sichtbare Zeichen setzen. Bloß solange Melina sich noch mit dem Analysieren beschäftigt, wurde sie nicht müde. Das musste Marte ändern. Dazu rutschte ihr der lässig gehaltene Löffel aus den Fingern. Scheppernd landete dieser auf der metallenen Tischplatte. Melina wurde sofort aus ihren Gedanken gerissen und von hier auf jetzt ereilte sie Müdigkeit.
Grienend griff Marte nach ihrem Mehas (medizinischer Handscanner) und nachdem der ihr bestätigt hatte: Du kannst getrost die Ausbilderin nochmals wecken, sprach sie: »... Sire, Sie sind erschöpft. Eine kleine Pause würde ihnen guttun. Indessen Sie schlafen, werde ich bei Adrian wachen«, Marte wählte hierzu einen schmeichelnden Tonfall.
Von der Müdigkeit überrannt, stimmte Melina zu, danach schlich sie in ihren Ruheraum, und kaum, dass sie alle Glieder von sich streckte, übermannte sie das Schlafmittel. Weil es nur sehr schwach dosiert war, verfiel Melina alsbald in eine Wach-Traumphase. Darin beschäftigte sie ebenfalls der Gedanke, was Adrians Koliken spontan hervorruft und beendet. Wenig später erwachte sie und von Sorge getrieben, ging sie in ihren Bereitschaftsraum.
* *
Vom Schreibtisch Terminal aus überprüfte Melina nochmals alle Laborwerte. Aber wie gehabt fand sie darin nichts Auffälliges. Unbewusst geriet sie ins Sinnieren, dabei kratzte sie sich an der Stirn. Es sah gerade so aus, als ob sie einen zündenden Geistesblitz freikratzt. Und in der Tat, ihr fiel tatsächlich ein, wo sie was finden könnte: »Citraa von der Fracht Bark, mit der Adrian Sawon anreiste, das Bordbuch anzeigen.«
Nichts geschah!
Ungehalten wiederholte sie ihren Wunsch.
Diesmal meldete sich sofort ein Techniker: »Der Citraa, steht noch nicht dem Heiler System zur verfüg ...«
Zornig unterbrach Melina die Verbindung. Im selben Atemzug zischte sie: »Also wieder alles übern lahmen UPC Computer.«
Nach unzähligen nervenaufreibenden Fragen und Antwort Dialogen, mit dem begriffsstutzigen Sprachsystem, erschien vor ihr am Schreibtisch das angeforderte.
Zuerst informierte sie sich, um was für ein Frachtraumschiff Typ es sich handelt:
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… Langstrecken Fracht und Transport Bark. Sie wird ausschließlich von Aiws gesteuert. Die Schwerkraft und Klimabedingungen sind für humanoide geeignet. … Die Ausstattung ist als zweckdienlich einzustufen. … Die Bark ist für Bend Blasen in der Cybord Dimension ausgelegt …
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»Cybord Dimension. Da war was ...«, es klang, als habe sie die Erklärung unter der Zunge und sie bekommt sie nicht hervor. Während sie weiter überlegte, verfolgten ihre Augen die nächsten Textzeilen.
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… Der Passagier Mister Pavelli portierte um acht Uhr früh (Anuna Standardzeit), von den Toren der Stadt Dahl brie an Bord …
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»Anuna?«, rief Melina mit überraschter Stimme, »Die Koordinaten gehören doch zu unserer Heimatwelt Advenu. Ich dachte, mein Süßer kam von der Erde. Was macht er in Dahl brie. Da ist unser Ferienhaus sowie unser Geburtshaus. Aber in der glutheißen Jahreszeit ist er doch sonst nie dort. Wieso benutzt er den Nachnamen unserer Mutter? ...« Auf eine plausible Erklärungen hoffend, las sie weiter:
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… Bereits beim ersten Blickkontakt zu den Aiws bekam Mister Pavelli einen Panikanfall. Nach seiner Aussage leidet er an einer sehr schweren Aversion gegenüber Aiws von Vulkan.
Nur mit Mühe gelang es mir, Mister Pavelli zu überzeugen, dass die Aiws nicht von dort kommen.
… Mister Pavelli erwähnte eher beiläufig, was mich allerdings aufmerksam werden ließ: ›Ich nehme einen stark konzentrierten Duft wahr. Er bereitet mir arge Probleme.‹
(Anmerkung meinerseits, was ich auch dem Mitreisenden sagte: Ich benutze keinerlei Deos oder Riechwasser ...)
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Adrians Aussage ließ Melina schmunzeln. Zumal sie doch wusste, dass der Bruder sofort jammert, sobald es ihm auch nur ein Fünkchen nicht gut ging. Auf eine Bestätigung hoffend schlug sie erwartungsvoll die nächste virtuelle Seite auf.
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… Ich nahm einen Duft wahr, ich empfinde diesen ▄▄▄▄▄▄▄▄▄▄▄▄▄▄▄▄
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Melina vermutete: Der Schreiber entdeckte was und schrieb es nieder. Später sah er darin ein Irrtum, das er widerrufen hat. Aber falls er es doch braucht, stand es noch unter dem Geschwärzten. Nickend las sie weiter.
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… Zur Sicherheit wurde die Raumluft, auf Schadstoffe überprüft. Es wurde nichts Schädliches gefunden …
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Um vielleicht doch noch den entscheidenden Hinweis zu finden, blätterte Melina zur nächsten Seite. Zu ihrer Verblüffung wurde auf den nächsten zwei Seiten alles maschinell geschrieben und zudem in einer für sie unverständlichen Sprache verfasst. Aufgebracht bat sie den Computer um eine Übersetzung.
Erstaunlicherweise teilte der ihr umgehend mit: ›Sprache erkannt. Uraltes irdisches Latein. Es wurde von antiken Heilkundigen benutzt und später von Ärzten ...‹
Verwundert stellte Melina fest: »Bei der Reise war weder ein Aiws mit medizinischer Programmierung, Heiler, oder Arzt auf der Bark anwesend. ... Hmm! Der Schreiber nahm, vorsorglich Kontakt zu einem Heilkundigen auf. Dieser diagnostizierte in jener Sprache. Der Bark Citraa übersetzte und verfasste es.«
Neugierig, was sich hinter dem Latein verbarg, forderte sie: »Computer übersetzt vorlesen.«
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… Nach dreißig Minuten Flug wurde es Mister Pavelli mehrmals schlecht, sowie schwarz vor Augen. Er verspürte leichte, wehenartige Schmerzen, sie strahlten in seinem gesamten Körper aus.
Auf meine Frage: »Ob er an einer akuten Raumkrankheit leide«, antwortete er: ›Nein. Und an Flugparanoia leide ich nicht.‹
… Habe ihm mit meinem Taschenmesser, eine Wunde geritzt/zugeführt, damit ich etwas Cruor von ihm erhalte.
… Habe einen Aiws so modifiziert, damit dieser die freigesetzten Blutstropfen – von Mister Pavelli analysieren kann.
… Die Blutanalyse ergab: Nichts Auffälliges feststellbar!
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Melina nickte anerkennend: »Der weiß sich zu helfen.«
Die weiteren Hörzeilen saugte sie voll Mitgefühl ein.
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… Seine Schmerzen klingen nicht mehr ab. Habe daher mit Heilerin MaccBlom auf der Concordia gesprochen. Handle nach ihren Anweisungen. …
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"MaccBlom" verursachte auf der Stelle in Melinas Verstand einen mächtigen Konflikt. Wusste sie doch, dass es an Bord der Concordia nur eine Studentin Blom gab. Der Name beschäftigte sie so sehr, dass alles andere von ihr abprallte. So auch die letzte Computer Übersetzung: ›... Er wurde dadurch sofort schmerzfrei.‹
Kurz nach der Mitteilung hatte sie eine Erklärung gefunden: »Die Ärztin wird wiedermal so ein neuer Austausch in der Gatten Abteilung sein. Mein Kollege Doktor Eric McAllun wird es mir sicher bestätigen.« Am Ende von ihrer Analyse war an ihrer lebhaften Mimik ersichtlich, dass sie alles zusammenfasste. Dabei stieß sie sich gedanklich mehrmals am schwarzen Balken. »Was stand da ursprünglich.«
Mit der Frage auf ihren Lippen schlug sie erneut die Stelle auf. »Computer Balken entfernen«, schoss es über die vor Wissbegier brennenden Lippen.
Gleichlaufend mit Eingabe der geforderten Geheimkennziffern verschwand der Sichtschutz. Mit weit aufgerissenen Augen las sie, was darunter stand:
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Ich nahm einen Duft wahr, ich empfinde diesen als sehr angenehm. Der vorzügliche Wohlgeruch entströmt Mister Pavelli. Sein Duft, er berauscht mich. …
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Bei diesen Textzeilen blitzte vor Melinas innerem Auge noch eine andere Textpassage auf:
Ich nehme einen stark konzentrierten Duft wahr. Er bereitet mir arge Probleme.
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Eine Handfläche schlug erkennend an die Stirn. »Pheromone. … Hier reagieren, schlicht und ergreifend zwei passende Gatten ahl pii aufeinander.« Melinas Gesichtsausdruck sagte dazu ganz deutlich Volltreffer. Aber der Verstand sagte ihr: »Das kann so nicht stimmen. Schließlich war Adrian einige Jahre mit einem Vollblut Weib zusammen. An seiner Einstellung ändert sich ganz bestimmt nichts; bloß weil sie ihm den Laufpass gab.« Abrupt stutzte Melina. »Obwohl als Knabe, von drei Jahren, schmuste er nur mit Artgenossen. Und später, als er im Schulalter war, fand er den Schweißgeruch seiner Geschlechtsgenossen einfach nur faszinierend. Es erstaunte mich so manches Mal, was ihm diese Ausdünstungen alles offenbarten ... Sollte er etwa wirklich auf beide Geschlechter abfahren ... Hmm?! – Und nun wird er tatsächlich zeitgleich von beiden Geschlechtern umworben. Da er aber noch nicht bereit ist eine neue Beziehung zu beginnen, lehnt er, aus verständlichen Gründen, derzeit den Kontakt zu einem neuen Verhältnis ab. Nur er konnte es nicht verhindern, dass er dennoch auf einen umwerbenden ahl pii reagiert ...« Am Ende der Erkenntnis stand für Melina die Diagnose fest: »Adrians Psyche sträubt sich gegen eine neue Beziehung. Es geht soweit, das er mit Phantom Schmerzen darauf reagiert. Ein kräftiger ahl pii Blocker sollte genügen, um die Kolik-Anfälle zu unterbinden. Und damit das Pheromon des störenden Kandidaten auch Ruhe gibt, müsste er ebenfalls diesen erhalten. Nur wer ist es?«
Melina atmete mehrmals kräftig durch, hierauf blätterte sie bis zur letzten virtuellen Seite.
»Neiiin!«, ihr Tonfall kochte vor Unverständnis. Dort, wo für gewöhnlich ein Name steht, stand lediglich:
– diensthabender Offizier. –
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Niedergeschmettert vergrub Melina ihr Gesicht in den Händen. Frustriert stellte sie fest: »Ich bin wieder ganz am Anfang meiner Recherche.« –
Melinas nachfolgende Handlung rührte mit ziemlicher Sicherheit nicht von den Virus Blockaden, sondern es lag an ihren sturen Schädel. Ihr Stolz verhinderte sogar, bei Captain Albion den Namen vom besagten Offizier zu erfragen. Was verständlich war: Beide fochten seit ihrem ersten Blickkontakt einen offenen zudem scharfen Wortkampf aus; daher ist es mehr als unwahrscheinlich, das Albion den Namen so einfach herausrückt.
Ob Melina nun einen Gedanken daran verschwendete, sei dahingestellt. Jedenfalls schlug sie übel gelaunt mit den Händen auf den Tisch. Lauthals schellte sie sich: »Hätte ich doch nur freigenommen und Adrian mit abgeholt, dann wüsste ich jetzt, wer der großzügige Pheromon "Versprüher" ist.«
Dem Gedanken widersprach allerdings der offene Anreisetermin. Sofern es von ihm erwünscht worden wäre, hätte Melina einen fixen Termin erhalten. Aber es war nicht erwünscht und Melinas damaligen Wochendienstplan fädelte "Jemand" ganz geschickt ein. So bot dieser, was oft vorkam, drei verschiedene Möglichkeiten. Sie hatte die Wahl zwischen einer Woche frei, – langweiligen Nachtdienst oder genauso lange die Vertretung eines erkrankten Kollegen zu übernehmen. Melina entschied sich für die dritte Variante, welche einen Beisitz der praktischen Zwischenprüfungen von Heiler Studenten im letzten Ausbildungsjahr vorsah.
Bei dem Prüfungsmarathon hing als Lockmittel noch eine zusätzliche Vergütung dran, welche in Form von in goldgefasstem Agamenon ausgezahlt wurde. Dieser Anreiz war letztendlich ausschlaggebend, weshalb sie unbedingt persönlich bei diesen Studenten die "Spreu vom Weizen" trennen wollte.
Doch so einfach waren die zusätzlichen Agamenon Dukaten nicht verdient, denn man schickte ihr die falschen Studenten. Die Richtigen waren nicht besser. Deren Ausbildungsstand entsprach bestenfalls denen von blutigen Anfängern. So blieb es nicht aus, dass während der abzuarbeitenden Prüfungsaufgaben die Warnakustik nicht ein einziges Mal schwieg. Bloß gut das es sich bei diesen Patientinnen nur um holografische handelte.
Damit die Warnakustik endlich schwieg, musste Melina ständig Behandlungskorrekturen vornehmen. Ihr – der Ausbilderin kam es so vor, dass sie die zu Prüfende sei. Dem nicht genug! Vor Prüfungsbeginn gab sie auch noch die Anordnung heraus: Unter keinen Umständen stören. Danach werte ich das Prüfungsprotokoll aus, da will ich nicht gestört werden.
Weil alle im Team wussten, wie stressig solche Tage sind, hielten sie sich strikt an Melinas Order. Was wiederum zur Folge hatte: Die Vertretung Heiler Ralph McSalmer informierte erst am anderen Morgen über Adrians Ankunft. Mit entsetzen vernahm Melina, was dem Bruder während der Reise widerfuhr. Und auf ihre Frage: »Wer nahm den Notruf entgegen«, antwortete Ralph: ›Ich. Zum Einsatz selber schickte ich meinen Kollegen Doc Eric McAllun sowie die Heiler Studentin Marte.‹
Darüber war Melina nicht erfreut, Erics Fachgebiet ist ausschließlich die Weiber Heilkunde. Nun ja, Ralphs nachfolgende Sätze besänftigten Melinas aufgebrachtes Gemüt. Denn entgegen ihren Befürchtungen hatte Doc Eric das richtige Medikament dabei. Und wie sie von Adrian erfuhr, half es sofort. Jetzt erst fiel Melina auf: Weder Adrian noch Ralph erwähnten, was Eric konkret injizierte. Um es im Nachhinein zu erfahren, öffnete sie erneut Adrians virtuelle Patienten Akte. Nur an dem besagten Tag wurde lediglich eingetragen: Nach dem Erhalt der Behandlung ging es Adrian Sawon wieder bestens.
Die fahrlässige Ungenauigkeit des sonst sehr gewissenhaften Kollegen verwunderte Melina. »Wieso nennt er das Mittel nicht.« Nachdenklich schnippte sie die Patienten Akte weg. Wodurch wieder Adrians virtuelle Medikamentenakte ins Sichtfeld geriet. Ihre Augenbraue zuckte erwartungsvoll. »Da könnte es natürlich auch stehen.«
Bloß bei dem gesuchten Zeitpunkt wurde in den angelegten Listen nichts eingetragen. Das konnte nicht sein! Aufgebracht blätterte sie um. Doch da stand nichts weiter. »Hey, was soll das? Was soll die Geheimniskrämerei.« Enttäuscht schnippte sie diese Akte weg.
Wieder einmal hatte sie, anstatt Antworten zu bekommen, nur neue Fragen erhalten. Frustriert fuhr sich Melina durchs Haar. Diese selbstbemitleidende Geste begleitete nachdenkliches Schweigen. Es wurde abrupt von einer markanten Erinnerung unterbrochen. Die Begebenheit führte zum ersten gemeinsamen Abend an Bord. Adrian hatte sich "in Schale geworfen" um, wie er es nannte: ›Die Concordia unsicher zu machen.‹
In Gedanken erlebte Melina den darauffolgenden Morgen noch mal. »Ralph teilte mir bei der Dienstübergabe mit, dass Adrian am frühen Morgen mit einer Kolik eingeliefert wurde.« Melina fragte sich nun: »Wo war er in jener Nacht.«
Hätte sie den Bruder nach jeder spontanen Heilung mit strenger Bettruhe unter Beobachtung gestellt, wären ihr regelmäßig unbekannte Heiler übern Weg gelaufen. Sie versorgten Adrian mit der überbrückenden Therapie, welche seine schmerzhaften Vergiftungen unterbanden.
Wie Melina nun so über Adrians nächtliche Ausflüge sinnierte, drifteten ihre Gedanken noch zu einem anderen Vorfall zurück. Seit seiner Ankunft auf der Concordia war genau ein Tag verstrichen. Kurz nach Melinas Dienstantritt meldete sich die Studentin Marte Blom: »Adrian wird gerade zu uns gebracht.«
Melina nahm ihn da erstmalig persönlich in Empfang. Die Verfassung, mit der Adrian eingeliefert wurde, konnte erbärmlicher nicht sein. Er war nicht mal imstande, seiner Schwester zusagen, wo es ihm genau wehtut. Melina blieb auf die Schnelle nichts weiter übrig, als ihm mit einem neuralen Nackengriff den Schmerz zu blockieren. Vorsorglich verabreichte sie ihm ein Betäubungsmittel, und im Anschluss wollte sie Adrian vom Computer scannen lassen. Wie gewohnt verweigerte die Technik ihren Dienst. Melina ihrerseits wiederholte mehrmals ihre Forderung. Während sie mit dem nutzlosen Ding kommunizierte, gab Marte mehrmals mit Handzeichen zu verstehen, das sie etwas sagen will. Ihre Ausbilderin ließ sich nicht stören. Erst als nichts mit dem Scanner geschah, schenkte sie der Studentin die geforderte Aufmerksamkeit.
Die blickte beschämt zum Fußboden. »Sire, ich habe einen Fehler gemacht ...«, gestand sie kleinlaut.
Ein breites Grinsen lag quer über Melinas Gesicht. Sie nahm an, weil diesem Musterweib von Heiler Studentin nie ein Fehler passiert, dass diese scherzt.
Ohne auf den Spot einzugehen, vollendete Marte den Satz: »... ich setzte ein Shuttle unter strenge Quarantäne.«
Melinas Lachen erstarb auf der Stelle: »Welches?«
Bevor Marte antwortete, schaute sie die Ausbilderin treuselig an. »Mit dem die neue Heiler Software ankam.«
Ein kraftvolles Atemgeräusch erstürmte Melinas Rachen, dem folgte ein herauskatapultiertes »Latuuuu!« Es verließ so kräftig ihre Kehle, dass selbst Adrian im künstlichen Schlaf erschrocken zusammenzuckte und Marte, sie wollte im selben Moment ihr Missgeschick entschuldigen, brachte nur ein wirres Wortgestammel hervor.
Melina ignorierte es. »Was ist mit der neuen Software?«
Software löste auf der Stelle Marte's Stimmenlähmung: »... Die Techniker kommen nicht so einfach an das versiegelte heran«, antwortete sie mit langsamen Zungenschlägen.
Melina kam es wie abgelesen vor. Den Unwillen darüber drückten die auf den Hüften abgestützten Fäuste aus und dazu schrie sie entrüstet: »Das ist ein Scherz?«
Marte blickte flüchtig zu Adrian. »Leider nein.«
Wild gestikulierend holte Melina Anlauf sich noch mehr verbal Luft zu verschaffen, die Studentin kam ihr jedoch zuvor: »Ich fand heraus, dass die Koliken beim scannen als Geburtskontraktionen angezeigt werden. Und wir können sie genau wie Wehenschmerzen blockieren.«
»Das geht?«, erwiderte Melina mit skeptischem Blick.
»Korrekt. Ich machte es bei Adrian bereits mehrfach mit Erfolg.« Zu ihren Worten öffnete sie Adrians Biodaten-Datei. Das angezeigte besänftigte Melinas Gemüt, jedoch es verminderte nicht im Geringsten ihr Misstrauen. Im Gegenteil, dass was Marte dann forderte, verstärkte die Empfindung noch mehr. »Wenden Sie es unverzüglich an.«
Verdattert blickend konterte Melina: »Und du begibst dich zu den Technikern. Komme ja nicht ohne gute Nachricht zurück.«
»Aye Sire.«
~
Hals über Kopf lief Marte zur Tür hinaus, und Melina rollte den Bruder auf die Seite. Weil sie es zu grob anging, fuhr Adrian erschrocken hoch. Der Schmerz lag auf den Lippen. Kläglich wimmernd kam er der Bitte nach, die Seitenlage einzunehmen. Melina raffte ihm das Shirt am Rücken hoch und im nächsten Moment rasten die Finger auf die neuralen Punkte der Wehenschmerz Blockade zu. Just als Melina die Finger auf Adrians Rücken aufsetzen wollte, spürte sie einen Widerstand. Noch bevor sie begriff, was es ist, wurden ihre Hände von einer unsichtbaren Kraft weggestoßen. Zischende Atemluft drückte ihre Fassungslosigkeit aus. Sie ignorierte die Gefahr und unternahm umgehend den nächsten Versuch. Abermals wurde sie daran gehindert.
»Ich habe nichts gemacht«, flüsterte Adrian angsterfüllt.
Die Worte machten sie stutzig. Dessen ungeachtet führte sie die Hände zu den vorherigen Ausgangspunkten. Ihre unruhigen Finger allerdings sagten – ich ahne Schlimmes. Um dafür gewappnet zu sein, und damit der Bruder im Notfall handeln konnte, setzte Melina zunächst an seinem Nacken die bewährte kurzzeitig wirkende Blockade.
Nachdem es Adrian besser ging, entschuldigte er sich für das Geschehene. Als Zeichen der Annahme strich ihm Melina mitfühlend übers Haar. »Schon gut. Ich fühlte, bevor es mich traf, ebenfalls nichts.« Ihren besorgten Gesichtsausdruck sah er zum Glück nicht. Ob ihre düstere Vermutung wirklich begründet ist, testete sie umgehend mit einem Blitzangriff. Bei diesem fasste sie Adrian derb an die Schulter. Er zuckte erschrocken zusammen, mehr geschah nicht. Davon ermutigt bat sie: »Darf ich deinen Rücken abtasten.«
Adrian stimmte ohne Zögern zu, dann drehte er sich auf den Bauch. Sogleich näherten sich Melinas Hände zaghaft seinem oberen Rücken. Sie verspürte keinerlei Barriere, dennoch blieb sie wachsam. Millimeter um Millimeter bewegte sie die Hände weiter abwärts. Einen fingerbreit vorm Auflegen hielt sie inne. Nichts geschah. Nicht mal ein Kribbeln verspürte sie. Dessen ungeachtet wagten sie nicht, sich zu bewegen. Für Sekunden waren nur ihre angespannten Atemzüge zu hören.
»Nun denn! Ich lege die Hände auf«, flüsterte Melina.
»Ja«, raunte Adrian.
Im Zeitlupentempo überwand Melina die noch verbleibende Distanz. Knapp über der Haut, sie konnte bereits seine Körperwärme spüren, knisterte es. So wie Melina es vernahm, wurde sie von einer unsichtbaren Kraft vom Bett weggeschleudert. Ihr unaufhaltsamer Flug katapultierte sie ungebremst an die hintere Wand. Schmerzerfüllt ächzend rumpelte sie zusammengeknautscht, rücklings an der Wand hinab. So wie sie Fußboden Kontakt hatte, blieb sie regungslos liegen. Nur gut das die Zellen I P S, das in der verzerrten Luftspirale davon preschende Geschoss als einen humanoiden erkannten und bereits vor Melinas aufschlagen stummen Alarm auslösten. Gleichlaufend veranlassten diese, dass ein Trägerstahl den humanoiden abfängt, doch bevor jener auf das Geschoss fixiert war, schlug es an der hintersten Wand ein. Die davon ausgehende Erschütterung sowie die I P S Daten lösten einen Notfallalarm aus, der wiederum aktivierte einen realen Scanner der Heiler und informierte den Bereitschaftsdienst. Marte informierte man zuerst, sie stand, bis es in der Belegzelle polterte, vor der Tür, es wurde so mit Adrian bei der letzten Einsatzbesprechung abgesprochen. Ihr ankommender Blick schwenkte, von der am Boden liegenden Melina zum Biobett. Dort kauerte der zitternde Adrian auf dem Kopfkissen, sein verstörter Blick war auf die Schwester gerichtet. Adrian hatte, wie Marte im vorübereilen sah, keine äußeren Verletzungen, jedoch mental fühlte sie, ihm saß der Schreck im Nacken.
Binnen weniger Sekunden begriff Adrians gelähmter Geist, was mit seiner Schwester geschah. Reflexhaft sprang er vom Bett und stolperte ihr entgegen. Jedoch auf halber Höhe schlug der Kolik Anfall wieder gnadenlos zu. Schmerzerfüllt aufschreiend stützte er sich an der Labortür ab.
Marte schaute kurz auf, sie war inzwischen damit beschäftigt Melina "auseinanderzufalten", »Hältst du es aus«, fragte sie Adrian.
Mit größter Anstrengung presste er hervor: »Hilf ihr ...«, der Rest seiner dünnen Worte ging in der sehr lauten Citraa Mitteilung unter: ›... Innere Verletzungen, schwere Gehirnerschütterung, rechtsseitig Schlüsselbeinbruch ...‹
Während die Citraa sprach, veranlasste Marte, dass die Ausbilderin in eine Notfall Staze-Abteilung der echten Krankenstation portiert wurde, und noch bevor der letzte Portierstrahl verschwunden war, wandte sie sich den Schutzbefohlenen zu. Augenblicklich verschmolzen ihre Blicke. Fast zeitgleich fixierte Marte auf Adrians Rücken einige neurologische Punkte.
Sofort war sie schmerzfrei. Dicht an das Weib geschmiegt atmete er erleichtert auf, und wie gehabt spendete sie so, etwas Lebenskraft. Die Nähe tat ihm gut, er entspannte und sie löste den hypnotisierenden Blick von ihm. Für etliche Herzschläge hielten sie sich noch fest umschlungen. Die Lippen besiegelten mit zaghaften – schüchternen – Küssen die unnahbare Distanz der Gefühle. Dennoch genoss Adrian die flüchtigen Berührungen.
»Nimmersatt«, scherzte sie.
Auf der Stelle nahm Adrians Gesicht bis zu den Haarwurzeln Farbe an.
Seine Schamhaftigkeit belustigte Marte. Frech grinsend stupste sie an seine Nase. Er blickte verschämt zu Boden und schwieg. Kaum einen Lidschlag später liefen ihm dicke Tränen über die Wangen.
Das Adrian urplötzlich von starken Gefühlsausbrüchen überrannt wird, hängt mit ihren niedrigen und zudem chaotischen Elias-Werten zusammen. Dadurch ist seine Psyche stark angeschlagen und er stand sehr nah "am Wasser".
Weil Marte das wusste, bereute sie die Witzelei. Hastig, fast ein wenig derb, riss sie ihm an sich heran. »Hey, ist gut. Ich habe es nicht so gemeint.«
Adrian lächelte angestrengt zurück. »Me - Me-li - Melina«, stotterte er verheult. Ein Zeigefinger von Marte legte sich über seine Lippen.
»Deine Schwester ist in guten Händen.« Sie löste die Umarmung und eilte ins Belegzellen Labor. … Mit einer Infusionsflasche kam sie zurück. »Ich sorge dafür, dass Melina erst wieder in vier Stunden hier herumgeistert.«
Adrian hatte sich inzwischen aufs Bett gelegt, und einen Hemdärmel hochgezogen. Während dann die verordnete Flüssigkeit in die Ader tröpfelte, meditierte er und Marte verließ kurzzeitig die Belegzelle.
~
Nach zwanzig Minuten kam Marte zurück. Die Infusionsflüssigkeit ging, wie von ihr berechnet, soeben zuneige. Bevor sie die Nadel aus der Dauerkanüle entfernte, weckte sie den Schützling behutsam. Adrian brauchte Sekunden bevor er wieder im Jetzt und Hier ankam. … Indessen er sich aufsetzte, rollte er behäbig den langen Ärmel vom Shirt herunter.
»Hoffentlich hält mein Sapor Vorrat lange genug.« Er schaute Marte mit glühenden Augen an.
»Deshalb sollst du vorher zum Auffüllen kommen.« Sie stupste Adrian keck an die Nase.
Er erwiderte ihre charmante Geste, indem er ihr liebevoll übers Gesicht strich. »Danke.«
Sie gab ihm einen flüchtigen Lippenkuss. »Wofür? Haltet euch an meine Anweisungen, das ist dank genug.«
Nochmals bekam sein Gesicht einen kräftigen Anstrich.
Grienend wandte sich Marte von ihm ab, und mit langsamen Schritten lief sie aus der Belegzelle.
Adrian hingegen lief zum Wandschrank. Aus diesem entnahm er ein weißes Hemd sowie eine Enge, schwarz-rote-kleinkarierte Stoffhose. Deren hautenger Schnitt zügelt, falls erforderlich, sein Gemüt. Als er hineinschlüpfte, schielte er zu Uhr. Ihm blieben bis zum Treffen noch ganze zwölf Minuten. Er brauchte somit Hilfe. Ein Fingerstreich über sein Interface genügte und drei Lidschläge später kümmerte sich der Butler Prix um seine Frisur. Im Nu hatte er Adrians unspektakulären kupferroten lockigen Bob zu einem echten Hingucker verwandelt. Das vollkommene Haarstyling sah wie folgt aus: Die seitlichen Haare klebten flach am Kopf. Mittig, etwa zwei Daumen breit, trug er einen Haarkamm. Dessen Spitzen zierte ein helles Grün.
Nachdem sich beide das Werk von allen Seiten in 3D angesehen hatten, waren sie sich einig, dass er so aufgepeppt ausgehen konnte. –
Als Adrian dann die Zelle verließ, stand ihm die Vorfreude auf ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Das Hochgefühl übertrug sich auf seine Schritte. Die kurze Entfernung bis zum internen Portal überwand Adrian im schnellen Lauftempo und als er das sichtbar gemachte Energiefeld durchschritt, trafen er und Marte gerade auf der anderen Seite ein.
* * *