Читать книгу Die Hanf-Medizin - Tanja Bagar - Страница 8
Dämonisierung und Verbot
ОглавлениеCoautor: Dr. Mag. Dušan Nolimal, Sozialmediziner
»Die meisten Marihuana-Raucher sind farbige Menschen, Jazzmusiker und Entertainer. Ihre satanische Musik wird von Marihuana angetrieben, und Marihuana, das von weißen Frauen geraucht wird, lässt sie nach sexuellen Beziehungen mit Negern, Animateuren und anderen suchen. Es ist eine Droge, die Wahnsinn, Kriminalität und Tod verursacht – die gewalttätigste Droge in der Geschichte der Menschheit.« Dieses Zitat von Harry Jacob Anslinger (1892–1975), der ab 1930 Vorsitzender des Federal Bureau of Narcotics (FBN) und einer der treibenden Befürworter einer Cannabis-Prohibition war, zeugt von den Vorurteilen zu Anzucht und Konsum der Hanfpflanze. Anslinger lehnte die Nutzung von Opium und Hanf auch zu medizinischen Zwecken ab und setzte sich als Mitglied der Drogenkommission der Vereinten Nationen in den 1960er-Jahren für ein weltweites Verbot des Cannabisanbaus ein.
Drogenkommissar Harry J. Anslinger verlautbart am 4. Jänner 1958 eine Reihe von Maßnahmen zur Einschränkung des Drogenhandels
Prohibition kommt vom lateinischen prohibere, verhindern. Im Bezug auf Hanf bezeichnet das Wort das gesetzliche Verbot von Anbau, Herstellung, Lagerung, Transport, Verkauf, Besitz und Konsum von Cannabis sativa L. In den USA begann das Verbot bereits mit dem Harrison Act von 1914 – dem Grundstein für ein Verbot einiger psychoaktiver Pflanzen und Substanzen. Erstmals hatte damals die US-Regierung eine rechtliche Unterscheidung zwischen medizinischem und Freizeit-Drogenkonsum vorgenommen. Aufgrund der starken Lobbyarbeit der Pharmaindustrie wurde Hanf damals noch nicht in diesem Gesetz vorgesehen. Die Dinge änderten sich, als Harry Jacob Anslinger Direktor des FBN wurde, das er für mehr als drei Jahrzehnte leiten sollte. Sein Einfluss auf die globale Drogenpolitik war lange nach seinem Tod im Jahr 1975 noch spürbar. Er glaubte, dass harte Strafen die einzige Möglichkeit wären, die Einhaltung des Drogenverbots zu erzwingen. Er war entschlossen, die Pflanze zu kriminalisieren, um seine politische Karriere aufzubauen, und organisierte eine breite Kampagne gegen Cannabis, die mit einem neuen Namen begann: »Marihuana«. Das Wort stammt aus dem mexikanischen Spanisch, wobei die weitere Herleitung ungewiss ist und möglicherweise aus einer aztekischen Sprachfamilie stammt. Die häufig kolportierte Deduktion vom spanischen Vornamen María Juana – im amerikanischen Englisch daher auch als »Mary Jane« bezeichnet – ist eine irrige Volksetymologie. Doch durch diese Bezeichnung ging die Stigmatisierung ethnischer Minderheiten einher, die mit Cannabis in Bezug gesetzt wurden. Damit verschärfte Anslinger die Fremdenfeindlichkeit während der Weltwirtschaftskrise, als viele Amerikaner das Gefühl hatten, mit Migranten um knappe Jobs konkurrieren zu müssen. Der amerikanische Geschäftsmann, Politiker und Eigentümer einer Zeitungskette William Randolph Hearst nutzte seine Boulevardblätter, um die Hanfpflanze weiter zu dämonisieren und die öffentliche Meinung dahingehend zu beeinflussen, dass es Zusammenhänge zwischen Cannabis, Migration und Gewaltverbrechen gäbe. Um öffentliche Unterstützung für ihren Kreuzzug zu erhalten, stellten die Prohibitionisten Hanf als eine Substanz dar, die »weiße Frauen veranlasst, sexuelle Beziehungen zu Negern zu suchen« und »mexikanisch-amerikanische Männer nach weißen Frauen gierig machte«.
Kinoplakat zum Anti-Marihuana-Film »Reefer Madness«
Hanf wurde in mehreren Filmen dämonisiert, von denen einige von großen Destillerien finanziert wurden, die erhebliche Gewinne verlieren würden, wenn Hanf legal würde. Mit dem 1936 produzierten Streifen »Reefer Madness« (Wahnsinnskraut) wurde den Zuschauern vermittelt, Cannabis sei eine Droge, die zu gewalttätigem Verhalten und schließlich in den Wahnsinn führte.
Im Jahr 1937 stimmte der US-Kongress einem Gesetz zu, das alle Formen von Hanf mit hohen Steuern belegte. Doch das FBN versperrte letztendlich den Zugang zu Hanf auch für medizinische Zwecke, sodass keine Medikamente auf Grundlage von Cannabinoiden mehr ausgegeben werden konnten. Stattdessen wurden Opioide empfohlen, und 1942 wurde die Pflanze Cannabis sativa L. aus dem Arzneibuch der USA entfernt, obwohl damals führende Ärzte und Wissenschaftler praktisch jede Behauptung widerlegen konnten, die Anslinger und das FBN über Cannabis gestellt hatten.
Als Cannabis ab den 1968ern zu einem Symbol für die jugendliche Rebellion wurde, drängten viele Regierungen auf Repressionsmaßnahmen, die 1971 in der Amtszeit von Richard Nixon im »Krieg gegen Drogen« mündeten. Politische und xenophobische Faktoren und die Art und Weise, wie Cannabiskonsumenten in den Medien dargestellt wurden, führten schließlich zum weltweiten Verbot von Cannabis. Schließlich kam es in den 1980er Jahren zu einer regelrechten Anti-Drogen-Hysterie in vielen Ländern und in der Folge zur Einführung drakonischer Strafen, die auch für den Handel mit Cannabis galten. In den 1980er und 1990er Jahren war »Just Say No« eine beliebte Werbekampagne, die Kinder vom illegalen Drogenkonsum abhalten und eine »drogenfreie Gesellschaft« herbeiführen sollte. Deshalb waren die meisten Bemühungen in den letzten Jahrzehnten, den Konsum von Cannabis zu verringern, weitgehend von Verhaftungen, Geldstrafen oder Inhaftierungen und der Beschlagnahme von Privateigentum geprägt. Dennoch stieg die Verfügbarkeit von Cannabis und auch die Zahl der Konsumenten stieg. Die verstärkte Durchsetzung des Verbotes hatte nicht die beabsichtigte Wirkung, sondern hat viele Menschenleben ruiniert, Gefängnisse gefüllt und Regierungen ein Vermögen gekostet. Außerdem hat das Verbot nicht verhindert, dass Menschen an anderen Drogen starben.
Plakat der US-Gesundheitsbehörde aus den 1990er Jahren
Fazit: Cannabis ist heute mit Abstand die am häufigsten verwendete verbotene Droge. Das Scheitern des Verbots wird noch deutlicher, wenn man bedenkt, wie leicht in den letzten 30 Jahren des Verbots Jugendliche an Cannabis herankommen: Die meisten von ihnen berichten, dass sie Cannabis kostenlos erhalten oder mit jemandem geteilt haben. Zur Ironie der Geschichte trägt bei, dass kürzlich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu dem Schluss kam, dass die USA trotz der meisten Sanktionen die höchsten Raten illegalen Drogenkonsums haben. Vergleiche zwischen den USA und den Niederlanden, wo der Cannabisverkauf traditionell toleriert wird und der Konsum de facto legalisiert ist, zeigen, dass der Cannabiskonsum in den USA mehr als doppelt so hoch ist wie in den Niederlanden. Auch aus diesem Grund beginnen viele andere Länder, eine Entkriminalisierung oder Legalisierung von Cannabis in Betracht zu ziehen, weil vor allem die Kosten des Verbots beträchtlich sind.
Die öffentliche Meinung zu Cannabis hat sich über die Jahre dramatisch verändert, und die hitzigen Diskussionen über die mögliche Legalisierung haben Experten, Politiker und Steuerzahler gespalten. Es gibt in diesen Debatten immer noch zahllose Mythen, Fehlinformationen und Grabenkämpfe – oftmals ausgetragen mit starken Emotionen und mangelnder Objektivität. Wir sehen heute, dass die Kriminalisierung von Hanf nicht gerechtfertigt ist und ein Hindernis für Forschung, medizinischen Gebrauch und eine angemessene Regulierung darstellt.