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VORWORT
ОглавлениеIn diesem zweiten Bande des Washingtoner Tagebuchs ist Amerika dem Beobachter nähergerückt. 1962 war mein zweites Jahr in der amerikanischen Hauptstadt; es war zugleich das zweite Kennedy-Jahr. Man hatte sich eingerichtet. Personen und Dinge bekamen vertraute Umrisse. Die Kinder sprachen, dachten, träumten bereits in zwei Sprachen: Berlinisch und Washingtonian.
1962 war ein Jahr wachsender Mißverständnisse zwischen Washington und Bonn. Die schon stockig gewordene Berlinfrage wurde plötzlich in den Hintergrund gedrängt von der ersten unmittelbaren Konfrontation der beiden Weltmächte in der Kubakrise. Die amerikanische Hauptstadt selber mußte sich bedroht fühlen – in der Reichweite der sowjetischen Mittelstreckenraketen auf der Karibischen Insel vor dem amerikanischen Festland.
Die Amerikaner entwickelten eine neue, gesteigerte Aufmerksamkeit für Außenpolitik. Die komplizierten Pflichten ihrer Weltmachtstellung traten problematischer in Erscheinung. Europa mit der deutschen Frage und Berlin verschwand aus dem Zentrum der Besorgnisse; das Grollen der Unzufriedenheit in der amerikanischen Hemisphäre beherrschte die Szene.
Lateinamerika, mit Kuba an der Spitze, beanspruchte den Präsidenten mehr und mehr. Die Priorität der täglichen Nachrichten ging über zu den näherliegenden Problemen an der Südflanke der Vereinigten Staaten. In der Innenpolitik weckte Kuba ebenfalls eine neue, gesteigerte Unruhe. Kennedy hatte es schwer mit dem Parlament, obwohl seine Partei bei den Kongreßwahlen im Herbst 1962 gut abschnitt.
Dieser zweite Band meines Washingtoner Tagebuchs endet mit Berichten von der Bahama-Konferenz. Damit rückt wiederum Europa mit den Fragen der gemeinsamen Verteidigung mehr in den Mittelpunkt der Außenpolitik Washingtons. Als ein deutscher Korrespondent in Amerika hatte ich mich ohnehin bemüht, die amerikanische
Situation immer in Beziehung zu uns, zu den europäischen und deutschen Fragen zu verstehen und zu erklären.
Ich mochte auch in diesem zweiten Jahr nicht der Faszination Amerikas erliegen, mich nicht als Einwanderer fühlen. Distanz und Verständnis sollen einander die Waage halten beim journalistischen Beobachter. Möglich, daß das Verständnis in diesem zweiten Bande stärker ist, daß die Distanz etwas schwand. Dies wurde trotzdem kein amerikanisches Tagebuch in deutscher Sprache, sondern das Tagebuch eines deutschen Korrespondenten in Amerika.
Die Texte sind ebenso wie beim ersten Band – und wie bei einem geplanten dritten – Bearbeitungen der Berichte für den Norddeutschen und Westdeutschen Rundfunk und für DIE ZEIT.
Washington, im Mai 1963
Thilo Koch