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ОглавлениеHans Sterneder – Dichter und Mystiker
Hans Sterneder (* 7. Februar 1889 in Eggendorf/Niederösterreich; † 24. März 1981 in Bregenz), österreichischer Dichter, Prof. h. c., Träger des höchsten Ordens für Wissenschaft und Kunst I. Klasse (1976), Mitglied im österreichischen P. E. N. und im V. G. S. (Verband der geistig Schaffenden Österreichs). Sterneder verfasste Landstreicher-, Entwicklungs- und Einweihungsromane, Hymnen, Mysterienspiele und spirituelle Sachbücher. In den 1920er Jahren zählte er zu den bedeutendsten Vertretern einer neuen deutschen Romantik. Später galt er als Dichter des Menschheits-Urwissens.
Der Mensch
Hans Sterneder wurde am 7. Februar 1889 als unehelicher Sohn eines Gutsbesitzersohnes und einer Bauernmagd in Eggendorf/Niederösterreich geboren. In der Nähe des Benediktinerstifts Göttweik erlebte er u. a. eine wechselvolle, aber glückliche Kindheit. Zunächst lebte er in der Armeleuthausung der Großmutter, dann auf dem Rittergut des reichen Großvaters.
Nach der Matura (Abitur) ereilten ihn mehrere Schicksalsschläge und trieben ihn hinaus auf die Landstraße. Von 1909 bis 1911 zog er zwei Jahre als Walzbruder quer durch Europa. Dabei lernte er den Naturforscher Ernst Haeckel, den Maler Hans Thoma und den Schriftsteller Hermann Löns kennen und freundete sich mit ihnen an.
Nach seinen Wanderjahren wurde er auf Drängen der reichen Verwandtschaft Bahnbeamter. Doch die staubige Amtsstube war für ihn, den Naturliebhaber, nur schwer zu ertragen, er fühlte sich eigenen Angaben zufolge „wie ein gefangener Adler im Käfig“1.
Durch Vermittlung von Peter Rosegger lernte er den Dichter Richard Voß kennen, dem er um 1912 seine erste Erzählung sandte. Das Urteil des bekannten Schriftstellers: „Du bist ein Dichter und wirst bestimmt ein guter Dichter“2.
Voß lud Sterneder zu sich ein und wurde sein väterlicher Freund und Förderer. Er finanzierte dem angehenden Dichter die Ausbildung zum Volksschullehrer, und Sterneder verbrachte viel Zeit auf Voß’ Landsitz in der Nähe von Berchtesgaden, der damals ein Treffpunkt von Aristokratie und Hochfinanz, aber auch ein Sammelplatz höchster Geistigkeit war. Hier lernte er unter anderem Rainer Maria Rilke, Paul Heyse und Hugo von Hofmannsthal kennen.
Nach Abschluss seiner Ausbildung wurde Sterneder Lehrer in niederösterreichischen Gebirgsdörfern. In der Beschaulichkeit dieser Dörfer entfaltete sich sein literarisches Schaffen. Doch es war anfangs nicht von Erfolg gekrönt. 1916 war sein erster Roman fertig, aber niemand wollte ihn verlegen.
Erst 1921 erschien „Der Bauernstudent“ im renommierten Leipziger L.-Staackmann-Verlag, der zu dieser Zeit viele österreichische Schriftsteller unter Vertrag hatte. 1922 und 1924 folgten die beiden Romane „Der Sonnenbruder“ und „Der Wunderapostel“. Schnell fanden Sterneders Werke ihre Lesergemeinde. Noch in den 1920er Jahren erhielt er vom österreichischen Staat eine Ehrenpensionierung und bis 1938 publizierte er insgesamt zehn Bücher.
Während des Zweiten Weltkriegs wurde Sterneders öffentliches Schaffen zunehmend eingeschränkt. Zwar wurden 1941/ 42 in Wien zwei Dissertationen über sein Leben und Werk verfasst, doch 1944 wurde er von der Gestapo inhaftiert und eingekerkert. Im gleichen Jahr wurde der Staackmann-Verlag durch einen Bombenangriff zerstört und mit ihm Sterneders Lebenswerk.
Nach dem Krieg musste Hans Sterneder sich eine neue Existenz aufbauen. Nach seiner Befreiung aus der Gestapo-Haft kam aber erst mal eine für ihn sehr bittere Zeit. Viele Jahre konnte er, durch die Kerkerhaft gesundheitlich geschwächt, gar nicht oder nur sehr eingeschränkt schaffen, und erst nach und nach gelang es ihm, seine Bücher neu aufzulegen.
Als 1956 sein erstes Nachkriegsbuch erschien, lag seine letzte Buchveröffentlichung bereits 18 Jahre zurück. Obwohl in der Folgezeit mit „Die große Verwandlung“ und „Also spricht die Cheops-Pyramide“ wahre Meisterwerke der Einweihungsliteratur entstanden, konnte Sterneder nie an seine Erfolge der 1920er und 1930er Jahre anknüpfen. Seine Bücher, die auch literarisch höchsten Anforderungen gerecht werden, fanden nur noch Platz in esoterischen Verlagen und spielten im sonstigen Literaturbetrieb kaum noch eine Rolle.
Hans Sterneder starb am 24. März 1981 im Alter von 92 Jahren in Bregenz.
Der Dichter
Die Kritik reagierte in den 1920er Jahren nahezu euphorisch auf Sterneders erste Romane und stellte ihn schnell auf eine Stufe mit bekannten Schriftstellern wie Adalbert Stifter, Gerhard Hauptmann oder Gottfried Keller.
Dr. Friedrich Castelle beispielsweise nannte Sterneder „ein Stück Thoma in der Dichtkunst“ (gemeint ist der Maler Hans Thoma) und zählte seinen ersten Roman „Der Bauernstudent“ „zu den wertvollsten der Gegenwart“3.
Ida Bon-Ed sah Sterneders Erstling „von einer tiefen Freude an Natur und heimatlicher Erde erfüllt“ und schrieb weiter: „Ich kenne den Geschmack anderer Leute nicht, aber was mich betrifft, so ruht es meine Seele aus, solch gesundes, stilles Buch zu lesen.“3
Auch Karl Strecker zeigte sich beeindruckt: „Es liegt viel Sonne auf den Blättern dieses Buches ... Welch ein sinnig feiner Poet.“3
Sterneders zweiter Roman „Der Sonnenbruder“ stieß auf ähnlich positive Resonanz. Dr. Egbert Delpy bezeichnete ihn in der Rheinisch-Westfälischen Zeitung als „dichterische Glanzleistung“3 und Franz Carl Endres als „ein Geschenk an das deutsche Volk, wie ich kein schöneres weiß.“3
Adolf Potthoff jubelte geradezu: „Das Hohelied der Landstraße, wie es seit Eichendorff nicht wieder erklungen ist. [...] Ich wüsste nicht, wann ich in einem modernen Buche ein Kapitel von der poetischen Kraft gelesen hätte, wie es das erste Kapitel des Landstreicherromans ist. Dieses Verbundensein mit der Natur, dieses Weben und Leben mit Baum und Strauch, diese geradezu franziskanische Versunkenheit in die Wunder der Welt und dieses edle Menschentum in den ‚Sonnenbrüdern‘, die hier durch Sonne und Regen, durch Schnee und Eis über die Straßen der Erde laufen, heimatlos überall und doch in der Natur zu Hause wie der König in seinem Palaste nicht daheim sein kann – das ist etwas ganz Wunderbares.“4
Die Schwäbische Tageszeitung schrieb: „Das deutsche Schrifttum ist durch dieses Buch um einen der schönsten Romane der neuen deutschen Romantik bereichert worden. Ein Reichtum innerlichen Erlebens, eine Fülle stimmungsvoller Bilder aus deutschen Landen und mitten drin Menschenfreundschaften von bezwingender Treuherzigkeit.“3
Der Reichslandbund sprach von einem „Meisterstück, das für den weiteren Werdegang des Bauerndichters zu hohen Erwartungen berechtigt“3, und die Berliner Morgenzeitung schrieb: „In wundervollen Bildern deutscher Landschaften, in prächtigen Menschen, im Stimmungszauber märchenhafter Romantik offenbart sich die kosmische Sehnsucht, die, wie in dem Verfasser, auch in vielen Menschen unserer Tage lebt. Ihnen vermag dieses Buch Richtung und feierliche Erhebung zu geben.“3
Die Tägliche Rundschau, Berlin, schrieb über Sterneders dritten Roman „Der Wunderapostel“: „Es ist ein Buch, das durch den geistigen Reichtum seiner Gedanken derart anregt und befruchtet, dass man alles andere darüber vergisst.“3
Die Rheinisch-Westfälische Zeitung bewertete den „Wunderapostel“ als die „Schöpfung eines intuitiven Dichtergeistes von zwingender Gewalt“ und als „eine der wundervollsten Leistungen in der Romandichtung der Zeit nach 1900“. Sie stellte Sterneder „in die erste Reihe unserer deutschen Epiker überhaupt“3.
Wilhelm Schwaner sah im „Wunderapostel“ „das beste, größte und tiefste Buch, das ich je gelesen habe“3, und Ludwig Huna sprach von einem „berauschenden Dithyrambus von Lebensfreude, der einen mitreißt: hin zum Weben der Gottheit, das man jeden Augenblick zu hören, zu sehen, sicher aber zu fühlen meint! Dieses Werk hat einen namenlosen Reichtum in meine Seele gelegt, und ich werde zeitlebens von seinen Schönheiten und Weisheiten nicht loskommen.“3
Der bekannte Fotograf Kurt Hielscher hatte in „Sonnenbruder“ und „Wunderapostel“ etwas gefunden, was er nicht für möglich gehalten hatte: „Ich bin Jahr um Jahr durch Deutschlands Herrlichkeit, durch die Wundergartenpracht Italiens, durch die sonnendurchlohte Toteinsamkeit der Hochebene Spaniens gezogen und habe Herz und Augen geöffnet für alle Wunder der Natur, habe aber stets geglaubt, dass sich dies seligste Wanderglück nicht mit Worten ausdrücken lässt. Doch da hat mir das Schicksal Hans Sterneders ‚Sonnenbruder‘ und ‚Wunderapostel‘ in die Hand gegeben und aus ihnen ist mir mit überwältigender Wucht all das entgegengeströmt, was hehrstes Naturerleben, inbrünstigste Gottoffenbarung meiner Wanderseligkeit war. Deutscher, willst du den Geist Gottes und der Natur dich umwehen fühlen, von dem ich geglaubt, dass er unverkündbar sei, dann lies diese Bücher.“5
Der Mystiker
In einem Artikel anlässlich des 80. Geburtstags des Dichters bezeichnete F. Dietrich Hans Sterneder als „Künder und Deuter des menschlichen Urwissens“ und nannte ihn einen „begnadeten Wegweiser zum Urquell aller Weisheit, Schönheit und Liebe“6.
Schon die Kritik der 1920er Jahre hatte neben dem schriftstellerischen Können Sterneders stets die tiefe Natur- und Gottverbundenheit in seinen Werken hervorgehoben.
Die Wiener Volkszeitung beispielsweise bezeichnete ihn als „wahrhaftigen Dichter, Gestalter, Seher und Prediger“ und als „dithyrambischen Schwelger in Gott-Geist“5 und die Deutsche Zeitung, Berlin, lobte seine „kraftvolle Lehre vom Sieg alles Guten und Schönen“3.
Wilhelm Schwaner pries Sterneders „Wunderapostel“ in seiner pädagogischen Zeitschrift „Der Volkserzieher“ als „ferne, sanfte, erlösende Himmelsmusik“: „Alle Tiefen indischer, babylonischer, chaldäischer und ägyptischer Weisheit sind erschlossen.“3 Und die Neue Freie Presse, Wien, schrieb über das Tagebuch eines Besinnlichen „Frühling im Dorf“: „Dieses Buch ist über alles Sagen und Begreifen köstlich. Eines der erhabensten mystischen Werke, sonnenhaft-gewaltig und doch wieder einfach klar, dass es jeder verstehen kann. Eine neue Sehnsucht gibt Sterneder den Menschen in diesem Werk, die hinaushebt über den Materialismus unserer Tage.“5
In ihrer Dissertation über Sterneders religiöse Dichtungen hob Helen Fail ihn auf eine Stufe mit den Mystikern Meister Eckhart und Jakob Böhme. Sie kam zu dem Schluss: „Die häufigen Übereinstimmungen und Parallelen mit der Mystik, die bisher nachgewiesen werden konnten, beschränken sich nicht nur auf Jakob Böhme, sondern greifen auch über Meister Eckhart auf ihre Vertreter in allen Zeiten über. Denn die Mystik aller Zeiten ist stets die gleiche; als ihren größten Sprecher und geistigen Vertreter können wir wohl Meister Eckhart bezeichnen. Bei einer Übereinstimmung mit ihm oder auch seinem schlesischen Erneuerer und Vollender kann wohl daher auch Sterneder als ein Mystiker angesprochen, seine Lehren als mystisch belegt gelten.“7
Ekkard Sauser nannte Sterneder in seinem Artikel fürs Biographisch-Bibliographische Kirchenlexikon (1995) „einen mystischen Pädagogen“, der „im Dienste der Beseelung des kulturellen Lebens überhaupt“ gestanden habe und dadurch „für das religiöse Leben Österreichs und darüber hinaus zu einem stillen, bedeutsamen Anreger [wurde], in allem Seele und Geist zu entdecken. So wirkte er, gewollt-ungewollt, gegen alle Verknöcherung religiösen Lebens, religiöser Formen sowie religiösen Brauchtums. Er leistete dadurch der Kirche Österreichs einen großen Dienst, obwohl dies ‚offiziell‘ kaum zur Kenntnis genommen wurde“8.
Gero von Wilpert bezeichnete Sterneders philosophische Ausrichtung in seinem „Deutschen Dichterlexikon“ als „kosmisch-astrologischen Naturglauben“9, die Deutsche Biographische Enzyklopädie nannte es naturverbundene „kosmisch-religiöse Lebenseinstellung“10 und Sterneder selbst „kosmisch-biologisches Lebenserkennen“. In einem Radio-Interview Ende der 1950er Jahre erläuterte er, was er darunter verstand und wie es dazu gekommen war. Ausgangspunkt war sein Roman „Der Wunderapostel“:
„Mit diesem Buch ist dann die Wende in meinem Leben eingetreten. Bis dahin war ich ein unbefangener Schriftsteller. Ich habe – um das Wort zu gebrauchen – fabuliert. Dann aber habe ich mich einer anderen Art der Dichtkunst zugewandt: nämlich dass Dichtung erfüllt sein sollte mit kosmisch-biologischem Lebenserkennen, denn meiner Empfindung nach ist Kunst, und wenn sie noch so edel und noch so erhaben und sittlich noch so hoch ist, wohl eine unsägliche Beglückung für den Menschen, sie ist aber nicht das Letzte, was Kunst geben sollte, denn Kunst sollte, so wie das in den Frühzeiten der Menschen war, eigentlich dem Sakralen dienen. Sie sollte nicht nur entzücken, ergötzen, beglücken, sondern sie sollte auch Erkennen geben. Und da das höchste und letzte Erkennen der Menschheit nur das Erkennen sein kann um den Sinn des Lebens, so habe ich mich vom Wunderapostel an schon bemüht bis zum heutigen Tag und werde das immer tun: Kunst mit Erkennen zu vermählen und zu vereinen ..., die Kunst als edles Gefäß benützen, das ich mit dem Wein kosmo-biologischer Erkenntnis gefüllt habe.“11