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4. 23. April: Potsdam – Dakar
ОглавлениеMein Freund Stefan hat einen seltsamen Beruf. Mit einem roten Hut, auf den eine kleine Achterbahn montiert ist, reist er als Themeparkguy durch alle Länder der Welt und testet – was wohl? Themenparks. Er probiert Wasserrutschen aus, checkt Achterbahnen und Gruselkabinetts, testet Drop-Tower und Wilde Mäuse und präsentiert die dabei gemachten Erfahrungen auf seiner Website. Oder er findet früher als alle anderen Experten heraus, wo ein neuer Vergnügungspark entsteht. Dann macht er schon mal die ersten Fotos von der Baustelle und hat deshalb tausende Fans weltweit, die seine Reisen im Internet verfolgen und sich ansehen, wie er die jeweiligen Parks bewertet.
Ab und zu, wenn wir nicht gerade einen Film zusammen drehen, darf ich ihn bei so einer Reise begleiten, und ihn fotografieren. So waren wir schon in Städten wie Dubai, haben den Doppel-Looping in Pjöngjang überlebt, sind ums Mittelmeer gereist und sogar zu dem einsamen Riesenrad von Tschernobyl. Dann philosophieren wir zusammen über Filme, Frauen, das Leben und die Welt; und wir erleben Abenteuer – was Freunde eben so machen.
Dies ist eines davon.
Mitte April 2016, als ich gerade entspannt durch Franken reise, und mein Jahresbudget damit schon beinahe aufgebraucht ist, kommt plötzlich von Stefan, per Mail, eine detaillierte Liste von günstigen Flügen, für eine Afrikatour. Für weniger als einen Tausender, schreibt er, könnte ich ganze fünf Länder bereisen, darunter vier Westafrikanische Staaten, in die ich sonst im Leben nicht käme. Wenn jemand sich mit Reisen auskennt, z.B. wo man die besten Flüge und Hotels bekommt, dann ist es Stefan. Nach einem Tag und einer Nacht Panik, und Zureden von meiner Begleiterin, sage ich zu und buche noch beim Frühstück in einem kleinen bayrischen Nest, mit dem Handy die Flüge. Von jetzt an bin ich mit gefangen und mit gehangen, was mir erst klar wird, als ich auf die Seiten des Auswärtigen Amtes gehe und mir ansehe, auf was ich mich da eingelassenen habe. Aber – hey - das Abenteuer ruft. Afrika!
Am 23. April stehe ich früh um fünf auf und fahre mit dem Schienenersatzverkehr (oh wildes Deutschland!) von Babelsberg nach Berlin. Der Flieger von Tegel geht pünktlich über Madrid nach Dakar, der Hauptstadt des Senegal, von dem ich vorher bestenfalls wusste, dass es irgendwo in Afrika liegt. Dort komme ich hundemüde gegen neun Uhr Abends an, um wie geplant auf Stefan zu warten, der um 1 Uhr nachts über Nigeria von Dubai kommen will. So weit der Plan.
Da ich nicht weiß, ob ich außerhalb des Terminals noch Wifi bekomme - meine einzige Kommunikationsmöglichkeit, weil mein Telefon nicht telefoniert - bleibe ich lieber in der Gepäckausgabe des Airports. Er ähnelt einem 50er Jahre Busbahnhof in Rumänien mehr, als dem, was unsereins sich unter einem Flughafengebäude vorstellt. Es gibt drei Stühle - dummerweise in einer Ecke, in der es von Mücken nur so wimmelt. Ich schlage um mich und fürchte, ich hole ich mir gleich am ersten Abend die Malaria, vor der das Auswärtige Amt so dringend gewarnt hat.
Es wird Mitternacht, es wird eins, und kein Stefan trifft ein. Kein Flugzeug kommt, keine Anzeige oder freundliche Stimme teilt mir etwas Informatives oder Hoffnungsvolles mit. Es gibt schlichtweg niemanden, der Englisch spricht und Ahnung hat. Andere Fluggäste übersetzen für mich. Dann, weil ich da so herum lungere, lerne ich den Gepäckhallenchef persönlich kennen. Der sagt mir, bei Flügen aus Nigeria sei das so eine Sache. Manchmal kommt die Maschine pünktlich, manchmal kommt sie erst um zwei. Manchmal landet sie um vier, oder gerne auch mal gar nicht. Ich stehe einige Stunden im Ausgang, um unter, gelegentlich doch eintreffenden Reisenden, nach Stefan Ausschau zu halten. Denn es wäre zu dumm, wenn er mich übersieht und alleine zum Hotel fährt, weil er denkt, ich sei schon weg.
Um drei schlafe ich fast im Stehen und halte jeden, der um die Ecke kommt, für Stefan. Immerhin sind fünf Jahre vergangen, wer weiß, wie er jetzt aussieht. Plötzlich steht er vor mir und hat sich auch nicht verändert. Damals fuhren wir von Agadir nach Barcelona, mit dem Auto, besuchten Themenparks und hatten eine Menge Spaß. Stefan ist ein geselliger Mensch, interessiert an allem und jedem. Jetzt plaudert er mit einem Chinesen, der im Flieger neben ihm saß, und der versuchen will, mit einem chinesischen Pass alle Länder der Welt zu besuchen. Wahrscheinlich hätte ich mit ihm um die Armlehne gekämpft. Na gut, ganz so ein Misanthrop bin ich nun auch wieder nicht. Ich hätte schon ein paar Worte mit ihm geradebrecht und irgendwann wären mir die Themen ausgegangen. Das ist einer der Gründe, warum ich gern mit Stefan reise. Man lernt, auf Leute zu zugehen und weltoffen zu sein.
Dakar ist die westlichste Stadt Afrikas, jedenfalls geografisch gesehen, und ein düsteres Nest. Es hat weniger Straßenbeleuchtung als ein pommersches Dorf und wirkt wie ausgestorben. Der nervöse junge Fahrer des Schrotttaxis trägt mitten in der Nacht eine Sonnenbrille und fährt uns geradewegs in eine staubige Gegend, in der es garantiert kein Hotel gibt, und schon gar nicht das, was wir gebucht haben. Stefan, der sich nachmittags noch für ein paar Stunden in Nigeria umgeschaut hat, erzählt mir, sein dortiger Taxifahrer hätte ihm gesagt, er würde 25 Tausend Dollar für ihn bekommen, wenn er ihn direkt bei Boko Haram abliefert. Und warum er es dann nicht täte, hatte Stefan ihn gefragt. Der Fahrer lächelte und fuhr ihn zum Flughafen zurück. Sie sind heute noch in Kontakt.
Die vergitterte Tür, an der wir schließlich in einem stockfinsteren Viertel halten, entpuppt sich tatsächlich als Schlupfloch zu einem Hotel. Und – wer hätte das gedacht – es ist sogar ein sehr schönes. Phantasievoller traveller’s style, kleiner Pool, große saubere Räume. Billard. Wir sind müde, aber geschlagene zwanzig Minuten gehen noch für einen Streit, mit dem Fahrer, über den Preis drauf, der eigentlich längst feststand. Wir müssen erst die übliche Vorgehensweise kapieren: dass zwar – in zähem Ringen - ein Endpreis ausgehandelt wird, bevor man losfährt, dieser aber am Ende der Fahrt mit den Fahrgästen multipliziert wird; und, wenn das ohne Messerstecherei klar ist, noch einmal mit der Anzahl der Gepäckstücke.
Um vier sind wir endlich im Bett, d.h. ich, der ältere Herr, bekomme das Queensize-Bett; und Stefan, der das Hotel bezahlt hat, schläft auf dem Sofa. Wir müssen uns mehrmals zwingen, die Klappe zu halten und wirklich zu schlafen, und nicht alle Neuigkeiten der letzten fünf Jahre auf einmal auszutauschen.