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Das Kartell der Verschwörer

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Dietmar kam als Kuckuckskind zur Welt. Seine Existenz begann also, was im Übrigen nicht selten geschieht, mit einer Lüge. Vielleicht trug dieser Umstand dazu bei, dass er zeitlebens davon besessen war, den Dingen auf den Grund zu gehen, wenn er auch erst im fortgeschrittenen Alter, nach dem Tod des amtlich eingetragenen Familienoberhauptes, von der Täuschung erfuhr.

Die leibliche Mutter hatte sich demnach zusammen mit seinem Erzeuger, einem zudringlichen Versicherungsvertreter, gegen seinen „offiziellen“ Vater und im Grunde auch gegen ihn verschworen.

Vorbelastet mit dieser unbewussten, heimlichen Bürde wuchs der kleine Didi im Großen und Ganzen aber wohlbehütet auf. Doch bereits im Kindergartenalter offenbarte sich sein feines Gespür für die vielen Unaufrichtigkeiten, die ausgesprochen oder unausgesprochen das Miteinander der Menschen prägten und die in der Regel immer zweck- und zielgerichtet waren. Beispielsweise durchschaute er schon früh, dass die Mama seinem wesentlich älteren Bruder etwas mehr zugetan war, vermutlich ihre intuitive Reaktion auf seine Anwesenheit und die Tatsache, dass er sich selbst nicht verhütet hatte. Freilich vermochte er diese Zusammenhänge erst sehr viel später richtig zu deuten.

Auch im Kindergarten wurden Unterschiede gemacht. Diejenigen Sprösslinge, deren Mütter die Erzieherinnen ständig mit ihrer Präsenz und ausgeklügelten Kontrollmechanismen nervten oder dem Großbürgertum angehörten, genossen eine bevorzugte Behandlung, damit die Kleinen zu Hause bloß nichts zu meckern hatten.

Andere Eltern, die den pädagogischen Fähigkeiten des Personals vertrauten und dessen Kompetenz nicht in Frage stellten, setzten ihre Kinder unwissentlich einer wesentlich härteren Gangart aus. Von dieser Seite drohte ja keine Gefahr.

Jene fragwürdige Praxis sollte sich wie ein roter Faden durch sämtliche staatlich gelenkten Erziehungsinstitutionen ziehen, die er aufgrund seines zeitweise fremdbestimmten Werdegangs zu besuchen verpflichtet war.

Für das andere Geschlecht begann sich Dietmar schon früh zu interessieren. Als die Pubertät machtvoll an die Tür klopfte und der Hormonhaushalt des Jungen zunehmend verrückt spielte, tauschte er anfangs nur mit Alex, seinem besten Freund, im Verborgenen, feuchte Fantasien und die neuesten Pin-ups aus. Bis er Sonja begegnete, der rothaarigen Schönheit aus der Parallelklasse, mit den dschungelgrünen Augen, ihrem unvergleichlichen Duft nach Weib und Sinnlichkeit, den zauberhaften Sommersprossen und dieser durchsichtig schimmernden Haut…und sich unsterblich verliebte.

Zunächst schien sie seinen zaghaften Annäherungsversuchen keine Beachtung zu schenken. Erst auf einer ausgelassenen Geburtstagsparty, zu der beide eingeladen waren, ein geplanter Schachzug, den Sonja mithilfe der Gastgeberin sorgfältig vorbereitet hatte, kamen sich die zwei näher. Es funkte gewaltig, damit begann jene wunderbare, intensive, aufwühlende und leidenschaftliche Zeit des ersten Verliebtseins. Er betete sein Mädchen an und sie genoss die besondere Hingabe ihres Verehrers.

Meist sind die anfänglichen Schwärmereien von eher kurzer Dauer. Es sind die noch unbeholfenen Forschungsreisen, um dem Mysterium des anderen Geschlechts auf die Schliche zu kommen. Das wäre auch nicht weiter schlimm gewesen, hätte es unseren Protagonisten nicht eiskalt und völlig unvorbereitet erwischt.

Die Dame seines Vertrauens begann hinter seinem Rücken eine fatale Affäre, die inzwischen allgemein bekannt war, nur er wusste von nichts, obwohl sich die verhängnisvolle Liaison schon vor Wochen angebahnt hatte.

Ausgerechnet mit Alex musste dieses Miststück anbandeln, eine Männerfreundschaft zerstören, seine verletzte Seele mit Füssen treten und ihm auch noch den letzten Funken Hoffnung auf Wahrhaftigkeit in dieser Welt nehmen. Er war, daran gab es keinen Zweifel, das Opfer eines gemeinen Komplotts, erdacht und ausgeführt von den beiden Menschen, die ihm am nächsten gestanden hatten.

Selbstverständlich trugen diese Umstände nicht dazu bei, seinen Glauben an die kollektiven Tugenden des Homo Sapiens, insbesondere des weiblichen, zu festigen. Zwar begann er deshalb nicht, die Reize der Frauen zu ignorieren, ging aber fortan mit seinen Gefühlen weit überlegter und ökonomischer um. Ausgerechnet in diese bleierne Zeit der Ernüchterung fiel die Behandlung eines Lehrstoffs, der ihn fesselte und sein Interesse auf jenes spezielle Gebiet lenkte, das schließlich zu einer lebenslangen Obsession werden sollte, den Verschwörungen im Allgemeinen und den außergewöhnlich schmutzigen Intrigen im Besonderen.

Im Geschichtsunterricht streifte man das Geheimnis um Ludwig II., den bayrischen Märchenkönig und dessen ungeklärte Todesumstände am dreizehnten Juni 1886 im Starnberger See.

Dieses denkwürdige Geschehen, die außergewöhnliche Biografie des Monarchen, seine Gemütskrankheit und angebliche Homosexualität und die fragwürdige Entmündigung unmittelbar vor dem mysteriösen Ende, faszinierten den Schüler derart, dass er sich mit allem beschäftigte, was mit diesem „Fall“ in Zusammenhang stehen konnte.

In zahllosen schlaflosen Nächten, die er mit akribischer Detektivarbeit und aufwendigen Recherchen verbrachte, ging er der Sache auf den Grund und näherte sich schließlich der Wahrheit an. Er war überzeugt, auf der richtigen Spur zu sein.

Eine Randnotiz, die alle Historiker vor ihm geflissentlich ignoriert hatten, führte ihn zum heimlichen Liebhaber Ludwigs II., dem hübschen Stallburschen Franz, der seinen mächtigen Gönner anbetete und nicht gewillt war, denselben mit irgendjemandem zu teilen.

In seinen letzten Monaten vernachlässigte der König den misstrauischen Liebhaber, zog sich mit einem Mal zurück und wandte sich dem älteren, ebenfalls gut aussehenden Professor von Gudden zu, mit dem er an dem schicksalhaften Abend zu einem Spaziergang an den nahen See aufgebrochen war.

Unbemerkt folgte Franz den beiden und als er mit ansehen musste, wie die Männer Zärtlichkeiten austauschten, streckte er in einem Anfall krankhafter Eifersucht zuerst den verhassten Nebenbuhler und dann seinen treulosen Geliebten nieder.

So hatte sich das Drama abgespielt, daran gab es keinen Zweifel. Die Nachwelt durfte natürlich nie erfahren, dass der Regent eine Liebschaft mit diesem gewöhnlichen Burschen aus den Reihen seiner Dienerschaft eingegangen war. Man kehrte jenes pikante Detail vorsätzlich unter den Teppich und tischte der Nachwelt eine höchst suspekte Geschichte auf, die viele Fragen unbeantwortet ließ und bis in die Gegenwart Anlass zu wilden Spekulationen gab.

Aber jetzt waren die Todesumstände bekannt. Dietmar erhoffte sich ein wenig Anerkennung für dieses harte Stück Aufklärungsarbeit und verarbeitete seine Ermittlungsergebnisse in einem Aufsatz, der für den Geschichtelehrer, einen humorlosen Oberstudienrat kurz vor der Rente, bestimmt war.

Entgegen seinen Erwartungen wollte der Berufshistoriker die Anstrengungen des hoch motivierten Schülers nicht honorieren. Der hielt das Ganze für ein absurdes Hirngespinst des pubertierenden Jungen und gab ihm eine glatte Fünf für seine abstruse Abhandlung. Geknickt musste er sich eingestehen, dass nicht einmal die Pädagogen, also jene Autoritäten, die der Wahrheit und der reinen Doktrin verpflichtet sein müssten, bereit waren, einer schlüssigen Beweisführung zu folgen und von überholten Lehrmeinungen Abstand zu nehmen. Offensichtlich war die Zeit noch nicht reif für seine Dissertation.

Doch er hatte Blut geleckt, dieses brennende Verlangen nach schonungsloser Aufklärung hatte Besitz von ihm ergriffen und sollte ihn nie wieder loslassen. Es war nahe liegend, dass er sich schon bald einer neuen Herausforderung zuwenden würde. Unser Held brauchte nicht lange zu suchen, um auf dunkle Intrigen und undurchsichtige Machenschaften zu stoßen. Zwei bedeutende Schicksale, zwei denkwürdige Todesfälle, die angeblich nichts miteinander zu tun hatten, weckten auf Anhieb seine Neugier.

Der bis heute ungeklärte Mord an J. F. Kennedy und der dubiose Tod von Marilyn Monroe ein halbes Jahr zuvor. Nach dem Studium aller Details kam er zu dem Schluss, dass das Attentat auf den Präsidenten nur vorgetäuscht war und der damals mächtigste Mann noch bis vor kurzem in Kuba lebte, unter neuer Identität, in bescheidenen Verhältnissen, aber ausgesprochen glücklich.

Doch lassen Sie sich die unglaubliche Geschichte von vorne erzählen. Kennedy, dem man eine Schwäche für großbusige Damen nachsagte, hatte tatsächlich ein Verhältnis mit der aufregenden Marylin, die mit all jenen Attributen ausgestattet war, um ins Visier des Frauenhelden zu geraten und ein Opfer seines Jagdtriebes zu werden.

Die leidenschaftliche Affäre der beiden zog sich etwa über neun Monate hin. Der kubanische Geheimdienst, bestens informiert über die Vorlieben des Schürzenjägers, setzte seine schärfste Agentin namens Rosemarie, deren sinnliche Aura selbst den Papst verrückt gemacht hätte, auf den Regierungschef an, um ihm ein paar Geheimnisse zu entlocken.

Bereits nach der ersten Begegnung mit der Schönheit war er infiziert. Als die Monroe Wind davon bekam, rastete sie aus und schwor dem Casanova, sämtliche Einzelheiten ihrer Liaison den gierigen Vertretern der Boulevardblätter zuzuspielen. Derart unter Druck geraten und weil der Präsident seiner neuen Liebschaft bereits hoffnungslos verfallen war, beschloss er die aufmüpfige Lady mithilfe ihres Internisten aus dem Weg räumen zu lassen.

Dr. Lector, der für eine Handvoll Dollars seine eigene Großmutter, ganz oder in Teilen, an einen Organhändlerring verkauft hätte, verpasste ihr mittels eines Einlaufs die Überdosis jenes todbringenden Barbituratcocktails, den man später bei der Obduktion ihres Leichnams zweifelsfrei nachweisen konnte.

Das eifersüchtige Problemweib hatte man nun mehr oder weniger elegant aus der Welt geschafft. Doch je länger die Beziehung mit Rosemarie andauerte, umso weniger hatte Kennedy Lust auf die Politik.

Zum Scheitern verurteilte Kriegsstrategien zu entwickeln, mit seiner flachbrüstigen Ehefrau auf endlosen Wahlkampftouren, stets in charismatischer Siegerpose durch sämtliche Bundesstaaten zu tingeln, unnütze Gesetze zu erlassen und der ganze andere Schwachsinn, der untrennbar mit seinem Amt verbunden war, nervten ihn derart, dass er beschloss, einen Schlussstrich unter seine bisherige Existenz zu ziehen und mit der Geliebten ein neues Leben zu beginnen.

Er wollte nur noch weg und sich damit aller verhassten Pflichten entledigen. Die schöne Agentin schlug ihm vor, seinen gewaltsamen Tod vorzutäuschen, dann wäre er endlich frei und sie beide könnten sich beispielsweise im sonnigen Kuba, einer Enklave politischer Redlichkeit, niederlassen. Flüchtigen aus den USA gewähre der alte Castro gerne Asyl.

In Kennedys Geheimdienststab gab es zwei verlässliche Mitarbeiter, die kurz danach den Auftrag bekamen, die Inszenierung vorzubereiten, ein geeignetes Drehbuch zu schreiben und mithilfe weiterer Komplizen auszuführen.

Das weitere Geschehen dürfte dem Leser bekannt sein. Dietmar fand heraus, dass eine täuschend echt aussehende Wachsfigur, in Auftrag gegeben bei Madame Tussauds, anstelle des Präsidenten und unter den Augen der Weltöffentlichkeit zu Grabe getragen wurde. Ein leidiger Schönheitsfehler, der aber nicht vorhersehbar war, trübte ein wenig den Gesamteindruck, der im Übrigen perfekt durchgeführten Operation.

Lee Harvey Oswald war ein glaubwürdiger Attentäter, der unverzüglich hätte verurteilt werden sollen. Anschließend wäre er um etwa hunderttausend Dollar reicher und ausgestattet mit einer neuen Identität durch die Hintertür des Knastes wieder in die Freiheit entlassen worden. Das war der ursprüngliche Plan und so mit ihm vereinbart.

Keiner der Verschwörer rechnete damit, dass dieser dämliche Patriot und Nachtclubbesitzer Jack Ruby auf den Gedanken käme, Selbstjustiz zu üben, um den populären Staatsmann in Wildwestmanier zu rächen.

All die Gerüchte um eine mögliche Verwicklung der Mafia, der CIA oder des russischen Nachrichtendienstes in den Mord waren an den Haaren herbeigezogen.

Kennedy emigrierte unmittelbar nach seiner Beerdigung mit Rosemarie nach Havanna, plauderte dort sämtliche nationalen Geheimnisse und Sicherheitscodes aus, die ihm bekannt waren, und erhielt dafür die kubanische Staatsbürgerschaft, eine kleine Rente und die Zusicherung, lebenslang an allen Gewässern des sozialistischen Landes der Sportfischerei nachgehen zu dürfen. Das Paar heiratete, gründete eine Familie und seine Ehefrau gebar ihm fünf gesunde Kinder, die selbstverständlich im revolutionären Sinne erzogen wurden. Dem Papa war es egal, solange man ihm nicht mit irgendwelchem politischen Firlefanz auf die Nerven ging. Meist verschlief er den Vormittag, um am Nachmittag ausgeruht und gut gelaunt seinen Hobbys nachzugehen. Ihm ging es prächtig in diesem Paradies und für nichts auf der Welt hätte er mit seinem früheren Leben tauschen wollen, bis zu der schicksalhaften Stunde, als er „versehentlich“ von einem rostigen Schulbus überfahren wurde.

Ein reumütiger Beteiligter des damaligen Komplotts hatte auf dem Sterbebett sein Gewissen erleichtert und die Verschwörung gestanden. Daraufhin ließ die CIA den Verräter auf diese unverdächtige Art und Weise liquidieren.

Unser Chefermittler vermutete ganz richtig, dass die Zeit noch nicht reif war, um mit dieser brisanten Enthüllung an die Öffentlichkeit zu gehen. Man würde ihn mit Sicherheit für verrückt erklären, selbst wenn seine lückenlose und über jeden Zweifel erhabene Beweisführung zu keinem anderen Ergebnis führen konnte.

Im Jahre 2017, das war nachzulesen, sollte die Akte Kennedy endlich geöffnet und die Umstände seines „Todes“ abschließend geklärt werden. Unmittelbar davor würde er seine Version der Geschehnisse meistbietend an einen Presseverlag verkaufen. Sollte die Wahrheit schließlich ans Licht kommen, dann gebührte ihm allein die ersehnte Anerkennung.

Die zeitintensiven Recherchen hatten zur Folge, dass er seine schulischen Aufgaben stark vernachlässigte und nur mit Mühe einen mittleren Bildungsabschluss erwarb. Den guten Kontakten seines Vaters zum hiesigen Sparkassendirektor hatte er es zu verdanken, dass er dennoch einen Ausbildungsplatz bekam und wider Willen eine öde Banklehre beginnen musste. „Zuwendungen“ dieser Art waren in den verfilzten Strukturen seiner Heimatgemeinde an der Tagesordnung. Obwohl er große Lust verspürte, jene korrupten Verflechtungen samt den Hintermännern beim Namen zu nennen, ließ er mit Rücksicht auf seine Familie die Finger davon und fügte sich.

DAS KARTELL DER VERSCHWÖRER Albtraum oder Wirklichkeit?

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