Читать книгу Das Schweigen Dilemma - Thomas Häring - Страница 3
Der Sohn
ОглавлениеAlles hatte mit einem riesengroßen Mißverständnis begonnen gehabt und jenes war der Grund dafür, warum in meinem Leben und insbesondere in der Beziehung zu meinen Eltern, von Anfang an alles so schief gelaufen war, daß es nichts mehr zu reparieren gab. Meine Mutter hatte monatelang nicht gemerkt gehabt, daß sie mit mir schwanger gewesen war und deshalb fleißig weiter gearbeitet. Nachdem ich zur Welt gekommen war, hatte der ausländische Arzt meinem Vater die freudige Mitteilung mit Hilfe seines radebrechenden Englischs näher gebracht und zwar mit den Worten: "It’s a Sony." Daraufhin war mein Vater total begeistert gewesen, doch als er dann mich anstatt des von ihm erwarteten LCD-Flachbildschirms erblickte, kannte seine Enttäuschung keine Grenzen. Na ja, irgendwie hat er mir das sein ganzes Leben lang nicht verziehen und deshalb stand unsere Vater-Sohn-Beziehung von Anfang an unter keinem guten Stern. Meine Mutter wiederum war nach meiner Geburt fix und fertig gewesen, aber als sie in das zutiefst enttäuschte Gesicht ihres Mannes geblickt hatte, war sie wütend geworden und hatte sich gedacht, die ganze Mühe wäre völlig umsonst gewesen. Ich für meinen Teil war auch nicht sonderlich begeistert, denn erstens konnte ich meine Eltern vom ersten Moment an nicht ausstehen und zweitens war es draußen kalt und laut, ganz anders als in meiner Höhle, in der ich das Dasein als Eremit genossen hatte. Ich schrie aus Leibeskräften und beschloß, meinen Eltern das Leben zur Hölle zu machen, als Rache dafür, daß sie mich in die Welt gesetzt hatten. Wenn mein Vater wieder mal völlig entnervt unsere Wohnung verlassen wollte, weil er es mit mir nicht länger aushielt, hielt ich ihm triumphierend ein Kondom entgegen und er wußte sogleich ganz genau, was ich ihm damit sagen wollte. Ja, hätte er damals verhütet gehabt, dann hätten wir alle ein glücklicheres sowie erfüllteres Leben führen können, aber der alte Geizkragen hatte mal wieder an der falschen Stelle sparen müssen.
Grundsätzlich war mein Alter ein ziemlich schräger Typ, immer hinter den Weibern her und das, obwohl er eine Ehefrau sowie eine Geliebte sein eigen nannte. Er bekam nie genug und wenn er eine tolle Frau erblickte, dann lief ihm beinahe der Sabber aus dem Mund und er schmiß sich sofort an jene ran, becircte sie und ließ nicht locker, bis er sie letztlich rumgekriegt hatte. Das alles erledigte er professionell und ohne Zuhilfenahme von Alkohol, auch wenn man immer glaubte, er wäre angetrunken. Doch eines Abends leerte ich mit ihm eine Flasche Schnaps und da gingen mir die Augen auf. Er erzählte mir alle seine Geheimnisse, beschimpfte sämtliche Frauen, die er kannte und plauderte so manchen peinlichen Schwank aus seiner Jugend aus. Ich nutzte die Gunst der Stunde, indem ich heimlich ein Diktiergerät mitlaufen ließ und hatte ihn danach fest in meiner Hand. Immer wieder ließ ich meiner Mutter gegenüber eine Bemerkung fallen, die ich von ihm aufgeschnappt hatte und so kam es zu immer heftigeren Streitereien zwischen den Beiden. Ich spielte meine Eltern gegeneinander aus, was mir große Freude bereitete, denn jene hatten mich lange genug genervt gehabt. Gnadenlos spannte ich sie vor meinen Karren, ließ sie für mich arbeiten und beschimpfte sie so gut ich konnte. Immer wieder demütigte ich sie in aller Öffentlichkeit, bis sie irgendwann genug hatten und mich zur Adoption freigeben wollten. Das paßte mir überhaupt nicht in den Kram, weshalb ich die Daumenschrauben ein wenig lockerte, um sie (meine Eltern, nicht die Daumenschrauben) weiterhin ausnutzen zu können. Ja, früh übte man sich als Nachwuchsdiktator und als ich später der Anführer einer ziemlich verruchten Straßengang war, nutzte ich alle meine im Laufe der Jahre erworbenen Erkenntnisse und verfeinerte meine Foltermethoden. So hatte ich es mir zur Angewohnheit gemacht, meine Feinde in mein Reich bringen zu lassen, wo ich sie mit Bier, Wein und Schnaps abfüllte. Jene waren hocherfreut, da sie viel Schlimmeres befürchtet hatten und der Alkohol tat sein Übriges dazu, um sie redselig zu machen. Sie plauderten alles aus, was mich interessierte und so wuchs meine Macht ins Unermeßliche. Ich war auf einem richtig guten Weg und als ich 18 Jahre alt war, ließ ich mich von meinen Eltern scheiden, denn die waren mir lange genug ein Klotz am Bein gewesen.