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Fabel-Haft: Adolf, das Rentier

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Es war ein bitterkalter Winter, bereits der dritte in Folge und die Rentiere waren schon lange unterwegs gewesen. Wie immer hatten die trächtigen weiblichen Rentiere die Herde angeführt, doch unter sie hatte sich auch Adolf, das Rentier, gemischt und so war er der einzige männliche Vertreter seiner Gattung in der Führungsriege. Am Ende erreichten fast alle Rentiere wohlbehalten die Küste, der Frühling brach an und es war vollbracht. Adolf, das Rentier, hatte sich erstmals als Anführer bewährt. Mit der Zeit langweilte sich Adolf und wollte dem öden Treiben entfliehen, also verließ er das kleine Land, in dem er geboren worden war und versuchte sich im Nachbarland. Dort war alles viel größer und aufregender. Schon bald fand Adolf, das Rentier, seine ersten Kameraden, die da waren: Rudolf, das Rindvieh, Heinrich, die Ratte, Joseph, das Stinktier und Hermann, der Pfau. Adolf erzählte ihnen von seinen großen Taten und weihte sie in seine gigantischen Pläne ein. Adolf erläuterte: „Wir alle sind Tiere der arktischen Rasse. Wir sind dazu bestimmt zu herrschen, aber wir werden unterdrückt. Unser größter Feind, das Welthundetum, bedroht uns und will uns an der Herrschaft hindern. Doch wir werden die Hunde zerfleischen, diese Bestien werden wir ausrotten. Erst einmal brauchen wir Lebensraum im Osten, denn wir sind die nordische Rasse und da im Westen und Süden schon bald das Meer kommt, gibt es für uns nur diesen einen Weg. Die Schweine, die im Osten leben, sind eine minderwertige Rasse, wir Arktier sind dazu bestimmt, über sie zu herrschen und sie zu unterdrücken. Denn schon der berühmte Hahn Charles Darwin hat herausgefunden, daß es auf jedem Misthaufen nur einen Gockel geben kann und daß in unserer Welt der Tiere das Gesetz des Stärkeren gilt. Und die Stärkeren, das sind immer wir.“

Seine Freunde waren ganz begeistert von dieser Theorie. Nun galt es, die Tiere im ganzen Land davon zu überzeugen und dafür zu sorgen, daß sie Adolf, das Rentier, zu ihrem Platzhirschen wählten. Doch erst einmal gab es eine schreckliche Niederlage: Adolf war zu ungeduldig gewesen und hatte mit seinem Geweih durch die Wand gewollt, war aber in jener Wand steckengeblieben und wurde eingesperrt. Fünf Jahre lang hätte er eigentlich im Tierheim bleiben müssen, doch schon nach neun Monaten kam er wegen guter Führung, was für einen geborenen Führer natürlich selbstverständlich war, vorzeitig frei. Während der Haft hatte Adolf seine Memoiren diktiert, denn er wollte schließlich Diktator werden und Rudolf, das Rindvieh, hatte alles auf der Schreibmaschine mitgetippt. So versuchte Adolf mit seinen Kampfgenossen ein weiteres Mal sein Glück. Joseph, das Stinktier, beleidigte und besudelte die animalischen Konkurrenten Adolfs und gut neun Jahre nach seinem Putschversuch wurde Adolf, das Rentier, der Platzhirsch des großen Landes. Rudolf, das Rindvieh, wurde Adolfs Stellvertreter; Hermann, der Pfau, wurde Reichstagspräsident; Joseph, das Stinktier, bewarf nach wie vor alle Feinde und Ungläubige so lange mit Dreck, bis etwas hängen blieb und Heinrich, die Ratte, durfte Lager bauen lassen, in denen die Hunde und Schweine, sowie die Pferde, Esel, Enten, Katzen und Fische gequält wurden. Sogar Rentiere, Rindviecher, Ratten, Pfaue und Stinktiere kamen manchmal in die Lager, aber nur, wenn sie frech gewesen waren oder böse Sachen über den Platzhirschen verbreitet hatten. Jener räumte erst einmal gründlich auf, zwang alle Tiere zu arbeiten und ließ Gesetze machen, welche einzig und allein gegen die Hunde gerichtet waren. Immer mehr Hunde wurden schikaniert, Manche von ihnen verließen entnervt das Land.

Adolf, das Rentier, hatte sich in Eva, die Hirschkuh, verliebt, doch das durfte niemand erfahren. Joseph, das Stinktier, hatte zwar eine Ehefrau und sechs Junge, ging aber trotzdem oder deswegen ständig fremd. Er war inzwischen Reichspropagandaminister geworden und fabrizierte täglich mehr Lügen als wenig später nach ihm die Bold-Zeitung. Hermann, der Pfau, fiel überall auf, weil er sich mit so vielen Federn schmückte und weil er so fett und drogensüchtig war, daß kein weibliches Tier seinem Charme entkam. Heinrich, die kurzsichtige Ratte, dagegen, kümmerte sich vorbildlich um die Vernichtung lebensunwerten Lebens und war außerdem der Chef der Affen-SS und Rudolf, das Rindvieh, stand immer nur blöd in der Gegend rum. Einst hatte Adolf, das Rentier, einen guten Freund gehabt, nämlich Ernst, den rosaroten Panther. Jener liebte alle männlichen Tiere, was Adolf nie gestört hatte, bis Ernst ihm eines Tages lästig wurde und er ihn deshalb ermorden ließ. Auch rosarote Panther kamen in die Lager. Irgendwann wurde es Adolf zu langweilig und er beschloß, mit dem Feuer zu spielen. Das funktionierte einige Jahre ganz gut, denn die Platzhirschen aus den anderen Ländern nahmen das Rentier nicht sonderlich ernst und unterschätzten es auf der ganzen Linie. Irgendwann war Schluß damit und es gab einen großen Krieg. Adolfs hochgerüstete Tiere überrollten die Nachbarländer im Nu und der Platzhirsch freute sich bereits über den totalen Sieg, so daß er sogar den Mut besaß, Josef, die Schlange aus dem Riesenreich, anzugreifen. Derweil war Rudolf, das Rindvieh, auf eine Insel getrabt und hatte dort einen Waffenstillstand aushandeln wollen. Jedoch hatte man ihn sofort verhaftet, weil man Angst vor BSE hatte. Adolf, das Rentier, tobte fürchterlich und verfluchte Rudolf, das Rindvieh, auf das Heftigste. Der Krieg aber ging weiter.

Immer wieder hatten feindliche Tiere versucht, den Platzhirschen umzubringen, doch das mißlang jedes Mal aufs Neue. Joseph, das Stinktier, geiferte Gift und Galle durch die Radios, die in allen Ställen standen. Schön langsam wendete sich das Kriegsglück und Adolf mußte erkennen, daß er wohl doch nicht die größte Feldmaus aller Zeiten war. Zwar hatten seine Kampftiere mal einen Kontinent besetzt gehabt, doch inzwischen waren sie inkontinent und ließen Vieles durchsickern. Josef, die Schlange, schlug gnadenlos zurück und irgendwann hatten alle begriffen, daß es vorbei war. Adolf, das Rentier und Eva, die Hirschkuh, die ihren Adolf kurz vor ihrem Tod sogar noch heiraten durfte, weil’s eh schon wurscht war, töteten sich ebenso wie Joseph, das Stinktier und dessen ganze Familie. Hermann, der Pfau, wurde von einem Gericht der Siegertiere zum Tode verurteilt und brachte sich vorher noch schnell um und Heinrich, die Ratte, fand ebenfalls ein tödliches Ende. Nur Rudolf, das Rindvieh, blieb am Leben, das er einsam und allein im Gefängnis verbringen mußte. Nach seinem Tod wurde er zum Märtyrer und alle Jahre wieder pilgerten Tausende von braunen Ratten zu seinem Grab. Josef, die Schlange, aber, lispelte ständig mit doppelter Zunge und verschluckte den Osten von Adolfs ehemaligem Reich. Außerdem verführte er die Staaten um sein Riesenreich herum mit giftigen Äpfeln dazu, ihm zu folgen und seinen Befehlen zu gehorchen. Ihm gegenüber stand ein amerikanischer Elefant, der Zeit seines Lebens viel herumtrötete und jede Menge Porzellan zerdepperte. Jahrzehntelang belauerten sich der Elefant und die Schlange, bis Letztere plötzlich starb, weil sie selber zu viele giftige Äpfel gefressen hatte und so spuckte sie Ostdeutschland wieder aus.

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