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Vorspiel
ОглавлениеDas ist das Ende. Oder der Anfang. Vielleicht auch nur das Ende vom Anfang. Oder doch der Anfang vom Ende? Wir schreiben den 23.Mai 2015 und ich schreibe wieder. Wieso, weshalb, warum? Weil es da noch etwas gibt, das ich loswerden will. Fußball ist unser Leben, aber wer begreift schon die Zusammenhänge? Der SC Freiburg und der SC Paderborn sind aus der 1.Fußballbundesliga abgestiegen, doch dabei handelt es sich um Randerscheinungen, wenn man das große Ganze betrachtet. Wann wollen wir beginnen?
Vielleicht am besten im Jahre 2006, der FC Bayern München hatte gerade zum zweiten Mal in Folge unter Trainer Felix Magath das Double gewonnen und Deutschland schickte sich an, die Fußball WM im eigenen Land auszutragen. Können Sie sich noch daran erinnern, wie das damals war? Weißt Du noch? Ein Sommermärchen, das erst im Halbfinale in der Verlängerung endete und was für ein Zufall! 2006 stand die italienische Fußballnationalmannschaft im WM-Finale in Berlin und neun Jahre später spielt Juventus Turin am 6.Juni 2015 im Champions League Finale in Berlin. Ja, Zufälle gibt es manchmal im Fußballerleben! Was aber hat das alles mit der Saison 2014/15 zu tun? Bringen wir ein bißchen Ordnung in meine wirren Gedankenwelten, damit meine ganzen Ideen nicht ständig wild durcheinander fliegen und so lediglich für Verwirrung sorgen. Die deutsche Fußballnationalmannschaft überraschte 2006 alle Experten und Fans, denn sie wurde immerhin Dritter und das, nachdem sie zwei Jahre zuvor bei der EM bereits nach der Vorrunde ausgeschieden gewesen war. Auferstanden aus Ruinen, es schien also wieder aufwärts zu gehen mit dem deutschen Fußball. Der Nachteil für den FC Bayern und seine Spieler bestand darin, daß sich die Mannschaft insbesondere nach WMs schwer tat, wenn sie wieder in den Bundesligaalltag zurückkehren mußte. Durchaus verständlich, denn so eine WM gibt es nur alle vier Jahre und im eigenen Land findet sie höchstens alle paar Jahrzehnte statt. Dementsprechend verwunderte es nicht wirklich, daß 2007 der VfB Stuttgart Deutscher Meister wurde; genau, der Verein, der sich heute in letzter Sekunde vor dem Abstieg aus der Bundesliga gerettet hat. 2008 holten die Bayern wieder den Titel, 2009 war der VfL Wolfsburg an der Reihe, 2010 wieder der FC B, danach zweimal der BVB aus Dortmund und in den letzten drei Jahren wieder die Bayern aus München. Titelhattrick sozusagen und die insgesamt 25.Deutsche Meisterschaft, Donnerwetter! Aber es kommt halt immer darauf an, von wo Du herkommst und da die Mannschaft 2013 das Triple geholt hatte, also Meisterschaft, DFB-Pokal und Champions League und 2014 immerhin noch das Double, so mutet das Single 2015 schon ein wenig ärmlich an. Alles eine Frage des Vergleichs. Die Münchner stehen also 2015 in keinem Finale und so etwas gab es auch schon ein paar Jahre lang nicht mehr. Zittern um den Klassenerhalt muß nach wie vor der Hamburger Sportverein. Vor einem Jahr hat sich der HSV in der Relegation gerade noch so gerettet, aber ob ihm das 2015 auch wieder gelingen wird, bleibt abzuwarten. Es war eine unglaublich spannende Saison und noch ist sie nicht vorbei, denn auch das DFB-Pokalfinale in Berlin steht noch auf dem Spielplan, wo Wolfsburg und Dortmund aufeinandertreffen werden. Nichtsdestotrotz werde ich in den nächsten Tagen und Wochen die Bundesligasaison 2014/2015 zusammenfassen und ganz genau unter die Lupe nehmen. Dabei helfen werden mir die gesammelten Spielberichte aus der SZ, denn ganz so gut ist mein Gedächtnis auch wieder nicht. Es gab große Überraschungen, wie zum Beispiel den 5.Platz des FC Augsburg, sensationelle Aufholjagden wie die Rückrunde des BVB, eine überragende Rückrunde der Borussia aus Mönchengladbach, eine ganz starke Saison des VfL Wolfsburg und eine enttäuschende Schalket Mannschaft, die es wenigstens noch in die Europa League schaffen kann. Es gibt viel zu analysieren, aber bevor ich ins Detail gehe, möchte ich erst einmal ein paar grundsätzliche Themen ansprechen und damit auch abhaken. Die Meisterschaft des FC Bayern München war souverän und fast die ganze Saison über ungefährdet. Zwar verloren die Bayern in der Rückrunde für ihre Verhältnisse relativ viele Spiele, aber dennoch waren sie nie in Gefahr, den Spitzenplatz ganz oben in der Tabelle zu verlieren. Wolfsburg wurde verdienter Zweiter vor Gladbach und Leverkusen, darauf folgen Augsburg, Schalke und Dortmund. Ja, alles ziemlich unspektakulär, aber wenn man bedenkt, daß Dortmund und Bremen lange Zeit in akuter Abstiegsgefahr schwebten und sich dann plötzlich auf den Weg Richtung Europa League machten, dann sieht man schon, was da noch alles so passiert ist. Genauso beeindruckend war das Comeback des VfB Stuttgart, der mit drei Siegen in den letzten drei Spielen tatsächlich noch den Klassenerhalt schaffte. Paderborn baute genauso wie Hannover 96 nach einer guten Vorrunde stark ab, auch Hertha BSC Berlin blieb gerade noch so über dem Strich und ansonsten schien es lange Zeit so, als wolle niemand wirklich in die Europa League, denn im Mittelfeld der Tabelle nahm man sich ständig gegenseitig die Punkte weg. Der Abstiegskampf blieb quasi bis zur letzten Sekunde hochspannend und den SC Freiburg hätte es eigentlich nicht erwischen müssen, aber die anderen Vereine spielten halt genau so, daß die Breisgaues letzten Endes doch dran glauben mußten. Aus der 2.Bundesliga kommt mit dem FC Ingolstadt ein bayerischer Verein ins Oberhaus und der Rest entscheidet sich dort erst morgen. Meine Damen und Herren, stellen Sie sich bitte darauf ein, daß ich Sie permanent mit Pseudofachwissen zumüllen werde und wenn Sie das nicht wollen, dann lesen Sie bitte lieber nicht weiter.
Bevor wir auf aktuellere Dinge zu sprechen kommen, erst noch ein Blick auf und in die jüngere Vergangenheit. Der FC Bayern München hat es vorgemacht, wie man aus Niederlagen Siege machen kann und zwar 2013. Das Vize-Triple 2012 gehörte zu den schlimmsten Erlebnissen für die Spieler und Fans jenes erfolgsverwöhnten Vereins überhaupt, weshalb wir noch einmal einen kurzen Blick darauf werfen wollen. In der Meisterschaft war man zum zweiten Mal nacheinander hinter Borussia Dortmund gelandet und im DFB-Pokal hatte es eine demütigende 2:5 Finalniederlage gegen die Schwarz-Gelben gegeben. Doch damit nicht genug, denn es folgte die traumatischste Erfahrung überhaupt. Eine Niederlage im Champions League Finale, das zu allem Überfluß auch noch im eigenen Stadion stattgefunden hatte. Noch dazu war der Weg dorthin nicht nur kein leichter, sondern ein extrem holpriger, unangenehmer und schwerer gewesen. Man schrieb die Saison 2010/2011, Louis van Gaal hatte als Trainer gehen müssen und die Münchner lagen in der Bundesligatabelle hinter Hannover 96 auf Rang 4! Jener Platz hätte nicht mal für die Champions League Qualifikation gereicht, doch zum Glück verpflichtete die abstiegsbedrohte Borussia aus Mönchengladbach kurz vor Saisonende Lucien Favre. Der stabilisierte die Gladbacher, weshalb die in Hannover mit 1:0 gewannen und so dafür sorgten, daß die Bayern doch Dritter wurden und sich deswegen über die Quali noch in die Champions League ballern konnten, was ihnen letzten Endes auch gelang. 2010 hatten sie bereits ein Finale in der Königsklasse gegen Inter Mailand verloren gehabt, deshalb war das Spiel gegen Chelsea London von großer Bedeutung. Die Bayern spielten den Gegner an die Wand, aber sie brachten den Ball einfach nicht im Tor unter. Die Londoner verteidigten mit Mann und Maus, sie kämpften und warfen sich in die Schüsse der Münchner, aber kurz vor dem Ende gelang denen dann doch noch der scheinbar erlösende vermeintliche Siegtreffer. Aber noch kürzer vor dem Ende folgte nach einem Eckball der überraschende Ausgleich, so daß es in die Verlängerung ging. Dort bekamen die Bayern einen Foulelfmeter zugesprochen, den sie verschossen, weshalb es ins Elfmeterschießen ging. In jenem führten die Münchner bereits mit 3:1, um am Ende dann doch noch mit 3:4 zu verlieren. Es war unglaublich, aber wahr! Sie hatten das Spiel tatsächlich vergeigt und waren danach am Boden zerstört. Aber ein Jahr später kehrten sie hochmotiviert zurück und holten sich das Triple! Daran kann man erkennen, daß es in erster Linie darum geht, aus bitteren Niederlagen die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Wer das DFB-Pokalhalbfinale zwischen dem FC B und dem BVB verfolgte, der erinnerte sich womöglich an das Spiel gegen Chelsea. Wieder dominierten die Bayern, führten verdient mit 1:0, kassierten irgendwann den Ausgleich und vergaben Chancen en masse. Letzten Endes ging es wieder ins Elfmeterschießen, wo zwei Bayern-Spieler am Elfmeterpunkt wegrutschten und so endete jenes Elfmeterduell mit sage und schreibe 0:3, so etwas sah man auch nicht alle Tage. In der Champions League war ebenfalls im Halbfinale Endstation, der FC Barcelona erwies sich als eine Nummer zu groß. Nun wird es also darauf ankommen, welche Schlüsse die Verantwortlichen aus den bitteren Niederlagen ziehen werden.
Borussia Dortmund dagegen steht plötzlich super da und alles scheint bestens, auch wenn der langjährige Erfolgstrainer seinen Abschied verkündet hat. Von Platz 18 noch auf Platz 7 in die Europa League Quali hochgeschossen, das war schon eine sehr beachtliche Leistung, aber wer die verunsicherte Mannschaft in der Vorrunde spielen und dilettieren gesehen hat, dem überkam schon fast das Mitleid. Es kommt eben immer darauf an, wieder aufzustehen, wenn man hingefallen ist und nicht liegenzubleiben.
Borussia Mönchengladbach mag da als wunderbares Beispiel für jene These dienen. Vor ein paar Jahren schon mit mehr als einem Bein in der zweiten Liga, gerade noch die Reißleine gezogen, sich mit Ach und Krach in die Relegation gerettet, jene auch gerade so überstanden und plötzlich in der Champions League dabei, da sieht man doch mal wieder, was im Fußball eigentlich alles möglich ist und genau das ist ja das Schöne daran. Genauso der FC Augsburg. Vor wenigen Jahren nach der Vorrunde mit sage und schreibe neun Punkten am Tabellenende, dann eine starke Rückrunde mit dem damit verbundenen Klassenerhalt und nach einer starken Saison im Vorjahr nun noch besser, auch wenn man hinzufügen sollte, daß die Schwaben genauso viele Spiele gewonnen wie verloren haben, was mal wieder zeigt, wie ausgeglichen die Liga doch ist, wenn man mal von den vier Mannschaften an der Tabellenspitze absieht. Alles ist möglich, aber das halt auch in beide Richtungen, wie zum Beispiel der VfB Stuttgart und der Hamburger SV in den letzten Jahren immer wieder am eigenen Leib schmerzvoll erfahren müssen. Die TSG 1899 Hoffenheim zum Beispiel hat sich vor Kurzem auch erst gerade so gerettet und spielt seitdem wieder munter mit.
Fußball ist mehr als nur ein Sport, eine Leidenschaft, ein Hobby. Fußball ist Psychologie, Taktik, Strategie. Der Mann mit dem Matchplan, Thomas Tuchel, wird als Trainer in die Bundesliga zurückkehren und zwar wird er beim BVB die Nachfolge von Jürgen Klopp antreten. Die Zeiten der Feuerwehrmänner schienen vorbei zu sein, aber abgestiegen sind ausgerechnet die beiden Vereine, die ihre Trainer nicht feuerten. Was ist davon zu halten? Drei Jahre lang dominierten die Bayern aus München die Bundesliga, aber wird das auch so bleiben? Pep Guardiola ist zweifellos ein phantastischer Trainer, aber auch andere Leute verstehen was vom Fußball und mit der Mannschaft, die der FC Bayern zur Verfügung und auf dem Rasen stehen hat, wären sicherlich auch viele andere Trainer Deutscher Meister geworden. Es geht also wie immer um mehr, aber nachdem die Deutschen 2014 Fußballweltmeister geworden sind, ist es natürlich nicht ganz einfach, sich neue Ziele zu setzen, wenngleich es da natürlich die Europameisterschaft gibt, die 1996 zuletzt gewonnen wurde. Mittlerweile scheinen die Bayern nicht mehr die Einzigen zu sein, die sich teure Spieler leisten können und das macht natürlich Hoffnung. In den letzten fünf Jahren wurden nur zwei verschiedene Mannschaften Deutscher Meister und so etwas sorgt natürlich schon für einen gewissen Spannungsabfall sowie gepflegte Langeweile. Aber man sollte es guten Mannschaften nicht vorwerfen, daß sie ihre Spiele gewinnen, denn die Anderen haben es schließlich selbst in der Hand, ebenfalls besser zu werden und mitzuhalten. Bei den beiden feststehenden Absteigern Freiburg und Paderborn handelt es sich um sehr sympathische Teams, die den Abstieg wohl am ehesten verkraften werden können, denn sie gehören zu den Top 30 des Landes und viel mehr können, wollen und werden sie wohl auch nicht erreichen. Der SC F war ja vor Kurzem sogar in der Europa League, was aber dazu geführt hatte, daß man deswegen in der Bundesliga in arge Abstiegsnöte geriet, von daher bleibt abzuwarten, wie sich das alles beim FC Augsburg entwickelt. Und sonst? Trainerwechsel ohne Ende, der VfB Stuttgart zum Beispiel begann die Saison mit dem ehemaligen Meistertrainer Veh, um sich dann am Ende doch wieder vom Retter Stevens in der Liga halten zu lassen. In Hannover hielt man am Trainer fast bis zum Untergang fest und in Hamburg durfte eigentlich fast jeder mal Trainer spielen, bis man sich kurz vor Schluß dann doch noch für einen Profi entschied. In Europa machten die deutschen Vereine keine gute Figur, sie schieden relativ frühzeitig aus, nur der FC Bayern München schaffte es bis ins Halbfinale der Königsklasse, ansonsten sah es da eher mau aus. Es wird sich zeigen, wie sich das Ganze weiterhin entwickelt. Auch die deutsche Nationalmannschaft hat nach der gewonnenen WM noch nicht richtig Tritt gefaßt, von daher dümpelt alles im Ungefähren so vor sich hin.
Deswegen an dieser Stelle vor dem morgigen Tag der Entscheidungen ein kurzer Abstecher in die zweite Bundesliga. Dort kämpfen Darmstadt, Karlsruhe und Kaiserslautern um den Aufstieg, wohingegen Sandhausen, Greuther Fürth, St. Pauli, 1860 München, der FSV Frankfurt und Aue den Abstieg in die 3.Liga verhindern wollen. Der FSV Frankfurt hat deswegen sogar einen Spieltag vor dem Ende noch seinen Trainer gefeuert, was sich lohnen könnte und würde, falls man tatsächlich die Klasse hält oder in die Relegation geht. Aalen ist schon abgestiegen, während Ingolstadt als erster Aufsteiger bereits feststeht. In der 2.Bundesliga tummeln sich viele Vereine, die es nur für ein Jahr in die 1.Liga geschafft hatten, wie zum Beispiel Düsseldorf, Braunschweig und Fürth, aber auch Teams wie Karlsruhe und Kaiserslautern, die fast jedes Jahr vorne mitspielen, ebenso Emporkömmlinge wie Leipzig und der Sensationsaufsteiger aus Darmstadt, der den Durchmarsch schaffen kann. Auch mit der Saison in der 2.Liga werde ich mich demnächst noch näher auseinandersetzen, aber erst einmal bleibt abzuwarten, wie das Ganze endet.
Der Vollständigkeit halber soll noch erwähnt werden, daß Regensburg und Unterhaching aus der 3.Liga absteigen, genauso wie wahrscheinlich Dortmund II, außer eine Mannschaft bekommt die Lizenz nicht. In die 2.Liga aufsteigen werden Bielefeld und Duisburg, Kiel kann es noch über die Relegation schaffen. Ja, für die bayerischen Mannschaften geht eine turbulente Saison zu Ende. München und Ingolstadt jeweils Meister, Augsburg phantastischer Fünfter, Nürnberg als Absteiger aus der 1.Liga im Niemandsland und Fürth sowie 1860 München kurz vor der 3.Liga. Besonders bemerkenswert ist das Ganze natürlich bei der Spielvereinigung Greuther Fürth, denn die wäre 2014 in der Relegation gegen den HSV ein Jahr nach dem eigenen Abstieg beinahe wieder aufgestiegen, aber die Franken nutzten die Gunst der Stunde nicht und so wurden sie am Ende in der 2.Liga förmlich durchgereicht. Es kann eben alles ganz schnell gehen im Leben und im Fußball sowieso. Eben noch der große Held und schon ganz plötzlich unten durch.
Früher bekamen die Trainer Vierjahresverträge unterschriftsreif vorgelegt, heutzutage stellt man sie mal eben für fünf Spiele ein, so ändern sich die Zeiten. Retter Stevens hat keine Lust mehr auf den VfB Stuttgart und verabschiedet sich deshalb nach erfüllter Mission, Retter Frontzeck dagegen scheint Blut geleckt zu haben und wird wohl bei Hannover 96 weitermachen. Aber schauen wir uns das Ganze mal vollkommen objektiv an: In dieser Saison hätte man als Team ungeschlagen sein und trotzdem absteigen können und zwar dann, wenn man 34mal unentschieden gespielt hätte und so auf exakt 34 Punkte gekommen wäre. Schon irgendwie verrückt, oder? Nicht ohne Grund wurde angefügt, daß sich die geretteten Vereine mehr über den Nichtabstieg gefreut haben, als die Bayern aus München über ihre 25.Deutsche Meisterschaft. Alles irgendwie absurd. Da spielt man eine grottenschlechte Saison und läßt sich dann dafür feiern, daß man gerade noch so die Klasse gehalten hat. Andererseits hat so ein Abstieg ja durchaus seine Vorteile, vor allem für den Fan. In der Liga eins drunter gewinnt der eigene Verein nämlich höchstwahrscheinlich wieder öfter, von daher bringt das auch Erfolgserlebnisse mit sich. Auf Dauer kann es schließlich durchaus ermüdend sein, Jahr für Jahr gegen den Abstieg zu kämpfen und ungefähr jedes dritte Spiel zu gewinnen. Freiburg und Paderborn zum Beispiel haben von 34 Spielen gerade mal jeweils sieben gewinnen können, was auch schon einiges aussagt, wie ich finde. Von daher bleibt mal wieder alles relativ, andererseits können die Vereine in den unteren Ligen halt ebenfalls Fußball spielen, von daher kann es auch nach einem Abstieg noch ein weiteres böses Erwachen geben. Beim HSV strotzt man auf einmal nur so vor Selbstbewußtsein, dabei hatte man als Gegner im letzten Spiel Schalke 04 gehabt, eine Mannschaft, die 2015 auswärts noch keinen einzigen Baum ausgerissen hat, von daher war der Sieg gegen die laschen Gelsenkirchener nicht wirklich eine Sensation. Klar, in der Tabelle landete Schalke letztendlich auf dem sechsten Platz, aber gefühlt spielten die "Knappen" wie der Ligafünfzehnte. Egal, alles aus und vorbei, aber nicht vergessen. Nun wird bald wieder das Transferkarussell Fahrt aufnehmen und man darf gespannt sein, welche Spieler es demnächst wohin verschlagen wird.
Aber erst einmal gibt es eben noch mal Hochspannung. Für neun Mannschaften in der 2.Liga geht es noch um was, von daher wird es auch dort ein vorerst letztes Mal voll abgehen. Selbstvertrauen und Selbstbewußtsein holt man sich meist nur mit Siegen und anderen Erfolgserlebnissen, aber wenn dann der Dritte der 2.Bundesliga auf den 16. der 1.Liga trifft, dann ist trotzdem der Erstligist der leichte Favorit und setzt sich in den meisten Fällen auch durch. Wahrscheinlich ist es dann eben doch ein Qualitätssprung, der da zurückgelegt wird.
Eine Anmerkung noch zur Torjägerkanone: Torschützenkönig wurde Alex Meier mit 19 Treffern, wobei hinzugefügt werden sollte, daß der gute Mann insgesamt vielleicht 23 Spiele oder so bestritten hat, ansonsten fehlte er verletzungsbedingt, von daher eine durchaus beachtliche Quote.
Bayern München, der VfL Wolfsburg und Borussia Mönchengladbach werden Deutschland in der nächsten Saison in der Champions League vertreten, Bayer Leverkusen 04 kommt vielleicht auch noch dazu. Der FC Augsburg spielt definitiv in der Europa League, weshalb man sich jetzt eine Rasenheizung für den Trainingsplatz leisten kann. Schalke oder Dortmund müssen sich noch für die Europa League qualifizieren; gewinnt der BVB den DFB-Pokal, dann ist man auch gleich voll mit dabei. Gut, das erst einmal dazu, weiter geht es dann später.
So, Freunde der Nacht oder der Macht, der Wahnsinn geht weiter. Die Relegationspartien heißen HSV gegen KSC, also Hamburger Sportverein gegen den Karlsruher Sportclub und Holstein Kiel gegen den TSV 1860 München. Genug objektiv gedampfplaudert, jetzt wird es subjektiv und emotional. Fußballfans werden mich bestimmt verstehen, alle anderen Leute sollten und werden das hier wohl eh nicht lesen. Ich oute mich jetzt mal ganz schnell, damit Du eine Vorstellung davon bekommst, wie stark ich diese Saison gelitten habe. Beginnen wir mit der 1.Fußballbundesliga: Dort bin ich kein richtiger Fan von einer Mannschaft, sympathisiere aber mit Augsburg, Freiburg, Stuttgart, Mainz sowie Frankfurt und zwar in genau der Reihenfolge. Von daher war es für mich eine Spielzeit mit Licht und Schatten. Freude über den FC A, Erleichterung wegen des VfB und Enttäuschung sowie Trauer aufgrund des SC F. Andererseits gehöre ich zu den Zeitgenossen, die gerne und oft mit dem Schlimmsten rechnen, um nicht brutal enttäuscht zu werden, von daher hatte ich das, was den Freiburgern widerfahren ist, schon befürchtet gehabt, weshalb sich das Entsetzen dann in Grenzen hielt.
Das aber war erst das Vorspiel, denn richtiger Fan bin ich in der 2.Liga und zwar vom TSV 1860 München und da war es diese Saison schon brutal. Angefangen mit dem verrückten Spiel in Kaiserslautern und ein Ende ist immer noch nicht in Sicht. Daß 60 in Karlsruhe verliert, war mir vorher schon klar und daß Düsseldorf gegen den FSV Frankfurt das Spiel abschenkt, hatte ich ebenfalls befürchtet gehabt. Aber daß Erzgebirge Aue nach einem 0:2 und drei Aluminiumtreffern für den Gegner Heidenheim dank eines geschenkten Elfmeters und eines Torwarttreffers noch auf 2:2 kommt und meine Sechziger fast noch direkt in die 3.Liga katapultiert hätte, das hätte der ganzen scheiß Saison noch die Krone aufgesetzt. Zugegeben, vor jeder Saison gehe ich als Ultrapessimist immer davon aus, daß 60 jedes Spiel verliert und der FC Bayern jede Partie gewinnt, denn so hält sich meine Enttäuschung bei Niederlagen und Siegen der jeweiligen Teams in Grenzen. Aber daß ich mit meiner schwarzmalerischen Annahme so oft richtig liegen würde, hätte ich auch nicht gedacht. Klar, man kann einwerfen, daß 1860 selber schuld wäre, denn alle anderen Vereine haben ihr Spiel gegen Düsseldorf gewonnen, bis auf die "Löwen", aber die Fortuna hätte sich schon ein bißchen mehr reinhängen und anstrengen können. Egal, auf alle Fälle geht es jetzt gegen Holstein Kiel, noch einmal mindestens drei Stunden Nervenkrieg und Psychoterror, die das Schlimmste befürchten lassen. Fan von 60 bin ich in den Neunzigern geworden, als sie von der dritten in die erste Liga durchmarschierten, aber seitdem ging es irgendwie fast nur noch bergab. Am Anfang der Saison war von der Meisterschaft in der 2.Liga die Rede, was man schon damals nicht wirklich ernst nehmen wollte und konnte. Jetzt wären die Münchner froh darüber, in der 2.Liga bleiben zu können.
Egal, genug ausgekotzt, kommen wir nun zu den erfreulicheren Tatsachen: Darmstadt 98 hat den Durchmarsch und damit den Aufstieg in die 1.Bundesliga geschafft. Herzlichen Glückwunsch! Karlsruhe kann es ebenfalls noch schaffen, auch wenn es gegen den HSV bestimmt nicht einfach werden wird. Mein Mitleid mit dem Viertplatzierten, dem 1.FC Kaiserslautern, hält sich dagegen in Grenzen und zwar aus folgenden Gründen: Ich mag die "Roten Teufel" grundsätzlich schon, aber die haben sich mal wieder dermaßen dämlich angestellt, daß sie den Aufstieg einfach nicht verdient haben. Ich könnte dafür unzählige Beispiele anbringen, aber wenn ich an die ganzen sinnlosen Unentschieden denke, bei denen der FC K leichtfertig den Sieg verspielte, dann wissen alle was ich meine. Vom völlig unnötigen 0:2 gegen den FC St. Pauli daheim auf dem Betzenberg ganz zu schweigen. Gut, was noch? Der FSV Frankfurt, Greuther Fürth und St. Pauli haben sich gerade noch so gerettet, diese Vereine können also tief durchatmen und darauf hoffen, daß es in der nächsten Saison wieder besser läuft. Düsseldorf, Braunschweig, Nürnberg und Leipzig werden ebenfalls alles daran setzen, im folgenden Jahr eine bessere Rolle zu spielen. Von oben kommen Freiburg und Paderborn, von unten Bielefeld und Duisburg, von daher wird alles ganz interessant werden. Aber für mich geht der ganze Spaß ja noch weiter. Auch für den KSC hege ich gewisse Sympathien, von daher werden die beiden, beziehungsweise insgesamt vier Relegationsspiele für mich noch einmal Schwerstarbeit. Selbstverständlich rechne ich wie immer mit dem Schlimmsten und das wäre in diesem Fall natürlich der Abstieg der Löwen, denn gegen Holstein Kiel haben sie in dieser Saison schon im DFB-Pokal gespielt und dort gewannen sie zwar mit 2:1, aber mehr als glücklich, sie wurden zeitweise förmlich an die Wand gespielt. Na ja, bleibt nur zu hoffen, daß es einfach einen qualitativen Unterschied zwischen dem Dritten der 2.Liga und dem Dritten der 3.Liga gibt, ansonsten können die Sechziger das Ganze von vornherein vergessen. Wenn man daran denkt, wie Bielefeld nach einem 3:1 Auswärtssieg in Darmstadt dann das Rückspiel noch vergeigte und eben jene Darmstädter spielen ab nächster Saison in der 1.Liga, dann weiß man jedenfalls Bescheid. Liebe Leute, diese 90 oder 95 Minuten heute waren für mich wahrlich kein Spaß. Karlsruhe ging gegen 1860 München früh in Führung, passenderweise durch ein Eigentor der "Löwen", im Abstiegskampf liegen halt die Nerven einfach blank. Keine Ahnung, ob ich das alles nervlich überstehe, diese Saison ging mir schon mehr als genug an die Substanz. Andererseits ist es natürlich aus meiner schriftstellerischen Sicht ein wunderbarer Zufall, daß in den Relegationsspielen Mannschaften antreten, die mir etwas bedeuten, denn da kann ich dann emotional alles voll rauslassen, was mich ankotzt, oder mich einfach mal freuen, auch wenn dabei die Objektivität sowie die Neutralität verständlicherweise auf der Strecke bleiben müssen.
Sicher abgestiegen sind also der VfR Aalen und Erzgebirge Aue, die beiden Mannschaften, die in der alphabetischen Reihenfolge der Zweitligisten ganz am Anfang stehen, beziehungsweise standen. Ich für meinen Teil brauche jetzt erst einmal eine Pause und dann melde ich mich zurück mit einem Überblick über die gesamte abgelaufene Saison, fast jeder Spieltag wird gnadenlos zerpflückt und zwischendrin gibt es dann natürlich die Spielberichte von den Relegationsspielen sowie vom DFB-Pokalfinale. Bis dahin!